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DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Verantwortlich: Claus Matecki, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Kontakt: carina.ortmann@dgb.de Abonnement für „klartext“ und „standpunkt“ unter: http://www.dgb.de/service/newsletter Nr. 40/2012 23. November 2012
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Steuern harmonisieren statt Rosinen für Reiche picken!
Gerade jetzt, da ganz Europa von wirtschaftlicher Re- zession bedroht ist, wird jeder Steuergroschen ge- braucht, um dem Absturz entgegen zu wirken. Höchste Zeit also, den unsinnigen Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern zu beenden und das Steuerrecht der Mitgliedstaaten einvernehmlich aufeinander abzu- stimmen.
Erst im Oktober feierte sich die Bundesregierung dafür, dass sie durch die Verdoppelung des Verlustrücktrags für Personengesellschaften und Selbstständige auf eine Million Euro mit dem französischen Steuerrecht gleich- zog. In der Gesetzesbegründung bekräftigte sie „ihren Willen zu einer Angleichung der europäischen Regelun- gen zur Unternehmensbesteuerung“. Die Firmen erhal- ten weitere Möglichkeiten, Gewinne klein zu rechnen und die Steuerlast zu minimieren. Das Steuersäckel wird jährlich um schätzungsweise 70 Millionen Euro erleich- tert.
Vier Wochen später: Wegen eines Urteils des Europäi- schen Gerichtshofes ist die Politik gefordert, eine un- gleiche steuerrechtliche Behandlung im Ausland ansäs- siger Kapitalgesellschaften gegenüber denen mit Sitz in Deutschland zu beenden. Konkret wurde beanstandet, dass die inländischen Gesellschaften im Gegensatz zu ausländischen die Möglichkeit hätten, die auf Streube- sitzdividenden (Dividenden aus Unternehmensanteilen von weniger als 10 Prozent) fällige Kapitalertragsteuer vollständig mit der Körperschaftsteuer zu verrechnen.
Das bedeutet faktisch Steuerfreiheit. Damit würden nach deutschem Recht im Ausland ansässige Gesell- schaften diskriminiert, was gegen die von der EU garan- tierte Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. In welcher Form die Diskriminierung zu beseitigen sei, gaben die Richter nicht vor.
Damit eröffnet sich für die Regierungskoalition eine weitere Möglichkeit zur Angleichung der europäischen Unternehmensbesteuerung. Im Gegensatz zum Oktober tut sich überdies die Chance auf, jährlich rund ein bis zwei Milliarden Euro Steuermehreinnahmen zu erzielen.
Denn: In Frankreich und einigen weiteren Staaten der EU existiert keine Steuerfreiheit für Dividenden aus Streubesitz. Deutschland müsste es diesen Staaten also einfach nur gleich tun.
Doch weit gefehlt. Der Gesetzentwurf von CDU/ CSU und FDP sieht vor, nun auch die im Ausland ansässigen Gesellschaften vollständig von der Steuer zu befreien.
Statt des möglichen Steuerplus’ droht nun ein Minus von etwa einer halben Milliarde Euro im Staatshaushalt.
Eine Angleichung steuerlicher Rahmenbedingungen ist für die Koalition offenbar nur dann angesagt, wenn sie den Reichen und Konzernen noch niedrigere Steuern beschert. Im Vergleich mit anderen großen Industriena- tionen zeigt sich aber, dass das Gegenteil nötig ist.
Denn Deutschland besteuert die Gewinne hiesiger Un- ternehmen unterdurchschnittlich (vgl. Grafik).
Abweichung der Steuerbelastung auf Unternehmensgewinne in großen Industriestaaten
gegenüber Deutschland 2011 in %
1,4 10,7
17,1 17,5
33,6 47,5
-2,1 Italien
Großbritannien Frankreich
Spanien Kanada
USA Japan
Quelle: von Wuntsch/ Bach; Wertorientierte Steuerplanung und Unternehmensführung in der globalen Wirtschaft, München 2012; eigene
Berechnungen