Karlsruher Institut f¨ur Technologie Institut f¨ur Theorie der Kondensierten Materie Ubungen zu Moderne Theoretischen Physik III¨ SS 2016
Prof. Dr. A. Shnirman Blatt 9
PD Dr. B. Narozhny, Dr. P. Schad L¨osungsvorschlag
1. Ideales Fermigas: spezifische W¨arme bei niedrigen Temperaturen
(13 + 12 = 25 Punkte, schriftlich) Ds großkanonische Potential Ω f¨ur das ideale Fermigas im RegimekBT F hergeleitet, laut Vorlesung,
Ω(T, V, µ) =−(2s+ 1)Vh
b(µ) + π2
6 (kBT)2ν(µ) +. . .i
(1) mit der Zustandsdichte
ν() = Θ() m32√
√ 2π2~3
= Θ() 2m
~2
32 √
4π2, (2)
sowie
b()≡ Z
−∞
d1a(1) und a()≡ Z
−∞
d1ν(1) . (3) (a) Es bietet sich an, zun¨achst b(µ) zu berechnen. Ausf¨uhren der beiden Integrationen
¨uber die Zustandsdichte liefert
b(µ) = µ52 15π2
2m
~2 32
(4) und damit f¨ur das großkanonische Potential (nach der Aufgabenstellung, s = 1/2, kann man auch (2s+ 1) = 2 setzen)
Ω(T, V, µ) =−(2s+ 1)V 3π2
2m
~2 32 "
µ52 5 + π2
8 (kBT)2√
µ+. . .
#
(5)
F¨ur N(T, V, µ) =−
∂Ω
∂µ
T,V erhalten wir damit N(T, V, µ) = (2s+ 1)V
6π2
2m
~2 32 "
µ32 + π2 8√
µ(kBT)2+. . .
#
. (6)
Die FermienergieF k¨onnen wir aus (6) im LimesT →0 ablesen:F = 2m~2
6π2N (2s+1)V
23 . Wir setzen die Fermienergie in (6) ein, formen um und erhalten
µ32 =
3 2
F − π2 8√
µ(kBT)2. (7)
Wir k¨onnen diese Gleichung in einer Taylorreihe um T = 0 entwickeln. Zus¨atzli- che Terme aus der Entwicklung von (kBT)2/√
µsind mindestens von der Ordnung (kBT /F)3 und k¨onnen deshalb vernachl¨assigt werden. D.h., wenn wir im letzten Term in (7) µ → F setzen ist die Gleichung bis zur Ordnung (kBT /F)2 korrekt.
Daraus erhalten wir
µ=
3 2
F − π2 8√
F (kBT)2 23
, (8)
was wir wieder bis zur quadratischen Ordnung entwickeln d¨urfen:
µ=F
"
1− π2 12
kBT F
2#
. (9)
(b) Wir suchen cV =T ∂T∂S
V,N, d.h. wir brauchen die Entropie S(T, V, N). Als Ablei- tung von Ω(T, V, µ) finden wir schon mal S(T, V, µ) =− ∂Ω∂T
V,µ aus (5) S(T, V, µ) = (2s+ 1)V
12
2m
~2 32
kB2T√
µ= (2s+ 1)V π2
3 k2BT ν(µ) (10) F¨ur das chemische Potential verwenden wir jetzt das Resultat (9) von Aufgabenteil (a) und erhalten die Entropie als Funktion von den gew¨unschten Variablen:
S(T, V, N) = (2s+ 1)V 12
2m
~2 32
k2BT√ F
"
1− π2 12
kBT F
2#12
. (11) Wir interessieren uns nur f¨ur die erste Korrektur in kBT
F , wir entwickeln also wieder bis zur zweiten Ordnung:
S(T, V, N) = (2s+ 1)V 12
2m
~2 32
kB2T√ F
"
1− π2 24
kBT F
2#
. (12) (Das ist konsistent, da auch Gl. (9) nur bis zur zweiten Ordnung bestimmt wurde.) Aus (12) erhalten wir cV(T, V, N):
cV = (2s+ 1)V 12
2m
~2 32
k2BT√ F
"
1− π2 8
kBT F
2#
. (13)
Das k¨onnen wir mit der Beziehung zwischen N, V und F noch vereinfachen zu cV = π2N kB2T
2F
"
1− π2 8
kBT F
2#
. (14)
2. Ideales Fermigas: Zustandsgleichung und Entropie
(10 + 15 = 25 Punkte, schriftlich) Das großkanonische Potential aus der Vorlesung ist
Ω(T, V, µ) =−(2s+ 1)kBT V
λ3T f5/2(eβµ) = −(2s+ 1)V m 2π~2
32
(kBT)52f5/2(eβµ) (15)
(a) Die Entropie ist S(T, V, µ) = − ∂Ω∂T
V,µ. Wir betrachten zun¨achst die Ableitung der Funktionf5/2 in (15). F¨ur Ableitungen derfs-Funktionen gilt z ∂f∂zs(z) = fs−1(z), was man wegen fs(z) = −Lis(−z) mit der Eigenschaft z∂Li∂zs(z) = Lis−1(z) der Polylogarithmen ¨uberpr¨ufen kann. Also ist
∂f5/2(eβµ)
∂T =− µ
kBT2f3/2(eβµ). (16) F¨ur die Entropie erhalten wir damit
S(T, V, µ) = (2s+ 1)V m 2π~2
32 5kB
2 (kBT)32f5/2(eβµ)−µkB(kBT)12f3/2(eβµ)
(17) Den ersten Term k¨onnen wir wieder mit dem großkanonischen Potential (15) aus- dr¨ucken, den zweiten Term mit dem Ergebnis
N = (2s+ 1)V
λ3T f3/2(eβµ) (18)
aus der Vorlesung:
S(T, V, µ) =−5 2
Ω(T, V, µ)
T −µN(T, V, µ)
T . (19)
Wir verwenden jetzt die Fundamentalbeziehung (Eulergleichung)
ST =U +P V −µN. (20)
Mit der Identit¨at Ω =−P V k¨onnen wir (20) schreiben als
U = Ω +ST +µN. (21)
Wir formen (19) so um, dassU auf einer Seite der Gleichung steht:
Ω +ST +µN =−3
2Ω. (22)
Jetzt m¨ussen wir nur noch auf der linken Seite U und auf der rechten Ω = −P V einsetzen, dann erhalten wir die gesuchte Zustandsgleichung
U = 3
2P V (23)
des nichtrelativistischen Fermigases.
(b) Betrachten Sie Ω(T, V, µ) im RegimekBT F (klassischer Grenzwert) und finden Sie einen Ausdruck f¨ur µ(T, V, N) bei hohen Temperaturen. Wie verh¨alt sich die Entropie S als Funktion von T, V und N (statt µ) bei hohen Temperaturen?
Wir vermuten, dass bei hohen Temperaturen kBT F das chemische Potential negativ wird und divergiert (klassisches Verhalten, Maxwell-Boltzmann-Gas). In diesem Fall ist z = eβµ 1 und wir k¨onnen in kleinen z entwickeln. Wir m¨ussen nat¨urlich sp¨ater ¨uberpr¨ufen ob die Vermutung gerechtfertigt war.
Das asymptotische Verhalten derfs(z)-Funktionen f¨urz 1 ist (Eigenschaften des Polylogarithmus)
|z|→0lim fs(z) =z . (24) Um einen Ausdruck f¨ur das chemische Potential bei hohen Temperaturen zu finden, setzen wir diese N¨aherung in N, Gl. (18), ein (oder in Ω und leiten ab):
N ≈ (2s+ 1)V
λ3T eβµ. (25)
Diese Gleichung l¨osen wir nach µ auf:
µ(T)≈kBT ln λ3TN
(2s+ 1)V (26)
Dieses Ergebnis ist tatschlich negativ und divergent, wie vermutet. Wir dr¨ucken das Argument des Logarithmus mit der FermienergieF = 2m~2
6π2N (2s+1)V
23 aus:
µ(T)≈kBTln
"
4
3 2
F
3√
π(kBT)32)
#
=−3
2kBT ln
"
kBT F
4 3√ π
32#
. (27) Daraus erhalten wir f¨urz
z=eβµ ≈ 4 3√ π
F kBT
32
, (28)
was f¨ur hohe TemperaturenkBT F offensichtlich klein ist.
Wie verh¨alt sich die Entropie S(T, V, N) bei hohen Temperaturen? Wir betrachten zun¨achst das kanonische Potential (15), mit f5/2(eβµ) ≈ eβµ und (28) folgt f¨ur kBT F (verwende wieder F)
Ω≈N kBT. (29)
Jetzt benutzen wir (29) und (27) in (19) und finden S(T, V, N)≈ 5kBN
2 + 3
2kBNln
"
kBT F
4 3√ π
32#
, (30)
d.h. die Entropie S(T, V, N) divergiert logarithmisch mit der Temperatur.
3. Zustandsdichte in niedrigen Dimensionen (5 Punkte, m¨undlich) Im Gegensatz zur Aufgabenstellung betrachten wir hier, konsistent mit der Vorlesung, die Zustandsdichte pro Spin:
ν(ε) = 1 V
X
k
δ(ε−ε(k)).
Die Zustandsdichte pro Spin unterscheidet sich f¨urs = 1/2 um einen Faktor (2s+1) = 2 von der Gesamtzustandsdichte.
