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Das Omen des Namens bei den Arabem.
Vou A. Fischer.
In meinem Aufsatz ,Arab. basir , scharfsichtig' per antiphrasin
= .blind" in Bd. 61 dieser Zeitschrift, S. 427, Anm. 2^),- habe
ich eine Stelle aus Häggl IJalifa mitgeteilt, in der davon die R«de
1) Verbessere hier den Druckfehler in lij-''**. —
In seinem letzten Buche „Neue Beiträge zur semit. Sprachwissenschaft' nimmt Herr Nöldeke S. 88, Anm. 2 auf diesen Aufsatz mit den Worten Bezug:
Cl'
,fcLaAJ für , Aussatz' ist kein Euphemismus (Fischer in ZDMO. 61,469 [lies 429], Anm. 2), sondern geht auf die Farbe dieses Übels selbst Hierzu habe ich zu bemerken: 1. Ich habe in der zitierten Anm, nirgends behauptet, dafi ^L«a<> 1 „Aussatz* ein Euphemismus sei. Ich rede darin überhaupt nicht von ^LaAJ „Aussatz", sondern nur von s-\t:n*A\ >jt „Abessinier, Keger", tLooo
-i ■■■
„Unglück" und tLajU, i^LaHaj ^\ „Kochtopf". Daß De Jong (was aber kein Leser des Nöldeke'sehen Buches erraten kann) an der von mir zu ^LooaJ
„Unglück" angeführten Stelle Latätf al-maiärif "^^,7 dieses Wort &\s albedo, lepra aufgefaßt hat (s. sein Glossar S. XI) und zwar, wie ich jetzt glaube, mit Becht, ist eine Sache für sich. 2. Soweit aber (LlaAJ Uberbaupt als Ausdruck für den Aassatz vorkommt (zur festen Bezeichnung dafür ist es, wie das Fehlen jeder bezüglichen Angabe in den Wörterbüchern zeigt, offenbar nie geworden, ebensowenig wie das von De Jong 1. c. als Parallele angeführte (juLo, das den einheimischen Wörterbüchern in der Bedeutung „Aussatz" gleichfalls unbekannt ist; ich kann s-\ «'n*} in dieser Anwendung nur mit der zitierten Stelle der Lat.
nl-maSärif und mit Ibn Qutaiba, MaSärif, ed. Wüstenfeld, fA^, 7 v. u. , einer Parallele dazu, belegen, und (J4oLaj nur mit Ibn Qutaiba a. a. O. CaO, 2), ist es sicher als Euphemismus aufzufassen , allerdings nicht a'.s antiphrastischer Euphemismus, sondern nur als mildernde, beschönigende Metonymie (vgl. als
t verwandte Ausdrücke in meinem Aufsatze S. 431 f. Ü*J^ t>jS jj! statt ^j^t
„einäugig", eig. „schadhaft", eig. „abgehalten" u. a. statt
Fücher, Das Omen des Hamens bei den Arabern. 53 - o , -
ist, daß die Araber der Quitte (Jo-^ä**), dem Jasmin {j^j^^\S^ und
, ot
der Lilie oder Iris i^^^yj^ eine ungünstige Vorbedeutung zuschrieben,
und zwar lediglich deshalb, weil sie aus den Namen dieser an sich
ja so harmlosen, ja sogar nützlichen und schönen Erzeugnisse der
Flora allerlei an Unglück und Widerwärtiges erinnernde Begriffe 5
heraushörten. Im Anschluß daran möchte ich hier darauf hinweisen,
daß über das nämliche Thema viel eingehender in «inem Kapitel
des Mu^^aSSä gehandelt wird, auf das ich kürzlich bei der Lektüre
gestoßen bin, nämlich dem Kapitel ri (S. rfff.). Dieses trägt die
Überschrift: ^ iLs^! jILäj ^yü! tlAÄ^i!
LpU-w! KtLUÜ L^ÄT. Damit ist aber sein Inhalt nicht
erschöpft, denn nur in seiner ersten Hälfte ist die Rede von »Dingen,
in deren geschenkweiser Darbietung i) die Feinsinnigen ein böses
Omen sehen und die sie wegen der Häßlichkeit ihrer Namen nicht
mögen", während die zweite Hälfte Blumen und Früchte nennt, in 15
deren Namen sich günstige Vorzeichen entdecken ließen und mit
denen man sich daher gern beschenkte, obschon sie z. T. an sich
aus Gründen der feineren Etikette (wie sie mit Bezug auf Essen
und Trinken in den zwei voraufgehenden Kapiteln des Muqaäfä
dargestellt ist) nicht besonders geschätzt waren. Unter den .Dingen" so
der ersten Kategorie (auch bei diesen handelt es sich nur um
Produkte der Flora, nämlich um Früchte, Blumen und Holzarten)
erscheinen hier wieder die Quitte, der Jasmin und die Lilie (frei¬
lich z. T. mit etwas anderer Ausdeutung ihrer Namen als bei
Häggl IJalifa) und außerdem *) die Zitrone (im weiteren Sinn, der 25
„blind' etc.). An unserer Belegstelle für ^^Looaj drängt sich um so mebr der Gedanke an einen Euphemismus auf, als dort ein Flach vorliegt {^a/jS ^
3 j - *
iC*U*Jt LjJjJ^* ^ ^'.'jaA+J «5oya=S bili'), denn in Flüchen bevor¬
zugte man ja aus bekannten Gründen allgemein gehaltene und euphemistische Ausdrücke (vgl. Goldziher, Abhandlungen z. arab. Phil. I, 89 ff. — OoLaJ steht a a. 0. in einem von dem betr. Aussätzigen selbst herrührenden Verse und ist offenbar gleichfalls Euphemismus für das schreckliche tjoß).
1) Nar in der Gestalt von Geschenken enthalten sie also ein Omen; vgl.
' b i
Durra des Hariri ICa, 2: gJt »jJ! (.5"^! ^-yMyuJA ^\ jjJaÄS,
2) In der Aufzählung tt"f , 19 ist vielleicht hinter ^^yMyMA\^ : j^;\;*,wLJ!j und hinter ^LmJI^: (jäÜSj ausgefallen; vgl. Iff", 22 und 9.
54 Fischer, Das Omen des Namens bei den Arabern.
. >oi
Zedrat, ^yiV)), die Anemone (uäjÜü), der Quendel (,.1*5), die
Myrte die ägyptische Weide (öbLs-), der rari-Baum*) und
der iän-Baum^). Zur zweiten Kategorie gehören der Granatapfel
w1 O'
(^Loj), die äähalüg ^y'Päa.uiae, die Frucht des Lotus (v_iLjj)6), die
O- , O' . (I ^
5 Rose (ki,^), das Veilchen (^^^j^^süS) und die Pfirsich (^jj>).
Im Zusammenhang mit dem Ääw-Baum begegnet in diesem
Kapitel auch die Geschichte von dem auf einer bäna sitzenden und
sich krächzend die Federn ausrupfenden Raben , die Wellhausen,
Reste* S. 203 nach Afänl XI, fo und Ham. l.f" kurz erwähnt (ihre 10 ausführlichste Gestalt hat sie an einer anderen Stelle, an der sie sich
findet, nämlich Aränl XXI, voff.) und die mit den Versen schließt:
> i - bS
8
«^Llaj^ iJ^.j 1^^^^ 1,/***^ L*stj Lt^ '<^})
o> f^--Oo- O- ) O
')»jjLb li^J ^.jLJLj^ jCjÖj ^-jI^üL i^\yis.\ ^.^L
1) Citrus medica Kisso, s Guigues, Les noms arabes dans Serapion (Extrait du Journ. asiat., 1905), no. 46.
2) Pupulus euphratica Boiss. , Populus balsamifera Wildd. , s. Nagelberg, Kitäb as-sa|ar, S. 17, Anm. 23. 3) Moringa aptera Gaertn., s. Guigues no. 86.
4) iähallüg (mit ll) stebt (r"o, 20 wohl nur des Metrums wegen; vgl.
If"!, 12 und Dozy, Suppl. s. v.
5) Zizyphus Lotus Lam., s. Guigues no. 427 (vgl. Nagelberg S. 16, Anm. 15).
o , . , 6) oder ähnlich; vgl. auch Lexx. s. (jü-ij. Aränl XXI, vi, 4 lies o.S».J st. Ki^.S'yt und Ham. I.C, 9 v. u. V_j!_Xc! st. blyCct. — Versen mit der Neben-
.' . ''
einanderstellung von V*^^ '^"^ ^^y*^ ""^ \^}^ """^ begegnet man häutig genug; vgl. außer den weiteren Beispielen Muuassä IH^f. z. B. noch Maidäni, ed.
>E o£
Bül. I, t^rvf. = ed. Freyt. I, S. 695 ff. (zu dem Sprichwort V'j^ CJ^
y\_»JI) und Hariri, Maq." t".A, Schol. Der Umstand, daß die Araber den (in Wirklichkeit natürlich im Arabischen wie in andem Sprachen als Onomatopöie
c J
zu denkenden) Namen des Raben etymologisch mit Wörtern wie „Leben
in der Fremde', V_jtyCcl ,in die Fremde wandern', «->j^ „Fremdling' u. a.
zusammenbrachten (vgl. Damiri II, f.i, Mitte: V_ltytJlj ^sXjuXi O^ilj
v_.A^ytJlj lw)|yC£.'!^tj ÄJyiiS ^ ganz ähnlicb Hariri,
Uaq. r.A, Scbol.), könnte tatsächlich die Veranlassung dazu geworden sein, daß sie in ihm, wie bekannt, ganz vorzugsweise einen Verkünder der Trennung von Geliebten sahen.
Fischer, Das Omen des Namens bei den Arabem. 55
Während sie sich aber in ihren älteren Versionen auf die Räuber
Samhari (Aräni XXI und Ham.) oder Abu-n-Nasnäs (Ayänl XI)
bezieht, wird sie hier von dem Dichter Kutaijir SAzza erzählt, dem
das unheilvolle Omen den Tod seiner Geliebten meldet.
Zu der schlimmen Vorbedeutung, die man im Namen der 5
ägyptischen Weide fand, vgl. auch folgenden Passus des Misbäh
s. »Es wird erzählt: Ein König kam bei einer Mauer vorbei
und sah ägyptische Weiden. Er fragte seinen Wesir: ,Was sind
das für Bäume'? Diesem widerstrebte es den Namen (Sagar al-
hiläf = „Bäume des Gegensatzes, des Widerspruches, der Oppo- 10
sition" u. ä.) auszusprechen, weil man vor seinem Wortlaut zurück¬
schrickt , und somit benannte er sie antiphrastisch und sprach :
,Sagar cd-y,ifäq^ (,Bäume der Zustimmung, Übereinstimmung'). Da
ehrte ihn der König wegen seiner Gewandtheit".
Wie sehr der Glaube an das Omen des Namens die Araber 16
beherrschte, beweist auch der Umstand, daß er sogar die gramma¬
tische Terminologie beeinflußt hat. Vgl. die Glosse des Hämidl zu
Kafrä^fs Kommentar zur Ägurrümiia (ed. Kairo 1305), f\ ob.:
1) Es handelt sich um das Merkwort fiir die Praeformativbuchstaben des Imperfekts; vgl. Wright, Grammar' I, S. 56 B.
2) = „Ich bin herangereift".
3) FUr künftige Arbeiten auf dem so ausgedehnten Gebiete des arabischen Aberglaubens empfehle ich auch zur Berücksicbtigung die Kapp. 59 und 60 des Mustatraf, die die Überschriften tragen: ^»^lXjSjI} *jkll5>Li5- iwJJt!! ,Lj3-! S
Für irrig halte ich den Satz bei Wellhausen, Reste' 200 unt.: ,Wer nicht in Aporie sich befindet, hat keinen Anlafi Omina zu sucben; er soll, wie die Hebräer sich ausdrücken, Gott nicbt versuchen*. Wellliausen gründet diesen Satz auf den Vers des 3 Alqama (lt", To):
den er übersetzt: ,Wer mutwillig die Raben scheucht, obwohl es ihm gut geht, stürzt ohne Zweifel in Ungemach*. Der Vers besagt aber in Wirklichkeit:
66 Fischer, Das Omen des Namens bei den Arabern.
,Wer auch immer sicli an die Baben macht und sie scheucht, um Heil zu gewinnen, er stBrzt notwendig ins Ungemach', d. h.: Dem Unglück, das ihm droht, entgeht auch der nicht, der ihm auf jede Weise zu entrinnen sucht Vgl.
den Kommentar: oLs?. L*^ (»-^*^ ['•
— >
v_;Ls?. LtJ ÄJÜtj iAj (ed. Socin S. 29 Mitte) und die Nachbarverse im Ge¬
dicht. (Socin hat den Vers gänzlich mißverstanden. Da sich die betr. QasTda anch in den Mufaddalijät findet — s. ed. Kairo II, 91 ff. —, so wird man be¬
treffs der Stelle demnächst auch Lyall's Ausgabe dieser Sammlung mit dem Kommentare des Ibn Anbärl befragen können.)
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Die Zahlensprüche in Talmud und Midrasch.
Von Aug. Wttnsche.
Die Zahlensprüche in Talmud und Midrasch gehören mit zu
den charakteristischen Eigentümlichkeiten der Lehr- und Vortrags¬
weise der Tannaiten und Amoräer. Es sind kleine Redeganze, in
welchen Dinge, Tatsachen, Erscheinungen, Erfahrungen, Beobach¬
tungen, Wahrnehmungen usw. mit einem gemeinsamen Merkmal 5
zwecks gedächtnismäßiger Aneignung und Einprägung zu einer ge¬
schlossenen Einheit zusammengestellt sind. Die an der Spitze der
Sprüche stehende Zahl gibt die Summe der Objekte an, die ein
gemeinsames Merkmal an sich tragen und zu einem Ganzen zu¬
sammengeschlossen werden. Der mnemonisch didaktische Zweck lo
war notwendig. Sowohl bei der großen Fülle des Lehrstoffes wie
bei der akroamatischen Lehrmethode mußten die Rabbinen auf Mittel
und Wege sinnen, dem Gedächtnis ihrer Hörer zu Hilfe zu kommen
und ihnen die Einprägung des dargebotenen Stoffes zu erleichtern.
Die allermeisten talmudisch-midraschischen Zahlensprüche be- 16
wegen sich im Zahlenraume der ersten Dekade. Sie beginnen mit
der Zwei und enden mit der Zehn, also gerade mit den Zahlen,
welche in der alten pythagoreisch-platonischen Zahlenlehre eine
hervorragende Rolle spielen und auf die auch der Alexandriner
Philo in seinen Werken großen Wert gelegt hat. Die über die 20
Zehn hinausgehenden Zahlensprüche müssen in den meisten Fällen
ausgeschaltet werden, da sie nur den Zweck haben, Tatsachen, be¬
achtenswerte Vorkommnisse zu verzeichnen, die der Nachwelt über¬
mittelt zu werden verdienen. Ob bei den rabbinischen Zahlensprüchen
zugleich die Zahlenlehre der Astraltheologie des alten Orients «5
oder die symbolische und mystische Bedeutung der pythagoreisch -
platonischen Zahlenbetrachtungi) in Betracht kommt, ist eine sehr
1) Der wesentliche Unterschied zwischen der pythagoreischen nnd plato¬
nischen Zahlenbetrachtung hesteht in erster Linie darin , dafi fiir Pythagoras, soweit wir überhaupt imstande sind , aus den Angaben des Aristoteles und aus den sonst verzerrten und entstellten Uberlieferungen über ihn in seine Zahlen¬
theorie Licht zu bringen, die Zahlen in den Dingen selbst ruhten, sie ihr eigent¬
liches Sein und Wesen ausmachten, während für Platon sie eine eigene Welt