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2. Hintergrund: Klärschlämme aus der kommunalen Abwasserbehandlung und ihre Entsorgung

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Academic year: 2021

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Rechtlicher Rahmen

Sewage Sludge Incineration Plants and EU-ETS

Stefan Kopp-Assenmacher and Moritz Grunow

The amendment of the Waste Framework Directive has, inter alia, led to the specification of waste-law definitions including a legal definition of municipal waste. Hence sewage sludge is no longer subject to the legal definition of municipal waste. This raised the question at the end of 2018 as to whether and to what extent sewage sludge incineration plants are now subject to the EU-ETS and thus have to prepare for the forthcoming fourth trading period of the EU-ETS. The article examines this question as well as the developments since 2018 and exposes why sewage sludge incinerators legally still do not need to be participants in EU-ETS.

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Rechtlicher Rahmen

Klärschlammverbrennungsanlagen und EU-Emissionshandel

Stefan Kopp-Assenmacher und Moritz Grunow

1. Novellierung der AbfRRL und nationale Rechtslage nach TEHG ...82

2. Hintergrund: Klärschlämme aus der kommunalen Abwasserbehandlung und ihre Entsorgung ...83

2.1. Klärschlamm als biologisch abbaubarer Stoff / biogener Abfall ...83

2.2. Klärschlammentsorgung in Deutschland ...84

3. Rechtsgrundlagen des Emissionshandels ...84

3.1. Umsetzung durch das TEHG ...85

3.2. Emissionsberichterstattung laut Monitoring-Verordnung: Emissionsfaktor für Biomasse / biologisch abbaubare Abfälle gleich Null ...85

4. Ausnahme von Anlagen zur Verfeuerung von Biomasse vom Anwendungsbereich des TEHG (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG) ...88

5. Ausnahme von Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen vom Anwendungsbereich des TEHG (§ 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG) ...89

5.1. Rechtliche Entwicklung ...89

5.2. Der Begriff des Siedlungsabfalls im Emissionshandelsrecht ...90

6. Zielkonflikt bei Zugrundelegung der Siedlungsabfall-Definition aus der fortgeschriebenen AbfRRL ...91

7. Keine Pflicht zum Gold plating durch vermeintlich (Abfallrahmen-)richtlinienkonforme Auslegung ...91

8. Klarstellung durch EU-Kommission im Frühjahr 2019 ...92

9. Zusammenfassung der Ergebnisse ...92 Die Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie (AbfRRL) 1 hat unter anderem auch zur Kon- kretisierung abfallrechtlicher Begriffsbestimmungen geführt. So wurde etwa der Begriff des Siedlungsabfalls erstmals legaldefiniert. Dabei unterfällt Klärschlamm nicht mehr der gesetzlichen Definition von Siedlungsabfällen. Dies warf Ende 2018 die Frage auf,

1 Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Auf- hebung bestimmter Richtlinien (ABl.EU Nr. L 312, S. 3), zuletzt geändert durch Art. 1 Änderungs-Richtlinie (EU) 2018/851 v. 30.05.2018 (ABl.EU Nr. L 150, S. 109)

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Rechtlicher Rahmen

ob und inwieweit Anlagen zur Klärschlammverbrennung nunmehr dem Emissions- handelsrecht unterliegen und sich insofern auf die anstehende 4. Handelsperiode vorbereiten müssten. Der Beitrag geht dieser Frage und auch den zwischenzeitlichen Entwicklungen nach und begründet juristisch, warum Klärschlammverbrennungs- anlagen zurecht weiterhin nicht Teilnehmer des Emissionshandelssystems zu sein brauchen, wie die EU-Kommission zwischenzeitlich bestätigt hat.

1. Novellierung der AbfRRL und nationale Rechtslage nach TEHG

Anlass der Diskussion um eine potentielle Emissionshandelspflichtigkeit von Abfall- verbrennungsanlagen zur thermischen Klärschlammbehandlung gab die neu einge- führte Definition des Begriffs Siedlungsabfall in Art. 3 Nr. 2b der geänderten AbfRRL.

Klärschlämme werden von dieser Definition nicht erfasst. Die Begriffsbestimmung lautet in den hier interessierenden Auszügen wie folgt:

Art. 3 Begriffsbestimmungen. Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck […]

2b. Siedlungsabfall

gemischte Abfälle und getrennt gesammelte Abfälle aus Haushalten, […];

gemischte Abfälle und getrennt gesammelte Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen, […];

Siedlungsabfall umfasst keine Abfälle aus […] Klärgruben, Kanalisation und Klär- anlagen, einschließlich Klärschlämme […].

Klärschlämme gelten also ausdrücklich nicht als Siedlungsabfälle i.S.d. fortgeschrie- benen europäischen Abfallrechts, das bis zum 05.07.2020 in das nationale Abfallrecht zu transformieren ist (Art. 2 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2018/851). Der Richtliniengeber wollte die Definition des Begriffs Siedlungsabfälle in der AbfRRL angleichen an den Begriffsinhalt, den EUROSTAT für statistische Erhebungen verwendet. So wird es in Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 2018/851/EU (ÄnderungsRL zur AbfRRL) detail- liert erläutert.

