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Archiv "Plasmakonzentrationen von Arzneimitteln: Wann messen, wie interpretieren?" (05.06.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

isMIII111■■IM

Die Individualisierung der Thera- pie trägt zur Verbesserung von Therapiesicherheit und -effizienz bei. Ein wesentliches Hilfsmittel dazu kann die Messung von Arzneimittelkonzentrationen sein, wobei allerdings einfache klinisch-

pharmakologische Prinzipien be- rücksichtigt werden müssen.

Eine Verbesserung der Ausbil- dung schon bei Medizinstuden- ten wäre hier wünschenswert.

Einführung

Bestimmungen von Plasmakon- zentrationen von Arzneimitteln werden seit einigen Jahren einge- setzt, um die Therapieeffektivität und -sicherheit zu verbessern (Übersichten bei 1 und 2*)). Bei vielen behandelnden Ärzten be- steht jedoch Unsicherheit dar- über,

• welche Medikamente wann gemessen werden sollen,

> welchen praktischen Nutzen dieses Verfahren bringt und

> welche Fehlermöglichkeiten beachtet werden müssen.

Die vorliegende Übersicht soll auf diese Fragen eine Antwort geben und zeigen, daß die Arzneimittel- bestimmung bei richtiger Anwen- dung ein sinnvolles Verfahren zur Therapiekontrolle durch den Arzt in Krankenhaus oder Praxis dar- stellt. Als Beispiele, bei denen sich der Nutzen der Messung von Arzneimittelkonzentrationen für den Patienten nachweisen läßt, werden das Herzglykosid Digoxin und das Antiepileptikum Diphe- nylhydantoin ausführlicher be- schrieben.

1. Für welche Medikamente Plasmaspiegelbestimmung?

Die Entwicklung hochempfind- licher und spezifischer Analysen- methoden (Radioimmunoassay, Enzymimmunoassay, Hochdruck- flüssigkeitschromatographie, Gas- chromatographie) hat die routine- mäßige Messung von Arzneimit- telkonzentrationen in den letzten Jahren ermöglicht. Diese ist je- doch nur bei einigen wenigen Pharmaka sinnvoll. Bei solchen Medikamenten, bei denen eine di- rekte Erfassung des Therapieer- folges möglich ist, zum Beispiel durch Messung des Blutzuckers, des Blutdrucks und des Quick- Wertes, sowie bei Medikamenten mit einer großen therapeutischen Breite, bei denen also ein großer Abstand zwischen minimal toxi- scher und minimal effektiver Do- sis vorliegt, ist eine Konzentra- tionsbestimmung meist überflüs- sig. Bei Medikamenten, deren therapeutische Breite jedoch ge- ring ist, bei denen eine nicht li- neare und damit schlecht vorher- sehbare Beziehung zwischen Do- sis und Plasmakonzentration be- steht oder deren erwünschter Ef- fekt, zum Beispiel die Prophylaxe epileptischer Anfälle, nicht sofort erfaßt werden kann, kann die Ein-

stellung einer definierten Plasma- konzentration als indirektes The- rapieziel dienen. Notwendige Be- dingung dafür ist allerdings, daß eine Beziehung zwischen Wir- kung/Nebenwirkungen und ge- messener Konzentration nachge- wiesen ist. Für die in Tabelle 1 an- gegebenen Arzneimittel sind die- se Voraussetzungen zumindest überwiegend erfüllt.

Der sinnvolle Einsatz dieser auf- wendigen Verfahren setzt Kennt- nisse der normalen Pharmakoki- netik und ihrer Veränderungen voraus, wie sie zum Beispiel durch Interaktionen oder patho- physiologische Abläufe bedingt sind.

2. Erstes Beispiel: Digoxin Eine der zur Zeit am häufigsten eingesetzten Plasmakonzentra- tionsbestimmungen ist die (radio- immunologische) Messung von Digoxin (zum Beispiel Digacin®, Lanicor®, Lenoxin®, Novodigal- Amp.®) bzw. seiner azetylierten (zum Beispiel Allocor®, Novodi- gal®, Sandolanid®) oder methy-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Plasmakonzentrationen von Arzneimitteln:

Wann messen, wie interpretieren?

