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Was sind Welt und Leben?

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Academic year: 2022

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Wa s si n d Wel t u n d Leben ?

Die folgenden Kapitel span nen einen B ogen von dem materiellen Gru ndlagen der Welt u n d des Lebens zu einer h errsch aftsfreien Gesellsch aft. Das ist riskant, denn nicht zu m ers- ten M al wü rden I deen sozialer Organisieru n g au s physikalisch en oder biologisch en Er- ken ntnissen abgeleitet. Da wissensch aftlich e B egriffsbildu ng im mer Vereinfach u ng bedeu - tet u nd ein e Übertragu ng au f ku ltu relle Sph ären seh r seltsam e Gleich setzu ngen n ach sich zieht, können solch e Verbindu ngen das Spezifisch e sozialer Organ isieru n g weder erklären noch als Analogie tau gen. Zu sätzlich tau ch en in den kon kreten Formu lieru ngen noch gro- teskte Feh ler au f. So wird beh au ptet, dass M ensch en frü h er au f B äu m en gelebt h ätten , weil sie vom Affen abstamm en wü rden. Dabei finden sich die ältesten Spu ren eh er im Grasland.

B eh au ptet wird ferner, dass M ensch en H erdentiere seien, obwoh l sein e engsten Verwand- ten kleingru ppen- oder familienorientiert sin d. Absu rd die Feststellu n g, der M ensch werde imm er frü h er erwach sen. Dabei ist gerade die Verlängeru ng der Kindh eits- u n d Ju gend- ph ase ein wichtiger B au stein zu m Wach sen von I ntelligenz u nd B ewu sstsein in der Evolu - tion. Die vermeintlich natü rlich en Vorgaben sind also nicht nu r gefäh rlich , weil sie soziale Fragen m it der B iologie beantworten, son dern sie können sogar frei erfu nden sein, u m ge- wü n schte I nteressen zu versch leiern.

Au f der anderen Seite zeigt aber au ch die Ann ah me, dass mensch lich es Leben oder zu min- dest Geist u nd B ewu sstsein nicht-materiellen Urspru ngs sin d, viele Gefah ren. Die wirren Erfindu n gen von Göttern u nd darau s abgeleitete, bevormu n dende h öh ere M oral, die ge- danklich e Erzeu gu ng rein ideeller Vernu nft- oder Wertequ ellen oder das B eschwören von Geistern, Karma oder Sch icksal h aben M ensch en immer wieder u nm ü ndig gemacht oder bedroht. Eine h errsch aftsfreie Utopie, gleich ob das Zielbild oder der Weg dah in mit B egrif- fen wie Emanzipation oder Anarch ie gepflastert sind, m u ss der Konstru ktion h öh erer Wer- tequ ellen widersteh en. Dam it ist n icht gesagt, dass es keine Welt au ßerh alb des räu m lich - zeitlich en Denkens gibt, wie es dem M ensch en eigen ist. Sondern m it der H errsch aftsfrei- h eit ist die Zu rü ckweisu ng aller Verkü nderI nnen h öh erer Werte verbu nden, denn jen seits der Frage, ob es diese gibt oder geben kann, ist jedenfalls feszu stellen , dass nicht einzelnen M en sch en deren I nterpretation zu kommt. Das wü rde ih re M einu ngen h erau sh eben u nd sie der N otwen digkeit entbinden, fü r ih re Positionen zu argu mentieren u nd an dere zu ü ber- zeu gen. Wer im N amen Gottes, des Volkes oder an derer Sch einsu bjekte redet oder sein e M einu n g als Erkenntnis au s h öh eren Weish eiten deklariert, stellt sich ü ber andere. Das Gleich e tu t, wer − statt zu argu mentieren − seine M einu ng als wissensch aftlich , sach lich oder objektiv bezeich net.

Da die einfach e Übertragu n g (sch einbar) entsch lü sselter Gesetzm äßigkeiten au s der m ate- riellen Welt ebenso wenig als Gru n dlage fü r die Frage sozialer Organisieru ng tau gt wie die Ergü sse au s vermeintlich angezagfter h öh erer Weish eit, bleiben fü r eine Debatte ü ber ein e h errsch aftsfreie Gesellsch aft n och (m indestens?) zwei M öglich keiten: Entweder der Ver- zicht au f eine H erleitu ng von I deen, also die völlig freie, u ngebu nden e Debatte. Oder ein genau er B lick au f die materiellen Gru ndlagen der Welt u nd des Lebens, u m zu sch au en, was davon soziale Organisieru ng prägt u nd was n icht. Wo leben m aterielle Gru ndlagen im Sozialen weiter- u nd sind N atu r u nd ih re Gesetze ü berh au pt so u nwan delbar, wie sie oft dargestellt werden? Die zweite Frage soll zu näch st beantwortet werden . N ach dem bish eri- gen Ritt du rch die Gesch ichte gesellsch aftlich er Organ isieru n g mit ih ren H errsch aftsfor-

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m en u nd Entwicklu ngen folgt ein au fklärender B lick in die Gru ndlagen: Was beeinflu sst das Leben? Wie steht der M ensch in der N atu r u nd in der Gesellsch aft? Welch e Rolle spie- len Werkzeu ge u nd Tech n ik? Un d wie kann all das in eine h errsch aftsfreie, soziale Organ i- sieru ng mü nden?

Steigen wir dafü r ganz vorne ein. I st die Welt reine M aterie? Oder gibt es ein „ Jenseits“, eine Sph äre jenseits des Stofflich en? Wie sieht das Stofflich e ü berh au pt au s? I st M aterie ei- gentlich noch eine klare Sach e, seit das Un-Teilbare („ A-tom“ ) gespalten werden kann? Seit Jah rh u nderten streiten sich die M ensch en ü ber diese Frage, entspannt beim Rotwein m it rau ch enden Köpfen in ph ilosoph isch en Zirkeln oder verbissen im Rin gen u m die M acht bis zu Sch eiterh au fen u nd blu tigem Kreu zzu g.

D er ewi ge Strei t u m D i essei ts u n d Jen sei ts

Die Welt, das Leben u nd der M ensch werden in P h ilosoph ie, Psych ologie, Politik u nd an- deren Disziplinen seh r u ntersch iedlich besch rieben. M aterialistisch vorzu geh en bedeu tet, die Welt au s sich selbst h erau s zu erklären. Ein e nichtm aterialistisch e Vorstellu ng h ingegen wäre die Vorstellu n g, die Welt u nd die P rozesse in ih r wü rden von einem äu ßerlich en Standpu nkt, also einer extern en , n icht-materiellen Qu elle bestimmt.

Umstritten ist dabei alles, zu dem sind viele Th eorien in ständiger B ewegu ng. Dass es h eu te P hysikerI nnen sein wü rden, die in Frage stellen, ob all das, was wir seh en könn en, woran wir u n s den Kopf stoßen oder was als Sch allwelle in u nser Oh r dröh nt, wirklich au s Teil- ch en, also einer n achweisbaren stofflich en Gru ndeinh eit besteht, h ätte im Zeitalter der Au f- kläru ng, zu Lebzeiten von Galilei oder N ewton woh l n iemand vorh ergesagt. Doch h eu te bau en die Wissensch aftlerI n nen im mer neu e, kom pliziertere u nd teu rer Geräte, u m das Unzerteilbare noch mal zu zerlegen u nd zu sch au en, was eigentlich genau ü brig bleibt. Die B efü rchtu ng, es sei qu asi N ichts, steht im Rau m.

Solch es Desaster ist den Verkü nderI nn en externer Weish eisen u n d I deologien ebenfalls n icht erspart geblieben . M ögen die einzeln en P roph etI nnen u n d Gläu bigen an ih rer Ver- blen du ng festh alten, so lässt sich ü ber die Jah rh u nderte doch n icht leu gnen, dass eine Leh re n ach der an deren au f dem M ü llh au fen der Gesch ichte entsorgt wird − sei es er Glau be an B litz u nd Donn er als göttlich e Regu ng oder die n och recht neu e M är von Aids als Strafe Gottes fü r H omosexu alität.

Waru m steht der B au m dort vor m ir? Wie ist er entstanden, worau s entsteht er? I st er eine Sch öpfu ng Gottes, beweist seine h oh e Fu nktionalität eine gestaltende Kraft im H intergru n d oder zeigt er mir, welch e bemerkenswerte Kraft zu Selbstorganisieru ng u nd kreativen Sch öpfu ng die M aterie selbst h at? Selbige Frage lässt sich fü r die Wolke am H immel, den Fels im Sonn enu ntergang oder das sch einbare Wu nder der Entsteh en des Leben s u n d au ch jedes n eu en Leben s wieder stellen.

Sie gilt eben so fü r das m ensch lich e B ewu sstsein u n d seinen Willen. N icht-m aterialistisch wäre h ier die Annah m e, es gäbe einen au ßerh alb der dinglich en Welt liegen den Urspru ng von Geist u n d einen nicht an Körperlich keit gebu ndene freien Willen. Der M aterialism u s h ingegen betont, dass alles I deelle, dessen Existenz er natü rlich au ch anerkennt, an etwas Vorgängiges gebu n den ist. B ewu sstsein ist demn ach nicht freischwebend, son dern ih r Ur- spru ng ist etwas, das nicht B ewu sstsein ist u nd sie ist Entwicklu ngsprodu kt von etwas, das

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nicht selbst sch on B ewu sstsein ist, eben von „ M aterie“. M aterie wird aber nicht n u r darge- stellt in anfassbaren körperlich en Dingen . Au ch die gesellsch aftlich en Verh ältnisse, u nter denen die M ensch en ih r Leben leben, werden als materiell begriffen, weil sie keiner Erklä- ru ng au s dem „ Off“, also au s externen, h öh eren Qu ellen bedü rfen . Da sie Denken , Wollen u n d soziale P rozesse steu ern, wäre au ch der M ensch in diesem Sin ne materiell.

Sch u bert, Kl au s/Martin a Kl ein (4. Au fl age, 2 006): D as Pol itikl exikon . D ietz-Verl a g in B on n Materialismus (lat. ): M. bezeichnet philosophische Strömungen, die davon ausgehen, dass die gegenständliche und die geistige Wirklichkeit ausschließlich aus Materie bestehen oder auf materielle Prozesse zurückzuführen sind. Das materialistische Denken schuf wesentliche Grundlagen der modernen Naturwissenschaften, stärkte religionskritische und philoso- phisch-atheistische Positionen und stellte sich gegen den Idealismus. Der M. prägte den marxistischen „historischen M.“, wonach die Geschichte sich aus den Handlungen, den Be- dürfnissen und Lebensbedingungen der Menschen, ihrer gesellschaftlichen und sozialen Organisation sowie ihrer politischen Verfassung ergibt („das Sein bestimmt das Bewusst- sein“). Der historische M. wurde durch F. Engels zu einer allgemeinen politisch-wissen- schaftlichen Lehrmeinung, dem „dialektischen M.“ weiterentwickelt.

Au f basisrel igion (h ttp : //basisrel igion . rel iprojekt.d e/m a terial ism u s. h tm )

In der Philosophie dagegen bedeutet Materialismus, dass alles, was existiert, entweder Ma- terie oder Funktion von Materie ist. Mit Geld und vordergründigem Vergnügen hat diese Auffassung nun genauso wenig zwingend etwas zu tun wie dass jeder Idealist auch auto- matisch ein guter und vergeistigter Mensch ist. . . .

Nach Ansicht philosophischer Materialisten mögen die geistigen Funktionen zwar bisweilen sehr kompliziert und auch oft genug kaum nachvollziehbar sein, doch bleiben sie dennoch an chemische, mechanische oder elektrische Vorgänge gebunden. Wie sehr selbst geistige Auseinandersetzungen auf Funktion von Materie zurückgeführt werden können, wird uns immer mehr durch die maschinelle Intelligenz bewußt, die unser Leben inzwischen umgibt:

Manche „Maschinen“, also nun wirklich materielle Gebilde, können intelligente Lösungen finden, auf die Menschen gar nicht oder nicht so schnell gekommen wären. Ja, Computer verschiedener Hersteller können sich sogar Schachturniere liefern mit durchaus neuen Zü- gen, die den Konstrukteuren unbekannt waren. Unterstützt werden die Vorstellungen der Materialisten inzwischen von den Erkenntnissen über unsere Hormone und deren Einflüsse auf unser leibseelisches Verhalten. . . .

Damit gibt der Materialismus eine plausiblere Antwort auf die Frage nach der Ursache vie- ler Ängste, mit denen vor allem die Religionen die Menschheit seit jeher infiziert haben: Es gibt einfach keine Geister, Teufel oder sonstigen überweltlichen Wesen, die uns unsere gu- ten oder bösen Gedanken oder Begierden eingeben; geistige Vorgänge kommen aus unse- rer materiellen Bedingtheit heraus und sind immer an Materie gebunden.

I m Streit daru m, ob eine nicht-m aterielle Welt − sei sie Gott, Geistwelt oder kosmisch e Wah rh eit genannt − existiert oder n icht, stellen sich weitere Fragen. Leidensch aftlich wird daru m disku tiert, ob die m aterielle oder nicht-materielle Welt der Entwicklu ng eine be- stimmte Richtu n g vorgibt, ob also Kosmos, Leben u nd alles B esteh ende mit N otwendigkeit entstand u nd dann au ch zu kü nftige Entwicklu ng vorh erbestimmt ist (Sch icksal). Die Gläu - bigen an externe Qu ellen h aben es da imm erh in einfach , fü r eine bejah ende Position ein e Erkläru ng zu finden: I h r Gott, ih re kosm isch e Weish eit oder die M atrix des Leben s zeich - nen die Wage n ach u nd vor. Doch die Au ffassu ng ein er Vorh erbestim mu ng gedeiht in bei- den „ Lagern“, den „ M aterialistI nn en“ u nd den Anh ängerI nnen nicht-m aterieller Ursprü nge vor. B ei den Ström u ngen der „ M aterialistI nnen“, die an solch e B estimmu ngen glau ben, ist das Erkläru ngsmu ster etwas komplizierter. I ns Stofflich e oder Gesellsch aftlich e werden Ent- wicklu ngsnotwendigkeiten h in eingedacht, d. h . die Gesch ichte als Abfolge logisch er Sch ritte erklärt. Vor allem der „ h istorisch e M aterialismu s“ au f Gru ndlage der Sch riften von

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Karl M arx glau bte an die au tom atisch e Überwindu ng des Kapitalism u s zu gu n sten des Komm u nism u s. Fü r viele stellt es sich erlich ein e bedau erlich e N ach richt dar, dass das er- wartete Ereignis bislang nicht eintrat. Sch lim mer noch : Das Kapitalism u s h at nominelle Versu ch e des Komm u nism u s ü berlebt u n d „ besiegt“. Das wäre au s dem B lickwinkel der Gläu bigen an die B estimmth eit der Zu ku nft eine Zu ku nft rü ckwärts u nd dü rfte äh nlich e Fragen au fwerfen wie die apokalyptisch en Ansagen au s religiösen u nd esoterisch en Krei- sen , deren angegeben en Umbru ch s- oder Untergangstage dann einfach verstreich en . . . Setzen wir u ns eine „ H errsch aftsbrille“ au f, also eine gedachte H ilfe, das H errsch aftsför- m ige in H andlu ngen, Th eorien oder Anderem entdecken zu können, so wären bei den Er- kläru ngsmu stern sch on frü h zeitig Alarmzeich en zu erkennen gewesen. Den n au s h err- sch aftskritisch er Sicht ist imm er Vorsicht geboten, wenn einfach e M odelle fü r komplexe Zu samm enh änge au s dem H u t gezau bert werden. Einfach ist zwar nicht gleich falsch , aber m eist mindestens eine Verkü rzu ng. Es dient eh er der eigenen gedanklich en Entlastu ng oder B egrü n du ng einfach er Th eorien, aber nicht der skeptisch en Analyse von Verh ältnis- sen . Das aber ist Sach e eines h errsch aftskritisch en B lickes au f die Welt u n d das Gesch eh en in ih r − also du rch die „ H errsch aftsbrille“. Wir werden das I nstru m ent noch h äu figer benu t- zen im Lau fe der folgenden Au sfü h ru ngen. Wir brau ch en keine Th eorien, an die die Welt dann gedanklich angepasst wird, dam it alles stimmt. Sondern Erkläru ngen , die zu r Welt passen − meist n u r zu klein en Teilen von ih r, weil die Welt so u nfassbar kom pliziert ist, dass jede wissen sch aftlich e Erkenntnis sich nu r Teilaspekten an näh ert.

Sich wandelndes Bild der M aterie

Qu elle vieler Ann ah men, dass es meh r geben m u ss als n u r das Stofflich e, sind Zweifel, dass M aterie allein reicht, u m das Gesch eh en au f der Welt zu erklären: I ntu ition , Liebe u n d P h antasie sind B eispiele fü r Erlebn isse, bei denen es in der Tat schwer fällt, sch nöde M ate- rie als Urspru ng zu seh en. Wer „ Sch m etterlinge im B au ch“ h at, kann n u r schwer akzpetie- ren, dass h ier genau er benennbare M olekü le in einem gen au er lokalisierbaren Teil seines Geh irns tanzen. Einiges davon wird sich in h altbare stofflich e Stru ktu ren niedersch lagen, was dann als Erinn eru ng an die sch ön e Stu nde ersch eint − selbst wenn die h ochfliegen- den Träu m e längst im B ezieh u ngsstress oder Alltagseinerlei u ntergegangen sind. Das alles findet in M ikrostru ktu ren statt, die oh ne tech nisch e H ilfsm ittel weder sichtbar n och m essbar sin d. Es ist nu r verständlich , dass ein Glau be an Kräfte u nd M ächte au ßerh alb der sch nö- den Stofflich keit entsteht. Es mag au ch bei einem Ron devou z nicht beson ders zielfü h ren d sein, von Syn apsen u n d H irnanh angdrü sen zu schwärmen. So bleibt fü r jeden M en sch im Alltag von Glü ck, Trau er, Verzweifelu n g, Angst, H offnu ng, Träu men u nd Enttäu sch u ng der Eindru ck, dass ganz Vieles im Leben au s u nbekannten Qu ellen rü h rt.

Religionen u nd spiritu elle Ström u ngen sch reiben große Gesch ichten angeblich nicht-ma- terieller Ersch ein u ngen. Gott ist in Au gen vieler der I ngegriff ein er rein geistigen Sph äre h inter der m ateriellen Welt. I n den th eistisch en Religionen tritt ein Gott als h andelndes Su b- jekt au f, also als personales Etwas. Diese Annah me erlau bt sich manch P latth eit in der kon- kreten Darstellu n g, ist doch Gott au ffällig oft als m ännlich e, patriarch ale Figu r dargestellt u nd besch rieben, was ziem lich materiell u n d bem erkenswert en g an irdisch en Konzepten von Dom in anz orientiert wirkt. Gott straft, kann gnädig sein, ist allm ächtig − also genau das I deal, deren Zerrbild irdisch e H errsch er imm er darstellten, die sich zu r Legitimation au f

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Gott beriefen − u nd ih n dadu rch als allgegenwärtigen B ezu gspu nkt sch u fen. Das ist nicht besser in den Religionen m it vielen Göttern, bilden diese doch in ih ren versch iedenen Ch a- rakteren imm er au ch ideell zu gespitzte Rollen in mensch lich er Gesellsch aft ab.

Gediegener komm en da sch on die nicht-personalen B ilder dah er, in denen ein kosmisch er Geist oder ein ideeller Urspru ng au ch des materiellen Lebens vermu tet wird. Welt u nd Le- ben werden dann zu einem Abbild z. B. einer h öh eren Vern u nft, die in m anch en der An- sch au u n gen n ach dem Sch öpfu ngsakt der Welt nicht m eh r weiterexistiert, son dern sich im Ersch affenen verwirklicht h at. Ganz modern ist der Kreationism u s, der m it au fwendigen B eweisfü h ru n gen darzu legen versu cht, dass die bem erkenswerten Anpassu ngen von Le- bensformen an ih re Um gebu ng nicht nu r du rch Versu ch u nd I rrtu m (M u tation u nd Selek- tion, wie es Darwin besch rieb) entsteh en konnten. I n der Tat verläu ft Evolu tion nicht so ein- fach . Trotzdem bedarf es keiner steu ernden, sch öpferisch en H and. Denn KreationisteI nnen u n d an dere Anh ängerI n nen h öh erer M ächte u ntersch ätzen die M aterie. Wäre diese nu r ein e starre M asse, dan n ließe sich die Entsteh u ng der Welt u n d des Leben s n icht oder nu r schwer erklären . Das M öglich keitsspektru m an Evolu tion u nd sozialen P rozessen wäre arg begrenzt du rch das m ateriell Vorgegebene. Lu stigerweise mach en Anh ängerI n nen des starren M aterialismu s h ier den gleich en Feh ler wie die von ih n en ins Reich des I rrationalen verban nten Gläu bigen an h öh ere M ächte. Wäh rend Letztere dem als starr em pfu ndenen Stofflich en eine gestaltende H and au s dem „ Off“ beiordnen , sch lu ssfolgern die starren M a- terialistI nnen eine B estim mth eit der Welt u nd ein e Vorbestimmth eit der Zu ku nft au s dem Stofflich en .

B eides ist zwar n icht per se Unsinn, aber als H ilfskrü cke zu r Erkläru n g der Welt sch licht ü berflü ssig. Denn M aterie ist dynamisch − u nd zwar bereits kraft ih re Eigen sch aften. Ge- nau das erm öglichte die Evolu tion m it ih ren qu alitativen Sprü ngen. Es war eben nicht nu r alles Zu fall, son dern ein e erreichte Qu alitätsstu fe sch u f die B asis fü r eine Weiterentwick- lu ng au f diesem N iveau .

Au s Sch l em m , An n ette (1 996): „D ass n ich ts bl eibt, wie es ist . . .“, L it-Verl ag in Mü n ster Ungeachtet unserer Unkenntnis über den genauen Inhalt der Prozesse, die sich damals ab- spielten, können wir aus der Art und Weise der Veränderungen einige Hinweise entneh- men. Wenn wir qualitative „Sprünge“ sehen, suchen wir i.a. nach einer auslösenden Kraft.

Wir können uns dann entscheiden, an eine Art Gott zu glauben − oder eine natürliche Ur- sache zu suchen. Das Bestreben, „die wirkliche Welt . . . in ihrem eignen Zusammenhang, und in keinem phantastischen“ (Engels 1 962, S. 292) zu sehen also eine materialistische Haltung, führt zur zweiten Variante.

Wir kennen neben den konkreten Aussagen aus den Einzelwissenschaften dazu seit ca. 1 5 Jahren ein allgemeineres Konzept: das Selbstorganisationskonzept. Danach organisieren offene Systeme im Nichtgleichgewicht für sich selbst neue Ordnungszustände, wenn sie in ihrer Evolution kritische Punkte erreichen. Die Voraussetzungen dafür sind Offenheit und Nicht-Gleichgewicht. Beides ist für jede Materiekonstellation vorauszusetzen, wenn wir an- nehmen, dass Materie in ihren Tiefen und Weiten schöpferisch und dynamisch, d. h. sich be- wegend und entwickelnd ist. . . . (S. 27 f. )

Nicht die Teilchen stellen das „Dauerhafte“ und „Bleibende“ dar. Nur die Symmetrien brin- gen Regelmäßigkeit und Form in die Beschreibung dieses Zustands. Dies verwirrt ein Den- ken, das sich die Welt bisher nur als Summe irgendwelcher kleinster, stabiler „Urteilchen“

vorstellen konnte (mechanischer Materialismus). Wenn nur solche kleinen, stabilen und stofflichen Teilchen als „Materie“ betrachtet würden, wäre der Materialismus tatsächlich ob- solet.

Ich beziehe mich im folgenden jedoch auf einen Materiebegriff, der verschiedenste Arten

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und Formen außer der stofflich-körperlichen zuläßt und nur meint, dass alle diese Arten und Formen außerhalb und unabhängig vom Bewußtsein existieren. . . . „Die Materie ver- schwindet“ heißt: Es verschwindet jene Grenze, bis zu welcher wir die Materie bisher kann- ten, unser Wissen dringt tiefer; es verschwinden solche Eigenschaften der Materie, die frü- her als absolut, unveränderlich, ursprünglich gegolten haben (Undurchdringlichkeit, Träg- heit, Masse usw. ) und die sich nunmehr als relativ, nur einigen Zuständen der Materie eigen erweisen. (S. 41 )

N icht weit entfernt liegen P hysikerI n nen, die in u mgekeh rter Richtu n g im mer tiefer in die klein sten Teile eindringen. Sie zerlegen Stü ck fü r Stü ck der M aterie. Ursprü nglich es Ziel war, die B asis des Stofflich en n ach zu weisen . Doch das ist längst Sch n ee von gestern . Die Ergebnisse der P hysikerI n nen passen zu m bereits B esch rieben en: M aterie besteht offenbar n u r au s dynam isch en P rozessen . Sie ist gar kein e Ansamm lu n g von Teilch en im u rsprü ng- lich en Sinne. Das Stofflich e sch eint beim näh eren H inseh en ganz zu verschwinden.

Au s D ü rr, H an s-Peter (201 0): „Wa ru m es u m s Gan ze geh t“, Ökom in Mü n ch en (S. 85 ff. ) Die moderne Physik kommt nun zu der überraschenden Erkenntnis: Materie ist nicht aus Materie aufgebaut! Wenn wir die Materie immer weiter auseinander nehmen, in der Hoff- nung die kleinste, gestaltlose, reine Materie zu finden, bleibt am Ende nichts mehr übrig, was uns an Materie erinnert. Am Schluss ist kein Stoff mehr, nur noch Form, Gestalt, Sym- metrie, Beziehung. Diese Erkenntnis war und ist nach wie vor sehr verwirrend. Wenn Mate- rie nicht aus Materie aufgebaut ist, dann bedeutet das: Das Primat von Materie und Form dreht sich um: Das Primäre ist Beziehung, der Stoff das Sekundäre. Materie ist der neuen Physik zufolge ein Phänomen, das erst bei einer gewissen vergröberten Betrachtung er- scheint. Materie/ Stoff ist geronnene Form. Vielleicht könnten wir auch sagen: Am Ende al- len Zerteilens von Materie bleibt etwas, das mehr dem Geistigen ähnelt − ganzheitlich, of- fen, lebendig: Potenzialität, die Kann-Möglichkeit einer Realisierung. Materie ist die Schla- cke dieses Geistigen − zerlegbar, abgrenzbar, determiniert: Realität.

In der Potenzialität gibt es keine eindeutigen Ursache/Wirkung-Beziehungen. Die Zukunft ist wesentlich offen. Es lassen sich für das, was »verschlackt«, was real geschieht, nur noch Wahrscheinlichkeiten angeben. Es gibt keine Teilchen, die unzerstörbar sind, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern wir haben ein »feuriges Brodeln«, ein ständiges Entstehen und Vergehen. In jedem Augenblick wird die Welt neu geschaffen, jedoch im Angesicht, im

»Erwartungsfeld« der ständig abtretenden Welt. Dies ist auch der Grund, warum uns die Zukunft verschlossen bleibt: Sie wird uns nicht vorenthalten, sondern sie existiert gar nicht.

Die alte Potenzialität in ihrer Ganzheit gebiert die neue und prägt neue Realisierungen, ohne sie jedoch eindeutig festzulegen.

In diesem andauernden Schöpfungsprozess wird ständig ganz Neues, Noch-nie-Dagewe- senes geschaffen. »Alles« ist daran beteiligt. Das Zusammenspiel folgt bestimmten Regeln.

Physikalisch wird es beschrieben durch eine Überlagerung komplexwertiger Wellen, die sich verstärken und schwächen können. Es ist ein Plussummenspiel, bei dem Kooperation zur Verstärkung führt. Der zeitliche Prozess ist nicht einfach Entwicklung und Entfaltung be- ziehungsweise ein »Auswickeln« von bereits Bestehendem, von immerwährender Materie, die sich nur eine neue Form gibt. Es ist vielmehr echte Kreation: Verwandlung von Potenzia- lität in Realität, materiell-energetische Manifestation des Möglichen.

Das mag eine schlechte Nachricht für diejenigen bedeuten, die Natur manipulieren und letztlich fest in den Griff bekommen wollen. Denn wir können prinzipiell nicht genau wis- sen, was unter vorgegebenen Umständen in Zukunft passieren wird. Und dies, wohlge- merkt, nicht aus noch mangelnder Kenntnis, sondern als Folge der Sowohl-als-auch-Struktur der Potenzialität, die mehr die lose Verknüpfungsstruktur freier Gedanken besitzt bezie- hungsweise einer »Ahnung« gleicht. Dies imitiert die Entstehung von unabhängigen Subsys- temen, die grob wie Teile des Gesamtsystems fungieren, aus denen dieses Gesamtsystem dann als »zusammengesetzt« erscheint. Dies ist aber nie der Fall, weil der Zusammenhang viel tiefer geht, so wie etwa die sichtbar getrennten weißen Schaumkronen auf stürmischer

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See nicht die Behauptung rechtfertigen, das Meer sei aus Wellen und Schaumkronen zu- sammengesetzt. Das Sinnstiftende im Zusammenwirken der Als-ob-Teile entsteht immer aus dem Ganzen, das sie einschließt. Dieses Ganze, Eine, ist immer da, ob das Meer »leer«, glatt und ruhig sich ausbreitet oder ob es »voll«, hoch differenziert sich im Sturme wellt. Das Zusammenspiel der Wellen führt zu einer Orientierung, die so aussieht, als gäbe es ein vor- gegebenes Ziel. Aber der Weg, das konstruktive Zusammenspiel, gebiert das Ziel.

M it dem bish er Genannten ist es lan ge nicht getan. Wer sich noch meh r den Kopf verdreh en lassen will, kann sich z. B. mit der − au ch sch on etlich e Jah rzeh nte al- ten − Qu antenphysik besch äftigen. Die ist nicht ganz einfach u nd verdreht selbst denen den Kopf, die ih n sich dazu zerbrech en . Dort gibt es weith in anerkan nte Th eorien , n ach denen das Au sseh en z. B. von kleinen Teilch en wie Atom en oder Elektronen nicht nu r du rch die Wah rneh mu n g (selbstverständlich vermittelt ü ber tech nisch e H ilfen) beeinflu sst wird, sondern erst dadu rch entsteht. Was existiert eigentlich , solange niemand h in sch au t? Kann das Ergebnis des H insch au ens au ch rü ckwirkend das B etrachtete verändern? Solch e Fragen mögen den gesu n den M ensch enverstand einiger- m aßen ü berfordern. Aber seriöse P hysikerI nnen knabbern längst an solch en Denkfigu ren.

Au s Gribbin , Joh n (1 998): „Sch röd in gers Kätzch en“, F isch er Tasch en bu ch in F ran kfu rt Nach diesem − in der Hauptsache auf Borns Arbeit zurückgehenden − Bild existiert ein nicht beobachtetes Elektron überhaupt nicht in Form eines Teilchens. . . . (S. 27)

Unsere Beobachtung der Elektronenwelle läßt diese zusammenbrechen, so daß sie sich im entscheidenen Augenblick . . . wie ein Teilchen verhält. . . . (S. 31 )

Der Punkt ist, dass wir nicht nur nicht wissen, was ein Atom „wirklich“ ist, wir können es auch gar nicht wissen. Unser Wissen erschöpft sich darin, zu erkennen, wie es ist. (S. 264) Die Wirklichkeit ist das, was wir zur Wirklichkeit erheben, und solange die Modelle unsere Beobachtungen erklären, sind sie gute Modelle. Aber ist es dann richtig zu sagen, die Elektronen und Protonen hätten darauf gewartet, von uns im Innern der Atome entdeckt zu werden, und auch die Quarks hätten den Augenblick herbeigewünscht, wo die Wissen- schaftler endlich findig genug waren, sie im Innern der Protonen zu „entdecken“? Oder ste- cken wir nicht statt dessen uns eigentlich unverständliche Quantenaspekte der Wirklichkeit in Schubladen und versehen sie mit Namensschildern wie „Proton“ und „Quark“, weil es uns so passt? . . . (S. 266)

Denn alle Modell sind bewusst durch unsere Entscheidung vereinfacht, welche Freiheits- grade wir als Zugriff auf die Wirklichkeit verwenden wollen; auch ist jedes Modell, das wir uns von der Welt machen und das nicht auf unmittelbaren Sinneswahrnehmungen beruht, eine Fiktion, eine freie Erfindung des menschlichen Geistes. Sie haben die Wahl: Greifen Sie die Quanteninterpretation heraus, die Ihnen am meisten zusagt, oder weisen Sie alle zurück, bzw. erwerben Sie das ganze Paket, und benutzen Sie die verschiedenen Interpre- tationen nach Belieben, nach Wochentag oder Laune. Denn die Wirklichkeit ist größenteils das, was Sie in ihr sehen wollen. (S. 309f. )

Je genau er m en sch h in sch au t, je meh r er misst u n d vergleicht, desto absu rder wird es.

P hysikerI n nen, dass ein Elektron sein Verh alten beim Du rchfliegen ein es Loch es zu än- dern sch eint in Abh ängigkeit davon, ob andernorts ein weiteres Loch offen oder gesch los- sen ist. Die M aterie „ weiß“ also Zu stände au s der Umgebu ng − weil es, wie sich au s Ein- steins Reletivitätsth eorie ergibt, bei Lichtgeschwindigkeit gleich zeitig ü berall ist, da sich die Entfernu ngen fü r das so reisende Teilch en au f N u ll verkü rzt h aben! Aber wer in Einsteins u n d noch n eu ere Th eorien einsteigt, wird oh n eh in au s dem Stau nen kau m noch h erau s- komm en , wie dyn amisch das alles da drau ßen u nd in u ns drin nen ist. Es bedarf keiner h ö- h eren I ntelligenzen zu seiner Erkläru ng. Aber ebenso wenig begriffen h at, wer da noch be- h au ptet, M aterie sein einfach nu r ein H au fen von . . . tja, was eigenlich?