Die rechtliche Dimension dieser Änderung entsteht durch § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG 2. Danach gilt das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) nicht für solche Abfall- verbrennungsanlagen, die Siedlungsabfälle (oder aber gefährliche Abfälle) verbrennen.

In der Vergangenheit galt die Ausnahme für die Verbrennung von Siedlungsabfällen nach gängigem Verständnis auch für Klärschlamm als biogenen Abfall. Wenn Klär- schlämme i.S.d. europäischen Abfallrechts allerdings keine Siedlungsabfälle mehr sind, dann stellt sich die Frage, ob die Verbrennung von Klärschlamm künftig als emissionshandelspflichtige Tätigkeit zu werten ist.

2 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz vom 21. Juli 2011 (BGBl. I S. 1475), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Januar 2019 (BGBl. I S. 37) geändert worden ist (TEHG).

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Rechtlicher Rahmen

In einer ersten Auskunft hierzu von Mitte November 2018 befand das Bundesminis- terium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), Referat WR II 4 B – Bewirtschaftung von Siedlungsabfällen, dass Klärschlamm gemäß der Definition aus der novellierten Abfallrahmenrichtlinie von 2018 nicht zu den Siedlungsabfällen gehört und seine Verbrennung damit dem Emissionshandel unterfalle 3. Damit stellte sich die Frage, ob der bisherige Status quo – also die Ausnahme der Klärschlammverbrennung vom Anwendungsbereich des Emissionshandelsregimes – in der 4. Handelsperiode des Emissionshandel ab 2021 fortgeführt werden kann.

2. Hintergrund: Klärschlämme aus der kommunalen Abwasserbehandlung und ihre Entsorgung

Für die Klärung der Frage der Emissionshandelspflichtigkeit von Klärschlammver- brennungsanlagen bedarf es zunächst einer stofflichen Darstellung und Einordnung von Klärschlamm als Abfall mit biogenen Anteilen und seiner Entsorgung, die in Deutschland überwiegend in Form der thermischen Behandlung erfolgt. Denn das Emissionshandelsregime ist grundsätzlich weniger an Stoffen mit hohem biogenen Anteil interessiert, da ihre Verbrennung keinen signifikanten Einfluss auf die CO2- Bilanz hat.

2.1. Klärschlamm als biologisch abbaubarer Stoff / biogener Abfall

Bei der Behandlung der im täglichen Gebrauch verwendeten Wassermengen in den kommunalen Klärwerken werden beim Klärprozess die im Abwasser befindlichen Feststoffe zu einer schlammartigen Masse konzentriert, dem Klärschlamm. Laut Statis- tischem Bundesamt fielen allein im Kalenderjahr 2015 etwa 1,8 Millionen Tonnen Klär- schlamm / Trockenmassesubstanz aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen an 4. Kommunale Klärschlämme werden in der Regel gemäß Abfallverzeichnisverordnung dem Abfallschlüssel 19 08 05 Schlämme aus der Behandlung von kommunalem Abwasser zugeordnet. Klärschlamm ist nach § 2 Abs. 1 Klärschlammverordnung (AbfKlärV) 5 rechtlich definiert als […] ein Abfall aus der abgeschlossenen Behandlung von Abwasser in Abwasserbehandlungsanlagen, der aus Wasser sowie aus organischen und minerali- schen Stoffen […] besteht […].

Klärschlamm ist zwar nicht gleichzusetzen mit Bioabfall i.S.v. § 3 Abs. 7 KrWG 6; das folgt bereits aus § 11 KrWG, der zwischen Bioabfällen einerseits und Klärschlämmen an- dererseits unterscheidet, bei Klärschlamm handelt es sich allerdings um einen Abfall mit

3 EUWID Recycling und Entsorgung Nr. 48/2018, Seite 1.

4 Statistisches Bundesamt DESTATIS, Umwelt Abwasserbehandlung – Klärschlamm Tabellenband 2015/2016 (Stand: 13.07.2018).

5 Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost (Klär- schlammverordnung – AbfKlärV) vom 27.09.2017 (BGBl. I S. 3465).

6 Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 9 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist (KrWG).

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Rechtlicher Rahmen

biogenen Anteilen bzw. einen biologisch abbaubaren Stoff. Laut dem Umweltbundes- amt ist beim Einsatz von kommunalen Klärschlamm davon auszugehen, dass der biogene Anteil bei > 97 % liegt 7. Damit geht einher, dass bei der Verbrennung von Klärschlamm in Anlagen ausschließlich solches CO2 freigesetzt wird, das zuvor im Rahmen des Stoffkreislaufs in diesen gebunden worden ist 8.

2.2. Klärschlammentsorgung in Deutschland

Klärschlamm aus der Behandlung von kommunalem Abwasser ist – wie jeder Ab- fall – ordnungsgemäß, d.h. insbesondere im Einklang mit den einschlägigen ab- fallrechtlichen Vorgaben, zu entsorgen. Einschlägige Vorgaben hierzu enthält die AbfKlärV.

