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ie gesundheitspolitische Entwick- lung, bestimmte Erkrankungen nur noch an ausgewählten Zen- tren behandeln zu lassen, ist derzeit ein Thema zahlreicher Kongresse – so auch auf einem internationalen Symposium der Chirurgischen Universitätsklinik Mannheim über die Zukunft der Pank- reaschirurgie.Prof. John L. Cameron vom Johns Hopkins Medical Center in Baltimore berichtete über die in den USA be- reits vollzogene Entwicklung zu „High- Volume“-Zentren mit hohen Fallzah- len. In den 80er-Jahren waren Pankreas- eingriffe in Maryland über alle Ver- sorgungsstufen verteilt – allerdings mit unbefriedigenden Ergebnissen: denn die 30-Tage-Mortalität lag bei über 15 Prozent. Die Hälfte der Pankreasresek- tionen wurde in Häusern mit weniger als 20 Resektionen jährlich durchge- führt, der Aufenthalt auf Intensivstati- on und folglich auch die Ko-
sten waren bei diesen Fällen signifikant erhöht im Ver- gleich zum Johns Hopkins
„High-Volume-Center“.
Hinsichtlich der Diskus- sion zur Fallbelastung („case- load“) stellte Cameron fest, dass Chirurgen mit niedrigen Fallzahlen (unter zehn Resek- tionen pro Jahr), die aber in einem „High-Volume“-Zen- trum arbeiten, dennoch gleich gute Ergebnisse hinsichtlich Mortalität und Morbidität er- zielen wie Chirurgen mit ho- her Fallzahl. Erklärt wird dies durch das erfahrenere inter- disziplinäre Team in einem großen Zentrum.Aktuell wer- den nahezu 90 Prozent aller Pankreaseingriffe in Mary-
land am Johns Hopkins Medical Center durchgeführt.
Demgegenüber plädierte Priv-Doz.
Dr. Bernhardt Rumstadt (Diakoniekran- kenhaus Mannheim) dafür, dass auch kleine oder regionale Krankenhäuser in Zukunft Pankreaschirurgie betreiben sollten, wenn der Chirurg über die ent- sprechende Expertise verfüge. Auch ein
„Low-Volume-Center“ hinsichtlich der Operationsfrequenz an Pankreasein- griffen könne sehr gute postoperative Ergebnisse in Bezug auf Mortalität und Morbidität erreichen. Diese lägen im Diakoniekrankenhaus Mannheim bei 2,4 respektive zwölf Prozent. Nach sei- ner Ansicht haben viele Patienten ge- wachsene Bindungen und großes Ver- trauen in lokale Häuser und folglich den Wunsch, dort operiert zu werden.
Nach Angaben von Dr. Klaus Peter Thiele (Düsseldorf) vom Kompetenznetz Onkologie des Medizinischen Dienstes
der Krankenkassen Nordrhein, sollte bei Malignomoperationen aufgrund derzeitiger Ergebnisse den „High-Vol- ume-Centern“ der Vorzug gegegeben werden. Er verwies auf die Ergebnisse der amerikanischen Medicare-Analyse von Birkmeyer (N Engl J Med 2002;
346: 1128–1137) und Traverso (Am J Surg 1996; 171: 508–511) sowie auf eige- ne Zahlen aus Nordrhein. Dabei ist un- ter „high-volume“ jedes Haus mit mehr als zwölf Pankreaseingriffen im Jahr zu verstehen.
Keine andere Anastomose ist so gefürchtet und unmittelbar mit dem Schicksal des Patienten verbunden wie die pankreat(ik)o-enterale, sagte Prof.
Hans-Detlev Saeger (Dresden) und gab eine Übersicht zu aktuellen Ergebnis- sen, von der zweireihigen Teleskop- Anastomose bis hin zur fibringeklebten Anastomose. Ein Vergleich der Da- ten sei nur marginal möglich, da die meisten Untersuchungen unizentrisch- retrospektiv durchgeführt wurden und Anastomoseninsuffizienzen nur unein- heitlich definiert seien.
Insulinregulation verbessert
Über Fortschritte bei der kombinierten Pankreas-Nieren-Transplantation infor- mierte Prof. Ulrich T. Hopt (Freiburg).
