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Archiv "Atherosklerose: Das Endothel vor dem „tödlichen Quintett“ schützen" (09.08.1999)

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ange Zeit hatte sich die Athero- sklerose-Forschung auf die ge- störte Regulation und gestei- gerte Proliferation der glatten Ge- fäßmuskelzellen konzentriert. Inzwi- schen ist jedoch evident, daß einem anderen Zellsystem der Gefäßwand eine ebenso entscheidende – wenn nicht bedeutendere – Rolle zufällt:

dem Endothel. Ad acta gelegt ist die alte Hypothese, daß das Endothel nur eine mechanische Barriere ist für die im Blut strömenden Zellen auf der ei- nen Seite sowie den glatten Muskel- zellen und Matrixproteinen auf der anderen Seite.

Das Endothel stellt vielmehr ein Organ dar, das komplexe Funktionen ausübt – wie die Sekretion von Stick- oxid (NO) zur Vasodilatation, von Endothelin zur Vasokonstriktion so- wie von Wachstumsfaktoren und che- motaktischen Faktoren, die struktu- relle Veränderungen der Gefäßwand induzieren. Sowohl die Regulation der gesunden als auch der kranken Gefäßwand wird durch die Endothel- zellen gesteuert.

Permeabilitätsstörungen

Laut Prof. Hermann Haller (Ber- lin) beeinflussen verschiedene Risiko- faktoren die Funktion des Endothels.

Dazu zählen in erster Linie Bluthoch- druck, hohe Glucosespiegel bei Dia- betes mellitus, erhöhte Blutfettwerte und das Rauchen. „Durch diese Fak- toren wird das Endothel durchlässig, klebrig und kann sich nicht mehr entspannen. Permeabilitätsstörungen sind daher das erste Zeichen, daß mit dem Endothel etwas nicht stimmt“, erklärte Haller auf dem Internationa- len Presseseminar über „Endothelial

Function and Atherosclerosis“ der Bayer AG in Osaka.

Als Folge davon lagern sich Leu- kozyten an das Endothel an und wan- dern in die Gefäßwand ein. Zusätzlich wird die natürliche Balance zwischen Stickoxid-vermittelter Gefäßerweite- rung und Endothelin-vermittelter Ge- fäßverengung zugunsten des Endo- thelins verschoben. Seine vasokon-

striktorische Kraft ist zehn- bis hun- dertfach stärker ausgeprägt als die von Angiotensin II.

„Die Veränderungen am Endo- thel beginnen – vor allem unter dem Einfluß von Risikofaktoren – bereits in jungen Jahren, wie Studien an Un- fallopfern im Alter zwischen 15 und 35 Jahren gezeigt haben. Sie verlaufen zwar in kleinen Schritten, über die Zeit aber werden sie für den Patienten gefährlich“, so Haller.

Nach Angaben von Prof. Thomas Lüscher (Zürich) repräsentiert das einlagige Endothel die größte funk- tionelle Einheit des Körpers. Er be- tonte, daß erhöhte LDL-Cholesterin- spiegel durch viele Mechanismen mit der Entstehung der Atherosklerose verknüpft sind. Krankheitsfördernd seien vor allem oxidierte LDL-Chole- sterin-Moleküle. „Natives LDL-Cho-

lesterin ist für den Organismus unge- fährlich, in oxidierter Form aber ist es in der Lage, das vom Endothel gebil- dete Stickoxid (NO) zu verbrauchen.

Dadurch wird die Eigenschaft der Ge- fäße, sich bei Bedarf zu erweitern, deutlich eingeschränkt“, erklärte Lü- scher. Oxidiertes LDL-Cholesterin besitze außerdem zytotoxische und chemotaktische Eigenschaften. Da- durch würden einerseits die Endothelzellen geschädigt und andererseits die Anlagerung von zirkulierenden Monozyten und Thrombozyten begünstigt.

