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Class actions / eingereicht von Mirjana Suta

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Eingereicht von Mirjana Suta Angefertigt am Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht Beurteiler / Beurteilerin o.Univ.Prof. Dr. Bruno Binder Monat Jahr März 2016

CLASS ACTIONS

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696

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2

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, im März 2016

(3)

3

Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung ... 2

Inhaltsverzeichnis ... 3

Abkürzungsverzeichnis ... 6

A. Der Begriff „Sammelklage“ ... 8

I. Einleitung ... 8

II. Verwendung des Begriffs „Sammelklage“ ... 8

III. Ziel der Sammelklage ... 9

B. „Sammelklagen“ in Österreich ... 10

I. De lege lata: Kollektive Rechtsdurchsetzung im geltenden Recht ... 10

1. Streitgenossenschaft ... 10

a. Selbstständige Streitgenossenschaft § 11 ZPO ... 10

b. Einheitliche Streitpartei § 14 ZPO ... 11

2. Nebenintervention §§ 17-20 ZPO ... 11

3. Objektive Klagehäufung § 227 ZPO ... 12

4. Verbindung von Verfahren § 187 ZPO ... 12

II. „Sammelklage nach österreichischem Recht“ ... 13

II. De lege ferenda ... 18

1. Gruppenverfahren – Vorschlag G. Kodek ... 18

2. Ministerialentwurf für eine Zivilverfahrens-Novelle 2007 ... 19

a. Gruppenverfahren ... 20

b. Bewertung des Ministerialentwurf zur ZVN 2007 durch Literatur und Praxis .. 20

C. Notwendigkeit einer Reform ... 22

D. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen ... 23

E. Die EU-Empfehlung ... 24

I. Kollektiver Rechtschutz als Grundrecht ... 24

II. Kompetenz der EU für ein Instrument des kollektiven Rechtschutzes ... 25

(4)

4 1. Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des

EU-Wettbewerbsrechts ... 26

2. Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts ... 26

3. Grünbuch über kollektive Rechtdurchsetzungsverfahren für Verbraucher ... 28

IV. Die EU-Empfehlung ... 30

1. Fazit ... 33

F. Rechtsvergleich: Kollektiver Rechtsschutz in anderen EU-Staaten und die US-amerikanische class action ... 34

I. Reformen in anderen EU-Staaten ... 34

1. Funktion und Ziel kollektiver Schadenersatzklagen ... 34

2. Rechtsvergleich und Effektivität ... 35

a. Frankreich ... 36

b. Belgien ... 37

c. Niederlande ... 37

d. England und Wales ... 38

e. Deutschland ... 38

f. Exkurs: „Dieselgate“ ... 38

3. Fazit ... 41

II. Die US-amerikanische class action ... 42

1. Einführung ... 42

2. Zulassung der class action ... 43

3. Die Vorschriften der Rule 23 F.R.C.P. im Einzelnen ... 43

a. Rule 23 (a) (1) F.R.C.P. (numersotiy) ... 43

b. Rule 23 (a) (2) F.R.C.P. (commonaltiy of questions) ... 44

c. Rule 23 (a) (3) F.R.C.P. (typicality) ... 44

d. Rule 23 (a) (4) F.R.C.P. (adequate representation) ... 44

(5)

5

4. Benachrichtigung der Klassenmitglieder ... 46

5. Bedeutung und Vorteile der class action ... 47

6. Kritikpunkte ... 48

a. Wirtschaftliche Interessen der Anwälte ... 48

b. Due Prozess ... 49

c. Druck auf den Beklagten ... 49

d. Schadenersatzberechnung ... 50

7. Zusammenfassung ... 50

G. Zusammenfassung und Ausblick ... 51

(6)

6

Abkürzungsverzeichnis

ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

ABl Amtsblatt

Abs Absatz

AnwBl Anwaltsblatt

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union BAK Bundesarbeiterkammer

BMJ Bundesministerium für Justiz

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention

EU Europäische Union

EuGH Europäischer Gerichtshof

EUV Vertrag über die Europäische Union F.R.C.P. Federal Rules of Civil Procedure

FS Festschrift

GesRZ Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht GGG Gerichtsgebührengesetz

GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union idgF in der geltenden Fassung

iVm in Verbindung mit

JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung

JN Jurisdiktionsnorm

(7)

7 KSchG Konsumentenschutzgesetz

mE meines Erachtens

OGH Oberster Gerichtshof

ÖBA Bank Archiv

ÖRAK österreichische Rechtsanwaltskammertag RATG Rechtsanwaltstarifgesetz

RL Richtlinie

Rsp Rechtsprechung

Rz Randziffer

uvm und vieles mehr

VKI Verein für Konsumenteninformation

VO Verordnung

VR Versicherungsrundschau

VRInfo Information zum Verbraucherrecht WKÖ Wirtschaftskammer Österreich

zB zum Beispiel

ZPO Zivilprozessordnung

(8)

8

A. Der Begriff „Sammelklage“

I. Einleitung

Spätestens seit dem VW Abgas-Skandal ist der Begriff „Sammelklage“ wieder in aller Munde. Der Skandal wurde am 18. September 2015 bekannt, als die US-Umweltbehörde EPA bekannt gab, dass VW in den Fahrzeugen VW, Audi, Skoda und Seat der Baujahre 2008-2015 eine Software eingebaut haben soll, die die Messung des Schadstoffausstoßes manipuliert. Die Software erkennt, ob sich das Fahrzeug im „realen“ Verkehr oder auf dem Prüfstand befindet und reguliert den Motor so, dass die NOx-Emissionsgrenzwerte eingehalten werden.1 Seither überschlagen sich die Medien über Berichte einer Sammelklage gegen VW. In Österreich haben sich bisher mehr als 33.000 Volkswagen-Kunden einem Sammelverfahren angeschlossen, das vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) organisiert wird. Jedoch bringt der VKI nicht wie erwartet eine Sammelklage ein, sondern es wird ein Generalvergleich angestrebt. Dieser muss jedoch auch über den Umweg eines Gerichts in den Niederlanden erfolgen, weil es in Österreich keine rechtlichen Möglichkeiten für ein gesammeltes Vorgehen gibt.2 Derartige Fälle, bei denen Vielzahl von Personen durch schädigende Handlungen einzelner Unternehmen betroffen ist, stellt kein neues Phänomen dar. Insbesondere die medienbekannten Fälle der Anlegerschädigung durch diverse Finanzdienstleister3, oder auch die Einhebung unzulässig hoher Kreditzinsen4 machen dies deutlich. Deshalb fordern insbesondere Verbraucherschützer die Einführung eines Rechtsinstituts zur Bewältigung so genannter Massenverfahren.

II. Verwendung des Begriffs „Sammelklage“

Der Begriff der Sammelklage ist ein umstrittener Begriff, welcher immer wieder heftige Debatten auslöst. Es handelt sich um keinen Rechtsbegriff. Für den in Literatur, Rechtsprechung und Medien uneinheitlich verwendeten Begriff „Sammelklagen“, werden auch Synonyme wie „Massenverfahren“, „Gruppenverfahren“ und „kollektive Rechtdurchsetzung“ verwendet. Die Kritiker von Sammelklagen bringen diese meist mit dem

1 ÖAMTC, Informationen zum VW Abgas-Skandal bezüglich Stickstoffoxide NOx, http://www.oeamtc.at/

portal/informationen-zum-vw-abgas-skandal-bezueglich-stickstoffoxide-nox+2500+1636997 (abgefragt am 15.12.2015).

2

Strobel, VW-Abgasskandal: VKI bereitet Sammelklage in Niederlanden vor, http://derstandard.at/

2000023090688/Auf-VW-rollt-Klage-Tsunami-zu-VKI-prueft-Schadenesatz (abgefragt am 15.12.2015).

3DiePresse.com, OGH: Grünes Licht für VKI-Sammelklage gegen AWD,

http://diepresse.com/home/meingeld/verbraucher/1378395/OGH_Grunes-Licht-fur-VKISammelklage-gegen-AWD (abgefragt am 15.12.2015); VKI, Sammelklagen in Österreich, https://verbraucherrecht.at/cms/uploads/ media/VKI_Studie_Sammelklage_02.pdf (205, abgefragt am 15.12.2015).