Bernd Rosenkranz und Jürgen C. Frölich

Aus dem Dr.-Margarete-Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie, Stuttgart

(Leiter: Professor Dr. med. habil. Jürgen C. Frölich)

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 23 vom 5. Juni 1985 (55) 1769

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Tabelle 1: Auswahl zur routi- nemäßigen Plasmaspiegelbe- stimmung geeigneter Phar- maka

Herzglykoside Digoxin Digitoxin Antikonvulsiva

Phenobarbital Primidon

Diphenylhydantoin Valproinsäure Carbamazepin Ethosuximid Clonazepam Antiarrhythmika

Chinidin Lidocain Lithium Theophyllin Salicylat Antibiotika

Aminoglykoside Zytostatika

Methotrexat Adriamycin lierten (zum Beispiel Lanitop®)

Derivate. Dabei ist zu berücksich- tigen, daß sich Digoxin und Me- thyldigoxin in ihrer Pharmakoki- netik unterscheiden, indem letzte- res ein kleineres Verteilungsvolu- men sowie eine höhere Resorp- tionsgeschwindigkeit besitzt (3).

2.1. Therapeutischer Bereich Die Korrelation zwischen Digoxin- konzentration und Effekt ist von mehreren Arbeitsgruppen unter- sucht worden (4 bis 7). Dabei fand sich eine im Mittel deutlich höhe- re Plasmakonzentration bei Pa- tienten mit Intoxikationssympto- men, wie zum Beispiel Rhythmus- störungen, gastrointestinalen Be- schwerden oder Farbsinnstörun- gen (2,6 ± 0,8 ng/ml) als bei asymptomatischen Patienten (1,3

± 0,3 ng/ml) (6).

Bei etwa 90 Prozent der Patienten mit digoxinbedingten Rhythmus- störungen beträgt die Konzentra- tion mehr als 2 ng/ml, während umgekehrt etwa 90 Prozent der Patienten ohne kardiale Intoxika- tionssymptomatik unterhalb die- ses Wertes liegen; in dem Über- lappungsbereich zwischen 1,5 und 3 ng/ml ist die Diagnose einer Digitalis-Intoxikation allein auf- grund der Plasmakonzentration allerdings nicht möglich.

Insgesamt ist es jedoch weniger überraschend, daß es diesen Überlappungsbereich gibt, als daß es überhaupt eine Beziehung zwischen Plasmakonzentration und Intoxikation gibt, wenn man bedenkt, daß einerseits die kar- diale Digoxinkonzentration ein Vielfaches der Plasmakonzentra- tion beträgt und keineswegs in ei- nem festen Verhältnis zu ihr steht und wenn man zum anderen die zahlreichen Faktoren berücksich- tigt, die die Empfindlichkeit des Herzens gegenüber Digoxin be- einflussen (7).

Die zur Therapie einer Herzinsuf- fizienz erforderliche minimale therapeutische Konzentration

wird mit etwa 0,7 ng/ml angege- ben (7); bei der Behandlung ta- chykarder Rhythmusstörungen sind etwas höhere Konzentratio- nen erforderlich. Der so definierte

„therapeutische Bereich" des Di- goxins (0,7 bis 2 ng/ml) ist dem- nach gering; außerdem schwankt selbst bei normaler Nierenfunk- tion bei verschiedenen Patienten der mit der gleichen Dosis er- reichte Plasmaspiegel beträcht- lich (95 Prozent der Werte liegen nach regelmäßiger täglicher Gabe von 0,375 mg Digoxin im Bereich zwischen 0,1 und 2,4 ng/ml, be- rechnet nach [8]).

Die Voraussetzungen für eine Therapiekontrolle von digitalisier- ten Patienten mit Hilfe von Plas- maspiegelbestimmungen sind al- so vorhanden.

■••■■

2.2. Indikationen zur Messung Indikationen zu Plasmakonzentra- tionsbestimmungen von Digoxin sind entweder der Verdacht auf eine Intoxikation oder die Mög- lichkeit einer Unterdosierung (Ta- belle 2). Der Verdacht auf eine In- toxikation kann aufgrund beob- achteter Nebenwirkungen gestellt werden — diese treten bei etwa acht Prozent der stationären bzw.

