• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Tätigkeitsbericht: Großes Arbeitspensum bewältigt" (10.06.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Tätigkeitsbericht: Großes Arbeitspensum bewältigt" (10.06.2013)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Z

ügig und hochkonzentriert ar- beiteten sich die Delegierten des 116. Deutschen Ärztetages am letzten Sitzungstag in Hannover durch ein Antragskonvolut von ins- gesamt 120 Anträgen zum TOP VI:

Tätigkeitsbericht, zusammengefasst in 16 alphabetisch sortierten The- menkomplexen. Größere Diskus- sionen zu einzelnen Themen gab es kaum – vermutlich eine Folge der außerordentlich lang und intensiv geführten Kontroverse um die Wei- terbildung zwei Tage zuvor.

Breite Zustimmung fand im The- menpaket Arbeitsbedingungen die von mehreren Delegierten der Bayerischen Landesärztekammer eingebrachte Forderung an die Ar- beitgeber im Gesundheitswesen, vor allem in den Kliniken, bedarfs- gerechte Kinderbetreuungseinrich- tungen zu schaffen. Die Mitarbeiter im Gesundheitswesen seien in be-

sonderem Maße auf Krippen und Kindergärten mit arbeitszeitkompa- tiblen Öffnungszeiten angewiesen, begründete das Ärzteparlament sei- ne Entschließung. Das Gesund- heitssystem könne es sich nicht leisten, dass hochqualifizierte Mit- arbeiter mangels adäquater Kinder- betreuung ihrer Tätigkeit nicht nachgehen könnten.

Darüber hinaus sprach sich der Ärztetag mit großer Mehrheit dafür aus, eine Internetpräsenz einzurich- ten, auf der erfolgreiche Modelle für Leitungsfunktionen in Teilzeittätig- keiten gesammelt und anonymisiert veröffentlicht werden sollen. Es ge- he darum, sagte die bayerische Dele- gierte Priv.-Doz. Dr. med. Claudia Borelli, „funktionierende, positive Modelle“ zu sammeln, damit man sich gegenüber seinen Vorgesetzten oder bei Klinikchefs und Verwaltun- gen darauf berufen könne. Hier-

durch soll der weitere Ausbau von Teilzeitstellen gefördert werden.

Ärzten, die an humanitären Hilfseinsätzen teilnehmen, soll zu- dem künftig die Beibehaltung ihres Arbeitsplatzes garantiert und eine Freistellung vom Dienst für die Dauer des Hilfseinsatzes gewährt werden. Der Ärztetag forderte in einer einstimmig angenommenen Entschließung die Bundesregierung zu einer entsprechenden gesetzli- chen Regelung auf.

Zusammenarbeit von Haus- und Betriebsärzten

Wie schon im vergangenen Jahr in Nürnberg befasste sich der Ärztetag erneut mit der Weiterentwicklung der Arbeitsmedizin und der be- triebsärztlichen Versorgung. Ein- stimmig unterstützten die Delegier- ten die auf den Beschlüssen in Nürnberg aufbauende Resolution zur Sicherung des arbeitsmedizini- schen Nachwuchses „Vorbeugen, Aufklären, Helfen – Betriebsärzte sind unverzichtbar!“ des Ausschus- ses für Arbeitsmedizin beim Bun- desministerium für Arbeit und So- ziales vom 14. Januar 2013 (www.

bundesaerztekammer.de/specialdown loads/EVI041.pdf) sowie das ge- plante Aktionsbündnis hierzu.

TOP VI: Tätigkeitsbericht FAZIT

Bessere Zusammenarbeit von Haus- und Betriebsärzten beim betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement

Überprüfung der Vergabekriterien von Medizinstudienplätzen durch die Kultusministerkonferenz

Bessere Bedingungen für Ärzte bei der Behandlung Opiatabhängiger, keine Kriminalisierung substituierender Ärzte

Keine Benachteiligung von Menschen nach einer Psychotherapie

Präventionsgesetz: Hoher Stellenwert des ärztlichen Handelns bei der gesundheitlichen Prävention

Großes Arbeitspensum bewältigt

Substitutionsbehandlung, Medizinstudium, medizinische Versorgung für Migranten, Haftpflichtversicherungsprämien, Prävention – die Themenpalette am letzten Sitzungs- tag in Hannover war wie immer groß. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick

(2)

Darüber hinaus sprachen sich die Delegierten für eine intensivere interdisziplinäre Zusammenarbeit von Haus- und Betriebsärzten beim betrieblichen Wiedereingliederungs- management aus. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit sollen gemein- same Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt werden, heißt es im Beschluss.