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H ans-Peter Dürr ist Physiker und war Direktor des Max-Pl anck- I nstituts für Physik und Astrophysik.

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Vielleicht kann der B egriff von N ach richten ein gu tes B ild des Verh ältnisses von Gesch e- h en u nd B etrachtu ng liefern. Ein Vorgan g wird zu r N ach richt dadu rch , dass er entdeckt u nd besch rieben wird. Wird er nicht entdeckt, so existiert er qu asi au ch nicht. Die Zah l der N ach richten wird dadu rch begren zt, was Jou rn alistI nnen zu verarbeiten in der Lage sin d.

Oder anders h eru m : Es passieren imm er genau so viele Din ge, wie in das N ach richtenm e- diu m, z. B. eine Zeitu ng passen. Weil das Gesch eh en erst du rch das Verarbeiten in der Zei- tu ng zu r N ach richt wird u nd oh ne dies praktisch nicht exisitert − jedenfalls nicht als N ach - richt u nd damit au ch n icht in seiner Wirku ng au f die Welt dru mh eru m . Das Erh eben zu r N ach richt verändert das Gesch eh en selbst.

D yn am i sch e Materi e i n Sel bstorgan i si eru n g

Steigen wir weiter h inein in diese Welt des Stofflich en. Es gibt in der geistigen Gesch ichte der M ensch h eit versch iedene Arten, sich M aterie vorzu stellen . Die ersten waren su bstan- tiell, d. h . m an versu chte, dinglich e Su bstanzen als Gru ndlage von allem, was es in der Welt gibt, zu denken. I nzwisch en ist bekannt, dass alles Gegen ständlich e, Dinglich e eine Art

„ Kristallisation“ innerh alb von P rozessen darstellt. Das m odern e, n eu zeitlich e Denken ori- entiert sich eh er an Relation en u nd B ezieh u ngen als an Dingen u n d Su bstanzen. Da sich Relationen u n d B ezieh u ngen aber ändern, ist au ch das Stofflich e nu r eine relativ feste Grö- ße. Es sch eint nu r u nverrü ckbar in der su bjektiven Wah rneh mu n g des einzelnen M en- sch en, der nu r eine begrenzte Zeitspanne ü bersch au en u nd die darin angetroffenen Zu - stände vergleich en kann. Da zu dem die körpereigen en Wah rn eh mu ngsorgan e im glei- ch en Geh irn zu samm en lau fen, äh n eln sich ih re Em pfindu ngen au ch : Erst seh e ich eine Wand, dann stoße ich dagegen, h öre den Au fprall u nd es tu t weh . Eine gan z sch n öde, stofflich e Erkläru ng fü r dieses Gesch eh en liegt n ah e − u nd ist au ch nicht falsch , den n Er- kläru ngsmodelle fü r Wah rneh mu ngen mü ssen die M ech anismen der Wah rneh mu ng wi- derspiegeln, damit das Wah rgenommene in die Erfah ru ngs- u nd B egriffswelt einsortiert u nd gedanklich verarbeitet werden kann.

N u r: Die Welt sieht offen bar etwas anders au s. Das, gegen war wir da gestoßen sind u n d was u ns nu n eine B eu le am Kopf plu s Sch merzen bereitet, ist physikalisch nicht einfach eine zu samm en kleben de M asse klitzekleiner Teilch en, sondern bei ganz genau en H in- sch au en (mit den Au gen des M ensch en nicht sichtbar) ein bem erkenswert dyn amisch es Geflecht von physikalisch en Ersch einu n gen , die M aterie zu nennen u ns schwer fallen wü r- de. Aber das Gesamtergebnis im kon kreten M om ent ist das, was wir au s u nserem Alltag ken nen u nd desh alb so einordnen , wie wir es ü blich erweise tu n.

Gegenstände können wissen sch aftlich sogar ganz in der Relationalität „ au fgelöst“ werden oder, dialektisch , als reines Verh ältnis begriffen werden. N u r h ilft das au ch nicht weiter, denn von praktisch er B edeu tu n g fü r das Leben ist das dann − zu m in dest zu r Zeit − au ch n icht meh r. B eide Einseitigkeiten fü h ren zu P roblem en. Das rein su bstantielle Den ken, das ü berall nu r starre Teilch en verm u tet, fü h rt zu einem naiven, m ech anisch em M aterialismu s.

Das rein relation ale Denken , dass alles nu r als Au sdru cksform gegenseitiger B eeinflu ssu n- gen interpretiert, läu ft zu m in dest Gefah r, ein stark idealistisch es, alles relativierendes u n d am Ende beliebiges Weltbild zu erzeu gen. Sinnvoll ist, beides zu verknü pfen, aber nicht als platter Kompromiss nach dem M otto „ Die Wah rh eit liegt in der M itte“, sondern als B egrei- fen , dass all diese Qu alitäten in dem liegen, was wir so platt als M aterie wah rneh m en . Sie ist

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nicht starr u nd u nveränderbar, allein du rch Zu fälle getrieben , aber sie ist au ch nicht rein e Einbildu ng u nd tatsäch lich gar nicht vorh anden.

Au s B l och , E rn st (1 985): E xp erim en tu m Mu n d i. F rage, Ka tegorien des H erau sbrin gen s, P ra- xis. Werka u sga be B a n d 1 5, Su h rkam p in F ra n kfu rt (S. 21 )

Es kommt darauf an, das Subjektive nicht idealistisch in der Luft hängen zu lassen, aber auch das Materielle nicht mechanisch auf dem Boden liegen zu lassen, als einen Klotz.

Die au s dieser begrifflich schwer fassbaren M aterie besteh ende Welt ist folglich au ch insge- samt keine statisch e Gegebenh eit, sondern eine Fü lle von wech selwirkenden P rozessen. I n diesen P rozessen kan n au s M öglich keiten h erau s jederzeit etwas N eu es entsteh en. Ent- wicklu ng vollzieht sich nicht nu r du rch bewu sstes Tu n, sondern sch on dadu rch , dass sich au s den Ergebnissen von P rozessen die B edin gu ngen verändern könn en , d. h . dass neu e M olekü le, Stoffwech selvorgänge, eine verän derte Zu sam mensetzu ng der Atm osph äre oder an dere Veränderu ngen n eu e Vorau ssetzu ngen dan n folgender Entwicklu n gen sch af- fen . Evolu tion ist also der dynamisch en M aterie von Anfang an inne u n d nicht erst ein e Lo- gik des Lebens, die ja nichts anderes ist als ein e besondere Form der Zu samm en setzu ng u n d Wirku ngsweise dieser dynam isch en M aterie.

Das Spätere basiert also imm er au f den frü h er entstandenen B edingu ngen, u nd jeder P ro- zess verän dert seine eigenen B edingu n gen als Vorau ssetzu ng fü r das Folgende. So kön- nen die Au fnah m e von Stoffen u nd Energie sowie Abgabe von Stoffen u nd Energie verän- dert werden . Diese Veränderu ngen beeinflu ssen wiederu m die Au ßenwelt, wodu rch die ei- genen B edin gu ngen au fgebrau cht werden u nd neu e entsteh en.

Alles Gesch eh en h at dabei eine materielle Gru ndlage, aber dass h eißt eben nicht, dass es festgelegt (determiniert) ist. I m Gegenteil: M aterie ist dynam isch u nd sch afft sich selbst im- m er wieder neu e H andlu ngsoptionen, die Sprü nge in der Evolu tion des Stofflich en darstel- len . Entwicklu n g findet imm er statt − n u r woh in, ist nicht zwingend vorgegeben u n d folg- lich au ch nicht vorh erseh bar. Die m aterielle Gru n dlage verändert sich au fgru nd des Ge- sch eh ens. M aterie ist Dyn amik, das Teil ist die Schwingu ng u nd u m gekeh rt. Das Ergebnis ist Evolu tion. Sie bedarf kein es Gottes, keiner idealistisch en Antriebskraft, sondern folgt notwendig au s dem dynam isch en Ch arakter von M aterie.

Au s Sch l em m , An n ette (1 996): „D ass n ich ts bl eibt, wie es ist . . .“, L it-Verl ag in Mü n ster (S. 68) Kosmische „Zufälle“ liegen auf unserem Entwicklungspfad. Bei anderen ebenso zufälligen Konstellationen würden andere Entwicklungspfade beschritten werden können, andere Rückkopplungen wirken. Die uns bekannte Form von Leben als biotischer Voraussetzung für Selbstwiderspiegelungsprozesse der Materie in Form des Menschen würde es dann sicher nicht geben. Komplexitätserhöhung in Selbstorganisationsprozessen jedoch würde stattfin- den, sobald die Bedingungen dafür vorhanden sind.