4 VKI, Sammelklagen in Österreich, https://verbraucherrecht.at/cms/uploads/media/VKI_Studie_Sammelklage_

(9)

9 US-amerikanischen Rechtsinstitut der class action in Verbindung. Hier erhebt ein Repräsentant im Namen vieler Geschädigter eine Klage, welche jedoch im Großteil der Fälle mit keinem Urteil, sondern mit Vergleichen in beträchtlicher Höhe endet. Dieses Erpressungspotenzial der class action nehmen viele Kritiker auf, um auch Vorbehalte gegen eine Erweiterung des kollektiven Rechtschutzes in Europa vorzubringen. Berücksichtigt wird hierbei nicht, dass dieses Missbrauchspotenzial der class action mit der Rechtstradition und weiteren Spezifika des US-amerikanischen Rechts verbunden ist, welche ohnehin nicht mit dem nationalen beziehungsweise europäischen Recht vereinbar wäre.5

III. Ziel der Sammelklage

Dass die österreichische Zivilprozessordnung zur Bewältigung von Massenschäden6 nicht gerüstet ist, zeigt sich an den obigen Beispielen, wie zB dass im VW-Skandal der Umweg über die Niederlande gesucht werden muss, oder aber auch, dass man sich bisher nur dem Hilfskonstrukt der „Sammelklage nach österreichischem Recht“, welches vom VKI entwickelt wurde, bedient. Eine gesetzliche Grundlage gibt es jedoch derzeit nicht. Der Grund dafür, ist ebenso einfach wie plausibel. Der Gesetzgeber hat – mangels entsprechender Erfahrungswerte – einfach nicht daran gedacht. Die Praxis zeigt aber, dass hier Reformbedarf besteht. Die österreichische ZPO kennt zwar gewisse Rechtsinstitute7 um Einzelansprüche zu bündeln, diese sind zur Bewältigung von Massenschäden, wie sie in der Praxis auftreten, aber nicht zugeschnitten. Der Reformbedarf zeigt sich vor allem im Verbraucherrecht, wenn eine Vielzahl von Personen durch ein gleichförmiges Verhalten eines Unternehmers geschädigt wurde. Zumeist befinden sich die einzelnen Schäden nur im Bereich von Bagatellschäden8, der gesamtwirtschaftliche Schaden kann jedoch ein beträchtliches Volumen erreichen. Der Klaganreiz des Einzelnen, zur individuellen Prozessführung wird in solchen Fällen insbesondere wegen der hohen Prozesskosten fehlen.9 Ziel der Sammelklage ist es, solche Verfahren zu vereinheitlichen und einen ausgewogenen Interessensausgleich zwischen den Verbrauchern und den Unternehmern herzustellen. Ein Massenverfahren durchzuführen dient nicht nur dem Interesse der Verbraucher, um überhaupt – vor allem bei Bagatellschäden – den

5 Müller, Diplomarbeit „Sammelklagen “ in Österreich (2011) 6; Buchner, Kollektiver Rechtschutz für

Verbraucher in Europa (2015) 17, 51.

6 Massenschäden liegen vor, wenn aufgrund einer gleichartigen Ursache bei einer Vielzahl von Personen ein

Schaden verursacht wird. Siehe ausführlich zum Begriff des Massenschadens, Haß, Gruppenklage 20f; Buchner, Kollektiver Rechtschutz für Verbraucher in Europa 36f.

7 Näher dazu unter Punkt B. „Sammelklagen“ in Österreich. 8

Bei Bagatell- bzw Streuschäden ist trotz der erheblichen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Schadens, der individuelle Schaden des Einzelnen derart gering, dass dieser keinen Anreiz zur individuellen Klagsführung sieht.

9 Tunkel, Massenverfahren, JAP 2006/2007/7, 46; Buchner, Kollektiver Rechtschutz für Verbraucher in Europa

(10)

10 Rechtsweg zu bestreiten, sondern kann auch den Unternehmen zugutekommen. Anstatt zahlreichen Individualprozessen der einzelnen Verbraucher ausgesetzt zu sein, welche im Fall des Unterliegens erhebliche Anwalts- und Prozesskosten bedeuten, werden im Fall des Obsiegens alle Anspruchsinhaber von der Bindungswirkung des Urteils erfasst, für das Unternehmen bedeutet das, dass es grundsätzlich keine Folgeklagen mehr zu befürchten hat.10 Weitere Vorteile einer Sammelklage sind die Prozessökonomie und die Rechtssicherheit. Klagt jeder Betroffene individuell, werden die gleichen Sach- und Rechtsfragen in jeweils verschiedenen Prozessen, von jeweils verschiedenen Richtern, aufgrund verschiedener Gutachten geklärt und nicht jedes Gericht kommt zwangsläufig zum selben Erkenntnis.11

B. „Sammelklagen“ in Österreich

I. De lege lata: Kollektive Rechtsdurchsetzung im geltenden Recht

Wie oben bereits kurz angeschnitten, ist der österreichischen ZPO die Bündelung von Einzelinteressen nicht gänzlich fremd. Im Folgenden werden hier die einzelnen zur Verfügung stehen Rechtsinstitute kurz erläutert. Unter Punkt C. „Notwendigkeit einer Reform“ wird sodann beschrieben, warum sich diese prozessualen Möglichkeiten zur Bewältigung der mit Massenverfahren verbundenen Herausforderungen nicht eignen.

1. Streitgenossenschaft

Das auch als subjektive Klagehäufung bezeichnete Rechtsinstitut der Streitgenossenschaft liegt vor, wenn mehrere Personen in einem Verfahren in derselben Parteirolle auftreten. Aktive Streitgenossenschaft liegt bei mehreren Klägern, passive Streitgenossenschaft bei mehreren Beklagten vor.12

a. Selbstständige Streitgenossenschaft § 11 ZPO13

Treten mehrere als Kläger beziehungsweise Beklagte auf, oder werden mehrere Einzelklagen durch gerichtliche Verbindung in einem Verfahren zusammengelegt, entsteht Parteihäufung. Hierbei handelt es sich um eine Zweckhäufung, das heißt Zeit, Arbeit und Kosten sollen gespart werden. Es handelt sich um einen Zweckverband, der nichts an der Selbstständigkeit jedes einzelnen Streitgenossen ändert. Prozesshandlungen Einzelner wirken sich weder zum

10 Buchner, Kollektiver Rechtschutz für Verbraucher in Europa 18.

11Huber/Grabmair, Sammelklagen auch in Österreich?

http://www.lawfirm.at/ctgpk/uploads/Sammelklagen-auch-in-%C3%96sterreich.pdf (42, abgefragt am 17.12.2015); Rechberger, Prozessrechtliche Aspekte von Kumul- und Großschäden, VR 2003, 15.

12 Müller, Diplomarbeit „Sammelklagen “ in Österreich 26; Dolinar, Zivilprozessrecht13 (2014) 223; Schneider

in Fasching/Konecny3 II/1 §§ 11 – 15 ZPO Rz 1 (Stand: 1.9.2014, rdb.at).

13

(11)

11 Vorteil noch zum Nachteil der Übrigen aus. Ausschließlich sogenannte Prozessbetreibungs-handlungen – bei denen es sich lediglich um den formellen Ablauf des Verfahrens handelt – betreffen alle Streitgenossen gleichermaßen.14 Materielle Streitgenossenschaft liegt gem § 11 Z 1 ZPO vor, wenn die „Streitgenossen entweder in Ansehung des Streitgegenstandes in

Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind“. Formelle Streitgenossenschaft gem § 11 Z 2 ZPO, wenn

„gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grunde beruhende

Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden und zugleich die Zuständigkeit des Gerichtes hinsichtlich jedes einzelnen Beklagten begründet ist“.

b. Einheitliche Streitpartei § 14 ZPO15

Der wesentliche Unterschied zur selbstständigen Streitgenossenschaft liegt darin, dass es sich bei der einheitlichen Streitpartei – wie es der Name schon nahelegt – um ein einheitliches Rechtsverhältnis handelt. Die Personenmehrheit wird als einheitliche Partei aufgefasst und somit gibt es nur einen Kläger, einen Beklagten, ein Verfahren und ein Urteil.16

2. Nebenintervention §§ 17-20 ZPO17

Wer ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei – des Klägers oder des Beklagten – hat, kann dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten.18 Da § 17 ZPO explizit von „rechtlichem“ Interesse spricht, reicht ein bloß wirtschaftliches Interesse nicht.19

Man unterscheidet den einfachen Nebenintervenient – der bloßer Streithelfer der Hauptpartei ist, das heißt selbst keine Parteistellung hat – vom streitgenössischen Nebenintervenient. Wirkt sich das Urteil unmittelbar nur auf die Hauptpartei aus, liegt einfache Nebenintervention vor.20 Die streitgenössische Nebenintervention liegt gem § 20 ZPO vor, wenn sich das Urteil auch „kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher

Vorschrift“ auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und dem Gegner der

14 Müller, Diplomarbeit „Sammelklagen “ in Österreich 26; Dolinar, Zivilprozessrecht13 224. 15

Näher zur einheitlichen Streitpartei Schneider in Fasching/Konecny3 II/1 § 14 ZPO (Stand: 1.9.2014, rdb.at);

Dolinar, Zivilprozessrecht13 224 ff.

16 Dolinar, Zivilprozessrecht13 224; Schneider in Fasching/Konecny3 II/1 § 14 ZPO Rz 1 (Stand: 1.9.2014,

rdb.at).