zwei Prozent der ambulanten digi- talisierten Patienten auf (6), wobei die Letalität bis zu 20 Prozent be- trägt — oder bei Gabe von Medika- menten bzw. bei Erkrankungen, die die Pharmakokinetik des Digo- xins beeinflussen (8, 9). Gleichzei- tige Verabreichung anderer Phar- maka oder Erkrankungen können andererseits auch eine Unterdigi- talisierung bewirken. Außerdem führt eine unzuverlässige Tablet- teneinnahme dazu, daß bei etwa jedem zehnten Patienten, der Di- goxin verschrieben bekommt, die- ses Medikament gar nicht im Plas- ma nachgewiesen werden kann (10). Bei den 2064 im Jahr 1983 in unserem Labor durchgeführten Digoxinbestimmungen lagen ins- gesamt 36 Prozent der Meßwerte unterhalb des therapeutischen Bereichs. Ein solcher Befund wird die weitere Therapie entschei- dend beeinflussen.

Insgesamt kann die Kenntnis der Digoxinkonzentration bei den in Tabelle 2 angegebenen Fragestel-

lungen also von prinzipiellem Nut- zen sein. Inwieweit dies auch

praktische Bedeutung besitzt, ist nur in wenigen Studien unter- sucht worden. So verminderte sich nach Einführung der Digoxin- vermessung im Jahr 1969 die Häu- figkeit von Digitalisintoxikationen in einem Bostoner Krankenhaus von 13,9 auf 5,9 Prozent (11). Ein ähnlicher Trend ergibt sich auch bei Analyse aller seit 1962 publi- zierten Häufigkeiten von Digoxin- intoxikationen (6); allerdings kön- nen solche retrospektiv angestell- ten Untersuchungen einen kausa- len Zusammenhang zwischen In- toxikationshäufigkeit und Plasma- spiegelmessung nicht endgültig

(3)

Tabelle 2: Indikationen zur Bestimmung der Plasmakonzentration von Digoxin

(D Verdacht auf Intoxikation:

— bei klinischen Symptomen der Intoxikation

— bei möglichen Interaktionen mit anderen Medikamenten Chinidin (z. B. Chinidin-Duriles®, Optochinidin®, Systodin®) Kalziumantagonisten (z. B. Isoptin®, Adalat®)

— bei Begleiterkrankungen, die die Kinetik des Digoxins beein- flussen:

Niereninsuffizienz (Alter!) Hypothyreose

e

Verdacht auf zu niedrige Dosis:

— bei mangelndem Therapieeffekt

— bei unbekannter oder Verdacht auf unzuverlässige Tabletten- einnahme

— bei möglichen Interaktionen mit anderen Medikamenten:

Metoclopramid (z. B. Paspertin®) Antazida

Colestyramin (z. B. Quantalan®) Aktivkohle

Zytostatika (z. B. Endoxan®, Vincristin® und Prednison)

— bei Begleiterkrankungen, die die Kinetik des Digoxins beein- flussen:

Malabsorption, Diarrhoe Hyperthyreose

C) bei Digitalisierung zur Prophylaxe paroxysmaler supraventrikulä- rer Arrhythmien

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Plasmakonzentrationen von Arzneimitteln

beweisen. Dennoch kann auf- grund der dargestellten Bezie- hung angenommen werden, daß die Kenntnis der Digoxinkonzen- tration die Diagnose einer Intoxi- kation erleichtert und somit die Therapie sicherer machen kann.

Umgekehrt hat sich gezeigt, daß bei Patienten, bei denen eine sub- therapeutische Plasmakonzentra- tion gemessen wird, ohne daß In- suffizienzzeichen oder eine tachy- karde Rhythmusstörung vorlie- gen, das Glykosid ohne schäd- liche Folgen grundsätzlich abge- setzt werden kann (12, 13). Auch in dieser Situation, die bei etwa je- dem fünften digitalisierten Patien- ten beobachtet wird (12, 13), kann die Plasmaspiegelbestimmung demnach zur Therapiekontrolle (Indikationsstellung) beitragen.

Betont sei jedoch, daß im Gegen- satz zu diesen niedrigen Werten ein im therapeutischen Bereich gemessener Wert keine Aussage darüber erlaubt, ob die durchge- führte Digitalisierung überhaupt indiziert ist.

2.3. Praktische Anwendung Bei Untersuchungen, die sich mit der praktischen Anwendung die- ser Methodik im klinischen Alltag auseinandersetzen (14-16), zeigte sich, daß der Blutentnahmezeit- punkt bei durchschnittlich jedem fünften Patienten falsch gewählt war, daß eine begründete Indika- tion zur Spiegelbestimmung bei 50 bis 80 Prozent der Patienten fehlte und daß die übermittelten Meßwerte in elf bis 29 Prozent der Fälle falsch interpretiert wurden.