Der Rechtsrahmen für die Klärschlammentsorgung ist 2017 mit der Novelle der Abf- KlärV geändert worden. Nach den Verordnungsbestimmungen sind Klärschlämme aus Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100.000 Einwoh- nerwerten spätestens am 01.01.2029 und Klärschlämme aus Abwasserbehandlungs- anlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 50.000 Einwohnerwerten spätestens am 01.01.2032 dem Phosphorrecycling, d.h. einer Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors zuzuführen. Die gestaffelten Übergangsfristen gehen mit einem Verbot der bodenbezogenen Klärschlammverwertung einher.

Etwa zwei Drittel (64 %) des gesamten Klärschlammaufkommens werden im bundes- weiten Durchschnitt bereits jetzt thermisch verwertet (Stand: 2015 9) und zwar entweder in Monoklärschlammverbrennungsanlagen oder als Mitverbrennung beispielsweise in Kohlekraftwerken oder Zementwerken. Geringere Anteile gehen – mit regionalen Unterschieden – in die landwirtschaftliche Ausbringung bzw. die sonstige bodenbe- zogene Nutzung (Landschaftsbau, Rekultivierung von Flächen). Bei der thermischen Behandlung von Klärschlamm werden schädliche organische Inhaltsstoffe und Krank- heitserreger zerstört und die zu entsorgende Menge reduziert. Die Monoverbrennung von Klärschlamm bietet dabei die Möglichkeit, enthaltene Rohstoffe (Phosphor) zurückzugewinnen.

3. Rechtsgrundlagen des Emissionshandels

Für eine zutreffende Einordnung der Klärschlammverbrennung in das Emissionshan- delsrecht ist grundlegend, dass es sich beim Emissionshandelsrecht rechtssystematisch um spezielles Klimaschutzrecht mit Bezügen zum Immissionsschutzrecht handelt.

7 UBA-Wiki, https://wiki.prtr.bund.de/wiki/Emissionsfaktoren.

8 Gernandt, in: Elspas/Salje/Stewing (Hrsg.), Emissionshandel, 1. Aufl. 2006, S. 705 Rn. 87.

9 DESTATIS 2016, Pressemitteilung 446/16 vom 12.12.2016.

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Rechtlicher Rahmen

Die Emissionshandels-Richtlinie (EH-RL5 10) sieht vor, dass der Betrieb von bestimm- ten Anlagen im Hinblick auf die Emission von Treibhausgasen (CO2, vereinzelt auch von perfluorierten Kohlenwasserstoffen und von Distickstoffoxid), einem System zum Handel mit Emissionszertifikaten unterworfen wird. Diesem liegt das Cap and trade-Modell zugrunde, das eine feste Gesamtmenge vorsieht und diese Gesamtmenge sodann dem freien Handel unterstellt.

3.1. Umsetzung durch das TEHG

In Deutschland werden die periodenübergreifenden Kernregelungen der EH-RL im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG 11) umgesetzt. Das TEHG sieht vor, dass bei bestimmten immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen eine Emission von Treibhausgasen (CO2) nur zulässig ist, wenn der Betreiber über eine ent- sprechende Anzahl von Berechtigungen i.S.d. § 7 TEHG verfügt und sie zur Löschung an die zuständige Behörde abgibt. Die Berechtigungen werden z.T. kostenlos zugeteilt, z.T. versteigert und können zudem ge- und auch verkauft werden. Der Gesamtumfang der handelbaren Zertifikate, ihre Zuteilung sowie die dabei anzulegenden Kriterien sind im Rahmen Nationaler Allokationspläne (NAP) festzulegen. Die auf Grundlage der NAP zuzuteilenden Zertifikate beziehen sich jeweils auf mehrere Jahre. Die laufende 3. Zuteilungsperiode erstreckt sich über den Zeitraum von 2013 bis 2020. 2021 beginnt die neue 4. Handelsperiode.

Anknüpfungspunkt für Pflichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 TEHG jede Tätigkeit i.S.d.

Anhang 1 zum TEHG. Darunter fällt in erster Linie der Betrieb von Verbrennungs- anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von über 20 MW. Diese bedürfen gemäß

§ 4 Abs. 1 TEHG zur Freisetzung von Treibhausgasen einer Genehmigung. Für den Anlagenbetreiber besteht überdies die Kardinalpflicht gemäß § 7 Abs. 1 TEHG, jährlich eine Anzahl an Emissionsberechtigungen abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht.

3.2. Emissionsberichterstattung laut Monitoring-Verordnung:

Emissionsfaktor für Biomasse / biologisch abbaubare Abfälle gleich Null

Die Bereichsausnahme, die § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG eröffnet, erschließt sich am ehesten über einen Blick in die Verordnung (EU) Nr. 601/2012 (im Folgenden: Monitoring- Verordnung 12). Um eine Erlaubnis zum Ausstoß von Treibhausgasen nach § 4 Abs. 1 TEHG zu erhalten, muss ein Anlagenbetreiber seine Emissionen überwachen können

10 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifkaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EG 2003 Nr. L 275/32.

11 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz vom 21. Juli 2011 (BGBl. I S. 1475), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Januar 2019 (BGBl. I S. 37) geändert worden ist (TEHG).