Hier seien die Ergebnisse hinsichtlich Transplantatüberleben und Insulinre- gulation in den letzten Jahren deutlich verbessert worden durch den Wechsel von der systemischen zur portal-venö- sen Drainage und von der ve- sicalen zur enteralen Pank- reasdrainage. Ferner konnten rezidivierende Harnwegsin- fekte und Pankreatitiden durch dieses Vorgehen signi- fikant gesenkt werden. Die unbefriedigenden Langzeit- ergebnisse der Vergangen- heit sind vor allem Aus- druck der schlechten Selek- tion von Typ-1-Diabetikern mit bereits vorhandenen Or- gankomplikationen.
Unter dem Titel „Surgery alone is not enough“ und mit der Forderung nach einer 50- prozentigen Fünf-Jahres-Über- M E D I Z I N R E P O R T
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A1948 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 272. Juli 2004
Pankreas-Chirurgie
Neue Techniken und adjuvante Therapie
Neben medizinisch-wissenschaftlichen Fragen nehmen die Chirurgen Stellung zu gesundheitspolitischen Entwicklungen.
´ TabelleCC´
Pilotstudie zur adjuvanten Therapie nach Pankreasresektion UICC Stadium I / II / III / IVa 1 %/12 %/72 %/14 %
N+ 84 %
Strahlen-/Chemotherapie beendet 100 % Hospitalisierung wegen Komplikationen* 42 %
Therapieverzögerung* 70 %
Mortalität adjuvanter Therapie –
Follow-up (Monate,) 31,9 ( 24,6)
Medianes Überleben (Monate) 61 Fünf-Jahres-Überlebensrate 55 %
* der adjuvanten Therapie
Staging und Verlauf unter adjuvanter Therapie des kurativ rese- zierten duktalen Pankreaskarzinoms (n = 43) mit 5-FU, Cisplatin, Interferon- und Radiatio (45–54 Gy): Phase-II-Pilotstudie der Seattle-Gruppe (Virginia Mason Medical Center, Seattle, USA)
lebensrate stellte Prof. William Tra- verso (Virginia Mason Medical Center, Seattle) die Ergebnisse seiner Pilotstu- die vor. Unter dem postoperativen Re- gime mit 5-FU, Cisplatin, Interferon- und einer Radiatio (45 bis 54 Gy) konnte die Gruppe eine Fünf-Jah- res-Überlebenrate von 55 Prozent bei einer medianen Überlebens- zeit von 61 Monaten erreichen.
Noch mehr beeindrucken diese Zahlen vor dem Hintergrund von 84 Prozent nodal positi- ven Fällen in dieser Studie.
Allerdings mussten infolge der aggressiven Nachbehand- lung 42 Prozent der Patienten
aufgrund von Chemotherapiekomplika- tionen stationär aufgenommen werden, jedoch ist kein Patient an Komplikatio- nen verstorben (Am J Surg 2003; 185:
476–480). Dieses Protokoll soll in einer prospektiv, kontrolliert-randomisierten Studie in den USA überprüft werden.
Die Zukunft sieht Traverso in einer
„radikaleren“ adjuvanten Therapie und nicht in einer radikaleren Chirurgie.