Daraus errechnet sich, daß im Mit- tel nur etwa jede fünfte Spiegel- bestimmung korrekt durchgeführt wird. Entsprechende Untersu- chungen aus der Bundesrepublik Deutschland liegen bisher leider noch nicht vor; es kann jedoch an- genommen werden, daß auch hier solche Fehler in der genannten Größenordnung vorkommen.

Die Bestimmung der Digoxinkon- zentration im Plasma allein ist

demnach noch nicht geeignet, die Therapie sicherer zu machen. Wie wesentlich das richtige Verständ- nis der klinischen Pharmakologie der Glykoside ist, geht aus einer kanadischen prospektiven Unter- suchung hervor, bei der die Intoxi- kationshäufigkeit allein durch in- tensive Fortbildung der behan- delnden Ärzte von 21,4 auf 12,3 Prozent gesenkt werden konnte (17).

Zur Verdeutlichung sei abschlie- ßend die praktische Anwendung der Digoxinbestimmung an einem Beispiel dargestellt: Eine 72jähri- ge Patientin mit 70 Kilogramm Körpergewicht wird ins Kranken- haus eingeliefert wegen Verdacht auf Digoxin-Intoxikation (neu auf- getretene Kammerextrasystolen, Bigeminus). Ihre tägliche Digoxin- Dosis beträgt 0,25 mg, Kreatinin war vor einem Jahr 0,9 und ist jetzt 3,0 mg/dl, Serum-Kalium 4,3 mEq/1. Die Digoxin-Plasmakon-

zentration liegt bei 4 ng/ml; dieser Befund bestätigt die Verdachts- diagnose, so daß die weitere Digo- xingabe gestoppt wird. Für die weitere Behandlung ergeben sich jetzt folgende wesentliche Fra- gen: Wann kann man erwarten, daß die Digoxinkonzentration in den therapeutischen Bereich ab- gefallen ist? Wieviel Digoxin sollte die Patientin dann erhalten, um ei- ne Konzentration im therapeuti- schen Bereich aufrechtzuerhal- ten? Diese für die weitere Thera- pie essentiellen Fragen lassen sich leicht anhand folgender Be- ziehungen berechnen (1):

_ In 2 x V, CI F

c.,xp Dosis

CI — (Formel 2)

X T

Dabei ist V, das Verteilungsvolu- men, CI die Digoxin-Clearance, F der resorbierte Anteil der Digoxin- tablette (hier mit 70 Prozent ange-

t1 (Formel 1)

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 23 vom 5. Juni 1985 (59) 1773

(4)

nommen), , das Dosieru ngsi nter- vall (24 Stunden) und Cp die Plas- makonzentration von Digoxin (4 1-tg/1).

Daraus ergibt sich

Cl = 0,7 x 250 flg (Formel 3) 4 [!:g/1 X 1 Tag

= 43,75 I/Tag

Eine nach den üblichen Methoden durchgeführte Abschätzung der Kreatinin-Ciearance ergibt etwa 20 ml/min. Die Abschätzung des Verteilungsvolumens für Digoxin (1) ergibt

V0 Digoxin = 269

+

3,12

x Kreatinin- Ciearance

= 269

+

3,12 X 20

= 331 I (Formel 4)

Aus Formeln (3) und (4) läßt sich mit Hilfe von (1) berechnen:

t _ ln 2 X V0

112- Cl

_ 0,69 X 331 I - 43,75 I/Tag

= 5,2 Tage

Die Zeitspanne, bis die Plasma- konzentration dieser Patientin in den therapeutischen Bereich ge- fallen ist, beträgt also ca. fünf Ta- ge. Um nun zu berechnen, bei welcher Dosis die Patientin inner- halb dieses therapeutischen Be- reiches bleiben wird, legen wir einfach zugrunde, daß sie so viel zu sich nehmen muß, wie sie aus- scheidet. Da sie eine Digoxin- Ciearance von etwa 40 I/Tag hat (Formel 3) und in den 40 I bei ei- ner angestrebten Konzentration von 1,8 ng/ml insgesamt 72 1-tg Di- goxin enthalten sind, müssen der Patientin 72 1-tg Digoxin pro Tag 'zugeführt werden. Bei einer Bio- verfügbarkeit von 70 Prozent muß die Dosis um diesen Betrag er- höht werden, also

~= 102~--tg

0,7

Bei dieser Digoxindosis, als Ta- blette von 0,1 mg/Tag gegeben, ist mit einer Plasmakonzentration von 1,8 ng/ml zu rechnen. Dieses Berechnungsverfahren eignet sich insbesondere auch zur Be- stimmung der Digoxindosis, falls sich die Nierenfunktion der Pa- tientin erneut ändern sollte.

