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Arztbild – Wunschbild?

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Academic year: 2022

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Leitartikel

Herzlich lade ich Sie zu unserem 60. Bayeri- schen Ärztetag, der vom 14. bis 16. Oktober in Coburg stattfindet, ein. An der Ärztetagseröff- nung, am Freitagabend im Kongresshaus Ro- sengarten wird die Bayerische Sozialministe- rin Christa Stewens ein Grußwort sprechen.

Im Anschluss daran, zum Thema „Von der Triebfeder zum Getriebenen. Leitlinien und Behandlungsprogramme in der Medizin.“ ha- ben wir ein Impulsreferat und eine Gesprächs- runde mit Professor Dr. Paul U. Unschuld und zwei weiteren Experten vorgesehen. Diese sind Professor Dr. Dr. Eckhard Nagel, Trans- plantationsmediziner, Gesundheitsökonom und Medizinethiker sowie Dr. Rainer Hess, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesaus- schusses (G-BA). Die diesjährige Arbeitsta- gung befasst sich dann unter anderem mit der aktuellen Sozial-, Gesundheits- und Berufs- politik, dem Tätigkeitsbericht der BLÄK und Fragen der Weiterbildung. Im Vorfeld des Ärztetages bieten wir erstmals für die Dele- gierten vier „Workshops“, um Themen der Ar- beitstagung vorzubesprechen.

Dass ausgerechnet ein Medizinhistoriker das Impulsreferat bei der Eröffnungsveranstaltung hält, sagt einiges über den Ansatz der Veran- staltung. Heute – in Zeiten von DRG, DMP, EBM2000plus, GOÄ und wie die ganzen Abkürzungen noch heißen. Heute, das ist Mo- netik, wenig Ethik. Heute, da ist die Gesetzes- vorschrift noch der geringste Papieraufwand.

Und früher – ja früher – da gab es Zuwen- dung, echte menschliche Wärme, den direkten Arzt-Patienten-Kontakt. Die Kunst, das Können, zählte und nicht die Zahlen.

Reales Arztbild

Doch halt – es geht uns hier nicht um Schwarz-Weiß-Malerei. Die „gute alte Zeit“

hält bei weitem nicht das, was im kollektiven Gedächtnis dieser Profession Arzt verankert ist. Vor Bismarck sind viele Patienten aus

Geldmangel nicht in den Genuss ärztlicher Heilkunst gekommen. Und danach sind sie lange Zeit als lenkungsbedürftige Krankheits- träger und nicht als gleichberechtigte Indivi- duen behandelt worden. Die Crux allerdings ist, dass genau jetzt, da wir Ärztinnen und Ärzte uns vom Paternalismus verabschieden, die Ressourcen so knapp geworden sind, dass wirtschaftliches Denken alles Weitere ablöst.

Folgt man dem Historiker Unschuld, hat das Idealbild Arzt eigentlich nie existiert. Es gab vielleicht mal ein Gefühl, ein unwirkliches Selbstverständnis – aber ein reales Arztbild?

Welche Ärzte will unsere Gesellschaft heute? – diese Frage kann freilich nicht abschließend beantwortet werden. Ein Arztbild, und wenn es nur ein Wunschbild wäre, ist vielleicht durch seine wesentlichen Einflussfaktoren zu definieren. Diese wären Gesundheitsökono- men, die das Versorgungsgeschehen in 15 Pro- zent Notfallbehandlung und 85 Prozent kon- sumorientierte Dienstleistung einteilen. Für den kleineren Teil lassen Betriebswirte jede ärztliche Ethik – und sei sie noch so kostspie- lig – gelten. Für den zweiten allerdings gilt nach ihren Maßstäben die Ethik eines Ökono- men, der Ressourcen sparsam einsetzt. Diese sind auch die Verfechter der rein evidenzba- sierten Medizin. Sie müssen oft als „Feind- bild“ für ein Arztverständnis, das auch auf Berufsjahren basiert, herhalten. Ihnen zufolge müssten wir Ärztinnen und Ärzte lernen, neue Forschungsergebnisse kritisch zu hinter- fragen und die aktuelle wissenschaftliche Ex- pertise mit eigener Erfahrung zu verbinden.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, oder?

Doch Ärztinnen und Ärzte sind nicht nur von wirtschaftlichen Zwängen, wissenschaftlichen Erkenntnissen sondern auch von Paragraphen getrieben. Stichwort G-BA, dessen Aufgaben der Zukunft sich so lesen: Integrationsprobleme der beiden Versorgungsbereiche, Mengendyna- mik und Vertragsvielfalt. Das klingt sehr real- politisch, so wenig nach Wunschbild.

Arzt-Patienten-Beziehung

Für die Auftaktveranstaltung des diesjährigen Bayerischen Ärztetages haben wir also die Diskussion um die Rolle des Arztes und seines Selbstverständnisses in unserem Gesundheits- wesen gewählt. In den vergangenen Jahren unterlag dieses Rollenverständnis rasanten

Veränderungen, begleitet von der „Ökonomi- sierung der Medizin“. Deprofessionalisierung und Ökonomisierung gingen sozusagen Hand in Hand. Das klassische Modell des Arztes, der mit seinem Patienten Entscheidungen trifft, ist heute in Gefahr zum Auslaufmodell zu werden. Der Druck auf die Arzt-Patienten- Beziehung wächst. Einerseits ist es der höhere Vernetzungs- und Koordinationsbedarf ar- beitsteilig erbrachter medizinischer Dienste.

Andererseits besteht er in zunehmender Öko- nomisierung und Rationalisierung. Zusätzlich mehren sich bürokratischer Aufwand, Verwal- tungsvorgaben, Leitlinien und Behandlungs- programme und vieles mehr, kontinuierlich.

Nicht nur Mitgestalter

Was ist zu tun? Ich denke, wir sollten, unge- achtet der gewandelten Strukturen, die Bereit- schaft besitzen, nach Wegen zu suchen, sich auf ureigenste ärztliche Verantwortungen und Kompetenzen zu konzentrieren. Vor diesem Hintergrund, selbst bestimmt, zum Wohle un- serer Patientinnen und Patienten sollten wir arbeiten. „Dazu ist es unumgänglich, dass sie (die Ärzte, Anm. d. Red.) die Patienten über- zeugen, dass sie, die Ärzte, deren natürliche und kompetente Verbündete sind“, wie Un- schuld in seinem neuesten Buch mit dem Titel

„Der Arzt als Fremdling in der Medizin?“

schreibt. Dazu sei es unumgänglich, dass wir Ärztinnen und Ärzte selbst die Schwerpunkte in der Vorbeugung, Diagnose und Therapie setzten. Um in Zukunft wieder Gestalter und nicht nur Mitgestalter des Gesundheitswesens zu sein, sei es unumgänglich, die Patientinnen und Patienten zu überzeugen, dass wir, die Ärztinnen und Ärzte, deren natürliche und kompetente Verbündete sind. Diese Überzeu- gung und damit das Vertrauen in den Arzt seien weiten Teilen der Öffentlichkeit abhan- den gekommen.

Noch sind wir Ärztinnen und Ärzte keine Fremdlinge in der Medizin. Es sollte ein vor- rangiges Ziel ärztlicher Standespolitik sein, nachdrücklich die Initiative zu ergreifen und zu verhindern, dass ein solches Szenario Wirklichkeit wird. Dazu soll auch eine Eröff- nungsveranstaltung am Bayerischen Ärztetag beitragen.

Arztbild – Wunschbild?

Dr. H. Hellmut Koch, Präsident der BLÄK

Bayerisches Ärzteblatt 10/2005 651

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