Die Energien der freien, nichtrelativistischen Teilchen sind(k) = ~2m2k2 (alle ≥0), f¨ur den ¨Ubergang zwischen Summe und Integral gilt
1 V
X
k
→
Z ddk (2π)d, wobei V ein d-dimensionales Volumen ist.
In zwei Dimensionen:
ν2D() =
Z d2k (2π)2 δ
− ~2k2 2m
= 1
2π~2
∞
Z
0
kdk δ
− ~2k2 2m
y=~2m2k2
= m
2π~2
∞
Z
0
dy δ(−y). (31) Es folgt
ν2D() = m 2π~2
(32) In einer Dimension:
ν1D() = Z ∞
−∞
dk 2π~
δ
− ~2k2 2m
x=√~k
=2m
√2m 2π~
Z ∞
−∞
dx δ −x2
=
√2m 2π~
Z ∞
−∞
dx 1 2√
(δ(+x) +δ(−x)) (33) und somit
ν1D() = 1 π~
rm
2 (34)
Man kann auch ¨uberpr¨ufen, dassν2D undν1Ddie richtigen Dimensionen haben (Zust¨ande pro Energie und Fl¨ache bzw. L¨ange).
4. Fermionen mit Spin-Bahn-Kopplung (5 + 15 + 10 + 15 = 45 Punkte, m¨undlich) Elektronen in zwei Dimensionen mit einer Spin-Bahn-Kopplung, beschrieben durch den Hamiltonoperator
Hˆ = pˆ2
2m +αˆpσ,ˆ (35)
mit einem Vektor ˆσ aus Pauli-Matrizen σx =
0 1 1 0
, σy =
0 −i i 0
. (36)
Wir betrachten zun¨achst den Fall T = 0 und nehmen an, dass µ > 0 und α >0 (Der Fallα <0 ist ¨aquivalent).
(a) Die Eigenenergien erhalten wir aus det
p2
2m − α(px−ipy) α(px+ipy) 2mp2 −
!
= 0. (37)
L¨osen der quadratischen Gleichung f¨uhrt zu den Eigenenergien bzw. Dispersionsre- lationen
p,γ = p2
2m −γα|p| (38)
mit einer neuen Quantenzahlγ =±1, die die Quantenzahl der Helizit¨at ˆpˆ|ˆp|σ ist. Der Spin ˆσ selbst vertauscht wegen dem Spin-Bahn-Term nicht mit dem Hamiltonope- rator, deshalb sind die Spineigenzust¨ande nicht mehr identisch zu den Energieeigen- zust¨anden. Offensichtlich vertauscht aber die Helizit¨at mit dem Hamiltonoperator (35), die Energieeigenzust¨ande sind also auch Eigenzust¨ande zur Helizit¨at, d.h. γ ist eine gute Quantenzahl.
(b) Wir berechnen die Teilchenzahl:
N(T = 0, V, µ) =V
±1
X
γ
Z d2p
(2π~)2 Θ(µ−p,γ) (39)
= V
2π~2
±1
X
γ
Z ∞ 0
pdpΘ(µ− p2
2m +γαp) (40)
Das Volumen V ist hier zweidimensional, also eine Fl¨ache. Das Argument der Θ- Funktion verschwindet f¨ur die Impulswerte
pγ± =m −γα± r
α2+2µ m
!
. (41)
F¨ur µ > 0 sind die beiden Werte p++ und p−+ positiv und p+− und p−− negativ. F¨ur p > p++bzwp > p−+ist die Θ-Funktion null. Da das Integral in (40) nur ¨uber positive Werte von pl¨auft (Betrag), m¨ussen wir insgesamt wie folgt integrieren:
N = V 2π~2
Z p++ 0
pdp+ V 2π~2
Z p−+ 0
pdp= mV π~2
mα2 +µ
(42) Die Dichte n=N/V (Fl¨achendichte) ist also
n = m2α2 π~2
1 + µ mα2
. (43)
Der Fall µ < 0 (aber µ > −mα22): Die kritische Dichte nc, bei der µ = 0 wird, ist nc = mπ2α2
~2 . Aber was passiert mit µ f¨ur kleinere Dichten n < nc? Bei der Integration haben wirµ >0 benutzt, d.h. f¨urµ <0 m¨ussen wir anders integrieren.
Der Impulswertp++wird negativ,p++ <0 , das Elektronenband mit positiver Helizit¨at γ = +1 tr¨agt deshalb nicht mehr zum Integral bei. Der Wert p−− wird dagegen positiv,p−− >0, die Integration l¨auft also ¨uber den Intervall (p−−, p−+) und wir finden
N = V 2π~2
Z p−+ p−−
pdp=· · ·=V m2α2 π~2
r
1 + 2µ
mα2 , (44)
n= m2α2 π~2
r
1 + 2µ
mα2 . (45)
F¨ur sehr kleine µ < −mα22 liegt das chemische Potential unterhalb von beiden Energieb¨andern, es gibt keinen Beitrag mehr zum Integral und es wirdN = 0 bzw.
n= 0, weil keine Zust¨ande mehr besetzt werden k¨onnen.