Im Themenblock Arzneimittel/

Medizinprodukte/Substitutions- behandlung gab es mehrere Anträ- ge zur schwierigen Situation der

Ärzte bei der Substitutionsbehand- lung Opiatabhängiger. „Die Substi- tutionsbehandlung ist eine äußerst effektive Behandlung“, konsta- tierte Dr. med. Heidemarie Lux, Bayern. Trotzdem werde sie durch verschiedene Gesetze massiv er- schwert. Vor allem in Bayern sei die Situation für substituierende Ärzte schwierig, berichtete Dr.

med. Gerald Quitterer, Bayern. Es sei wichtig, hier für mehr Rechts - sicherheit zu sorgen und bei Ver- dacht auf Verstöße zunächst die Qualitätssicherungskommissionen der Ärztekammern und nicht sofort die Staatsanwaltschaft einzuschal- ten. „Das Thema ist wichtig“, be- tonte auch Dr. med. Christoph von Ascheraden, Vorstandsmitglied bei der Bundesärztekammer (BÄK) und Vorsitzender des Ausschusses

„Sucht und Drogen“ der BÄK. Die Daten seien gut: Rund 77 000 Pa- tienten befänden sich derzeit bun- desweit in Substitutionsbehand- lung, die Anzahl der Drogentoten sei dadurch auf einen Tiefstand ge- sunken, es gebe eine deutliche Ver- besserung der Situation in den

Großstädten, ebenso eine Ein- schränkung bei der HIV-Ausbrei- tung. Dennoch sei die flächende- ckende substituierende Versorgung gefährdet.

Substituierende Ärzte nicht kriminalisieren

Vor diesem Hintergrund forderten die Delegierten, die Bedingungen für Ärzte bei der Behandlung Opi- atabhängiger zu verbessern und Ärzte, die ihren Suchtpatienten Me- thadon verschreiben, nicht zu kri- minalisieren. Entsprechende Ände- rungen seien in die Betäubungsmit- tel-Verschreibungsverordnung auf- zunehmen. Vor allem die Vergabe von Take-home-Medikamenten und die Bestimmungen zum Beikonsum von Opiaten während der Behand- lung bedürften einer Überarbeitung.

Die derzeitigen Regelungen spie- gelten nicht den aktuellen Stand der Wissenschaft wider, hieß es in der Begründung des Beschlusses. Zu- dem bestehe bei der derzeitigen Ge- setzeslage die Gefahr, dass Ärzte die Substitutionstätigkeit aufgeben, weil sie aufgrund von strafrechtli-

Vor dem Hintergrund des gerade im Deutschen Bundestag zur Beratung stehenden Entwurfs eines Präventionsgesetzes sah sich der BÄK- Vorstand veranlasst, in einem mit großer Mehr- heit angenommenen Entschließungsantrag die Teile des Gesetzentwurfs hervorzuheben, die den Stellenwert ärztlichen Handelns bei der gesund- heitlichen Prävention betonen. Begrüßt werden in dem Ärztetagsbeschluss insbesondere:

die vorgesehene Ausweitung der bestehen- den Vorsorgeuntersuchungen auf die Er - fassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und Belastungen und eine darauf abgestimmte präventionsorientierte ärztli- che Beratung,

die Ausweitung der Kindervorsorgeunter - suchung nach § 26 Sozialgesetzbuch V auf das zehnte Lebensjahr und

die Einführung einer „ärztlichen Präventi- onsempfehlung“ im Kontext einer Vorsorge- untersuchung.

