Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 37|
16. September 2011 A 1881Ein Wirkstoff- katalog soll Grundlage für Modellvorha- ben auf Lan- desebene sein.
RANDNOTIZ
Thomas Gerst
Wie mögen Schwule oder Lesben wohl auf die Feststellung reagieren, sie seien in ihrer Erbsubstanz dege- neriert und sollten aus erbbiologi- schen Gründen keine eigenen Kinder zeugen, da sich bei diesen negative Eigenschaften – Jähzorn, Schwach- sinn, Alkoholismus, Lebensuntüch- tigkeit und vieles andere mehr – häuften? Eigentlich eine rhetorische
Frage; sie wären – gelinde gesagt – not amused. Und wahrscheinlich hielten sie auch herzlich wenig da- von, dass ausgerechnet derjenige, der solche Ansichten vertrat, zum Namensgeber der gerade vom Bun- deskabinett beschlossenen Magnus- Hirschfeld-Stiftung erkoren wurde;
diese soll mit Bildungsangeboten und gezielter Forschung homosexu- elles Leben in Deutschland ergrün- den und für mehr Achtung und Inte- resse werben. Ausgestattet mit ei- nem Stiftungsvermögen von zehn Millionen Euro soll sie auch das von den Nationalsozialisten an Homose- xuellen verübte Unrecht erforschen.
Zweifellos hat der Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler Dr. med.
Magnus Hirschfeld (1868–1935) zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit großem Engagement gegen die Ta- buisierung und Kriminalisierung der Homosexualität angekämpft. Doch war er als Mitglied der Gesellschaft für Rassenhygiene den eugenischen Ideen seiner Zeit verhaftet und be- fürwortete die „Ausmerze schlechter Menschenkeime“. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuch- ses“ von 1934 sah er als sinnvolle Maßnahme an und lehnte nur des- sen Zwangsdurchführung ab.
In der rückblickenden Bewertung bedeutender Persönlichkeiten muss man solche biografischen Brüche aushalten, doch als Namensgeber für die Bundesstiftung ist Magnus Hirschfeld ein Fehlgriff.
Namenlos wäre besser gewesen
Das Konzept für die Arzneimittel- verordnung, das die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die ABDA – Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände im ver- gangenen Jahr gemeinsam erarbei- tet haben, wird offenbar doch noch
im geplanten Versorgungsstruktur- gesetz berücksichtigt – allerdings nur in Teilen. Denn das entscheiden- de Ziel des Konzepts – den Wegfall der Regresse für die Vertragsärztin- nen und -ärzte – greifen Union und FDP im Entwurf eines Änderungs- antrags zum Gesetz nicht auf.
ARZNEIMITTELVERORDNUNG
Union und FDP für Medikationskatalog
Der Entwurf sieht jedoch vor, dass Kassenärztliche Vereinigun- gen, Apothekerverbände und Kran- kenkassen künftig auf Landesebene Modellvorhaben vereinbaren kön- nen, um die Qualität und Wirt- schaftlichkeit der Arzneimittelver-
sorgung zu verbessern.
Grundlage der Arzneimit- telverordnung soll dabei ein Medikationskatalog auf Wirkstoffbasis sein, den die Vertragspartner verein- baren. Das deckt sich eben- so mit Forderungen von KBV und ABDA wie die Möglichkeit, insbesondere für chronisch Kranke, die dauerhaft mehr als fünf Arznei - mittel einnehmen, ein Medikations- management zu vereinbaren. Wer- den im Rahmen der Modellvorha- ben Einsparungen erzielt, sollen die Leistungserbringer nach dem Wil- len von Union und FDP davon pro-
fitieren können. HK
Die Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Vereinigung (KV) Hes- sen hat sich gegen eine Regionali- sierung der Vergütung von psycho- therapeutischen Leistungen ausge- sprochen, wie sie das Versorgungs- strukturgesetz vorsieht. Eine unter- schiedliche Vergütungsstruktur wür- de sich nachteilig auf die Versor- gung psychisch Kranker auswirken, hieß es. Die Vertreter der 11 000 Vertragsärzte und -psychotherapeu- ten in Hessen machen deshalb in ei- ner Resolution deutlich, dass die erst 2009 eingeführte bundesein- heitliche Vergütung psychotherapeu- tischer Leistungen „sinnvoll und fortschrittlich“ sei. Die geplante Regionalisierung sei zwar für ärztli- che Leistungen zielführend, sofern die regionalen Angebote und Leis- tungserbringung von KV zu KV sehr unterschiedlich seien. In der Psychotherapie jedoch sei das Leis- tungsspektrum durch die Psycho- PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERGÜTUNG
KV Hessen gegen Regionalisierung
therapierichtlinien bundesweit vor- gegeben und geregelt.
Die KV Hessen setzt sich des- halb dafür ein, dass für die Gruppe der Psychologischen Psychothera- peuten, der Kinder- und Jugendli- chenpsychotherapeuten, der Fach- ärzte für Psychosomatische Medi- zin und Psychotherapie sowie der psychotherapeutisch tätigen Ärzte weiterhin eine bundeseinheitliche Vergütungsregelung geschaffen wird.
Zudem sollen die zeitbezogenen Ka- pazitätsgrenzen zur Ermöglichung unterschiedlicher Praxisstrukturen in der psychotherapeutischen Ver- sorgung erhalten bleiben. Das Mor- biditätsrisiko für den steigenden Bedarf an Psychotherapie soll durch eine extrabudgetäre Vergütung von den Kassen getragen werden. Zu- dem wird gefordert, die Honorie- rung der Psychotherapeuten zeitnah an die Honorare der Haus- und Fachärzte anzupassen. pb
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