Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Differenzierte
Schmerzbehandlung
Chronisch rezidivierencte und Dauerschmerzen, auch ohne adäquaten organischen Befund, müssen ätiologisch und diffe- rentialdiagnostisch so exakt wie möglich abgeklärt werden (Pro- fessor Dr. K. Frey, Universitäts- Institut für Anästhesiologie, Mainz). Abgesehen von manuel- len, neuraltherapeutischen, neu- rologischen und neurochirurgi- schen Verfahren sowie von• phy- sikalischer und Psychotherapie kommt auch Arzneimittelthera- pie in Betracht, aber: differen- ziert und keine Analgetika. Bei larvierter Depression beispiels- weise Antidepressiva, bei schi- zoiden und ähnlichen Ursachen Neuroleptika, bei Krebsschmer- zen Zytostatika, in der Meno- pause konjugierte Östrogene. — Dauerkonsum von Analgetika ist die schlechteste aller Therapie- möglichkeiten, weil sie abgese- hen von den oft verhängnisvol- len Nebenwirkungen nicht sel- ten die Schmerzen eher verstär- ken als beseitigen. Däshalb hilft gelegentlich schon das Abset- zen der Analgetika — freilich nicht mehr, wenn schon psychi- sche Gewöhnungseffekte vorlie- gen.
(28. Deutsche Therapiewoche, August/
September 1976, Karlsruhe)
Neutrophilen- Bakterizide
bei Neugeborenen
Die humorale Immunaktivität von neugeborenen, vor allem aber von frühgeborenen Kin- dern, ist noch recht dürftig. Sie sind deshalb in besonderem Maße auf die bakterizide Aktivi- tät ihrer neutrophilen Leukozy- ten angewiesen. Der modifizier- te Phygozytietest mit isolierten Granulozyten (Technik bei Pro- fessor Dr. W. Kirsch, Universi-
tätskinderklinik Homburg/Saar) läßt zwar keine groben Differen- zen zum Ergebnis bei Erwach- senen erkennen, bei Neu- und Frühgeborenen fehlen jedoch die opsonische Aktivität und vor allem die C5-Komponente des Serumkomplements. Außerdem besitzen sie kaum Immunglobu- lin M, ohne das es nicht zur Op- sonierung gramnegativer Bakte- rien kommt. Deshalb ist die wei- tere Untersuchung der Infektan- fälligkeit von Neu- und Frühge- borener) an Hand der Granulo- zytenbakterizietestung notwen- dig. Ein Faktor allein erklärt of- fenbar die hohe Infektempfind- lichkeit bei diesen Kindern nicht.
(73. Tagung der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, September 1976, Köln)
Spätergebnisse
nach Atemnotsyndrom
Respiratorbehandlung und an- dere intensivmedizinische Maß- nahmen senken Mortalität und Morbidität von Kindern mit schwerem Atemnotsyndrom deutlich. Die meisten der beat- meten Kinder entwickeln sich auch geistig und körperlich nor- mal, leider aber eben noch im- mer nicht alle (Dr. Friederike Pollauf und. Mitarb., Kinderkli- nik der Stadt Wien-Lanzing). Ir- reparable Schäden sind also noch immer nicht völlig ver- meidbar: Unter vierzig von Pall- auf nachuntersuchten Kindern, bei denen schwerste Atemnot- syndrome behandelt werden mußten, hatten sich 32 körper- lich normal entwickelt. Acht wa- ren dystroph. 25 dieser Kinder waren auch geistig völlig intakt.
Neun Kinder blieben geistig ge- ring auffällig. Immerhin sechs Kinder litten an Schwachsinn.
— Fazit: Die primäre Reanima- tion ist von entscheidender Be- deutung für das spätere Lebens- schicksal; denn gerade bei den
Kindern mit Spätschäden war sie nicht immer rechtzeitig mög-
lich.
(73. Tagung der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, September 1976, Köln)
Wachstum und Adipositas
Übergewichtige beziehungswei- se fettsüchtige Kinder wachsen normal oder sogar schneller als normalgewichtige Gleichaltrige.
Dennoch kann bei diesen Kin- dern keine erhöhte, sondern vielmehr eine erniedrigte Aktivi- tät des Wachstumshormons nachgewiesen werden (Privatdo- zent Dr. 0. Butenandt, Universi- tätskinderklinik München): Bei den adipösen Kindern sind of- fenbar die Wachstumsfaktoren in ihrer Gesamtheit wirksam (neben Wachstumshormon So- matomadin A, Insulin und insu- linähnliche Substanzen).
(73. Tagung der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, September 1976, Köln)
Ikterus neonatorum
Die Prädisposition männlicher Neugeborener für erhöhte Bili- rubinwerte geht nicht auf die Östradiolspiegel im Nabel- schnurblut zurück, die bei Kna- ben signifikant höher als bei Mädchen sind. Ikterische und anikterische Knaben haben etwa gleich hohe Werte (Dr. H.
Metze et alii, Universitätskinder- klinik Würzburg). Beim ikteri- schen Neugeborenen wird Östriol indes langsamer abge- baut. Forcierte therapeutische Senkung des Bilirubinspiegels verstärkt jedoch auch die Östra:
dioleliminierung. Offenbar wird der Abbau des Östradiols und des Bilirubins durch den glei- chen Faktor gehemmt. WP
(73. Tagung der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, September 1976, Köln)
3098 Heft 48 vom 25. November 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT