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or knapp zwölf Jahren hatte der damals neu gewählte Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, einen Brief an den damaligen Bun- desarbeitsminister Walter Riester (SPD) geschrieben. Darin bat er den Minister, sich für eine zeitge- mäße Auslegung der Mutterschutz- richtlinien einzusetzen, da diese un- angemessen restriktiv gehandhabt würden.Seither hat sich die Ärzteschaft, allen voran der Deutsche Ärztin- nenbund (DÄB), beständig für eine Lockerung dieser Richtlinien ein- gesetzt. Die bisherige Reaktion des Gesetzgebers fasst DÄB-Präsiden- tin Dr. med. Regine Rapp-Engels mit den Worten des Soziologen Ul- rich Beck zusammen: „Große ver- bale Aufgeschlossenheit bei gleich- zeitiger Verhaltensstarre.“ Rapp- Engels stört insbesondere, dass eine enge Auslegung der geltenden Re- gelungen zu einem weitgehenden
Tätigkeitsverbot für schwangere Ärztinnen führe – mit den ent-
sprechenden Auswirkungen auf die berufliche Aus- und Weiter- bildung. „Das Ergebnis kann sein, dass Ärztinnen ihre Schwanger-
schaft lange nicht mit - teilen und sich selbst um ihren Schutz
kümmern müs- sen“, kritisiert
die DÄB-Prä- sidentin.
MUTTERSCHUTZ
Zeitgemäße Auslegung
Die Ärzteschaft setzt sich seit langem dafür ein, dass schwangere Ärztinnen während ihrer Weiterbildung nicht benachteiligt werden.
Geschehen ist bis heute nichts – doch das soll sich bald ändern.
Ziel müsse es sein, erklärt die stellvertretende Hauptgeschäftsfüh- rerin des Marburger Bundes, Dr.
med. Magdalena Benemann, die Mutterschutzrichtlinien und die dar - aus abgeleiteten Leitfäden an die modernen Erkenntnisse hinsichtlich der Gefahrengeneigtheit bestimm- ter Tätigkeiten und Tätigkeitsorte anzupassen. „Ein generelles OP- Verbot war in Zeiten austretender Narkosegase sicher gerechtfertigt“, sagt Benemann. Heute böten ge- schlossene, effiziente Absaugsys - teme und intravenöse Anästhesien eine größere Sicherheit. Ähnliches gelte bei der Blutabnahme sowie bei bestimmten Hygiene- und Iso- lierungsmaßnahmen.
Vorschnelles OP-Verbot Nach den geltenden Mutterschutz- regelungen ist der Arbeitgeber ver- pflichtet, eine Gefährdungsbeurtei- lung für den jeweiligen Arbeitsplatz zu erstellen, erklärt ein Sprecher des für den Mutterschutz zuständi- gen Bundesfamilienministeriums.
Ist die Gesundheit einer schwange- ren Ärztin gefährdet, müsse der Ar- beitgeber die Umgestaltung der Ar- beitsbedingungen und Arbeitszeiten und einen Wechsel des Arbeitsplat- zes prüfen. Erst wenn all dies nicht möglich sei, müsse der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot ausspre- chen. Erkenntnisse aus der Praxis belegten jedoch, so der Ministeri- umssprecher, dass viele Arbeitgeber vorschnell ein Beschäftigungsver- bot aussprächen, ohne zuvor die Möglichkeit einer Umgestaltung des Arbeitsplatzes, einen Arbeits- platzwechsel oder Beschäftigungs- beschränkungen geprüft zu haben.
Dazu passen die Ergebnisse einer Umfrage des DÄB aus dem Jahr
2005. Danach wurde 45 Prozent der schwangeren Ärztinnen mit Hin- weis auf das Mutterschutzgesetz ein OP-Verbot erteilt.
Ambivalente Erfahrungen hat Melanie Kremer* (32) gemacht.
Sie hat ihre Arbeitgeber über ih- re Schwangerschaften informiert.
Kremer befindet sich in der Weiter- bildung zur Fachärztin für All - gemeinmedizin. Bei ihrer ersten Schwangerschaft arbeitete sie in ei- ner Klinik für Innere Medizin. „Ich hatte das Glück, eine verständnis- volle Chefin zu haben“, sagt sie.
„Mir wurde ein Ruheraum zur Ver- fügung gestellt, und ich musste kei- ne Nacht- und Bereitschaftsdienste machen.“ Bei ihren jungen Kolle- gen habe dies jedoch zu Stirnrun- zeln geführt.
Regelmäßige Vorwehen Den Ruheraum hat sie nicht ge- nutzt. Sie wollte sich nicht auszu - ruhen, während die Kollegen ihre Arbeit hätten übernehmen müssen.
„Wenn eine Ärztin schwanger ist, fällt umso deutlicher auf, dass so- wieso schon zu wenige Ärzte zu viel Arbeit bewältigen“, betont Kre- mer. Das mache es einer Schwange- ren im Team nicht gerade leicht.
Trotz ihrer Schwangerschaft hat Kremer viel gearbeitet. Die Folge waren regelmäßige Vorwehen und Bauchverhärtungen. „Wie viele an- dere schwangere Ärztinnen habe ich meinem Körper wohl zu viel zuge- mutet und meinen körperlichen Be- dürfnissen zu wenig Aufmerksam- keit geschenkt“, sagt sie heute. Ab dem sechsten Schwangerschaftsmo- nat wurde sie krankgeschrieben.
Seit langem besteht Konsens dar - über, dass etwas geändert werden muss. Ziel ist es, die Gesundheit schwangerer Ärztinnen zu schüt- zen, ohne sie beruflich zu benach- teiligen. Doch ein Konzept, wie die Mutterschutzregelungen zeitgemäß ausgestaltet werden können, hat der Gesetzgeber bislang nicht gefun- den. Das soll sich aber bald ändern.
Denn das Familienministerium pla- ne eine Reform des Mutterschutz- gesetzes, erklärte der Ministeriums- sprecher – voraussichtlich noch in dieser Legislaturperiode.
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Falk Osterloh
*Name von der Redaktion geändert
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A 402 Deutsches Ärzteblatt