3. Zweites Beispiel:

Diphenylhydantoin

Diphenylhydantoin (zum Beispiel Zentropil®, Phenhydan®, Epanu-

tin®, Citrullamin®) wird sowohl als

Antiepileptikum als auch als Anti- arrhythmikum eingesetzt. Wäh- rend die Dosis bei der antiarrhyth- mischen Therapie meistens direkt nach Effekt eingestellt werden kann, ist die Wirksamkeit einer an- tiepileptischen Langzeittherapie nicht sofort klinisch zu beurteilen. Bei vielen Antiepileptika ist jedoch eine Korrelation zwischen Gleich- gewichtsplasmaspiegel und klini- scher Effektivität nachgewiesen worden (18).

Für Diphenylhydantoin zeigte sich in einer prospektiven Studie, in der 32 Patienten über drei Jahre beobachtet wurden, daß die Plas- maspiegel im ersten Jahr im Mittel bei 6,1 1-tg/ml lagen. Der therapeu- tische Effekt war nicht zufrieden- stellend. Bei der regelmäßigen Plasmaspiegelkontrolle und ent- sprechender Anpassung der Do- sis verdoppelte sich der mittlere Plasmaspiegel im folgenden Jahr, was mit einer signifikanten Ab- nahme der Anfallshäufigkeit um 30 Prozent verbunden war (19).

Plasmaspiegel oberhalb von 20 1-tg/ml sind häufig mit toxischen, meist extrapyramidalen (gele- gentlich irreversiblen) Nebenwir- kungen verbunden, wobei .der Schweregrad dieser unerwünsch- ten Wirkungen wiederum mit dem Plasmaspiegel korreliert (20). Insgesamt deuten diese und an- dere Untersuchungen (21) darauf hin, daß Diphenylhydantoin so do-

siert werden sollte, daß die Se- rumkonzentration zwischen 7 und 20 ~-tg/ml liegt. Dieses Medikament besitzt demnach wie Digoxin ei- nen sehr engen "therapeutischen Bereich", so daß die Indikation zur Plasmaspiegelbestimmung bei Verdacht auf Über- oder Un- terdosierung gegeben ist (Tabelle 3) (21 ).

~ Im Gegensatz zum Digoxin sollte außerdem bei jedem mit Di- phenylhydantoin behandelten Pa- tienten zu Therapiebeginn eine Kontrolle des Plasmaspiegels er- folgen, da bei diesem Medika- ment - wie zum Beispiel auch bei Salicylsäure - eine nicht lineare Beziehung zwischen Dosis und Plasmaspiegel existiert. Durch Sättigung der metabolisierenden Enzyme kommt es bei Erhöhung der Dosis zu einem unverhältnis- mäßig starken Anstieg der Plas- makonzentration, so daß zum Bei- spiel eine Dosissteigerung um 20 Prozent ausreicht, um den Plas- maspiegel eines Patienten von sieben auf 14 1-tg/ml zu verdop- peln, während eine Erhöhung der Dosis um 50 Prozent den Spiegel bereits deutlich in den toxischen Bereich anheben würde. Eine si- chere Therapieeinstellung mit Di- phenylhydantoin ist also nur unter Spiegelkontrolle möglich.

4. Wer bestimmt Plasmaspiegel?

Für die Analytik vieler Arzneimittel stehen heute einfach zu handha- bende Methoden zur Verfügung;

zum Einsatz kommen bereits au- tomatische Maßsysteme, die prak- tisch ohne großen Arbeitsaufwand ein Ergebnis innerhalb weniger Minuten ausdrucken. Entspre- chend werden diese Verfahren von vielen Labors angeboten.

Die häufigen in der Praxis mög- lichen Fehlerquellen, die am Bei- spiel des Digoxins bereits aufge- zeigt wurden, beweisen jedoch, daß zur sinnvollen klinischen Be- wertung des gemessenen Arznei- mittelspiegels eine Reihe von kli-

(5)

Tabelle 3: Indikationen zur Bestimmung der Plasmakonzentration von Diphenylhydantoin

ci Therapieeinstellung zur Anfallsprophylaxe C) Verdacht auf Intoxikation:

— bei klinischen Symptomen

— bei möglichen Interaktionen mit anderen Medikamenten:

Sultiam (z. B. Ospolot®)

Cumarin-Antikoagulantien (z. B. Marcumar®)

Q Verdacht auf zu niedrige Dosis:

— bei mangelndem Therapieeffekt

— bei Verdacht auf unzureichende Tabletteneinnahme

— bei Interaktionen mit anderen Medikamenten:

Carbamazepin (z. B. Tegretal®, Timonil®) Phenobarbital (z. B. Luminal®, Phenaemal®) chronischer Alkoholismus

Plasmakonzentrationen von Arzneimitteln

nisch-pharmakologischen Grund- kenntnissen erforderlich sind. Da- zu gehören die Pharmakokinetik des Medikaments, ihre Änderung durch andere Arzneistoffe oder Erkrankungen, Beziehungen zwi- schen Dosis, Plasmaspiegel und Wirkung, sowie mögliche Beein- flussungen der Messung selbst durch andere Medikamente oder Erkrankungen.

Anhand von vier Beispielen soll verdeutlicht werden, wie aus ei- nem Meßwert bei Fehlinterpreta- tion falsche Konsequenzen gezo- gen werden können:

(D Eine Digoxinmedikation kann bei Vorliegen einer Hypokaliämie (zum Beispiel bei Diuretika- oder Laxantieneinnahme), einer Hyper- kalzämie, einer myokardialen lschämie oder einer Hypothyreo- se durch Zunahme der Glykosid- empfindlichkeit (7) auch dann ei- ne Intoxikation bewirken, wenn der Plasmaspiegel im „therapeuti- schen Bereich" liegt. Eine Dosis- verminderung ist also trotz eines therapeutischen Spiegels mögli- cherweise indiziert.

C) Durch Verdrängung des Di- phenylhydantoins aus der Plasma- eiweißbindung durch Valproin- säure (zum Beispiel Convulex®, Ergenyl®, Orfiril®), Diazoxid (zum Beispiel Hypertonalum®, Progli-

cem 9), Salicylsäure (zum Beispiel Aspirin®, Colfarit®), Phenylbuta- zon (zum Beispiel Butazolidin®), bei Leber- oder Nierenerkrankun- gen (21) wird die Plasmakonzen- tration des Medikamentes vermin- dert, ohne daß langfristig die wirk- same, nicht eiweißgebundene Konzentration beeinflußt wird. Die therapeutisch effektive Plasma- konzentration liegt somit niedri- ger als der sog. „therapeutische Bereich". In entsprechenden Fäl- len ist es deshalb sinnvoll, zusätz- lich zur Gesamtkonzentration die freie Konzentration des Medika- mentes zu messen.

® Für die Bestimmung von Digo- xin im Plasma sind einige Störfak- toren bekannt, so zum Beispiel die gleichzeitige Gabe von Spiro- nolactone (zum Beispiel Aldacto- ne®) (22), Leber (23) oder Nieren- erkrankungen (24), die gelegent- lich eine Digoxinplasmakonzen- tration bis zu 3,6 ng/ml vortäu- schen können (23). Bei Verdacht auf einen solchen Meßfehler kann durch Wiederholung der Bestim- mung mit einem anderen Verfah- ren (zum Beispiel Verwendung ei- nes anderen Antikörpers) das Er- gebnis gesichert werden.

(D Bei 17 von 50 digitalisierten Patienten fand eine Untersucher- gruppe (25) im Laufe der ersten Woche nach stationärer Aufnah-

me trotz Beibehaltung der vorher verordneten Dosis einen deut- lichen Anstieg des Digoxinspie- gels; in vier Fällen wurden dabei toxische Konzentrationen er- reicht, ohne daß die Nierenfunk- tion eingeschränkt war. Ursache war hier wahrscheinlich eine un- zuverlässige Tabletteneinnahme zu Hause, die sich in der Klinik besserte. Eine entsprechend dem ersten Meßergebnis vorgenom- mene Dosisanpassung hätte in diesen Fällen erst recht eine Into- xikation, möglicherweise mit töd- lichen Folgen, verursacht.

Diese Beispiele zeigen, daß Mes- sung und Interpretation von Arz- neimittelkonzentrationen durch ausreichend klinisch-pharmakolo- gisch ausgebildete Fachleute durchgeführt werden müssen. Zur Kontrolle der Meßqualität ist au- ßerdem nach Ansicht einer Exper- tenkommission der Sektion Klini- sche Pharmakologie der Deut- schen Gesellschaft für Pharmako- logie die Durchführung von exter- nen und internen Qualitätskon- trollen in Anlehnung an die Emp- fehlungen der Bundesärztekam- mer aus dem Jahr 1974 (26) drin- gend erforderlich.

5. Was muß der

behandelnde Arzt beachten?

(D Eine Arzneimittelbestimmung sollte in der Regel erst erfolgen, wenn sich ein Gleichgewicht zwi- schen eingenommener und elimi- nierter Pharmakonmenge einge- stellt hat und die Plasmakonzen- tration also im weiteren Verlauf der Behandlung nicht mehr an- steigt. Dies ist nach etwa 4 bis 5 Halbwertzeiten (zum Beispiel für Digoxin bei normaler Nierenfunk- tion nach etwa einer Woche, für Digitoxin nach etwa drei Wochen) der Fall. Ein vor diesem Zeitpunkt bestimmter Wert liegt niedriger als die endgültige Konzentration, so daß möglicherweise eine nicht indizierte Dosiserhöhung vorge- nommen wird. Das gleiche Zeitin- tervall muß abgewartet werden, wenn die Dosis nach oben oder Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 23 vom 5. Juni 1985 (63) 1777

(6)

unten verändert worden ist. Au- ßerdem muß das Zeitintervall zwi- schen letzter Tabletteneinnahme und Blutentnahme richtig gewählt werden. Bei Messung während der Resorptionsphase oder kurz nach intravenöser Gabe ist der Meßwert fälschlich zu hoch.

Für die meisten Präparate wird daher empfohlen, die Blutentnah- me vor der nächsten Tablettenein- nahme, zum Beispiel morgens, vorzunehmen. Eine der wenigen Ausnahmen von dieser Regel stellt das Lidocain dar, bei dem die Plasmakonzentration, die un- mittelbar nach Applikation eintritt, vor der Verteilung im Organismus wirksam ist, weshalb die Verabfol- gung der Initialdosis sehr langsam erfolgen muß. Für Lithium wird speziell ein Intervall von mög- lichst genau 12 Stunden vorge- schlagen, während die Theophyl- linbestimmung zum Zeitpunkt des Spitzenspiegels (je nach Präparat zwei bis vier Stunden nach der letzten Einnahme) erfolgen sollte.

© Die Plasmaspiegelbestim- mung sollte unter einer präzisen Fragestellung erfolgen, auf die das Meßergebnis eine Antwort ge-

ben kann. Eine Bestimmung nur zur „Routine-Kontrolle" ist in der Regel nicht indiziert.

® Die unregelmäßige Tabletten- einnahme ist häufig Ursache für einen unerwartet niedrigen Plas- maspiegel. So ist es denkbar, daß bei einer verschriebenen zu ho- hen Dosis, aber unregelmäßiger Einnahme der einmalig gemesse- ne Spiegel im „therapeutischen Bereich" liegt und den Arzt so in falsche Sicherheit wiegt. Entspre- chend sollte der Arzt bei zu niedri- gem Spiegel und unzureichen- dem therapeutischem Effekt zu- nächst eine unzuverlässige Ein- nahme durch den Patienten aus- schließen, bevor er die Dosis des Medikamentes erhöht.

® Bei einem Plasmaspiegel un- terhalb des „therapeutischen Be- reichs", aber befriedigendem Therapieeffekt, besteht häufig kein Grund zur Dosiserhöhung, da dieser Bereich keine für jeden Pa- tienten geltende „Naturkonstan- te" ist. Jedoch ist ein Auslaßver- such zu erwägen, etwa bei Patien- ten mit jahrelanger entiepilepti- scher Therapie ohne Anfall oder bei digitalisierten Patienten.

