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Academic year: 2022

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Leitartikel

Schön sein, attraktiv sein, fit sein... so lautet der moderne Wunschzettel für ein erfülltes Le- ben. Erfolg und Äußeres hängen scheinbar eng zusammen. Ästhetische Normen, die ewige Ju- gend signalisieren, werden zu Leitmotiven.

Schönheitswahn

Fragen der Medizinethik rücken zunehmend in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Philosophen, Theologen, Politiker, Journalisten und natürlich wir Ärzte bestreiten den Dis- kurs zu aktuellen Fragen der Bioethik. Klar ist, dass das Ethos von Ärzten und Wissen- schaftlern niemals einheitlich sein kann. Auch wird die Brisanz manch aktueller Themen, wie etwa dem um sich greifenden Schönheits- wahn, erst in ihrer ganzen interdisziplinären Dimension verständlich. Geistige und gesell- schaftliche Strömungen haben das ärztliche Denken und Handeln von der Antike bis zur Gegenwart immer beeinflusst. Doch lassen wir die Antike, die Renaissance oder das Zeitalter der deutschen Romantik und blicken wir auf die gegenwärtigen Entwicklungen. Die Dis- kussion, ob das jeweils Machbare auch ethisch zulässig sei, berührt immer wieder die Frage der Patientenautonomie. „Der westliche Mensch widersetzte sich zunehmend – das war ein bemerkenswerter Unterschied zum 19. Jahrhundert! – dem ärztlichen Paterna- lismus, der bis in die Sechzigerjahre die meis- ten europäischen Kliniken und Arztpraxen prägte“, schreibt beispielsweise der Arzt und Philosoph Klaus Bergdolt in seinem neuesten Buch „Das Gewissen der Medizin“. Vormals entschied oft allein der behandelnde Arzt – für den Kranken aber auch vereinzelt gegen seinen Willen. Man berief sich im Zweifelsfall auf den Eid des Hippokrates, aus dem man eine alleinige Entscheidungsbefugnis des Arztes ab- leitet. Und ehrlicher Weise muss auch gesagt werden, dass wir Ärzte es wohl kaum aus ei- genem Antrieb heraus geschafft hätten, uns vom Paternalismus zu verabschieden, hätten

nicht Öffentlichkeit, Geisteswissenschaftler und andere Gruppen in die Debatte eingegrif- fen. Die ärztliche Ethik wurde zunehmend ein Thema der Medien, wo medizinische und gesundheitspolitische Fragen einen zentralen Stellenwert erhielten.

Medien

Die Schönheitsideale entstehen in den Köpfen – ausgelöst durch Bilder, denen wir jeden Tag begegnen: im Fernsehen, in der Werbung, in Zeitschriften und vielen anderen Medien.

Untergewichtige Models verkörpern Wunsch- figuren. Die Schönheitsindustrie macht unge- heure Gewinne und Schönheit als Kult wird noch mit Idealen von Jugend und Leistung aufgepeppt, notfalls eben mit dem Skalpell. So wächst in Europa die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit ihrem Aus- sehen unzufrieden sind und durch Schönheits- operationen Abhilfe schaffen wollen. Der Trend, der zweifellos aus den USA kommt, findet seine Vorbilder zum Beispiel in Britney Spears oder Pamela Anderson. Hoch im Kurs stehen Nasenkorrektur, Fettabsaugung, Brust- vergrößerung oder Unterspritzung von Falten und Lippen. Vielen Patienten sind jedoch die Risiken einer solchen Operation kaum be- wusst. Der Wunsch nach mehr „Schönheit“

überdeckt jede Vernunft.

Für uns Ärztinnen und Ärzte ist dieser Trend berufsethisch problematisch und eine zwei- schneidige Sache: Einerseits möchten wir den Menschen helfen, die ein „körperliches Pro- blem“ bedrückt, anderseits entsteht hier eine Disziplin, die unseren Berufsstand in Verruf zu bringen droht. Patienten wünschen sich die Nase von einem Star. Sie denken gar nicht darüber nach, ob diese Nase auch in ihr eigenes Gesicht passt. Das sind völlig irrealistische Vorstellungen, fast schon ein Wahn, der in die Richtung Dysmorphophobie tendiert. Patien- ten jagen einem Idealbild hinterher, das sie wohl nie erreichen werden. Ein trauriges Bei- spiel gibt hier sicherlich Michael Jackson ab.

Verantwortung

Dabei wächst die Dunkelziffer der selbster- nannten Schönheitschirurgen in Deutschland und auch in Bayern zunehmend. Etwa 200 000 Menschen unterziehen sich nach Angaben des

Bayerischen Sozialministeriums jedes Jahr in Bayern einer Schönheitsoperation. Sogar Heil- praktiker machen vor „schönheitschirurgischen“

Eingriffen mit dem Skalpell nicht Halt. Um- fragen belegen, dass nur jeder hundertste Ein- griff von einem Facharzt ausgeführt wird, der wirklich qualifiziert ist. Ein Albtraum mit fatalen Folgen. Bei bis zu 40 Prozent der Ein- griffe kommt es zu Komplikationen, zum Bei- spiel bei Massenoperationen in osteuropäischen Staaten, die wie Kaffeefahrten organisiert wer- den, aber auch hierzulande. Die steigende Zahl der Beschwerden bei der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen bei der Bayerischen Lan- desärztekammer (BLÄK) belegt diesen Trend.

Ich fordere Ärztinnen und Ärzte sowie alle Programmverantwortlichen der Sender auf, hier ihrer gesellschaftlichen Verantwortung ge- recht zu werden. Sendungen, die Schönheits- Operationen zur Unterhaltung zeigen und die zunehmende Tendenz, Intimes öffentlich zu machen – brauchen wir das wirklich? In diesen Sendungen wird ein Leitbild vermittelt, das suggeriert, dass sich der Selbstwert des Men- schen ausschließlich nach fragwürdigen Schön- heitsidealen bemisst. Den Mitwirkenden wird dabei eine Plattform geboten, sich hemmungs- los zur Schau zu stellen. Es entsteht der Ein- druck, durch medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen werde nicht nur das Aussehen optimiert, sondern auch die Persön- lichkeit, das Selbstbewusstsein, die gesellschaft- liche Akzeptanz und die Chancen für den be- ruflichen Erfolg gestärkt.

Wir als BLÄK werden den gesellschaftlichen Wandel, den so genannten „mainstream“, we- der ändern noch aufhalten können. Doch ist es unsere Aufgabe, die Sicherheit in der Schön- heitschirurgie mit Maßnahmen der Qualitäts- sicherung zu erhöhen. Ein erster und wichtiger Schritt war sicherlich in Bayern die Einfüh- rung der Facharztbezeichnung „Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie“ im ver- gangenen Jahr. Die Gefahr ist zu groß, dass Menschen für ihre Schönheit die eigene Ge- sundheit gefährden. Wenn schon 14-Jährige ernsthaft über Schönheitsoperationen nachden- ken und solche Eingriffe auch noch von Heil- praktikern vornehmen lassen, dann ist es fünf nach zwölf.

Schönes neues Jahr?

Dr. H. Hellmut Koch, Präsident der BLÄK

Bayerisches Ärzteblatt 1/2005 3

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