12 Verordnung (EU) Nr. 601/2012 der Kommission vom 21. Juni 2012 über die Überwachung von und die Bericht- erstattung über Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. EU 2012 Nr. L 181/30). Die Verordnung wird für den ab 1.1.2021 geltenden Handelszeitraum ersetzt durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/2066.

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Rechtlicher Rahmen

und darüber Bericht erstatten. § 5 TEHG statuiert eine Pflicht zur Emissionsbericht- erstattung. Um das Überwachungssystem EU-weit zu vereinheitlichen, gelten seit 2013 harmonisierte Bestimmungen in Form der Monitoring-Verordnung (EU) Nr. 601/2012 für die Ermittlung von Emissionsdaten.

Die Monitoring-Verordnung (EU) Nr. 601/2012 enthält in Art. 3 Nr. 20 eine Begriffs- bestimmung für Biomasse, die mit einem Emissionsfaktor von 0 in die Berechnungen für die Berichterstattung einfließt, Art. 38 Abs. 2 VO (EU) 601/2012: Der Emissions- faktor für Biomasse beträgt Null.

Das bedeutet, dass bei der Bilanzierung im Rahmen des Emissionshandels CO2- Emissionen aus Biomasse nicht angerechnet werden, so dass für diese auch keine CO2-Zertifikate benötigt werden (damit korrespondiert die Tatbestandsausnahme in

§ 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG). Denn bei biologisch abbaubaren Stoffen würde das im Stoff gebundene CO2 auch durch den natürlichen Abbauprozess wieder freigesetzt werden.

Wäre Klärschlamm also unter den Begriff der Biomasse i.S.d. Art. 3 Nr. 20 der Monito- ring-Verordnung / § 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG zu fassen, dann wäre es ein systemimmanenter Widerspruch, würde man die Verbrennung von Klärschlamm dem Emissionshandel unterwerfen wollen.

Gemäß Art. 3 Nr. 20 VO (EU) 601/2012 ist Biomasse u.a.

[…] der biologisch abbaubare Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten […].

Wie vorstehend unter Kap. 2.1. dargestellt, handelt es sich bei Klärschlamm um einen Abfall mit biogenen Anteilen bzw. einen biologisch abbaubaren Stoff, wie die EU-Kom- mission bestätigt hat 13. Die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 20 VO (EU) 601/2012 legt insoweit den Schluss nahe, dass es sich bei Klärschlamm um Biomasse i.S.d. Monitoring- Verordnung handelt, so dass ein Emissionsfaktor von Null zuzumessen ist. Tatsächlich wird in den amtlichen Leitlinien der EU-Kommission zu der Monitoring-Verordnung über Biomasse mit Stand 27.11.2017 14 Klärschlamm (sewage sludge) im Anhang unter der Überschrift List of biomass materials als Biomasse i.S.d. Monitoring-Verordnung genannt. Im Einzelnen heißt es dort wie folgt:

7 Annex

7.1 List of biomass materials […]

7.1.2 Biomass materials

Note: The following list is based on MRG 2007 [Monitoring and Reporting Guidelines, EU-KOM 2007/589/EG] and has been updated only in few cases. […]

13 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über künftige Schritte bei der Bewirtschaftung von Bioabfällen in der Europäischen Union, KOM(2010)235, endg., Seite 2:

Bioabfall […] ist nicht mit dem weiter gefassten Begriff biologisch abbaubare Abfälle zu verwechseln, der auch andere biologisch abbaubare Stoffe wie Holz, Papier, Pappe und Klärschlamm einschließt.

14 Europäische Kommission, Guidance Document Biomass issues in the EU ETS, MRR Guidance document No. 3, Updated Version of 27. November 2017.

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Rechtlicher Rahmen

Group 1: Plants and parts of plants […]

Group 2: Biomass wastes, products and residues […]

sewage sludge; […]. 15

Dass CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Klärschlamm als biogenem Brennstoff in der Überwachung von und Berichterstattung über Treibhausgasemissionen nicht angerechnet werden, findet sich als Befund einer Literaturrecherche zu biogenen An- teilen und Heizwerten in Klärschlamm bestätigt 16.

Schließlich findet sich dieses Verständnis von Klärschlamm als einem CO2-neutralen, biogenen Brennstoff auch in der Genehmigungspraxis für neue Klärschlammver- brennungsanlagen wieder, wie zwei ausgewählte, aktuelle Beispiele zeigen sollen. Mit den Worten des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt (LVwA LSA) in einem immissionsschutzrechtlichen Teilgenehmigungsbescheid für die Errichtung einer Klärschlammverbrennungsanlage vom 05.02.2018:

Emission klimarelevanter Gase im bestimmungsgemäßen Betrieb

Wie bei allen Verbrennungsprozessen werden auch bei der Klärschlammverbrennung Treibhausgase emittiert. Dazu zählt insbesondere CO2, welches bei der Verbrennung von in den Klärschlämmen enthaltenem Kohlenstoff freigesetzt wird. Im Gegensatz zu Energieerzeugungsanlagen, welche ausschließlich fossile Energieträger und damit in der Erdkruste festgelegte Kohlenstoffträger verbrennen, stammen die im Klärschlamm enthaltenen organischen Stoffe nahezu vollständig aus der CO2-verbrauchenden Bio- sphäre, so dass deren Verbrennung als CO2-neutral anzusehen ist. 17