17 Näher zur Nebenintervention Dolinar, Zivilprozessrecht13 227 ff.

18 Schneider in Fasching/Konecny3 II/1 § 17 ZPO Rz 1 (Stand: 1.9.2014, rdb.at). 19 Vgl zB OGH 09.11.2010, 4 Ob 184/10b; OGH 18.01.2012, 4 Ob 202/10z. 20

(12)

12 Hauptpartei auswirkt. In diesem Fall erlangt der Nebenintervenient die Stellung eines Streitgenossen einer einheitlichen Streitpartei.21

3. Objektive Klagehäufung § 227 ZPO22

Im Unterschied zur subjektiven Klagehäufung, liegt bei der objektiven Klagehäufung keine Personenmehrheit, sondern eine Mehrheit von Ansprüchen vor, die von einem Kläger gegen einen Beklagten geltend gemacht werden.23 Abs 1 des § 227 ZPO normiert, dass eine Anspruchshäufung – auch wenn eine Zusammenrechnung nach § 55 JN24 nicht möglich ist – in derselben Klage zulässig ist, wenn für „sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig

ist und dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist“. Grundsätzlich gehören Streitigkeiten, deren

Wertgrenze (derzeit) € 15.000 nicht übersteigt, vor das Bezirksgericht; § 227 Abs 2 ZPO durchbricht die Zuständigkeitsschranke des § 49 (1) JN25 bezüglich der Wertzuständigkeit und ermöglicht eine gemeinsame Geltendmachung vor dem Gerichtshof, sofern auch nur einer der Ansprüche diese Wertgrenze übersteigt.26 Bei der objektiven Klagehäufung wird also im Gegensatz zu § 11 ZPO keine Konnexität verlangt. Die Geltendmachung mehrerer Ansprüche durch einen Kläger gegen denselben Beklagten ist also auch möglich, wenn zwischen den Ansprüchen kein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang gegeben ist, sofern die Voraussetzung des § 227 Abs 1 oder Abs 2 gegeben sind. Der hinter dieser Bestimmung bestehende Telos ist, dass das Gesetz den Parteien und dem Gericht eine möglichst einfache und rasche Bereinigung aller zwischen ihnen bestehende Streitpunkte ermöglichen will.27 4. Verbindung von Verfahren § 187 ZPO28

Die Verbindung von Verfahren ist eine prozessleitende Maßnahme. Zu einer Einheit verbunden werden nur die Verfahren, nicht die Rechtssachen, diese behalten ihre rechtliche Selbstständigkeit.29 Ein Gericht kann – unter bestimmten Voraussetzungen – durch Beschluss mehrere Rechtsstreite zu einem Verfahren verbinden. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, welche jedoch für die Parteien unanfechtbar ist (§192 Abs 2 ZPO). Eine Verbindung kann das Gericht beschließen, wenn die Rechtsstreite beim selben Gericht

21 Müller, Diplomarbeit „Sammelklagen “ in Österreich 29; Schneider in Fasching/Konecny3 II/1 § 20 ZPO Rz 1

(Stand: 1.9.2014, rdb.at).

22 Näher zur objektiven Klagehäufung Fasching in Fasching/Konecny2 § 227 ZPO (Stand 30.4.2004, rdb.at). 23 Müller, Diplomarbeit „Sammelklagen “ in Österreich 30.

24

§ 55 JN, idF BGBl I 128/2004.

25 § 49 JN, idF BGBl I 78/2014.

26 Fasching in Fasching/Konecny2 § 227 ZPO Rz 8 (Stand 30.4.2004, rdb.at). 27

G. Kodek, Die "Sammelklage" nach österreichischem Recht – Ein neues prozeßrechtliches Institut auf dem Prüfstand, ÖBA 2004, 615 (618).

28 Näher zu § 187 Schragel in Fasching/Konecny2 § 187 ZPO (Stand 31.7.2002, rdb.at).

29 Klauser/Kodek in Klauser/Kodek, JN-ZPO17 § 187 ZPO (Stand 1.11.2012, rdb.at); OGH 29.05.2001, 1 Ob

(13)

13 anhängig sind und entweder dieselben Prozessparteien auftreten oder zumindest demselben Kläger oder Beklagten verschiedene Beklagte oder Kläger gegenüberstehen. Zusätzlich muss durch die Verbindung eine Vereinfachung, Beschleunigung oder Kostenersparnis der Prozesserledigung eintreten.30

II. „Sammelklage nach österreichischem Recht“

Die auch als „Sammelklage österreichischer Prägung“ bezeichnete Konstruktion wurde von Verbraucherschutzverbänden31 entwickelt, um den Verbrauchern einen effizienten und ökonomisch leistbaren Rechtsschutz zu gewähren.32 Sie hat jedoch bislang keine gesetzliche Grundlage erfahren. Es läuft folgendermaßen ab: Eine Vielzahl von Klägern tritt ihre Leistungsansprüche – Schadenersatzansprüche oder bereicherungsrechtliche Ansprüche – an einen Verband nach § 29 KSchG33 zum Inkasso ab. Dieser erhebt unter Berufung auf § 227 ZPO (objektive Klagehäufung) Klage und macht sämtliche Ansprüche gemeinsam geltend. Die Finanzierung des Verfahrens erfolgt durch eine private Prozesskostenfinanzierungs-gesellschaft, auf welche auch das gesamte Prozesskostenrisiko gegen eine Erfolgsquote überwälzt wird.34 Lange Zeit war es strittig, ob ein derartiges Vorgehen überhaupt zulässig sei, wurde aber vom OGH unter bestimmten Voraussetzungen bejaht.35 Anlassfall für diese Entscheidung war eine Klage der Bundesarbeiterkammer (BAK) – ein nach § 29 KSchG klagebefugter Verband – gegen eine Bank. Die Beklagte habe mit Verbrauchern Kreditverträge abgeschlossen und aufgrund gesetzwidrig vereinbarter Zinsanpassungsklauseln überhöhte Zinsen verrechnet. Die Geschädigten traten ihre einzelnen Schadenersatzansprüche an die BAK ab, welche stellvertretend für 684 Verbraucher und unter Berufung auf 227 ZPO Leistungsansprüche in Höhe von insgesamt rund 1,2 Millionen Euro geltend machte. Der Streitwert der einzelnen Forderungen lag in 20 der Fälle über der Gerichtshofgrenze von (damals) 10.000 Euro, ansonsten jedoch deutlich darunter. Die Beklagte machte geltend, dass die „Sammelklage“ unzulässig sei, § 227 ZPO unanwendbar und daher das Gericht für die unter 10.000 Euro liegenden Ansprüche unzuständig sei. Nach Ansicht des Erstgerichts lag kein prozessökonomischer Nutzen vor, daher sei weder § 11 noch § 227 ZPO anwendbar und die Klage wurde als unzulässig zurückgewiesen. Mangels Rechtsprechung des OGH zur

30

Schragel in Fasching/Konecny2 § 187 ZPO Rz 1 (Stand 31.7.2002, rdb.at).

31 Der erste Verband, der sich diesem Modell bediente war der VKI im Jahr 2001. Anlassfall waren

österreichische Urlauber, die in einem „All-Inklusive-Club“ in der Türkei an Brech-Durchfall erkrankten. Näher dazu Kolba, Gemeinsam statt einsam - Von der Sammelklage zur Gruppenklage, ecolex 2009, 664.

32 VKI, Sammelklagen gesetzlich regeln! VRInfo 2004/7, 3. 33 § 29 KSchG, idF BGBl I 185/1999.

34 OGH 12.07.2005, 4 Ob 116/05w; OGH JAP 2006/2007/8, 50 (51). 35

(14)

14 Zulässigkeit von „Sammelklagen“ beziehungsweise deren Voraussetzungen wurde der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt.36 Die Rechtsfragen, die es zu klären galt, waren, ob § 227 ZPO (objektive Klagehäufung) uneingeschränkt anwendbar sei oder dahingehend teleologisch zu reduzieren sei, dass auch die Voraussetzungen des § 11 Z 2 ZPO (formelle Streitgenossenschaft) erfüllt sein müssen.37 Nach § 227 ZPO ist eine Anspruchshäufung – auch wenn eine Zusammenrechnung nach § 55 JN nicht möglich ist – in derselben Klage zulässig, wenn „für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig ist

und dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist“. Grundsätzlich gehören Streitigkeiten, deren

Wertgrenze (derzeit) € 15.000 nicht übersteigt, vor das Bezirksgericht, § 227 Abs 2 ZPO durchbricht die Zuständigkeitsschranke des § 49 (1) JN bezüglich der Wertzuständigkeit und ermöglicht eine gemeinsame Geltendmachung vor dem Gerichtshof. Der Gesetzeswortlaut des § 227 ZPO verlangt im Gegensatz zu § 11 ZPO also keinen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Ansprüchen, weshalb nichts gegen die Zulässigkeit einer Sammelklage sprechen würde. Der Meinungsstand in der Literatur geht hier jedoch nicht konform und soll im Folgenden kurz dargestellt werden.

Gegen eine teleologische Reduktion spricht sich Fasching38 aus. Für eine objektive Klagehäufung seien auch im Falle einer Sammelklage keine weiteren als die in § 227 ZPO genannten Voraussetzungen erforderlich. Würde eine zusätzliche Prüfung nach § 11 Z 2 ZPO (formelle Streitgenossenschaft) stattfinden, widerspräche dies dem klaren Wortlautlaut des § 227, weshalb eine teleologische Reduktion nicht haltbar sei. Auch wird kein wie auch immer gearteter Zusammenhang zwischen den einzelnen Ansprüchen verlangt.