Der Prozeß schreitet fort, indem sich die Monozyten in Makrophagen umwandeln, die oxidierte LDL-Partikel unkon- trolliert – über nicht steuerbare

„Scavanger-Rezeptoren“ – auf- nehmen können. Dort wird das LDL abgebaut, was zur Folge hat, daß sich die Zellen mit Fetttröpfchen anfüllen. Dabei entste- hen die sogenannten Schaumzellen, die sich unterhalb des noch intak- ten Endothels als Fettstreifen (fatty streaks) ansammeln. Diese Fettstrei- fen werden als Vorstufen der athero- genen Plaques angesehen.

Wie Lüscher berichtete, lassen sich Dysfunktionen des Endothels so- wohl im Koronarsystem als auch am Unterarm durch Infusionen mit Acetylcholin prüfen, denn Acetylcho- lin ist ein endothelabhängiger Vasodi- latator. „Risikopatienten mit Hyperto- nie und Hypercholesterinämie weisen daher im Vergleich zu gesunden Kon- trollpersonen eine deutlich reduzierte Gefäßerweiterung auf“, so Lüscher.

Demgegenüber reagieren sie unverän- dert auf das vasodilatierende Natrium- nitroprussid, da dieser Substanzeffekt nicht an das Endothel gebunden ist.! A-2011 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999 (27)

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Atherosklerose

Das Endothel vor dem

„tödlichen Quintett“ schützen

Kalziumantagonisten und Statine wirken in vielfältiger Weise auf die innere Zellschicht der Gefäße.

L

Eine eindrucksvolle Momentaufnahme: Zwei Monozyten „boh- ren“ sich in das Endothel hinein. Foto: Masuda und Ross

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Patienten mit Diabetes mellitus leiden besonders häufig (22 Prozent) unter Gefäßverkalkungen, Herzin- farkten und Schlaganfall, oft mit - tödlichem Ausgang. Wie Prof. Rury Holman (Oxford, Großbritannien) sagte, steigt nach den Daten der UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) das Risiko für eine Gefäßerkrankung

c um 15 Prozent für jede systoli- sche Blutdruckerhöhung um 10 mm Hg,c um elf Prozent für eine HbA1c- Erhöhung um ein Prozent,

c um 57 Prozent für jede LDL- Erhöhung um ein mmol/l.

c Demgegenüber nimmt das Ri- siko um 15 Prozent ab für jede HDL- Erhöhung um 0,1 mmol/l.

Holman nannte die Faktoren LDL, HDL, HbA1c, Bluthochdruck und Rauchen – und zwar in eben die- ser Reihenfolge –

als das „tödliche Quintett“ für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Er- krankungen. „Die UKPDS-Studie hat eindrucksvoll ge- zeigt, daß diabetes- bedingte Kompli- kationen bei kon- sequenter Senkung erhöhter Glucose- spiegel und Blut- druckwerte deut- lich reduziert wer- den“, so Holman.

Daß die zu- sätzliche Regulati- on erhöhter Cho- lesterinspiegel im Blut, wie epide-

miologische Studien beweisen, für die- se Patienten von Vorteil ist, soll die

„Lipids in Diabetes Study“ belegen, deren Resultate im Jahr 2005 erwartet werden. „Die Studie soll dazu beitra- gen, die Behandlung des Typ-2-Diabe- tes zu optimieren“, erklärte Holman.

Statine wirken auf das LDL-Rezeptor-Gen

Nach Angaben von Prof. Rudol- fo Paoletti (Mailand) kann die Ent- wicklung der Atherosklerose verhin- dert werden, wenn Patienten mit er-

höhten Blutfettwerten und Bluthoch- druck rechtzeitig identifiziert und behandelt werden. Dafür stehen un- terschiedliche Wirkstoffe zur Ver- fügung.