Einen hohen Stellenwert für mehr postoperative Lebensqualität misst er dem Pyloruserhalt zu, dessen „Wieder- entdecker“ er zusammen mit Longmire (Los Angeles) war. Der Pyloruserhalt, im Gegensatz zur distalen Magenre-
sektion beim klassischen Whipple, wird unter der Vor- stellung einer physiologische- ren Nahrungspassage durch- geführt (Abbildung). Dass das Pankreaskarzinom immer noch eine unheilbare Erkran- kung ist, belegte Prof. Michael Tre- de (Mannheim) mit statistischen Da- ten, die seit 1972 in Mannheim erhoben werden. Danach versterben auch Patien- ten mit Frühkarzinomen (pT1N0M0) nach weit mehr als zehn Jahren an ihrem Tumorleiden. Dennoch profitierte auch zukünftig eine Vielzahl der Patienten von dem Eingriff: wenn der Tumor klein ist (pT1/2N0M0), die Resektionsränder negativ sind (R0), wenn eine Palliation erreicht werden kann oder sich letztlich der Tumor nicht als duktales Adenokar- zinom herausstellt.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Marco Niedergethmann Chirurgische Universitätsklinik Universitätsklinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer, 68135 Mannheim Fax: 06 21/3 83 38 09
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A1950 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 272. Juli 2004
Zwei Forschergruppen in den USA ha- ben Mäusemodelle des Pankreaskarzi- noms entwickelt. Daran knüpft sich die Hoffnung, Fortschritte bei einer Karzi- nomform zu erzielen, bei der die Fünf- Jahres-Überlebensrate unter fünf Pro- zent liegt. Die schlechte Prognose ist darauf zurückzuführen, dass der Tumor bei der Diagnose in der Regel metasta- siert ist. Einige Experten vertreten sogar die Meinung, dass Langzeitüber- lebende nicht an einem echten dukta- len Pankreaskarzinom erkrankt sein können. Ein Mäusemodell könnte den Weg zu einer frühzeitgen Diagnose weisen.
In „Genes and Development“
(15. 12. 2003) beschreibt die Arbeits- gruppe um Ronald DePinho vom Da- na-Farber Cancer Institute in Boston ein solches Modell. Die Forscher inte- grierten eine mutierte Version des Gens KRAS in das Genom der Mäuse. KRAS gehört zu den Onkogenen, die beim
Pankreaskarzinom eine Rolle spielen.
Außerdem wurde bei den Tieren ein Tu- morsuppressorgen (INK4a/Arf) ausge- schaltet. Die Tiere entwickeln daraufhin duktale Pankreaskarzinome, an denen sie nach kurzer Zeit sterben. Einen ähn- lichen Effekt erzielte die Arbeitsgruppe um David Tuveson von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia, die den Tieren ebenfalls eine mutierte Ver- sion des KRAS-Gens ins Genom inte- grierte.
Dass es möglich ist, durch Genmani- pulationen den Tumor auszulösen, be- deutet indes nicht, dass das Pankreas- karzinom erblich ist. Die meisten Tu- moren sind sporadisch. Die Genverän- derungen sind sekundäre Folge einer Einwirkung von krebsauslösenden Stof- fen, über deren Natur allerdings erst wenig bekannt ist. Einziger etablierter Risikofaktor ist das Rauchen. Disku- tiert wird noch ein Einfluss der Er- nährung.Vielleicht ist es aber auch ein-
fach der Zufall, der im Alter bei eini- gen Menschen häufiger als bei anderen zu Mutationen in den Genen der Pank- reasgangzellen führt.
Experten diskutieren eine ähnliche Pathogenese wie beim kolorektalen Karzinom, wo Genfehler ebenfalls der Auslöser (aber nicht die letzte Ursache) der Erkrankung sind. Ähnlich wie beim Darmkrebs gibt es beim Pankreaskarzi- nom eine Vorläuferläsion. Dies ist die intraepitheliale Neoplasie (PanIN), ge- wissermaßen der „Polyp“ des Pankreas- ganges. Da dieser nicht per Endoskopie erreichbar ist, hoffen die Forscher auf andere Wege der Früherkennung. Eine Möglichkeit sind Tumormarker, die im Blut nachweisbar sind.
Männer und Frauen sind gleich häu- fig vom Pankreaskarzinom betroffen.
Das Erkrankungsalter liegt im Durch- schnitt bei 60 Jahren. Leider gibt es kein spezifisches Symptom, das rechtzeitig auf die Erkrankung hinweist. Gürtel- förmige Rückenschmerzen, das einzige Frühsymptom, werden meist anderen Ursachen zugeschrieben. Rüdiger Meyer Die Pankreas-Chirurgie gehört zu den schwie-
rigsten Eingriffen der Viszeralchirurgie. Dis- kutiert wird daher, ob sie Zentren mit hohen Operationszahlen vorbehalten sein sollte.
Erstes Mäusemodell des Pankreaskarzinoms
Abbildung:Marco Niedergethmann