Der Zusammenhang zwischen Dichte und chemischem Potential insgesamt ist
n = m2α2 π~2
1 + mαµ2, µ >0 q
1 + mα2µ2, −mα22 < µ <0 0, µ <−mα22
(46)
(c) Die Zustandsdichte (2D) ist ν() = 1
V
±1
X
γ
X
p
δ(γ−p,γ) = 1 2π~2
±1
X
γ
Z ∞ 0
dp p δ(− p2
2m +γαp)
= m
π~2
±1
X
γ
Z ∞ 0
dp p δ(p2−2γmαp−2m)
= m
π~2
±1
X
γ
Z ∞ 0
dp p δ (p−γmα)2−m(mα2+ 2)
= m
π~2
±1
X
γ
Z ∞
−γmα
dp0(p0+γmα)δ
p02−m(mα2 + 2)
(47) Nur Werte vonp0 im Bereich zwischen −γmαk¨onnen zum Integral beitragen, des- halb verschwindet die Zustandsdichte f¨ur <−mα22. F¨ur >−mα22 verwenden wir die Eigenschaft δ(x2−a2) = 2|a|1 (δ(x+a) +δ(x−a)) derδ-Funktion, damit wird
ν() = m 2π~2
1
pm(mα2+ 2)
±1
X
γ
Z ∞
−γmα
dp0(p0+γmα) h
δ
p0 −p
m(mα2+ 2) +δ
p0+p
m(mα2+ 2)i (48) Fallunterscheidung:
• γ = +1: Die untere Integralgrenze wird −mα. F¨ur >0 tr¨agt nur die erste δ-Funktion zum Integral bei, f¨ur <0 beide δ-Funktionen.
• γ = −1: Die untere Integralgrenze ist positiv, +mα. Die zweite δ-Funktion liefert deshalb keinen Beitrag mehr, die erste nur f¨ur >0.
Das Integral ergibt also f¨ur >0 (p
m(mα2+ 2) +mα) + (p
m(mα2+ 2)−mα) = 2p
m(mα2+ 2) (49) und f¨ur <0 (und >−mα22)
(p
m(mα2+ 2) +mα) + (−p
m(mα2 + 2) +mα) = 2mα (50) Damit erhalten wir f¨ur die Zustandsdichte
ν() = m π~2
1, >0, 1 + mα22
−1
2 , −mα22 < <0 , 0, <−mα22 .
(51)
Es ist hilfreich, den Grenzwert α → 0 zu ¨uberpr¨ufen. In jedem Fall erh¨alt man die konstante Zustandsdichte πm
~2 in zwei Dimensionen (zus¨atzlicher Faktor 2 im Vergleich zu (32) wegen Spin/Helizit¨at). Interessanterweise divergiert die Zustands- dichte f¨ur→ −mα22.
(d) Die Energie ist
E =V Z ∞
−∞
d ν()nF(). (52)
mit der Fermiverteilung
nF() = 1
eβ(−µ)+ 1. (53)
Das Integral in (52) ist wegen der Form vonν() und der Fermifunktion kompliziert.
Man k¨onnte es f¨ur T = 0 auswerten und auch eine Korrektur f¨ur kleine endliche Temperaturen finden, wir interessieren uns hier aber nur f¨ur die spezifische W¨arme.
Die spezifische W¨arme ist cV,µ =
∂E
∂T
V,µ
=V Z ∞
−∞
d ν()∂nF()
∂T , (54)
weil nur die Fermifunktion temperaturabh¨angig ist. Die Ableitung k¨onnen wir ein- fach ausrechnen und erhalten
cV,µ =V Z ∞
−∞
d ν()(−µ) 4kBT2
cosh2k−µ
BT
2, (55) Wegen 1/cosh2tr¨agt nur ein kleiner Bereich um∼µzum Integral bei (Sommerfeld- Entwicklung). Außerdem ist gegeben dasskBT µundµ >0, wir k¨onnen deshalb f¨ur die Zustandsdichteν() =ν(µ >0) = πm
~2 einsetzen. Wir substituierenx= 2k−µ
BT
cV,µ ≈2kB2T V ν(µ) Z ∞
−∞
dx(x+ 2kµ
BT)x (coshx)2
sym.≈ 2kBT V ν(µ) Z ∞
−∞
dx x2
(coshx)2 (56) Dieses Integral wurde auch schon in der Vorlesung erw¨ahnt, es ergibt π62. Als Er- gebnis f¨ur die spezifische W¨arme finden wir damit
cV,µ ≈ π2kB
3 kBT V ν(µ) = πkB
3
mkBT V
~2 . (57)