Dies wird auch von Rechberger39 vertreten. Zweck der großzügigen Zulassung der objektiven Klagehäufung sei einerseits die Entlastung der Gerichte und andererseits der Entscheidungsgleichklang. Die Einschränkung der objektiven Klagehäufung auf die Voraussetzungen des § 11 Z 2 ZPO widerspräche eben diesem Telos, weshalb eine teleologische Reduktion abzulehnen sei.

Auch Klauser/Maderbacher40 sprechen sich gegen eine teleologische Reduktion aus und beziehen sich auf den Wortlaut des § 227 ZPO, der eben keine wie von § 11 Z 2 ZPO geforderte Gleichartigkeit der geltend gemachten Ansprüche voraussetzt. Sie führen weiter

36 OGH 12.07.2005, 4 Ob 116/05w; OGH JAP 2006/2007/8, 50 (51). 37

Müller, Diplomarbeit „Sammelklagen “ in Österreich 48.

38 Fasching in Fasching/Konecny2 § 227 ZPO Rz 16 (Stand 30.4.2004, rdb.at).

39 Rechberger, Verbandsklagen, Musterprozesse und „Sammelklagen“ in FS Rudolf Welser zum 65. Geburtstag

(2004) 883 f.

40

(15)

15 aus, dass die objektive Klagehäufung im Gegensatz zu § 11 Z 2 ZPO auch die Bündelung völlig verschiedenartiger Ansprüche in einer Klage ermöglicht. Eine Differenzierung von originären und abgetretenen Ansprüchen sei nicht gerechtfertigt. Die Inkassozession sei eine „echte“ Abtretung, welche dem Zessionar die Stellung eines vollwertigen Gläubigers einräumt. Dem Gesetzgeber ein Versehen zu unterstellen, wonach dieser bei der Normierung des § 227 ZPO die Abtretung von Ansprüchen nicht bedacht hätte, fehle jeglicher Anhaltspunkt. Bereits im Jahre 1926 prüfte der OGH die Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung ausschließlich anhand der Maßstäbe des § 227 ZPO.41 Für eine „Klarstellung“ seitens des Gesetzgebers wäre also genügend Zeit gewesen. Dass dies unterlassen wurde, impliziert das Fehlen zusätzlicher Voraussetzungen.

Madl42 vertritt die Ansicht, dass § 227 ZPO einer teleologischen Reduktion bedarf, um eine Umgehung des § 11 Z 2 ZPO durch die Vorschaltung eines Sammelklägers zu verhindern. Für § 227 ZPO müsse der Kläger „im eigenen Interesse und auf eigenes Risiko klagen“. Dies sei bei einem Forderungskauf – also dem Kläger originär zustehenden Ansprüchen – der Fall, nicht jedoch bei einer bloßen Inkassozession, weil hier die Forderungen wirtschaftlich im Vermögen des Zedenten bleiben. Da ein Verband im fremden Interesse und grundsätzlich auch nicht auf eigenes Risiko klagt, kommt eine Berufung auf § 227 ZPO nicht in Betracht. Für eine derartige Sammelklage müssten die hinter der Zession stehenden Forderungsberechtigten als formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 anzusehen seien. Dies läge aber im vorliegenden Fall aufgrund der unterschiedlichen Kreditverträge und der unterschiedlichen Zinsanpassungsklauseln gerade nicht vor, weshalb auch ein gemeinsames Beweisverfahren nicht durchführbar sei.

G. Kodek43 kommt nach einer ausführlichen Analyse von Zweck und Entstehungsgeschichte

des § 227 ZPO zum Ergebnis, dass der Gesetzgeber bei der objektiven Klagehäufung keine Konnexität zwischen den einzelnen Ansprüchen verlangt hat. Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers sei zu respektieren und da es sich bei einem klagsführenden Verband unstreitig um eine Person handle, sei § 227 ZPO auch ohne weitere Voraussetzungen auf Sammelklagen anwendbar. G. Kodek begründet dies sehr aufschlussreich mit der Entstehungsgeschichte der § 11 und 227 ZPO:44 Vor Inkrafttreten der ZPO war für die objektive Klagehäufung ein Zusammenhang gefordert. Die Ansprüche mussten aus demselben rechterzeugenden

41

OGH 23.06.1926, 3 Ob 479/26 Sz 8/206.

42 Madl, Ausgewählte Rechtsfragen zur Rückforderung zuviel bezahlter Zinsen bei mangelnder Bestimmtheit

einer Zinsanpassungsklausel, ÖBA 2003, 722 (724).

43 G. Kodek, ÖBA 2004, 615 (619 ff). 44

(16)

16 Sachverhalt abgeleitet werden. Diese bewusste Wertentscheidung des Gesetzebers, für § 227 ZPO nunmehr kein wie auch immer geartetes Konnexitätsverhältnis zwischen den einzelnen Ansprüchen zu verlangen, rechtfertige keine Annahme einer Lücke, welche durch Analogie mit § 11 Z 2 ZPO zu schließen sei. Allenfalls könne im Fall einer – vom Gesetzgeber nicht bedachten – „österreichischen Sammelklage“ geprüft werden, ob § 227 ZPO einer teleologischen Reduktion bedarf. Da wie bereits ausgeführt, der Gesetzgeber bewusst für die objektive Klagehäufung im Interesse der Prozessökonomie kein Konnexitätserfordernis verlangt, könne man nicht einfach für den vom Gesetzgeber womöglich nicht bedachten Sonderfall der „österreichischen Sammelklage“ ein solches verlangen. Nach G. Kodek könne eine teleologische Reduktion des § 227 ZPO nur bei Vorliegen ganz gewichtiger prozessökonomischer Nachteile im Einzelfall begründet werden, nicht jedoch bei bloßem Fehlen prozessökonomischer Vorteile.

Kalss45spricht sich im Fall von abgetretenen Rechtsansprüchen für eine teleologische Reduktion des § 227 ZPO aus, verlangt aber nicht zwingend wie Madl, dass die Voraussetzungen des § 11 ZPO erfüllt sein müssen. Aus prozessökonomischen Gründen müsse zumindest eine gleichartige Anspruchsgrundlage bestehen, um nicht völlig beliebige Ansprüche ohne jeden Zusammenhang bündeln zu können.

Im vorliegenden Fall46 „Zinsanpassungsklauseln“ wies der OGH den Revisionsrekurs der beklagten Bank aus formellen Gründen zurück, nahm aber in einem umfangreichen obiter dictum ausführlich Stellung zur Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung. Unter Berufung auf Kalss47 und G. Kodek48 vertrat der OGH eine „vermittelnde“ Lösung. Eine Anspruchshäufung im Wege der Inkassozession durch einen Kläger gerichtlich geltend zu machen, sei bei maßgeblicher gemeinsamer Grundlage zulässig. Es wird zwar keine „Identität

des rechtserzeugenden Sachverhalts“ gefordert, aber es müsse ein „im Wesentlichen gleichartiger Anspruchsgrund“ vorliegen. Zusätzlich müssen noch „im Wesentlichen gleiche Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Natur, die die Hauptfrage oder eine ganz maßgebliche Vorfrage aller Ansprüche betreffen“, zu beurteilen sein. Dies trägt, nach Meinung des Senats

der Prozessökonomie Rechnung. Durch die gemeinsame Aburteilung der relevanten Fragen, werde der Verfahrensaufwand sowohl für die Gerichte, als auch für die Anspruchsteller verringert. Die vom OGH formulierte Voraussetzung des „im Wesentlichen gleichartigen

45Kalss, Massenverfahren im Kapitalmarktrecht, ÖBA 2005, 322 (330 ff). 46 OGH 12.07.2005, 4 Ob 116/05w.

47 Kalss, ÖBA 2005, 322. 48

(17)

17

Anspruchsgrundes“ verhindere eine willkürliche Ansammlung von unterschiedlichen

Ansprüchen und durch die Beschränkung auf „Haupt- oder doch ganz maßgebliche

Vorfragen“ werde eine Unübersichtlichkeit beziehungsweise Verwirrung der Prozessführung

verhindert, was aus prozessökonomischen Erwägungen geboten sei. Die Zusammenrechnung der Ansprüche erhöhe zwar den Streitwert des Verfahrens, aufgrund der degressiven Tarifgestaltung des RATG49 und des GGG50, lägen die Anwaltskosten und die Gerichts-gebühren bei gesonderter Gelendmachung sämtlicher Ansprüche durch Individualklagen aber höher.

Nach G. Kodek51 hat der OGH mit dieser Entscheidung den Weg zum Einsatz der Sammelklage geöffnet, jedoch die Unterschiede zwischen seiner Auffassung und jener von

Kalss nicht ausreichend gewürdigt. Dieser Meinung ist auch Oberhammer52 und nimmt kritisch Stellung. Für den Fall „Zinsanpassungsklauseln“ seien die Unterschiede zwischen den Auffassungen von G. Kodek und Kalss zwar nicht relevant, sie weichen jedoch sehr erheblich voneinander ab. Während G. Kodek eine teleologische Reduktion des § 227 ZPO nur für den Fall einer „österreichischen Sammelklage“ und nur bei Vorliegen ganz gewichtiger prozessökonomischer Nachteile der Klagehäufung in Erwägung zieht, vertritt Kalss, die objektive Klagehäufung nur bei evidenten prozessökonomischen Vorteilen zuzulassen.