Ein solch es B ild der stofflich en Welt macht vieles vergleich bar m it der gesellsch aftlich en Entwicklu n g. Au ch die findet nicht im m etaphysisch en Rau m statt, son dern h at immer kon- krete Gru ndlagen . Aber entsch eidend fü r die gespeich erte I nformation ist das Verbindende

− in der stofflich en Welt die Wech selwirku n gen zwisch en den Qu anten oder, falls m en sch solch e als besteh end akzeptieren will, den Teilch en. So fu nktioniert au ch das Denken als Dynam ik der Verkn ü pfu ngen zwisch en N ervenzellen , Synapsen u n d meh r im Körper, vor allem im Geh irn. Und äh nlich sieht es in der Welt der B egriffe au s: Entsch eidend ist nicht die einzeln e I nform ation, son dern die Verknü pfu ng, d. h . die Assoziation mit anderen I nfor- m ationen, Erlebnissen , Voru rteilen u nd Disku rsen.

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Vom Kosm os zu m M ensch : Evolu tion als Entwicklu ng neu er M öglich keiten

Eine materialistisch e Weltsicht geht davon au s, dass es m ate- rielle P rozesse sch on lange gegeben h at, bevor Leben u n d dann Wesen mit B ewu sstsein entstanden sind. M aterie ist au sreich end dynam isch u nd entwickelt sich in Stu fen kontin u ier- lich weiter (statt nu r im mer wieder au s dem Au sgan gsm aterial per Zu fall Kom bination en zu bilden, bis m al was B estän diges h erau skommt). Die − fraglos − schwer im eigen en Kopf n achvollzieh bare Entsteh u ng der kom plexen Stru ktu ren von M aterie bis h in zu m Leben ist au s diesem Selbstorgan isieru ngsprozess h erau s erklärbar. Au f „ geistige Entitäten“, also die Denker u n d Len ker im „ Off“ wie Götter u nd andere rein geistige M ächte oder Antriegskräf- te, die dem Universu m ü ber- u nd vorgelagert sind, kann getrost verzichtet.

Der B egriff von Selbstorganisieru ng der M aterie darf allerdings nicht missverstanden wer- den. I n ih r, die ja n u r oder vor allem au s Schwingu ngen, B ezieh u ngen u nd En ergiefeldern besteht, besteht kein B au plan der Welt − etwa vergleich bar mit der DN A von Lebewesen.

Dort sind B au pläne codiert, wobei es au ch h ier wesentlich dyn amisch er zu geht u nd die DN A das Gesch eh en nicht allein prägt. Es gab diesen B au plan au ch nie, d. h . die Welt h ätte sich au ch anders entwickeln können. Das Leben h ätte nicht oder anders entsteh en können.

Was nu r au f jeden Fall passieren mu sste, war der lange Strang der Au sdifferenzieru n g von M aterie zu imm er komplexeren M olekü len u nd dan n zu Kombinationen, die die Fäh igkeit entwickelten, als Gebilde au s vielen Teilen ein e Teilau tonom ie gegen ü ber der Au ßenwelt zu erlangen . Das war zwar nicht wah rsch ein lich er als die Entsteh u ng aller anderen kom ple- xen Stru ktu ren − aber als solch e Teilau tonomien in Form regu lierten Stoffau stau sch s m it der Umgebu n g au ftraten, konnten sie fortbesteh en eben wegen dieser besonderen Eigen- sch aft. Ein e neu e Entwicklu ngsqu alität war erreicht, die mit dieser „ Erfindu ng“ als Qu alität darau s weitergeh ender P rozesse der Entsteh u ng imm er kom plizierter au fgebau ter Stoffe n u tzbar blieb. Au s ih r h erau s entstanden weit später dann zellenartige Gebilde m it n eu en Qu alitätssprü ngen wie der Zellteilu ng, die dam it die Weitergabe von Qu alitäten du rch Ko- pieren erm öglichte oder sch ließlich − ein bem erkenswerter weiterer Spru ng − die Codie- ru ng von I nform ationen in Zellkernen m it der Ch an ce au f Kom bination der codierten Ei- gensch aften per sexu eller Fortpflan zu n g oder h orizontalem Gentran sfer.

Au s B a ku n in , Mich ail (1 995): Gott u n d der Staat (N ach dru ck bei Trotzdem , Gra fen au ) Die allmähliche Entwicklung der materiellen Welt ist vollkommen faßbar, ebenso wie die des organischen, tierischen Lebens und die der im Lauf der Geschichte fortschreitenden in- dividuellen und sozialen Intelligenz des Menschen auf dieser Welt. Sie ist eine ganz natürli- che Bewegung vom Einfachen zum Zusammengesetzten, von unten nach oben oder von dem Niedrigeren zu dem Höheren, eine all unseren täglichen Erfahrungen und daher auch unserer natürlichen Logik, den Gesetzen unseres Geistes entsprechende Bewegung, dieser nur aufgrund dieser selben Erfahrungen entstehenden und sich entwickelnden Logik, die sozusagen nur deren Wiedergabe oder bewußte Zusammenfassung im Gehirn ist. (S. 50) Der Mensch ist, wie die ganze übrige Welt, ein vollständig materielles Wesen. Der Geist, die Fähigkeit zu denken, die verschiedenen äußeren und inneren Eindrücke zu empfangen und zurückzuwerfen, sich der vergangenen zu erinnern und sie durch das Gedächtnis wie- der hervorzubringen, sie zu vergleichen und zu unterscheiden, gemeinsame Eigenschaften zu abstrahieren und so allgemeine oder abstrakte Begriffe zu schaffen, schließlich durch verschiedene Gruppierung und Zusammenfassung der Begriffe Ideen zu bilden, − die In- telligenz mit einem Wort, der einzige Schöpfer all unserer idealen Welt, gehört dem tieri-

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Deine Zel l en sind perm anenter Austausch

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Dein Bl ut ist perm anenter Fl uss Dein H irn ist perm anente Reaktion Deine I dee ist dev Versuch , al l es anzuh al ten.

Lyrik eines Landstreich ers ( auf der Straße gefunden in Brem en)

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schen Körper an und insbesondere der ganz materiellen Organisation des Gehirns. (S. 91 ) Au s D ü rr, H an s-Peter (2 01 0): „Wa ru m es u m s Gan ze geh t“, Ökom in Mü n ch en (S. 1 02 f. )

Könnte man sich vorstellen, dass das, was wir lebendige Materie nennen, eigentlich die Grundstruktur der Materie widerspiegelt, in der die »Teile« so miteinander kooperieren, dass etwas wie eine lebendige Zelle oder gar ein Mensch entsteht? Und was bedeutet das nun für unser Weltbild? Da Zukunft im Wesentlichen offen ist, wird die Welt in jedem Au- genblick neu erschaffen, aber wohlgemerkt vor dem Hintergrund, wie sie vorher war. Ge- wisse Dinge sind vorgezeichnet, die im Wesentlichen von den alten herrühren. So wie man Gewohnheiten hat, die man auf diese Weise immer wieder auslebt. Doch alles ist an der Gestaltung der Zukunft mitbeteiligt. Die Zukunft ist nicht etwas, das einfach hereinbricht, sondern die Zukunft wird gestaltet durch das, was jetzt passiert. Das Naturgeschehen ist dadurch kein mechanistisches Uhrwerk mehr, sondern hat den Charakter einer fortwähren- den kreativen Entfaltung. Die Welt ereignet sich gewissermaßen in jedem Augenblicke neu nach Maßgabe einer »Möglichkeitsgestalt« und nicht rein zufällig im Sinne eines »anything goes«.

Aber damit wären wir sch on im näch sten Kaspitel. Verh arren wir zu näch st noch bei den Vorstu fen des Lebens. Denn au ch wen n das Lebendige als später Entwicklu ngssch ritt au f h oh em Vorniveau m it beson derer „ Leistu n gsfäh igkeit“ komplexer M aterie beein dru ckt, so ändert das nichts daran, das sch on die nichtleben dige M aterie, d. h . au ch die zeitlich en Ab- sch nitte vor der Entsteh u ng von Leben du rch eine Art Selbstorgan isieru ngsprozess von M aterie geprägt sind. Die Entwicklu ng von diffu sen, wah rsch einlich − verglich en m it der h eu tigen Lage − recht einh eitlich en Verh ältnissen am B eginn der h eu tigen Welt h in zu den Elementen, M olekü len u n d meh r ist bereits ein Strang der Entsteh u ng von Komplexität u n d Vielfalt m it etlich en , im N ach h inein besch reibbaren Qu alitätssprü n gen , die jeweils die näch sten Entwicklu ngen erst erm öglichten.