(Danksagung: Die Arbeit wurde gefördert von der Robert-Bosch- Stiftung, Stuttgart.)

Literatur (Auswahl)

Winter, M. E.: Basic Clinical Pharmacokinetics, Applied Therapeutics, San Francisco (1980) Aronson, J. K.: Indications for the measure- ment of plasma digoxin concentrations, Drugs 26 (1983) 230-242 — Ochs, H. R.; Greenblatt, D.

J.; Bodem, G.; Dengler, H. J.: Disease-related alterations in cardiac glycoside disposition, Clin. Pharmacokin. 7 (1982) 434-451 — Binnion, P. F.: Drug interactions with digitalis glycosid- es, Drugs 15 (1978) 369-380 — Koch-Weser, J.;

Duhme, D. W.; Greenblatt, D. J.: Influence of serum digoxin concentration measurements an frequency of digitoxicity, Clin. Pharmcol.

Ther. 16 (1974) 284-287 — Bussey, H.1.; Hoff- mann, E. W.: A prospective evaluation of the- rapeutic drug monitoring, Ther. Drug Monitor 5 (1983) 245-248 — Clague, H. W.; Twu m-Bari- ma, Y., Carruthers, S. G.: An audit of the re- quests for therapeutic drug monitoring of dig- oxin: problems and pitfalls, Ther. Drug Mon- itor 5 (1983) 249-254 — Slaughter, R. L.;

Schneider, P. J.; Visconti, J. A.: Appropriate- ness of the use of serum digoxin and digitoxin assays, Am. J. Hosp. Pharm. 35 (1978) 1376-1379 — Ogilvie, R. 1.; Ruedy. J.: An ed uca- tional program in digitalis therapy, J. Am. Med.

Ass. 222 (1972) 50-55 — Richens, A.: Clinical pharmacokinetics of phenytoin, Clin. Pharma- cokin. 4 (1978) 153-169. (Das vollständige Lite- raturverzeichnis befindet sich im Sonder- druck, zu beziehen über die Verfasser.)

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med. habil.

Jürgen C. Frölich, Institut für Klinische Pharmakologie Medizinische Hochschule 3000 Hannover 61

FÜR SIE GELESEN

Intravenöse Gammaglobulin- Substitution

Intravenöses Gammaglobulin wurde mit dem britischen i.m.- Standard-Präparat für Patienten mit Hypogammaglobulinämie und chronischer Bronchitis vergli- chen. Fünf Patienten wurden sechs Monate lang wöchentlich mit 25 mg/kg KG i.m.-Präparat und dann noch einmal sechs Monate lang alle 18 Tage mit i.v. 200 mg Gammaglobulin/kg KG behandelt.

Im Verlauf der Untersuchung wur- den Infektionssymptome und Sputumvolumen festgestellt und

Krankschreibungen registriert;

während der intravenösen Thera- piephase wurden Lungenfunk- tionstests durchgeführt. Die Halb- wertzeit des i.v. IgG und Ver- änderungen im IgG-Serum und der Clq-Konzentrationen wurden ebenso bei sieben anderen Pa- tienten, die i.v. 12 Wochen lang al- le 14 Tage Gammaglobulin erhiel- ten, gemessen.

Die IgG-Konzentrationen, Spu- tum-Volumen und Infektions-An- fälligkeit während der i.v.-Thera- pie waren signifikant besser, und es gab keine Nebenwirkungen durch das i.v.-Gammaglobulin.

Die 5 Patienten waren signifikant bei besserer Gesundheit, als sie

das i.v.-Gammaglobulin-Präparat erhielten, weil das i.v.-Präparat wohl die IgG-Serumkonzentratio- nen erhöhte. Obwohl längere Un- tersuchungen erforderlich sind, sollte i.v.-Gammaglobulin-Gabe für Patienten mit schweren Lun- genaffektionen und Patienten, die aufgrund von Schmerzen oder wiederholten Reaktionen keine i.m.-Injektionen vertragen kön- nen, in Betracht gezogen wer- den. dpe

So, A.; Brenner, M. K.; Hill, 1. D.; Asherson, G.

L.; Webster, A. D. B.: Intravenous gammaglo- bulin treatment in patients with hypogamma- globulinaemia, Brit. Med. Journal 289 (1984) 1177-1178.

Dr. A. D. B. Webster, Clinical Research Centre, Harrow, Middlesex HA1 3UJ, England.

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