Und die Bezirksregierung Münster (Nordrhein-Westfalen) führt in einem immissions- schutzrechtlichen Genehmigungsbescheid für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage vom 19.12.2017 aus:

Durch die Verbrennung wird Kohlendioxid freigesetzt. Der verbrannte Klärschlamm besteht überwiegend aus biologischen Materialien, die das CO2 nur kurzfristig gespei- chert haben, welches auch durch andere Behandlungen oder durch Abbauprozesse wieder freiwerden würde. 18

15 Europäische Kommission, Guidance Document Biomass issues in the EU ETS, MRR Guidance document No. 3, Updated Version of 27.11.2017, Seite 21.

16 Flamme, Bericht über die Literaturrecherche zu biogenen Anteilen und Heizwerten in Altholz und Klärschlamm (Stand: Dez. 2016), Seite 3.

17 LVwA LSA, Teilgenehmigungsbescheid v. 05.02.2018, Seite 55, abrufbar unter: https://lvwa.sachsen-anhalt.

de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/LVWA/LVwA/Dokumente/4_landwirtschaftumwelt/402/

bekanntmachungen/2018_2/2018_02_2_1.pdf.

18 Bezirksregierung Münster, Genehmigungsbescheid v. 19.12.2017, Seite 32, abrufbar unter: https://www.bezreg- muenster.de/zentralablage/dokumente/umwelt_und_natur/immissionsschutzrechtliche_genehmigungsverfah- ren/2017/2017-12-19_MaXXcon_Genehmigungsbescheid.pdf.

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Festzuhalten bleibt bis hierhin, dass es den Rechtsgrundlagen des Emissionshandels- rechts immanent ist, dass biologisch abbaubare Stoffe nicht in die Bilanz des Emissions- handels eingestellt werden und ihre Verbrennung daher auch keine Abgabepflicht von Emissionszertifikaten nach sich ziehen soll. Denn bei biologisch abbaubaren Stoffen würde das im Stoff gebundene CO2 auch durch den natürlichen Abbauprozess wieder freigesetzt werden. Der maßgebliche Rechtsbegriff in diesem Zusammenhang ist der der Biomasse (vgl. Art. 3 Nr. 20 VO (EU) 601/2012). Klärschlamm wird im einschlägigen Emissionshandelsrecht in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich erwähnt, aber von der EU-Kommission beispielhaft genannt.

Dieser Befund geht den Ausnahmeregelungen in § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG voraus und ist wichtig für deren Verständnis.

4. Ausnahme von Anlagen zur Verfeuerung von Biomasse vom Anwendungsbereich des TEHG (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG)

Im Lichte des vorstehend gewonnenen Befundes, dass nämlich die Verbrennung von Klärschlamm als biologisch abbaubarem Stoff als Verfeuerung von Biomasse gewertet werden könnte, liegt es nahe, zunächst auf die einschlägige Ausnahmeregelung für Anlagen zur Verfeuerung von Biomasse im TEHG einzugehen, § 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG.

Die Regelung lautet wie folgt:

5) Dieses Gesetz gilt nicht für:

1. […]

2. Anlagen, die nach § 4 Absatz 1 Satz 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geneh- migungsbedürftig sind und bei denen nach ihrer immissionsschutzrechtlichen Geneh- migung außer für Zwecke der Zünd- und Stützfeuerung als Brennstoff nur Klärgas, Deponiegas, Biogas oder Biomasse im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Satz 2 Buch- stabe a und e der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quel- len und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 16) in der jeweils geltenden Fassung eingesetzt werden darf […].

Zu beachten ist dabei, dass die Biomassedefinition nach der in § 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG in Bezug genommenen Richtlinie 2009/28/EG (Erneuerbare-Energien-RL 19) weiter geht, als in der deutschen Biomasseverordnung (BiomasseV 20).

19 Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl.EU Nr. L 140 S. 16, ber. 2014 Nr. L 216 S. 5 und Nr. L 265 S. 33), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndRL (EU) 2015/1513 vom 09.09.2015 (ABl.EU Nr. L 239 S. 1).

20 Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse (Biomasseverordnung – BiomasseV) vom 21.06.2001 (BGBl. I S. 1234), zuletzt geändert durch Art. 8 G zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus er- neuerbaren Energien und zu weiteren Änd. des Rechts der erneuerbaren Energien vom 13.10.2016 (BGBl. I S. 2258)

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Rechtlicher Rahmen

Im Jahr 2012 wurde die BiomasseV dahingehend geändert, dass Klärschlämme i.S.d.

AbfKlärV nicht mehr als Biomassen im Sinne der BiomasseV angesehen werden (vgl.

§ 3 Nr. 4, Nr. 6 BiomasseV: Nicht als Biomasse im Sinne dieser Verordnung gelten […]

Klärschlämme im Sinne der Klärschlammverordnung). So ist Klärschlamm nach der Biomasseverordnung nicht länger Biomasse.