Wer Schwierigkeiten h at, sich das vorzu stellen , kan n Vergleich e au s der tech nisch en Ent- wicklu ng h eran zieh en . Seit Jah rtau senden basteln M ensch en mit den vorh andenen M ate- rialien h eru m. Das war zu näch st seh r mü h selig u nd zog sich ü ber lan ge Zeiträu me. Doch imm er m al wieder kamen „ Erfindu ngen“ h inzu , die als Qu alitätssprü n ge der M aterialbear- beitu ng im N ach h inein sichtbar sind. Klein ersch eint der Spru ng, Werkzeu g m it Werkzeu g h erzu stellen. Größer der Spru ng, H itze als B earbeitu ngsmittel ein zu setzen. Jede neu e Qu alität sch u f dan n den Au sgangspu nkt fü r die näch sten Steigeru n gen , z. B. den gezielten Gewinn von Roh stoffen au s Gesteinsmisch u ngen, der vor allem m it dem Einzu g bearbeite- ten Eisens einen gewaltigen Fortsch ritt fü r die damals lebenden M ensch en darstellte. I n sol- ch en Sch ritten, also Entwicklu ngssprü ngen (die klar sichtbar werden n u r in der Rü ck- sch au , wäh rend fü r die damals lebenden M ensch en wah rsch einlich alles u nendlich lang- sam verlief u n d sich ü ber Generation en h inzog), ging es weiter. Jede Stu fe sch u f den Au s- gan gspu nkt der näch sten Entwicklu ngen − bis h eu te mit klein en M engen besonderer Roh stoffe in kleinsten , kom pliziert stru ktu rierten M aterieh au fen riesige Rech enoperationen lau fen, die gan z lässig ermöglich en, dieses B u ch an einem klein en Gerät zu sch reiben, zu speich ern , zu layou ten u nd in ein Form at zu wandeln , was wieder andere M aterieh au fen nam ens Dru ckmasch in e, au f flach e, etwas einfach ere Stoffe, die wir Papier nennen, in stru ktu rierte Farbklekse u msetzen. Das gelin gt, weil dah inter eine ü berlegende Kraft steht, näm lich die M ensch en mit H ilfe der von ih nen entwickelten M asch inen, die sich die Stru k- tu r der M aterieh au fen passen d au sdenken . Doch das Potential ist bereits in der M aterie vor- h an den. Sie ist im P rinzip u nendlich flexibel. Was ein mal erfu nden ist, bildet (falls es nicht du rch Zu fall wieder verloren geht) den Au sgangspu nkt weiterer Entwicklu ngen.

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Das, besch rieben an der gezielten M an ipu lation von M aterie du rch den M en sch en, ist im u nbelebten Rau m genau so. N u r dass h ier eine denkende Kraft feh lt, aber au ch nicht nötig ist. Denn die neu en Qu alitäten entsteh en von selbst. Sie sind entstanden, so steh en sie ab da zu r Weiterentwicklu n g als neu er Au sgan gspu nkt bereit.

Au s Sch l em m , An n ette (1 996): „D ass n ich ts bl eibt, wie es ist . . .“, L it-Verl ag in Mü n ster Über die Stelle des qualitativen „Sprungs“ können wir nun genauere Aussagen machen:

1 . Durch seine Existenzweise (als Prozeß) verändert jedes aktive System (und nur von sol- chen sprechen wir hier) seine eigene innere und äußere Qualität. Andere als die bisher we- sentlichen Strukturen und Funktionen entstehen aus Variationen. Erst nur langsam − stoßen die quantitativen Veränderungen an die Grenze der Qualität − und führen die bisherige Existenzweise in eine Krise („selbstorganisierte Kritizität“). Die innerhalb der alten Grund- qualität entstandenen anderen Strukturen und Funktionen können sich neu organisieren und zu einer neuen Qualität des Systems führen − oder das System beendet seine Existenz.

2. Das bedeutet, dass „vor“ dem Sprung durch Differenzierung andere Strukturen und Funktionen „vorbereitend“ entwickelt werden. Der Qualitätssprung ist durch eine neue Kombination dieser Strukturen und Funktionen (gemeinsam mit z.T. bleibenden alten Teilen) gekennzeichnet, die als Synthese bezeichnet werden kann.

3. Für die neuen Strukturen und Funktionen liegen i.a. mehrere Möglichkeiten vor. Die erste Varianz liegt in der Zufälligkeit des Entstehens jeweils verschiedener anderer Strukturen und Funktionen; die zweite Varianz kommt bei der verschieden möglichen Verknüpfung dieser hinzu.

4. Die Kombination mit dem größten Effekt innerhalb seiner Umwelt (sie überlebt selbst, in- dem sie die Umweltzusammenhänge aktiv mitgestaltet) verdrängt andere, vorher auch mögliche Kombinations- sowie Struktur- und Funktionsvarianten. (S. 1 23)

Es gibt keinen B eweis, dass h inter der Entsteh u ng der Welt nicht doch eine vergleich bar denkende Kraft steckt wie h inter der Entwicklu ng z. B. von P latinen. Religionen, esoterisch e Leh ren u n d manch gu t verbreiteter Scien ce Fiction betrachten die Welt oder zu mindest die Erde als Kreation. Doch nötig ist eine solch e Kraft n icht. Wäre sie da, h ätte sich die Entste- h u ng der Welt nicht M illiarden Jah re Zeit neh men mü ssen. So aber reichte die Tendenz von M aterie, sich zu imm er komplexeren Formen zu verbin den u nd Qu alitäten dann au ch weiterzu geben , u m ü ber die u nvorstellbar lan ge Zeit der Entwicklu ng des B esteh enden al- les entsteh en zu lassen: M aterie au s bislang weitgeh end u nbekannte Vorformen, dann im- m er kom pliziertere M olekü le au s einfach en B au teilen, von diesen ü ber komplexe Stoffe, ersten M embranen zu r Steu eru ng des Stoffau stau sch es mit der Umwelt bis zu kopierbaren Abbilder gespeich erter I nformation (später: Gen e) u nd von diesen zu komm u nizierten I n- form ationen. M aterie ist I nformation u nd damit au ch immer Gesch ichte. I n ih r stecken min- destens M illiarden von Jah ren. Der M ensch bastelt h eu te du rch gezielte Gestaltu ng neu e, leistu n gsfäh ige M ateriekonstellationen in einer Gen eration. Er wird selbst die Codieru ngen wie Gene du rch gezieltes H andeln in B älde n ach eigenen Wü nsch en u mgestalten können.

Das ist Evolu tion, d. h . die n eu e Qu alität abstrakten Denken s wird die Komplexität von M a- terie weiter steigern. Zu m indest kann sie das. Ob das fü r ein gu tes Leben s wü n sch enswert ist oder ob die weitere Evolu tion nicht angesichts der Au srichtu n g mensch lich er B etätigu ng au f M acht, Kontrolle u nd P rofit in eine lebensfeindlich e Richtu n g gedrü ckt wird, ist eine Frage gesellsch aftlich er Käm pfe − u nd nicht der Logiken von Entwicklu n g u nd Evolu tion.

Dass denkende Wesen zu den benannten u nd weiteren , h eu te gar nicht vorstellbaren Fä- h igkeiten komm en werden, ist sch licht u nd ergreifend „ natü rlich“ − falls sie sich nicht du rch das selbstverpasste Diktat von M acht u nd P rofit, ein bedau erlich erweise verseh ent- lich erzeu gtes schwarzes Loch , den B au ein er intergalaktisch en Fern straße oder einen welt-

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weiten Vernichtu n gskrieg ü ber u ngem ein wichtige Fragestellu n gen wie dem Gren zverlau f zwisch en zwei u nbewoh nten M in iinseln oder der B artlänge des einzig wah ren Gottes selbst au s der Gesch ichte der Welt katapu ltieren. Evolu tion ist die Weiterentwicklu n g des M ateri- ellen, au f allen Entwicklu ngsstu fen gleich zeitig. Denken u nd B ewu sstsein basiert au f dem Leben, dieses wiederu m au f M olekü len u nd den von ih n en gebildeten kom plexen Stoffen.