Oberhammer schließt sich Fasching, Rechberger und G. Kodek an. Es gelte den Willen des

Gesetzgebers zu respektieren, der ja explizit für § 227 ZPO keinen, wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen den einzelnen Ansprüchen gefordert hat.

Meines Erachtens ist den eben genannten Autoren beizupflichten, hat doch der Gesetzgeber der ZPO einen früher geforderten Zusammenhang für die objektive Klagehäufung im Sinne der Prozessökonomie bewusst aufgegeben. Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers sollte respektiert werden. Auch die „österreichische Sammelklage“ sollte daher nur anhand der Kriterien des § 227 ZPO geprüft werden und eben kein spezifischer prozessökonomischer Vorteil nachgewiesen werden müssen. Es besteht doch immer die Möglichkeit für das Gericht, nach § 188 ZPO eine Trennung von Verfahren anzuordnen, wenn es prozessökonomisch geboten erscheint.

49 Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG), BGBl 1969/189 idgF. 50

Bundesgesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz – GGG), BGBl 1984/501 idgF.

51 G. Kodek,Kollektiver Rechtsschutz in Europa – Diskussionsstand und Perspektiven in FS Christian Nowotny

zum 65. Geburtstag (2015) 129.

52

(18)

18 II. De lege ferenda

Sowohl der Gesetzgeber, als auch die Literatur hat sich mit dem Phänomen der Massenverfahren eingehend beschäftigt und die Notwendigkeit einer Reform erkannt. Deshalb gab es bereits seitens der Literatur, auf nationaler Ebene als auch seitens der EU, zahlreiche Vorschläge und Entwürfe zur Neuregelung von Massenverfahren. Da bislang politisch keine Einigung erzielt werden konnte, ist deren Umsetzung derzeit nicht absehbar und die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

1. Gruppenverfahren – Vorschlag G. Kodek

Zur Bewältigung der mit Massenverfahren verbundenen Probleme, empfiehlt Kodek53, einen

„mehrspurigen Ansatz“. Er knüpft dabei an die bestehenden Rechtsinstitute an, entwickelt aber ein neues Verfahren, für welches er entsprechend dem internationalen Sprachgebrauch, den Ausdruck „Gruppenverfahren“ empfiehlt. Zweck dieses Gruppenverfahrens solle es sein, alle die Gruppe betreffenden gemeinsamen Tat- und Rechtsfragen in einem Verfahren zu klären. Die Interessen der einzelnen Gruppenmitglieder sollen durch einen Gruppenklage-vertreter wahrgenommen werden. Diese Einschränkung der individuellen Verfahrensrechte werde durch die Repräsentationslösung ersetzt, welche auch mit dem Justizgewährungs-anspruch des Art 6 EMRK im Einklang steht. Der Gruppenklagevertreter unterliege der Überwachung der einzelnen Gruppenmitglieder und solle auch auf deren Antrag oder von Amts wegen abberufen werden können. Für einen Vergleichsabschluss bedarf es der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Gruppe. Dieses, von Kodek entwickelte Gruppenverfahren, solle weder ausschließlich auf Verbraucher, noch auf andere Rechtsgebiete beschränkt werden, weshalb diese Neuregelung auch Eingang in die ZPO und nicht in das KSchG finden soll. Die Einleitung eines Gruppenverfahrens soll sowohl auf Antrag des Klägers oder des Beklagten, als auch von Amts wegen möglich sein. Die Bildung einer Gruppe jedoch nur auf Klägerseite. Der Beitritt zur Gruppe solle durch Anmeldung des eigenen Anspruchs erfolgen. Nach Kodek soll die Zulässigkeit des Verfahrens nicht von einer Mindestteilnehmerzahl abhängig sein. Die Zulassung eines Gruppenverfahrens, solle jedoch abgesondert anfechtbar sein. Für die Frage, ob für das Gruppenverfahren das in- oder

opt-out-Modell gewählt werden soll, gibt es nach Kodek kein „Richtig“ oder „Falsch“, weil sich

im internationalen Vergleich beide Lösungen finden. Das opt-in-Modell erfasst jene Gruppenmitglieder, die ausdrücklich hineinoptiert haben, das opt-out-Modell alle, die nicht ausdrücklich hinausoptiert haben. Er entschied sich letztendlich für ein opting-in-System,

53 G. Kodek, Möglichkeiten zur gesetzlichen Regelung von Massenverfahren in Gabriel/Pirker-Hörmann (Hrsg),

(19)

19 jedoch verbunden mit einer Sperre der Einzelrechtsverfolgung während anhängigem Gruppenverfahren. Dies diene der Absicherung der Verfahren, denn jene die am Gruppenverfahren nicht teilnehmen wollen, riskieren eine Verjährung ihre Ansprüche. Aus prozessökonomischen Gründen nicht wünschenswert, sei die Möglichkeit eines schrankenlosen opt-out mit bestehender paralleler Möglichkeit der individuellen Prozessführung, weil diesfalls, die mit Massenverfahren verbundenen Schwierigkeiten nicht handhabbar wären. Das Gericht könne über alle, die Gruppe betreffenden gemeinsamen Tat- und Rechtsfragen, in einem Urteil bindend absprechen. Eine Fortsetzung des Verfahrens nach Rechtskraft des Gruppenklageurteils, erfolgt entweder als Individualverfahren oder – sofern noch weitere Aspekte von überindividuellem Interesse zu klären sind – weiter als Gruppenverfahren. Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Einführung eines derartigen Verfahrens, stelle nach Kodek eine sachgerechte Regelung der Verfahrenskosten dar. Er spricht sich für eine Anteilshaftung der Gruppenmitglieder aus, weil dies keine Schlechterstellung des Beklagten, im Vergleich zu einem Individualprozess darstellen würde. Zeugen- und Sachverständigengebühren, sollen aus administrativen Überlegungen – zumindest vorübergehend – aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.54 Das Sonderproblem der Bagatell- und Streuschäden, welches vorwiegend ein materielles Problem sei, solle durch Abschöpfung der gesamten gesetzwidrig erlangten Bereicherung gelöst werden.55

2. Ministerialentwurf für eine Zivilverfahrens-Novelle 2007

Eine beim Bundesministerium für Justiz (BMJ) eingerichtete Arbeitsgruppe entwickelte einen Entwurf für ein neues Gruppenverfahren56. Dieser sollte ursprünglich als Zivilverfahrens-Novelle 2007 (ZVN 2007) in Kraft treten, wurde jedoch bislang – trotz entsprechender Bekenntnisse im Regierungsprogramm 2008-201357 – nicht umgesetzt. Dem Entwurf nach sollten das „Gruppenverfahren“ und das „Musterverfahren“ als neue Verfahrensarten in den §§ 619 ff ZPO verankert werden. Die Einführung einer Musterklage war jedoch ausdrücklich nicht ins Auge gefasst.58

54

G. Kodek in Gabriel/Pirker-Hörmann 364 ff; G. Kodek, Massenverfahren - Reformbedarf für die ZPO, AnwBl 2006, 72; G. Kodek, Möglichkeiten zur gesetzlichen Regelung von Massenverfahren im Zivilprozess, ecolex 2005, 751.

55

G. Kodek in Gabriel/Pirker-Hörmann 419; G. Kodek in FS Christian Nowotny 147 ff.

56 Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Gerichtsgebührenrecht und das Rechtsanwaltstarifgesetz

geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2007), 70/ME XXIII. GP.

57 Regierungsprogramm für die 24. Gesetzgebungsperiode (2008-2013) 122 (B.11.). 58

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20 a. Gruppenverfahren

Nach der ZVN 200759 war Voraussetzung für die Durchführung eines Gruppenverfahrens, dass mehrere Personen, mindestens drei, insgesamt aber zumindest 50 Ansprüche gegen dieselbe(n) Person(en) geltend gemacht werden; inländische Gerichtsbarkeit gegeben sei; gleiche Sach- und Rechtsfragen zu lösen seien und die Durchführung als Gruppenverfahren voraussichtlich zu einer Vereinfachung oder Kostenersparnis führt. Die Vertretung der Gruppe erfolgt durch einen Gruppenvertreter. Das Gruppenverfahren ist beschränkt auf die gemeinsamen Sach- und Rechtsfragen. Es ergeht lediglich ein Feststellungsurteil. Dies führt zur Notwendigkeit, die geltend gemachten Ansprüche, im Anschluss an das Gruppenverfahren individuell einzuklagen. Die Kosten des Verfahrens werden anteilig auf die Gruppenkläger aufgeteilt. Der Beitritt zur Gruppe erfolgt durch das opt-in-System, das heißt man muss ausdrücklich in die Gruppe hineinoptieren. Auf diese Personen erstreckt sich sodann auch die Rechtskraft des Urteils.

