O Welt , sieh hier dein Leben
von Paul Gerhardt
Notizen / Anmerkungen 1 O Welt, sieh hier dein Leben
2 am Stamm des Kreuzes schweben, 3 dein Heil sinkt in den Tod;
4 Der große Fürst der Ehren 5 läßt willig sich beschweren
6 mit Schlägen, Hohn und großem Spott.
7 Tritt her, und schau mit Fleiße, 8 sein Leib ist ganz mit Schweiße 9 des Blutes überfüllt;
10 Aus seinem edlen Herzen 11 vor unerschöpften Schmerzen 12 ein Seufzer nach den andern quillt.
13 Wer hat dich so geschlagen, 14 mein Heil, und dich mit Plagen 15 so übel zugerichtet?
16 Du bist ja nicht ein Sünder 17 wie wir und unsre Kinder, 18 von Übelthaten weißt du nicht.
19 Ich, ich und meine Sünden, 20 die sich wie Körnlein finden 21 des Sandes an dem Meer, 22 Die haben dir erregt
23 das Elend, das dich schläget 24 und das betrübte Marterheer.
25 Ich bin's, ich sollte büßen, 26 an Händen und an Füßen 27 gebunden in der Höll:
28 Die Geißeln und die Banden 29 und was du ausgestanden, 30 das hat verdient mein Seel.
32 die Lasten, die mich drücken 33 viel sehrer denn ein Stein.
34 Du wirst ein Fluch, dagegen 35 verehrst du mir den Segen,
36 dein Schmerzen muß mein Labsal sein.
37 Du setzest dich zum Bürgen, 38 ja lässest dich gar würgen 39 fü+r mich und meine Schuld;
40 Mir lässest du dich krönen 41 mit Dornen, die dich höhnen, 42 und leidest alles mit Geduld.
43 Du springst in's Todes Rachen, 44 mich frei und los zu machen 45 von solchem Ungeheur.
46 Mein Sterben nimmst du abe, 47 vergräbst es in dem Grabe, 48 o unerhörtes Liebesfeur!
49 Ich bin, mein Heil, verbunden 50 all Augenblick und Stunden 51 dir überhoch und sehr:
52 Was Leib und Seel vermögen, 53 das soll ich billig legen
54 allzeit an deinen Dienst und Ehr.
55 Nun, ich kann nicht viel geben 56 in diesem armen Leben, 57 eins aber will ich thun:
58 Es soll dein Tod und Leiden, 59 bis Leib und Seele scheiden, 60 mir stets in meinem Herzen ruhn.
61 Ich will's vor Augen setzen, 62 mich stets daran ergetzen,
67 Wie heftig unsre Sünden 68 den frommen Gott entzünden, 69 wie Rach und Eifer gehn;
70 Wie grausam seine Ruten, 71 wie zornig seine Fluten,
72 will ich aus deinem Leiden sehn.
73 Ich will daraus studieren, 74 wie ich mein Herz soll zieren 75 mit stillem, sanftem Mut, 76 Und wie ich die soll lieben, 77 die ich doch sehr betrüben 78 mit Werken, so die Bosheit thut.
79 Wenn böse Zungen stechen, 80 mir Glimpf und Namen brechen, 81 so will ich zähmen mich;
82 Das Unrecht will ich dulden, 83 dem Nächsten seine Schulden 84 verzeihen gern und williglich.
85 Ich will mich mit dir schlagen 86 ans Kreuz, und dem absagen, 87 was meinem Fleisch gelüst't;
88 Was deine Augen hassen, 89 das will ich fliehn und lassen, 90 so viel mir immer möglich ist.
91 Dein Seufzen und dein Stöhnen, 92 und die viel tausend Thränen, 93 die dir geflossen zu,
94 Die sollen mich am Ende 95 in deinen Schoß und Hände 96 begleiten zu der ewgen Ruh.
Das Gedicht „O Welt , sieh hier dein Leben“ von Paul Gerhardt ist auf abi-pur.de veröffentlicht.
Autor Paul Gerhardt Titel „O Welt , sieh hier dein Leben“
Verse 96 Wörter 472
Strophen 16
Checkliste zur Analyse / Interpretation eines Gedichtes
Einleitung der Gedichtanalyse
Titel des Gedichtes, Name des Autors und Entstehungs- oder Erscheinungsjahr
Gedichtart (Sonett, Ode, Haiku, Ballade, Hymne usw.)
Thema des Gedichtes (Liebesgedicht, Naturgedicht, Krieg usw.)
zeitliche Einordnung / Literaturepoche benennen
kurze Beschreibung des Gedichtes
Hauptteil der Gedichtanalyse
Inhalt
Thema des Gedichts
Was beschreibt das Gedicht (Erlebnis, Jahreszeit oder eine bestimmte Zeit)?
Zusammenhang zwischen Titel und Gedicht
Lyrisches Ich - Wer spricht im Gedicht? Woran erkennt man das?
Hauptteil der Gedichtanalyse
Aufbau
Verse und Strophen
Reimschema (Kreuzreim, Paarreim, umarmender Reim, Haufenreim, verschränkter Reim, Schweifreim etc.)
Gibt es ein Versmaß? Versmaß (Metrum) bestimmen.
Kadenz: Wie sind die Endsilben im Gedicht?
Hauptteil der Gedichtanalyse
Sprache
Auffälligkeiten der Sprache (Werden beispielsweise viele Adjektive, nur Substantive, Vokale etc. verwendet?)
Wie spricht das lyrische Ich (traurig oder fröhlich)?
Benenne die Stilmittel und Reimformen, die zum Einsatz kommen.
Satzbau: Parataktischer & hypotaktischer Satzbau
Welche Zeitform wird genutzt (Präsens, Präteritum, Futur)?
Hauptteil der Gedichtanalyse
Gedichtinterpretation
Was bewirken die Ergebnisse der vorangegangenen Analyse?
Welche Stimmung ruft die Sprache in uns hervor?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Inhalt und Funktion?
Schlussteil
Gedichtinterpretation
Intention des Gedichtes: Was will das Gedicht?
Wurde unsere Vermutung (Deutungshypothese Einleitung) darüber bestätigt?
Gibt es Fragen, die im Gedicht unbeantwortet bleiben?
Wertung: Ist das Gedicht typisch für die Epoche? Ist es charakteristisch für den Autor?
Ist das Gedicht (Form, Sprache, Inhalt, Aussage) aus heutiger Sicht noch bedeutungsvoll?
Persönliche Stellungnahme (sofern ausdrücklich verlangt)
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