Bislang war es nicht weiter erforderlich, auf den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 5 Nr. 2 TEHG für die Verbrennung von Klärschlamm auszuweichen, weil diese zwanglos

§ 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG zugeordnet wurde und so aus dem Emissionshandel ausschied.

Insoweit fehlt es hierzu an einschlägigen Fallbeispielen in Literatur und Rechtsprechung.

5. Ausnahme von Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen vom Anwendungsbereich des TEHG (§ 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG)

Abfallverbrennungsanlagen haben im Emissionshandel eine Sonderstellung inne. Die einschlägige Ausnahmeregelung für sie in § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG lautet wie folgt:

5) Dieses Gesetz gilt nicht für:

1. […]

3. Anlagen oder Verbrennungseinheiten nach Anhang 1 Teil 2 Nummer 1 bis 6 zur Verbrennung von gefährlichen Abfällen oder Siedlungsabfällen, die nach Num- mer 8.1 oder Nummer 8.2 des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen genehmigungsbedürftig sind.

5.1. Rechtliche Entwicklung

§ 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG setzt Anhang I der Emissionshandels-Richtlinie 2009/29/EG unmittelbar um 21. Dieser Anhang I der EH-Richtlinie definiert vom Emissionshandels- Regime erfasste Tätigkeiten. Gleich zu Beginn werden dort bestimmte Abfallverbren- nungsanlagen ausgenommen (Verbrennung von Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW (ausgenommen Anlagen für die Verbrennung von gefährlichen oder Siedlungsabfällen)).

Diese Ausnahme bleibt in der 4. Handelsperiode ab 2021 erhalten, die Richtlinie 2018/410/EU enthält keine Änderungen von Anhang I EH-Richtlinie 2009/29/EG, und war schon in der 1. Handelsperiode vorgesehen. Initial begründete die Europäische Kommission die Sonderstellung von Abfallverbrennungsanlagen in ihrem Richtlinien- vorschlag von 2001 wie folgt:

Unter die Richtlinie fallende Sektoren […]

Die chemische Industrie und die Abfallverbrennungswirtschaft werden nicht einbezo- gen, wohl aber Kohlendioxidemissionen der an ihren Standorten vorhandenen Kapa- zitäten zur Energie- und Wärmeerzeugung, wenn diese über 20 MW liegen. […] die Abfallwirtschaft wurde nicht einbezogen, da die Messung des Kohlenstoffanteils im zu verbrennenden Abfallmaterial sich sehr komplex gestaltet.) 22

21 BT-Drs. 17/6124, Seite 11.

22 KOM (2001), 581 endg., S. 11.

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Rechtlicher Rahmen

Zu der Ausnahme von Abfallverbrennungsanlagen durch das Europarecht hatte die Bundesregierung bereits vor dem TEHG (2011) auf eine kleine Anfrage aus dem Bun- destag wie folgt Stellung genommen:

Vom Anwendungsbereich der EU-Emissionshandels-Richtlinie sind EBS-Kraftwerke nur dann ausgenommen, wenn es sich um Abfallverbrennungsanlagen handelt, d.h.

um Anlagen, deren Hauptzweck in der thermischen Behandlung von Abfällen liegt.

Nach Auffassung der Bundesregierung ist diese europarechtliche Ausnahme angesichts der abfallwirtschaftlichen Funktion solcher Anlagen gerechtfertigt. 23

Die abfallwirtschaftliche Entsorgungsfunktion als Sinn und Zweck der Privilegierung wird in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf für das TEHG (2011) wiederholt:

Durch die Heizwertbeschränkung ist die Anwendung der Bereichsausnahme für sol- che Anlagen ausgeschlossen, die technisch für einen dauerhaften Einsatz mittel- und hochkalorischer Abfallfraktionen ausgelegt und genehmigt sind; bei diesen Anlagen steht typischerweise nicht mehr die abfallwirtschaftliche Entsorgungsfunktion im Vordergrund, sondern die Verwertung der Abfälle zur Energieerzeugung. 24

Sinn und Zweck ist also die abfallwirtschaftliche Entsorgungsfunktion bestimmter (privilegierter) Abfälle. An dieser Aussage hatte der Bundesrat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren des TEHG (2011) festgehalten und darauf bestanden, dass die Ausnahmeregelung aus Anhang I Richtlinie 2009/29/EG nicht unzulässig eingeschränkt wird 25.

5.2. Der Begriff des Siedlungsabfalls im Emissionshandelsrecht

Entscheidend ist, wie der Begriff der Siedlungsabfälle im Sinne des Emissionshandels- rechts und von § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG zu verstehen ist.

Der Begriff der Siedlungsabfälle wird weder in der EH-RL noch im TEHG legaldefiniert.

Die EH-Richtlinie wird durch ein Guidance-Dokument der EU-KOM erläutert; dort wird auf das Europäische Abfallverzeichnis verwiesen:

If a dedicated installation is found by the CA [= Competent Authority] to fall under this definition, and if the waste incinerated falls predominantly under the category municipal or hazardous (according to the European waste catalogue), then it is not subject to the EU ETS Directive in respect of any incineration that takes place at the installation. 26

23 BT-Drs. 16/13889, Seite 4, Frage 6.

24 BT-Drs. 17/5296, Seite 44.

25 BT-Drs. 17/5711, Seite 3.

26 Guidance on Interpretation of Annex I of the EU ETC Directive, Seite 13. Abrufbar unter: https://ec.europa.

eu/clima/sites/clima/files/ets/docs/guidance_interpretation_en.pdf.