Nach dem Regierungsprogramm60 sollten durch Gruppenklagen, gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener unter Wahrung der Klagsansprüche des Einzelnen leichter durchsetzbar werden, es sah allerdings eine deutliche Verschärfung der Voraussetzungen zum Entwurf vor. Gefordert wurde eine solidarische Prozesskostensicherstellung, des Weiteren eine Mindestklägeranzahl von 100 Klägern sowie eine betragliche Gesamtmindestklagssumme von 20.000 Euro.

Das Regierungsprogramm der aktuellen Gesetzgebungsperiode61 sieht als Ziel einen verbesserten Zugang zum Recht und erhöhten Rechtsschutz vor. Bei den Maßnahmen, ist jedoch unter dem Punkt „Entlastung der Gerichte“ nur mehr knapp davon die Rede, dass „durch Gruppen- und Sammelklagen, sowie durch prozessleitende Maßnahmen (Innehaltung)

gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener leichter und prozessökonomischer gerichtlich geltend gemacht werden können“.

b. Bewertung des Ministerialentwurf zur ZVN 2007 durch Literatur und Praxis

Grundsätzlich wurde das Bemühen des Gesetzgebers, die Einführung eines – der österreichischen Rechtsordnung bislang fremden – kollektiven Gruppenverfahrens, um dem

59 Zivilverfahrens-Novelle 2007, 70/ME XXIII. GP 1 ff.

60 Regierungsprogramm für die 24. Gesetzgebungsperiode (2008-2013) 122 (B.11.). 61

(21)

21 Phänomen der Massenverfahren wirksam entgegenzutreten, anerkannt, jedoch stieß der Entwurf insbesondere in der Wirtschaft auf heftige Kritik.

In einer Stellungnahme an das Justizministerium62 sprach sich der österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) weitgehend gegen den Entwurf aus. Heftig kritisiert wurde vor allem die Anzahl von drei Personen als Mindestvoraussetzung für die Zulässigkeit des Gruppenverfahrens. Gefordert wurde eine Mindestanzahl von 50 Klägern, bevorzugt jedoch eine Mindestanzahl von 100 Personen. Nach Meinung des ÖRAK, bedarf es grundsätzlich keiner Einführung einer neuen Verfahrensart, eine moderate Anpassung bereits bestehender Instrumente der ZPO wäre ausreichend.

Auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)63 sieht keinen Handlungsbedarf zur Einführung eines Gruppenverfahrens wie es in der ZVN 2007 vorgesehen ist, weil dem österreichischen Zivilprozess bereits Mittel zur Anspruchsbündelung – wie die Sammelklage österreichischer Prägung, Verbandsklagen – zur Verfügung stehen.

Die Arbeiterkammer64 sprach sich für eine Lockerung der von den Koalitionspartnern vereinbarten Einschränkungen aus und fordert die Einführung einer europaweiten Gruppenklage, welche bereits ab 5 Klägern und einer Gesamtmindestklagssumme von 10.000 Euro zulässig sein sollte.

Nimmerrichter/Schrammel65 sehen in dem Entwurf eine positive rechtspolitische Tendenz um

Massenverfahren prozessökonomisch durchführbar zu machen, üben jedoch punktuell Kritik. Fragwürdig sei insbesondere, ob das im Entwurf vorgestellte Gruppenverfahren prozessökonomisch sinnvoll sei. Es finde zwar ein Feststellungsverfahren statt, um jedoch einen Exekutionstitel zu erlangen, bedarf es noch weiterer Einzelverfahren. Dies könne zu längerer Verfahrensdauer führen, was wieder einen Verstoß gegen Art 6 EMRK bedeuten könnte.

62 Stellungnahme des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages zum BG, mit dem die ZPO, das Gerichts-

gebührengesetz und das RATG geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2007), http://www.rechtsanwaelte.at/ index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&g=0&t=1452713592&hash=f9194d70877e807f45fe45dbfe8348698b821 611&file=uploads/tx_wxstellungnahmen/13_1_07_127_zivnov2007.pdf (abgefragt am 12.01.2016).

63 Stellungnahme der WKÖ zur Zivilverfahrens-Novelle 2007 vom 30.07.2007, http://www.parlament.gv.at/

PAKT/VHG/XXIII/ME/ME_00070_18/fname_084675.pdf (abgefragt am 16.01.2016).

64 Arbeiterkammer, Gruppenklagen zulassen! https://ooe.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/

konsumentenschutz/Gruppenklagen_zulassen.html (abgefragt am 12.01.2016).

65 Nimmerrichter/Schrammel, Der Entwurf der ZVN 2007 für ein Gruppenverfahren und ein Musterverfahren

(22)

22

C. Notwendigkeit einer Reform

Bisherige Erfahrungen mit Massenklagen machten deutlich, dass die bis dato bestehenden prozessualen Möglichkeiten eine angemessene Bewältigung der damit verbunden Herausforderungen nicht ermöglichen. Die Erhebung massenhafter Individualklagen, führt zur Notwendigkeit mehrfacher Klärung derselben Sach- und Rechtsfragen, was sowohl prozessökonomisch problematisch ist, als auch zu divergierenden Sachentscheidungen führen kann. Auch § 187 ZPO (Verbindung von Verfahren) bietet nur beschränkt Abhilfe, weil die Verfahren – wie oben erläutert – ihre rechtliche Selbstständigkeit behalten, was wiederum dazu führen kann, dass dieselben Tat- und Rechtsfragen anderes beurteilt werden.66 Die subjektive Klagehäufung (Streitgenossenschaft) stößt bei echten Massenverfahren, also bei einer sehr hohen Zahl von Parteien im Hinblick auf die Verfahrenskoordination an ihre Grenzen. Dass es einer gewissen Organisation bedarf, macht auch der Umstand deutlich, dass die aus demselben Sachverhalt Geschädigten oftmals nur zufällig Kenntnis voneinander erlangen, was der Möglichkeit der Bündelung ihrer Ansprüche entgegensteht. Sowohl die Verfahrensökonomie, als auch die Sicherung des gebotenen Entscheidungsgleichklangs, sprechen somit für eine gemeinsame Aburteilung von Massenansprüchen in einem einheitlichen Verfahren. Massenansprüche in einem möglichst raschen und kostengünstigen Verfahren abzuwickeln, trägt nicht nur dem Interesse des Klägers Rechnung, sondern kann auch dem Beklagten zugutekommen.67 Für eine Reform spricht auch, dass damit der Gerichtsstandort Europa wieder gestärkt werden könnte, weil eine zunehmende Tendenz besteht, dass Geschädigte ihre Ansprüche in den USA geltend machen. Kläger machen vielfach geltend, dass es in Europa kein angemessenes Instrumentarium zur effizienten Durchsetzung von Massenansprüchen gibt; Gerichte haben nämlich nach der sogenannten „forum non conveniens-Doktrin“ aufgrund einer Interessensabwägung zu beurteilen, ob eine Klageführung in einem anderen Land sinnvoller wäre.68 Um den vielfältigen Problemen, die mit Massenverfahren zwangsläufig verbunden sind, wirksam entgegenzutreten, bedarf es verschiedener Ansätze, die von Anpassungen im Zuständigkeitsrecht, Erweiterung der Prozessleitung, Ausbau des Zwischenurteils bis hin zur Kodifizierung eines – dem österreichischen Recht bis dato in dieser Form unbekannten – Kollektivverfahrens69. Die Durchführung eines Kollektivverfahrens führt zwangsläufig zu einer Einschränkung der individuellen Verfahrensrechte. Die Interessen der Gruppe werden vor Gericht durch den

66 G. Kodek in FS Christian Nowotny 137. 67 G. Kodek in FS Christian Nowotny 138. 68 G. Kodek in FS Christian Nowotny 139. 69

(23)

23 Repräsentanten wahrgenommen, denn nur so sind derartige Verfahren in angemessener Dauer wirtschaftlich bewältigbar.70

Die „österreichische Sammelklage“ stellt ein effizientes Mittel zur Prozessfinanzierung und Anspruchsbündelung mehrerer Geschädigter dar. Dennoch sollte es sich nicht um die einzig bestehende Möglichkeit handeln, um Massenansprüche durchzusetzen, weil sie auch mit einigen Nachteilen verbunden ist. Ein wesentlicher Nachteil besteht in der Abtretung der eigenen Ansprüche zum Inkasso an einen nach § 29 KSchG klagebefugten Verband. Dies darf nicht die einzig zur Verfügung gestellte Möglichkeit sein, eigene Ansprüche geltend zu machen. Die klagebefugten Verbände, sind außerdem rechtlich nicht verpflichtet, sämtliche auftretende Massenverfahren zu organisieren. Massenansprüche gerichtlich durchsetzbar zu machen, ist eine wesensgemäß öffentliche Aufgabe, dies setzt aber die Bereitstellung ausreichender und effizienter Mittel voraus. Es sollte daher nicht dem Kläger aufgebürdet werden, einen Verband zu finden, der seine Ansprüche im Wege der Inkassozession geltend macht. Ein weiterer Nachteil ist prozessrechtlicher Natur. Nach Rechtsprechung des EuGH bewirkt die Abtretung an einen Verband zum Inkasso für den Verbraucher, den Verlust des Verbrauchergerichtsstandes. Das bedeutet, steht der Kläger einem Beklagten mit Sitz im Ausland gegenüber, kann keine Klage am Wohnsitz des Verbrauchers, sondern – sofern kein Wahlgerichtsstand nach Art 5 EuGVVO71 besteht – nur mehr im Ausland eingebracht werden.72

D. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

Der Justizgewährungsanspruch des Art 6 EMRK besagt, dass jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb angemessener Frist gehört wird. Der EGMR entwickelte vier Kriterien, die er für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer heranzieht. Er stellt auf das Verhalten des Beschwerdeführers, das Verhalten der Behörden, die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer und auf die Komplexität des Falles ab, wobei er immer eine Einzelfallbetrachtung vornimmt. Entscheidend ist schlussendlich immer die konkrete Konstellation des Einzelfalles. Die Rechtsprechung des EGMR erkennt an, dass Massenverfahren zu einer längeren Verfahrensdauer führen können, weil für die Beurteilung der Angemessenheit die Komplexität des Falles zu berücksichtigen

70

G. Kodek in FS Christian Nowotny 141.

71 VO (EU) Nr. 1215/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die

gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl L 2012/351, 1.

72

(24)

24 ist. Dennoch sind die Konventionsstaaten verpflichtet, ihre Gerichtsbarkeit derart zu organisieren, dass auch komplexe und umfangreiche Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können, um dem Justizgewährungsanspruch des Art 6 EMRK zu entsprechen.73 Die Gegner von Sammelklagen bringen immer wieder vor, dass diese zu einer Überlastung der Gerichte beziehungsweise davon betroffener Gerichtszweige führen. Dieses Argument der Überlastung, eines Gerichts als Begründung für eine längere Verfahrensdauer, wird vom EGMR für einen gewissen Zeitraum akzeptiert. Eine chronische Überbelastung begründet nach Ansicht des EGMR jedoch eine Verletzung der Organisationpflicht des Staates und führt sohin zu einem Verstoß gegen Art 6 EMRK.74 Zwei Entscheidungen75 des EGMR bringen Aufschluss darüber, dass Massenverfahren zwangsläufig mit einer Einschränkung der prozessualen Rechte Einzelner verbunden sind, dies aber durchaus im Einklang mit Art 6 EMRK ist. Ratio dieser Entscheidungen ist, dass bei Massenverfahren, also bei einer Vielzahl von Betroffenen, es nicht zwangsläufig notwendig beziehungsweise es gar nicht handhabbar wäre, jeden einzelnen Betroffen im Gerichtsverfahren zu hören. Diese „Beschränkung des individuellen Zugangs zum Gericht“ begründet nach Ansicht des EGMR keine Verletzung des Art 6 EMRK, da die Interessen der Einzelnen indirekt durch einen Repräsentanten wahrgenommen werden.76

E. Die EU-Empfehlung

Auf europäischer Ebene wird schon seit den 1970er Jahren die Frage einer gerichtlichen Durchsetzung kollektiver Rechtsansprüche diskutiert, eine allgemein befriedigende Antwort wurde bislang jedoch nicht gefunden. Auch den meisten europäischen Rechtsordnungen sind kollektive Rechtschutzverfahren weitgehend unbekannt.

I. Kollektiver Rechtschutz als Grundrecht

Die effiziente und wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung – worunter auch Instrumente des kollektiven Rechtschutzes erfasst sind – wird als Grundrecht verstanden und ist durch Art 47 Abs 1 EU-Grundrechtecharta77 iVm Art 19 Abs 1 EUV78 abgesichert.79 Demnach hat „jede

73 Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 (2012) 428 Rz 70. 74 Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 (2012) 431 Rz 72. 75

Lithgow and others v Unitend Kingdom, EGMR 24.6.1986, application no 9006/80; Wendenburg ua gegen

Deutschland, EGMR 6.2.2003, application no 71630/01. 76 G. Kodek in FS Christian Nowotny 142.

77

Amtsblatt EU 2012, C 326, 405.

78 Amtsblatt EU 2012, C 326, 27.

79 Hummer, „Kollektiver Rechtsschutz“ in der EU versus „class actions“ nach US-amerikanischem Vorbild,

http://www.eu-infothek.com/article/kollektiver-rechtsschutz-der-eu-versus-class-actions-nach-us-amerikanischem- vorbild (abgefragt am 15.01.2016).

(25)

25

Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht […] einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen“ und die Mitgliedstaaten

werden zur Schaffung der erforderlichen Rechtsbehelfe verpflichtet.

II. Kompetenz der EU für ein Instrument des kollektiven Rechtschutzes

Bezüglich der Kompetenz der EU zur Schaffung legislativer Vorgaben, kommen verschiedene Ermächtigungsgrundlagen in Betracht. Ob und in welchem Umfang man sich auf diese stützen kann, entscheidet das Ziel der Gesetzgebungsinitiative. Die Binnenmarktkompetenz des Art 114 AEUV würde die EU dazu ermächtigen, neben grenzüberschreitenden Sachverhalten auch Inlandssachverhalte zu regeln. Um sich auf diese Kompetenznorm zu stützen, müssten die getroffenen Maßnahmen geeignet sein, zur Binnenmarktharmonisierung beizutragen. Keine eigenständige Kompetenznorm begründet hingegen Art 169 Abs 2 lit a AEUV, da der Wortlaut ausdrücklich auf Art 114 AEUV Bezug nimmt. Demnach leistet die Union einen Beitrag „zur Förderung der Interessen der Verbraucher und zur Gewährleistung

eines hohen Verbraucherschutzniveaus […]“ durch „Maßnahmen, die sie im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Artikel 114 erlässt“. Auch Art 81 AEUV, der die EU

ermächtigt, Maßnahmen zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zu erlassen, ist dem Grunde nach nicht geeignet, da sich dessen Anwendungsbereich auf die Regelung grenzüberschreitender Sachverhalte beschränkt. Die Lückenschließungsklausel des Art 352 Abs 1 AEUV – der auch rein innerstaatliche Sachverhalte erfassen könnte – wird vermutlich an den hohen Zustimmungserfordernissen scheitern. Um ein Instrument eines kohärenten kollektiven Rechtsdurchsetzungssystems auf Art 352 Abs 1 zu stützen, bedarf es der Einstimmigkeit im Rat und der Zustimmung des Europäischen Parlaments.80

III. Erste Ansätze kollektiven Rechtsschutzes in der EU

Auch auf europäischer Ebene wird seit Jahren an einer effektiven Lösung von mit Massenverfahren verbundenen Problemen getüftelt. Im Bereich des Wettbewerbsrechts und des Verbraucherrechts erarbeitete die Europäische Kommission bereits verschiedene Modelle, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. Einem 2005 veröffentlichten Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts81, folgte 2008 eine offizielle Empfehlung in Form eines Weißbuches82, welches konkrete Vorschläge zur

80

Buchner, Kollektiver Rechtschutz für Verbraucher in Europa 124 ff.

81 Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts vom 19.12.2005, KOM

(2005) 672 endgültig.

82 Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 02.04.2008, KOM

(26)

26 effizienten Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Schadenersatzansprüche enthielt. Ebenfalls im Jahr 2008 wurde das Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher veröffentlicht83.

1. Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts Das mit diesem Grünbuch84 verfolgte Ziel der Kommission war es, Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrecht zu vereinfachen, um so dem Recht auf Schadenersatz zur Effektivität zu verhelfen. Die Kommission führte aus, dass neben der staatlichen Durchsetzung, sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen das Recht haben, Ersatz, für die ihnen durch Verletzung der EU-Wettbewerbsvorschriften entstandenen Schäden, zu verlangen. Die private Durchsetzung vor nationalen Gerichten weise aber erhebliche Defizite auf. Die Kommission führte die ihrer Ansicht nach wichtigsten Hindernisse, die einer Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen entgegenstehen auf und unterbreitete zugleich verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Besondere Schwierigkeiten bereite insbesondere der Zugang zu Beweismitteln, die Verschuldensfrage, die Definition des Schadenersatzes und die Prozesskosten. Bezüglich der Definition des Schadenersatzes wird die Frage aufgeworfen, ob auf den entstandenen Schaden oder die unrechtmäßige Bereicherung seitens der Beklagten abgestellt werden soll. Die Kommission erkennt auch hier die besondere Problematik der Bagatellschäden. Dem rationalen Desinteresse der Geschädigten, hier den Rechtsweg zu bestreiten, wird durch den Vorschlag der Einführung einer Sammelklage durch Verbraucherverbände Rechnung getragen.

2. Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts Die im Grünbuch festgestellte Ineffektivität wettbewerbsrechtlicher Schadenersatzklagen stelle einen nicht wünschenswerten Rechtszustand dar. Deshalb erarbeitete die Kommission konkrete Vorschläge, wie bestehende Hindernisse wettbewerbsrechtlicher Schadenersatzklagen beseitigt werden könnten und formulierte als wichtigste Leitprinzipien dieses Weißbuchs85, den Zugang zu wirksamen Rechtsschutzinstrumenten und das Recht auf vollständige Entschädigung.

83 Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM (2008) 794

endgültig.

84 Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts vom 19.12.2005, KOM

(2005) 672 endgültig.

85 Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 02.04.2008, KOM

(27)

27 Neben den im Grünbuch bereits erörterten Problemen des Zugangs zu Beweismitteln86, der Verschuldensfrage87, der Definition des Schadenersatzes88 und der Prozesskosten89, befasste sich die Kommission auch mit der Einführung von Mechanismen, die einen wirksamen kollektiven Rechtsschutz gewährleisten sollen. Zur Bündelung individueller Schadenersatzansprüche von Opfern von Wettbewerbsverstößen, schlägt die Kommission zwei einander ergänzende Modelle vor. Einerseits die Einführung einer Verbandsklage mit einem opt-out-System und andererseits eine opt-in-Gruppenklage. Die Verbandsklage kann von qualifizierten Einrichtungen – wie beispielsweise Verbraucherverbänden, staatlichen Institutionen oder berufsständischen Organisationen – für eine Gruppe namentlich bekannter oder zumindest identifizierbarer Personen erhoben werden. Diese Einrichtungen sollen entweder offiziell von einem Mitgliedstaat ernannt oder für einen bestimmten Anlassfall ad hoc ermächtigt werden. Um einen wirksamen Rechtschutz zu gewährleisten, reicht jedoch das Modell der Verbandsklage alleine nicht aus, da die Einrichtungen nicht verpflichtet sind, Klage zu erheben. Deshalb wird sie durch die Möglichkeit einer opt-in-Gruppenklage ergänzt. Hier schließen sich die einzelnen Geschädigten durch ausdrückliche Erklärung zusammen und machen ihre gebündelten Ansprüche gemeinsam geltend. Das Recht des Einzelnen zur individuellen Klageerhebung müsse aber gewahrt bleiben. Dem Problem der Mehrfachentschädigung sollen spezielle Regelungen entgegenwirken.90

Aufgrund der starken Anlehnung an das US-amerikanische Rechtsinstitut der class action stießen die Vorschläge der Kommission sowohl seitens der Wirtschaft als auch der Politik auf Ablehnung.91 Die Vorschläge über die Verschärfung der Mitwirkungspflichten, die Aufgabe der „loser pays rule“ und vieles mehr verfestigten die Befürchtung, dass die berühmt-berüchtigten „amerikanische Verhältnisse“ – konkret das Erpressungspotenzial der class

action – nun auch nach Europa importiert werden sollten. Es gelang nicht, deutlich zu

machen, dass dieses viel beschworene erpresserische Potenzial der class action mit den Rechtstraditionen und weiteren Spezifika des US-amerikanischen Rechts verbunden ist. Die

86 Weißbuch Wettbewerbsrecht 5 f (unter 2.2.). 87 Weißbuch Wettbewerbsrecht 7 f (unter 2.4.). 88

Weißbuch Wettbewerbsrecht 8 f (unter 2.5.).

89 Weißbuch Wettbewerbsrecht 11 (unter 2.8.). 90 Weißbuch Wettbewerbsrecht 4 f (unter 2.1.).

91 Vgl die zahlreichen Stellungnahmen zum Weißbuch, http://ec.europa.eu/competition/antitrust/

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28 Grundidee einer class action jedoch durchaus tauglich sein kann, Vorbild einer auf europäische Verhältnisse zugeschnittenen Gruppen- oder Sammelklage zu sein.92

3. Grünbuch über kollektive Rechtdurchsetzungsverfahren für Verbraucher

Erklärter Zweck des Grünbuches93 ist es, allen Bürgern der EU effektive Mechanismen zur Bewältigung von Massenverfahren zur Verfügung zu stellen. Zu beachten ist aber auch, dass Verbraucherrechtsverstöße auch zu Marktverzerrungen führen können. Als Beispiele werden die systematische Berechnung überhöhter Zinsen für Überziehungskredite durch britische Banken und betrügerische Praktiken durch Klingeltonanbieten angeführt.94 Der Status quo zeigt, dass die gerichtliche Geltendmachung für Verbraucher mit Hindernissen verbunden ist, was insbesondere den Zugang, die Wirksamkeit und die Erschwinglichkeit betrifft.95 Die derzeit bestehenden EU-Instrumentarien – Richtlinie (RL) über Unterlassungsklagen96 und Verordnung (VO) zur Zusammenarbeit im Verbraucherschutz97 – seien unzureichend, da keine Entschädigung von mit unlauterem Geschäftsgebaren betroffenen Verbrauchern vorgesehen ist.98 Die Kommission stellt vier Optionen vor, um den Verbraucherrechtschutz in der EU zu stärken und auch bei einer Vielzahl von Betroffenen effiziente Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen.

Die erste Option sieht keine neuen Maßnahmen auf europäischer Ebene vor, es sollen die bereits vorhandenen Instrumentarien auf nationaler und EU-Ebene ausreichen, um einen effizienten Rechtsschutz zu gewähren. Der Vorteil dieser Option liegt darin, dass weder den Mitgliedstaaten noch den Unternehmen zusätzliche Kosten für die Durchfürhung entstehen. Der wesentliche Nachteil, liegt jedoch in der uneinheitlichen Rechtslage, die wiederum zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Abhängig vom Wohnort des Verbrauchers, dem Ort des Schadeneintrittes oder dem Ort des Geschäftsabschlusses, stünden den Verbrauchern

92

Stadler, Die Vorschläge der Europäischen Kommission zum kollektiven Rechtsschutz in Europa, GPR 2013,

281 (282).

93 Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008, KOM (2008) 794

endgültig.

94

Grünbuch Verbraucher 3 Rz 6.

95 Grünbuch Verbraucher 4 Rz 8.

96RL 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum

Schutz der Verbraucherinteressen, ABl. L 1998/166, 51.

97 VO (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die

Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden, ABl. L 2004/364, 1.

98

(29)

29 unterschiedliche Rechtsbehelfe zur Verfügung. Europäische Verbraucher würden also einen divergierenden Rechtsschutz genießen.99

Die zweite Option sieht eine „verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten“ vor, die es Verbrauchern in der EU ermöglicht, die in den Mitgliedstaaten bestehenden kollektiven Rechtsdurchsetzungsmechanismen zu nutzen. Das bedeutet, die bereits in den Mitgliedstaaten bestehenden kollektiven Rechtschutzinstrumente, sollen auch von nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Verbrauchern genutzt werden können. Mitgliedstaaten, die noch keine derartigen Verfahren vorsehen, sollen diese einführen. Dieses Ziel soll entweder durch eine Empfehlung oder eine Richtlinie erreicht werden. Ein „Kooperationsnetzwerk“, soll das Sammeln von Ansprüchen und Informationen über anhängige Kollektivklagen, das Übersetzen von Unterlagen und die Suche nach nationalen Anwälten und Sachverständigen erleichtern.100

Option Drei sieht eine Kombination verschiedener Maßnahmen vor, welche die Hindernisse eines effizienten Rechtsschutzes – wie zB die hohen Prozesskosten, langwierige Verfahren und die unzureichende Kenntnis der Verbraucher über die bestehenden Rechtsbehelfe – beseitigen sollen. Dies soll durch die Verbesserung der alternativen Streitbeilegungs-mechanismen und ihre Ausdehnung auf Massenforderungen erreicht werden. Des Weiteren soll der Anwendungsbereich nationaler Verfahren für geringfügige Forderungen auch auf Massenforderungen ausgeweitet werden; ebenso der Ausdehnung bedarf der Anwendungsbereich der „Verordnung zur Zusammenarbeit im Verbraucherschutz“101. Unternehmen sollen ermutigt werden, ihre Verfahren zur Beschwerdebearbeitung zu verbessern und es sollen Maßnahmen eingeführt werden, um Verbraucher über bestehende Rechtsbehelfsmöglichkeiten besser zu informieren.102

In der Option Vier wird die Möglichkeit vorgesehen, sowohl eine verbindliche wie auch eine nichtverbliche EU-Maßnahme zu erlassen, die sicherstellen soll, dass alle Mitgliedstaaten über gerichtliche kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren verfügen und somit sämtliche Verbraucher der EU einen effizienten Rechtsschutz genießen. Ausdrücklich verzichtet wird auf Erfolgshonorare für Anwälte, Strafschadenersatz und andere Elemente die zu einer „Kultur des Rechtsstreits“ führen könnten, wie es in einigen nichteuropäischen Ländern der Fall ist. Die Fragen die es zu klären gilt, sind die Finanzierung des Verfahrens, die 99 Grünbuch Verbraucher 8 Rz 20 ff. 100 Grünbuch Verbraucher 9 Rz 23 ff. 101 VO (EG) Nr. 2006/2004 ABl. L 2004/364, 1. 102 Grünbuch Verbraucher 11 Rz 32.

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