Kalziumantagonisten als Antihy- pertonika erweitern nicht nur die Ge- fäße, sondern beeinflussen die zel- lulären Interaktionen zwischen En- dothel, glatten Muskelzellen, Mono- zyten und Thrombozyten – also die frühe Phase der Atherosklerose-Ent- wicklung. „Das hat die INTACT-Stu- die eindeutig gezeigt“, erklärte Haller.

„In fortgeschrittenen Stadien, wenn die Matrix bereits proliferiert ist, ist ihr protektives Potential jedoch ge- ring“, so Haller, der sich für eine früh- zeitige Therapie von Risikopatienten aussprach.

Dyslipidämien werden heute mit Statinen und Fibraten behandelt, je-

doch könnte in Zukunft die Mole- kuarbiologie eine weitere Therapie- möglichkeit bieten, erklärte Prof.

Jean-Charles Fruchart (Lille, Frank- reich). Auch die Behandlung mit Sta- tinen sei als eine Art Gentherapie an- zusehen, da diese Wirkstoffgruppe die Cholesterinbildung in den Zellen hemmt und auf das LDL-Rezeptor- Gen einwirkt.

Paoletti erläuterte, daß die Stati- ne neben der Hemmung der HMG- CoA-Reduktase – dem Schlüsselen- zym der Cholesterinbildung – vielfäl- tige andere Eigenschaften besitzen:

Sie wirken gegen Moleküle, die Leu-

kozyten an der Gefäßwand binden (Selektine), verringern die Ischämie im Herzmuskel, reduzieren die Plätt- chenaggregation und wirken der Thrombose entgegen, indem sie die Aktivität des Gewebsplasminogen- Aktivators (t-PA) ergänzen.

Funktionsprüfung mit Acetylcholin

Ob der langwirkende Kalzium- antagonist Nifedipin (Adalat®) und der Lipidsenker Cerivastatin (Lipo- bay®) synergistisch auf die Endothel- funktion der Herzkranzgefäße wir- ken, untersucht derzeit die zweiarmi- ge Studie ENCORE (Evaluation of Nifedipine and Cerivastatin On Re- covery of Endothelial Function).

In ENCORE I werden vier Gruppen von je 100 Patienten ein halbes Jahr lang mit Nifedipin, Cerivastatin, einer Kombination von beiden Substanzen oder Plazebo be- handelt. Vor Beginn und nach Ende der Studie wird ein Acetylcholin-Test Auskunft über den Zustand des Koronarendothels geben: Denn wie von Lüscher beschrieben, reagieren gesunde Gefäße auf Infusion von Acetylcholin mit einer Dilata- tion; ist das Endothel bereits an- gegriffen, kommt es zur paradoxen Konstriktion.

ENCORE II untersucht nur zwei Therapiegruppen mit je 200 Pa- tienten, von denen die eine mit Ce- rivastatin und die andere mit Ce- rivastatin plus Nifedipin behandelt wird. Dieser Studienarm wird zwei Jahre dauern, um auch die struk- turellen Veränderungen der Gefäß- wand zu erfassen. Diese sollen mit Hilfe der quantitativen Koronaran- giographie sowie intravaskulärer Ul- traschalluntersuchungen (IVUS) er- faßt werden.

Mit dieser Technik lassen sich Querschnittsbilder von der Gefäßwand erstellen, auf denen auch frühe athe- rosklerotische Plaques nachweisbar sind, die von der Angiographie noch nicht erfaßt werden. Da IVUS und Acetylcholin-Test im selben Gefäßab- schnitt vorgenommen werden, lassen sich Endothelfunktion und Wandstruk- tur der Koronararterie exakt korrelie- ren. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn A-2012

P O L I T I K

(28) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 31–32, 9. August 1999 MEDIZINREPORT

Die Vorstellung darüber, welche Mechanismen und Faktoren die Entstehung der Atherosklerose begünstigen – im Bild ein schematischer Querschnitt durch ein betroffenes Gefäß – hat in den letzten Jahren zwar an Gestalt gewonnen. Den- noch ist das Puzzle nicht endgültig gelöst. Foto: Bayer AG

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