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Rechtlicher Rahmen

Demnach erfolgt eine Bestimmung des emissionshandelsrechtlichen Begriffes der Siedlungsabfälle unter Rückgriff auf das Abfallrecht. Kapitel 20 der Abfallverzeich- nis-Verordnung (AVV) erfasst ausweislich der Kapitelüberschrift Siedlungsabfälle (Haushaltsabfälle und ähnliche gewerbliche und industrielle Abfälle sowie Abfälle aus Einrichtungen), einschließlich getrennt gesammelter Fraktionen, nicht aber Klärschlamm.

Im einschlägigen Schrifttum wird eher auf den Herkunftsbereich abgestellt 27. Zur Be- gründung wird angeführt, dass die Kapitel der AVV in erster Linie auf die Herkunft der Abfälle abstellen und sich erst in zweiter Linie an den Bestandteilen orientieren, aus denen die sich Abfälle zusammensetzen 28. Die Abfälle des Kapitels 19 der AVV sind aber von ihrer ursprünglichen Herkunft her betrachtet ebenfalls Siedlungsabfälle und damit dann mit einzubeziehen, wenn sie nach Art, Zusammensetzung und Inhalts- stoffen mit den in Kapitel 20 der AVV genannten Abfällen identisch sind. Mit dieser Argumentation wurde bislang auch Klärschlamm als Siedlungsabfall qualifiziert 29.

6. Zielkonflikt bei Zugrundelegung der Siedlungsabfall-Definition aus der fortgeschriebenen AbfRRL

Mit der fortgeschriebenen AbfRRL gelten Klärschlämme ausdrücklich nicht als Sied- lungsabfälle, so dass ein Rückgriff auf das europäische Abfallrecht künftig zu anderen Ergebnissen führen würde, als bislang.

Bei der Verbrennung von Klärschlamm ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um einen Abfall handelt, der bis zu 100 % als biogen gilt und von daher mit einem Wert von 0 in den Emissionshandel eingestellt werden soll. Denn bei biologisch abbaubaren Stoffen würde das im Stoff gebundene CO2 auch durch den natürlichen Abbauprozess wieder freigesetzt werden. Das gilt es zu beachten, wenn ein Zielkon- flikt zwischen dem Emissionshandelsrecht (keine Abgabepflicht bei der Verbrennung biogener Stoffe) einerseits und dem fortgeschriebenen europäischen Abfallrecht (Angleichung der statistischen Erhebung im Bereich Siedlungsabfälle) andererseits vermieden werden soll.

7. Keine Pflicht zum Gold plating durch vermeintlich (Abfallrahmen-)richtlinienkonforme Auslegung

Fraglich ist, ob eine Pflicht zur Auslegung einer nationalen Norm (hier § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG) unter Rekurs auf eine Richtlinie (hier: geänderte AbfRRL) besteht, auch wenn sie deren Anwendungsbereich nicht berührt.

27 Kobes/Burkert, I+E 2012, 8 ff. m.w.N.

28 Spieth/Hamer, AbfallR 2004, 218 (224).

29 Spieth/Hamer, AbfallR 2004, 218 (224); andere Ansicht hingegen Körner/Vierhaus, TEHG, 1. Aufl. 2005, § 2 Rn. 21.

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Rechtlicher Rahmen

Eine generelle Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation außerhalb des Anwen- dungsbereichs einer RL besteht nicht 30. Es

[…] besteht […] keine unionsrechtliche Verpflichtung, mitgliedstaatliches Recht, das von der Richtlinie nicht erfaßt wird, richtlinienkonform auszulegen. 31

Eine Bezugnahme auf Inhalte von EU-Richtlinien außerhalb des Anwendungsbereichs der auszulegenden Richtlinie würde zu einer unbeabsichtigten überschießenden Um- setzung / Auslegung führen und damit zu Ergebnissen, die zwar europarechtskonform sein können, aber ein Gold plating herbeiführen,

etwa in der Form, dass das Normprogramm der Richtlinie auch auf Sachverhalte erstreckt wird, die nicht in den Anwendungsbereich einer Richtlinie fallen. 32

Eine überschießende Umsetzung / Auslegung kann freilich wiederum europarechts- konform sein, wenn und soweit damit den Richtlinienzielen (das sind hier die der EH-RL) nicht widersprochen wird. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der AbfRRL und des TEHG ist in der hiesigen Konstellation eine inhaltlich parallele Auslegung aber nicht geboten.

8. Klarstellung durch EU-Kommission im Frühjahr 2019

Hinsichtlich der emissionsrechtlichen Einstufung von Siedlungsabfällen hat die EU- Kommission im Januar 2019 im Rahmen der EU-Expertengruppe zum Emissionshandel daher zurecht entschieden, dass hierfür auch für die anstehende 4. Handelsperiode von 2021 bis 2030 dieselben Kriterien maßgeblich sein sollen, wie in der (aus-)laufenden Handelsperiode 2013 bis 2020 33. Die Fortschreibung der AbfRRL schlägt also nicht auf das Emissionshandelsrecht durch. Das heißt für das TEHG, dass die Verbrennung von Klärschlamm aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen (auch weiterhin) nicht von dem Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst wird.

Die Lösung überzeugt auch auf nationaler Ebene, weil das TEHG insoweit einen eigen- ständigen Anwendungsbereich hat, der nicht zwingend unter Rückgriff auf sonstiges Umweltrecht (wie das Abfallrecht) ausgelegt werden muss. Schon im Zusammenhang mit dem TEHG (2004) heißt es in den Gesetzgebungsmaterialien zutreffend: Das TEHG muss als eigenständige Rechtsmaterie seinen Anwendungsbereich selbst und vollständig bestimmen. 34

9. Zusammenfassung der Ergebnisse

Klärschlämme gelten also ausdrücklich nicht als Siedlungsabfälle i.S.d. fortgeschrie- benen europäischen Abfallrechts, das bis zum 05.07.2020 in das nationale Abfallrecht zu transformieren ist. Vom System des europäischen Emissionshandels sind indes nur

30 Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 64. EL 2018, Art. 288 AEUV Rn. 131.

31 Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 Rn. 83.

32 Payrhuber/Stelkens, NVwZ 2018, 195 (196).

33 Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG): Hinweise der Deutschen Emissionshandelsstelle (Stand: April 2019), Seite 23.

34 BT-Drs. 15/2693, Seite 9.

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Rechtlicher Rahmen

solche Abfallverbrennungsanlagen ausgenommen, die Siedlungsabfälle verbrennen (oder aber gefährliche Abfälle, vgl. § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG). Das Bundesumweltminis- terium ging in einer ersten Einschätzung davon aus, dass damit die Verbrennung von Klärschlamm dem Emissionshandel unterfällt.

Klärschlamm ist ein biologisch abbaubarer Stoff. Es ist den Rechtsgrundlagen des Emissionshandelsrechts immanent, dass solche Stoffe nicht in die Bilanz des Emissions- handels eingestellt werden und ihre Verbrennung daher auch keine Abgabepflicht von Emissionszertifikaten nach sich ziehen soll. Denn bei biologisch abbaubaren Stoffen würde das im Stoff gebundene CO2 auch durch den natürlichen Abbauprozess wieder freigesetzt werden.

Der maßgebliche Rechtsbegriff in diesem Zusammenhang ist der der Biomasse (vgl.

Art. 3 Nr. 20 VO (EU) 601/2012). Klärschlamm wird im einschlägigen Emissions- handelsrecht in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich erwähnt, aber von der EU-Kommission beispielhaft genannt.

Das ist auch bei der entscheidenden Frage zu berücksichtigen, wie der Begriff der Siedlungsabfälle im Sinne des Emissionshandelsrechts und von § 2 Abs. 5 Nr. 3 TEHG zu verstehen ist. Bislang wurde dieser unter Rückgriff auf das Abfallrecht ausgelegt.

Es darf aber kein Zielkonflikt entstehen zwischen dem Emissionshandelsrecht (keine Abgabepflicht bei der Verbrennung biogener Stoffe) einerseits und dem fortgeschrie- benen europäischen Abfallrecht (Angleichung der statistischen Erhebung im Bereich Siedlungsabfälle) andererseits.

Die Entscheidung der Europäischen Kommission zur Nichtübertragung der Legal- definition für Siedlungsabfälle in der Abfallrahmenrichtlinie schaffte in diesem Sinne Rechtsklarheit, was zu begrüßen ist.

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Rechtsanwalt Stefan Kopp-Assenmacher Kopp-Assenmacher & Nusser

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Die Vorteile des sludge2energy-Verfahrens

Effiziente aufeinander abgestimmte Kombination von Klärschlammtrock- nung und thermischer Klärschlammverwertung in einer stationären Wirbelschicht

Eine hohe Bandbreite an kommunalen Klärschlämmen ist durch effi- ziente Verbrennung ohne externe Energiezufuhr verwertbar

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Kompakter, modularer und funktionaler Aufbau mit geringem Platzbedarf

Mit dem sludge2energy Verfahren ist eine gesicherte thermische Verwer- tung der aufkommenden Klärschlammmengen dauerhaft möglich. Das sludge2energy-Verfahren verwertet Klärschlamm energieautark und basiert auf der Kombination von Schlammtrocknung und einer anschließenden Verbrennung im Wirbelschichtofen.

Klärschlammmonoverbrennung 35.000 t TR Klärschlammtrocknung

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar

Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Peter Quicker, Stefan Kopp-Assenmacher (Hrsg.):

Verwertung von Klärschlamm 2

ISBN 978-3-944310-49-7 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH

Copyright: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Olaf Holm Alle Rechte vorbehalten

Verlag: Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH • Neuruppin 2019 Redaktion und Lektorat: Dr.-Ing. Olaf Holm

Erfassung und Layout: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Janin Burbott-Seidel, Roland Richter

Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

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