Versu ch einer Gesch ichtssch reibu ng zu r Weltentsteh u ng

Verfolgen wir n u n, allerdings im Sch n elldu rch lau f, diese gan ze Entwicklu ng, u m u ns ein B ild zu mach en, wie vorau ssichtlich alles entstand. Un sich erh eiten du rch Wissen slü cken sin d nicht au sgesch lossen − au ch Gesch ichtssch reibu ng verläu ft, wie eben alles, in ständi- ger Weiterentwicklu ng m it Qu alitätssprü n gen, die ab dan n die Gesch ichtssch reibu ng du rch geh end prägen. Jeden Tag kann ein e Entdecku ng h in zu kom men, die ein en gu ten Teil bish eriger Au ffassu ngen ü ber Gesch ichte u mwirft. Au f dieser neu en Qu alität wü rde es dann weitergeh en . Alles − ob m aterielle Entwicklu ng, Gesch ichtssch reibu ng oder die Ent- wicklu ng von M asch inen u nd Software folgt dieser Logik der Selbstorganisieru ng als Ab- folge von Qu alitäten, die dann zu r B asis der weiteren Entwicklu ng werden.

Aber erstm al gan z an den Anfang − zu einem der „ M om ente“, ü ber die im mer noch die Th eorien h in- u nd h erwogen. H ier folgen trotzdem keine seiten langen Au sfü h ru ngen ü ber die versch iedenen Erkläru ngsmodelle der Weltentsteh u n g, ih re Widersprü ch e u nd Leer- stellen. M ögen sich die P hysikerI nn en u n d andere I nteressierte weiter die Köpfe zerbrech en u n d neu e Erkenntnisse sch eibch enweise ans Licht zerren. H ier greifen wir nu r eine, zu r Zeit gän gige Th eorie h erau s: Die Vorstellu n g, dass alles, was h eu te sichtbar ist, mit einem großen Urknall began n. Was au ch imm er das tatsäch lich war, ob es ü berh au pt knallte, was ein Kn all ist, ob der nicht erst du rch Oh ren u nd einem Geh irn, was darau s einen B egriff formt, dazu wird . . . − wir lassen diese Fragen lässig beiseite, mögen sie au ch noch so faszi- nierend sein. Wer dann au ch noch die Zeitrech nu n g mit diesem Urkn all beginn en lässt (wofü r es ü berh au pt keine brau ch bare B egrü ndu ng gibt au ßer der, dass diese willkü rlich e Annah m e sch licht praktisch ist, u m das n achfolgende Gesch eh en im Kopf sinnvoll ordnen zu kön nen), wü rde in der allerersten P h ase keine Stoffe im klassisch en Sinn finden. Rau m u n d Zeit entsteh en erst. Ob diese B egriffe fü r die B esch reibu n g dessen tau gen, was vor dem Urknall war, ist u n bekannt u nd zu mindest fraglich . Das wäre, da physikalisch e M eth o- den der Erforsch u ng zu r Zeit nicht bereitsteh en, ein e du rch u nd du rch ph ilosoph isch e Fra- ge. Spannend, spann end . . . aber wir lassen sie beiseite u nd folgen dem (m öglich erweise erst ab jetzt ü berh au pt anwendbaren ) Zeitstrah l in Richtu ng Jetztzeit ein kleines Stü ck. Kra- womm m . . . irgendwas passierte also u nd es begann Au sdeh nu ng, d. h . das, was wir h eu te als Rau m defin ieren.

Au s Sch l em m , An n ette (1 996): „D ass n ich ts bl eibt, wie es ist . . .“, L it-Verl ag in Mü n ster Im Modell des heißen Urknalls geht man davon aus, dass Raum und Zeit (in den jetzigen Formen) vor ungefähr 1 5 bis 20 Milliarden Jahren gemeinsam mit den sie erfüllenden Mate- riearten und -formen (in den uns bekannten und höherenergetischeren Arten) entstanden.

. . . (S. 27)

Zumindest die Rahmenzeit, die mit der Expansion unseres Universums nach dem „Urknall“

verbunden ist, wird erst im Moment des „Urknalls“ erzeugt. (S. 30)

Ku rz darau f erfü llt Strah lu ng u ntersch iedlich ster Art den − im Vergleich zu m jetzigen Kos- m os wah rsch einlich noch recht kleinen − Rau m . B leiben wir mal bei diesem B egriff

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„ Rau m“, au ch wenn das n icht ganz einfach ist. B egriffe dienen ja dazu , komplexe u n d im- m er m iteinan der verwoben e Zu stän de in gedankenverarbeitbare Teile zu transformieren.

Rau m ist etwas, was Au sdeh nu ng h at, wo etwas drin ist (u nd sei es das N ichts, wie beim Va- ku u m − wobei das au ch sch on wieder rein stofflich gedacht, d. h . begrifflich gefasst ist).

Wen n vor dem Urknall kein e Au sdeh nu ng war, m ü sste dann nicht direkt danach das Gan- ze, au s dem das jetzige Weltall h ervorging, als klitzekleine Stru ktu r bestanden h aben? Eine wirre Vorstellu ng: die Welt im H osentasch enformat (n u r oh ne H osentasch e). Aber so ist das m it B egriffen : Sie sin d ein vereinfach endes Abbild dessen, was da drau ßen tatsäch lich abgeht, wir aber in der tatsäch lich en Form nicht wah rneh m en können, weil u nsere Sinnes- apparate, au ch die tech n isch en Unterstü tzu ngsapparate, die wir u n s inzwisch en gebau t h a- ben, vor allem aber das all dieses in B egriffe einarbeitende Geh irn das wirklich e Gesch e- h en in eine gedanklich verarbeitbare Form gießen (sieh e Absch nitt u nten zu „Wah rh eit u n d Wah rneh m u ng“ ). So ist es au ch mit dem Urknall: Wir basteln u ns ein Abbild von einem Vorgang, der sich der Vorstellbarkeit entzieh en wü rde, wen n wir n icht vereinfach ende B e- griffe bilden wü rden. Der Vereinfach u n gsgrad ist h ier enorm . Aber wir h aben keine Alter- n ative − insbesondere in diesem B u ch , wo es ja n u r u m eine vage Vermittlu ng der dynam i- sch en P rozesse vom N ichts des Urkn alls ü ber Strah lu ng u n d viel Unbekanntes ü ber M ate- rie u nd seine imm er kom plexeren Formen zu m Leben u nd sch ließlich der ku ltu rellen Evo- lu tion geht.

Also: Die Welt startete als M iniau sgabe, besteh end au s einer irgendwie gearteten M isch u ng au s Strah lu ng. Sie begann dann wah rsch einlich , äh nlich wie später die M aterie, sich au szu - differenzieren in versch iedene Formen der Strah lu ng. Au s dieser Strah lu ng „ kon densier- ten“ ansch ließend die stofflich e M aterie, die später in Form der Atom e ein e vergleich sweise h oh e Stabilität erreichte u nd sich dann wiederu m imm er weiter zu komplexen M olekü l- stru ktu ren verband. Dabei erreich en sie imm er neu e Qu alitäten, die dann zu m Au sgan gs- pu nkt fü r die folgenden Entwicklu ngssch ritte wird.

Wichtig ist, dass bei jedem Qu alitätsspru ng die Qu alitäten der vorau sgegangen en Entwick- lu ngen erh alten blieben, d. h . das N eu e bau t au f dem Alten au f u nd vernichtet nicht dessen M öglich keiten.

Au s Sch l em m , An n ette (1 996): „D ass n ich ts bl eibt, wie es ist . . .“, L it-Verl ag in Mü n ster (S. 69) Vollziehen sich Prozesse der Höherentwicklung, so bleiben die Gesetze der niederen For- men der Materie erhalten − es entstehen zusätzlich neue für die neuen Formen. Innerhalb des Bereiches der neuen Formen dominieren dann aber auch die neuen, wesentlichen Zu- sammenhänge − ohne dass die auf den niederen Ebenen wirkenden Gesetze ausgeschal- tet würden.

Au topoiesis: Wenn M aterie Stoffau stau sch u nd Reaktionen selbst zu steu ern beginnt

I rgendwann − weder der genau e Zeitpu nkt noch die genau en Abläu fe sind bekannt − ent- standen M olekü lstru ktu ren, die nicht meh r nu r als zu fällige Zu samm en ballu ngen existier- ten , sich weiter verbanden , aber Getriebene der Umgebu n gseinflü sse blieben, son dern die komplexer geworden en Stru ktu ren zeigten ein Reaktion smu ster, das die Umgebu ngsein- flü sse wiederu m beeinflu sste. Sie stabilisierten ih re Existenz dadu rch selbst oder beeinflu ss- ten zu m in dest die Art der Einwirku ng von au ßen. Diese Fäh igkeit war eine u n bedin gte Vor-

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