In der Begründung wird ausgeführt, wie wichtig die Früherkennung von Risikofaktoren sei, die auf die Genese der heute vorherr-

schenden chronischen Erkrankungen hindeuten. Ärztliche Präventionsleis- tungen und -empfehlungen im Rah- men einer Vorsorgeuntersuchung könnten eine gesundheitsfördernde Verhaltensänderung bewirken. Dem Arzt werde ein Instrument an die Hand gegeben, Patienten mit identifizierten Krankheitsrisiken zur Teilnahme an entsprechenden Angeboten der Ge- sundheitsförderung zu motivieren.

Ein Antrag, der dagegen kritisierte, dass nach dem vorliegenden Gesetzentwurf einseitig die verhaltensbezogene Prävention gefördert werde, wohingegen die verhältnisbezogene Prä- vention weiterhin ein Schattendasein führen würde, wurde von den Ärztetagsdelegierten nicht entschieden, sondern dem Vorstand der BÄK überwiesen. Eine nachhaltige Prävention könne nur mit regionalen Setting-Ansätzen ge- lingen, heißt es in dem Antrag. Es sei zudem ei- ne Präventions bürokratie zu befürchten, die viel Geld ver schlingen und abgehoben von den Set- tings der Zielgruppen Beschlüsse fassen werde.

Am Weltnichtrauchertag am 31. Mai sprach sich der Ärztetag für die Durchsetzung eines umfassenden Tabakwerbeverbots in Deutsch- land aus. Die Bundesregierung wurde aufge- fordert, eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen. Deutschland sei in- nerhalb der Europäischen Union das einzige Land, das weiterhin die Außenwerbung für Ta- bakprodukte erlaube. Dabei habe sich Deutschland mit der Unterzeichnung des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindäm- mung des Tabakgebrauchs im Jahr 2004 zur Umsetzung des Werbeverbots verpflichtet.

ÄRZTE SIND BEI PRÄVENTION GEFRAGT

(3)

chen Konsequenzen um ihre Exis- tenz fürchten müssten.

Weiterhin sprach sich das Ärzte- parlament mit großer Mehrheit für die Registrierung und vollständige Offenlegung aller klinischen Studi- en aus. Die Bundesregierung und die deutschen Abgeordneten im Eu- ropäischen Parlament werden zu- dem aufgefordert, sich im Hinblick auf den Entwurf einer europäischen Verordnung über klinische Prüfun- gen mit Humanarzneimitteln dafür einzusetzen, dass dabei die Einbe- ziehung von unabhängigen Ethik- kommissionen beibehalten wird.

Strengere Zulassung von Medizinprodukten

Die Zustimmung der Delegierten fand auch ein von Prof. Dr. med.

habil. Wulf Dietrich und Dr. med.

Scholze, beide Bayern, eingebrach- ter Antrag zur Verschärfung der Zu- lassungskriterien von Medizinpro- dukten. „Eine CE-Zertifizierung ist für Produkte mit höchster Sicher- heitsklassifizierung nicht ausrei- chend. Die Zulassung dieser Pro- dukte ist über eine Bundesbehörde zu regeln und sollte im Prinzip den Anforderungen an die Arzneimittel- zulassung entsprechen“, heißt es darin. Sicherheit und Wirksamkeit müssten bei der Zulassung an erster Stelle stehen.

Darüber hinaus wandten sich die Delegierten gegen eine Benachteili- gung von Menschen nach Psycho- therapie. Die Anzahl der diagnosti- zierten psychischen Erkrankungen steige ebenso wie die der Arbeits- unfähigkeits- und Krankentage so- wie der Frühberentungen aufgrund psychischer Störungen. Derzeit würden Menschen nach einer Psy- chotherapie, etwa beim Abschluss von Versicherungen, Berufsunfä- higkeits- und Lebensversicherung sowie bei der Verbeamtung, be- nachteiligt. Eltern würden mittler- weile aus Angst vor späteren Be- nachteiligungen notwendige Psy- chotherapien für ihre Kinder ableh- nen, warnte das Ärzteparlament.

Zudem forderte der Deutsche Ärztetag einstimmig, dass Sucht - erkrankungen in Diagnostik und Therapie anderen psychiatrischen Erkrankungen gleichgestellt werden.

Jede psychiatrische Erkrankung kann in psychiatrischen Institutsambulan- zen behandelt und abgerechnet wer- den. „Es kann nicht sein, dass Sucht- erkrankungen davon ausgenommen sind und hier eine Behandlung nur möglich ist, wenn eine weitere psychiatrische Erkrankung vorliegt“, kritisierte der Ärztetag.

Regelungen zum Umgang mit Zwangsbehandlungen

Die Landesregierungen werden au- ßerdem aufgefordert, zeit- und pra- xisnahe gesetzliche Regelungen zur Behandlung nicht einwilligungsfä- higer psychisch Kranker zu schaf- fen. Dadurch, dass in einigen Bun- desländern die Psychisch-Kranke- Gesetze aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr gelten, sei bei Ärzten und Pa- tienten Unsicherheit hinsichtlich des verantwortungsvollen ethischen Umgangs mit Zwangsbehandlun- gen entstanden.

Im Themenkomplex Ausbildung diskutierten die Delegierten vor al- lem über die Zulassung und die Auswahlverfahren zum Medizin- studium. „Wenn 40 000 Bewerber auf 8 700 Medizinstudienplätze kommen, ist es klar, dass wir ein Auswahlverfahren brauchen“, meinte Dr. med. Gerald Quitterer, Bayern. Bei dem geforderten No- tendurchschnitt von mindestens 1,2 hätten viele, die sich berufen fühl- ten, keine Chance auf die Zulas- sung zum Medizinstudium. „Die Abiturnote sollte nicht das maßgeb- lichen Kriterium für die Zulassung sein“, betonte Quitterer.

Beim Auswahlverfahren gelte es, nichts übers Knie zu brechen, mein- te hingegen Michael Geßner von der Bundesvertretung der Medizin- studierenden in Deutschland e.V.

(bvmd), der als Gast an der Sitzung teilnahm. „Die Abiturnote wird oft pauschal abgelehnt“, sagte Geßner.

Eine gute Note bedeute zwar nicht, dass jemand ein guter Arzt werde, aber: „Das Umgekehrte ist auch nicht wahr.“ Zu fragen sei: „Welche geforderte Kompetenz ist Sache der Auswahl, welche Sache der Ausbil- dung? Welche anderen Kriterien gibt es, und wie objektiv sind sie?

Ist der Zugang zu einem Assess- ment gerecht und transparent?“

Hierauf gebe es keine einfachen Antworten, erklärte Geßner.

„Es geht darum, endlich ein dif- ferenziertes Zugangssystem zum Medizinstudium zu schaffen“, hob Dr. med. Wolfgang Rechl, Bayern, hervor. In Bayern habe man die Fakultäten aller fünf Universitäten dazu gebracht, für 60 Prozent der verfügbaren Medizinstudienplätze Auswahlverfahren durchzuführen.

Auch an der Medizinischen Hoch- schule Hannover werde diese Quote inzwischen erreicht, berichtete Prof.

Dr. med. Bernd Haubitz, Nieder- sachsen. Er verwies zugleich auf den erheblichen Aufwand, der für die Hochschule damit jährlich ver- bunden ist: „Circa 400 Interviews werden dabei durchgeführt und auch protokolliert, denn sie müssen justiziabel sein.“

Am Ende der Debatte stimmten die Delegierten mit großer Mehr- heit für die Überprüfung der Ver -

Eine gute Note bedeutet nicht, dass jemand ein guter Arzt wird.

Aber: Das Umgekehrte ist auch nicht wahr.

Michael Geßner, Medizinstudent

(4)

gabekriterien von Studienplätzen durch die Kultusministerkonferenz.

Bei der Vergabe sei den Merkmalen soziale Kompetenz und Engage- ment im medizinischen Bereich ein höherer Stellenwert zu geben als bisher. Geeignete Instrumente zur Auswahl der Medizinstudierenden sollten gemeinsam mit den Ärzte- kammern entwickelt werden. Zu- dem appellierte der Ärztetag an die medizinischen Fakultäten der Uni- versitäten, die für die Vergabe von 60 Prozent der Studienplätze vor - gesehenen Auswahlverfahren auch umzusetzen.

Die Delegierten votierten außer- dem gegen die Verkürzung des Me- dizinstudiums von sechs auf fünf Jahre und forderten das Europa - parlament auf, eine entsprechend geplante EU-Richtlinie nicht zu verabschieden.

In einem weiteren Beschluss for- derte das Ärzteparlament von den Universitätskliniken und akademi- schen Lehrkrankenhäusern, eine angemessene Aufwandsentschädi- gung im praktischen Jahr (PJ) zur Verfügung zu stellen. Die Einfüh- rung von Pflichttertialen an den Heimatuniversitäten oder deren Lehrkrankenhäusern lehnten die Delegierten ab, um die vollständige Mobilität im PJ zu gewährleisten.

Verknüpfung von Vergütung und Qualität birgt Risiken

Ohne Diskussion stimmten die Dele- gierten einem vom BÄK-Vorstand eingebrachten Antrag zu, der kriti- sche Zurückhaltung bei der Umset- zung einer qualitätsgesteuerten Ver- sorgungssteuerung empfiehlt. Eine Verknüpfung von Vergütung und Qualität sei zwar vorstellbar, doch sollten „potenzielle Hürden und Ri- siken benannt und berücksichtigt werden“. Bei der Methodik valider Qualitätsmessung gebe es noch ei- nen erheblichen Weiterentwicklungs - bedarf, heißt es in dem Ärztetags - beschluss. Zu den Risiken einer qualitätsgekoppelten Vergütung zäh- le zum Beispiel die Induktion neuer Fehlanreize, etwa durch Patientense- lektion oder die einseitige Konzen- tration auf ausgewählte Prozeduren.

Die Koppelung von Qualität an Ver- gütung oder an Zulassung zur Leis-

tungserbringung sei nur auf der Ba- sis solider methodischer Grundla- gen, in Abwägung des Aufwands und bei regelmäßiger Evaluation der Effekte in Betracht zu ziehen.

In einem weiteren Beschluss wird die ungenügende Berücksich- tigung von Personalentwicklungs- kosten bei den Diagnosis Related Groups (DRGs) und beim Einheit - lichen Bewertungsmaßstab (EBM) kritisiert. Notwendige organisatori- sche Veränderungen hin zu mehr Teamarbeit, Delegation ärztlicher Leistungen und Telemedizin mach- ten verstärkte Bemühungen um die Qualifikation medizinischen, pfle- gerischen und anderen Gesund- heitspersonals unumgänglich. Die dafür erforderlichen Kosten seien derzeit „nicht explizit oder gar aus- reichend in den Kalkulationen zu den DRGs und des EBM enthalten“.

Der Gesetzgeber wird aufgefordert, hier Abhilfe zu schaffen.

Für den Erhalt der universitäts- medizinischen Standorte Halle und Magdeburg sprach sich der Ärzte- tag im Themenblock Krankenhaus aus. Nur durch beide Standorte sei die medizinische Maximalversor- gung in Sachsen-Anhalt zu gewähr- leisten, heißt es in der einstimmig gefassten Entschließung. Darüber hin aus müssten die Landesregie- rungen nachhaltig dafür Sorge tra- gen, dass die Universitätsmedizin ihren besonderen Aufgaben ent- sprechend angemessen finanziert

werde, lautet ein weiterer Be- schluss. Die Delegierten forderten außerdem, den Zuschuss für For- schung und Lehre der Bundesländer an die Universitätskliniken künftig in vollem Umfang automatisch an die jeweiligen tarifierten Entgelt- steigerungen anzupassen. Für die Universitätskliniken sei nicht zu- mutbar, dass sie tarifierte Entgelt- steigerungen durch Einsparungen, wie etwa Personalkürzungen, selbst auffangen müssten.

Medizinische Versorgung von Migranten sicherstellen

Im Hinblick auf die Verwirklichung der Menschenrechte forderten die Delegierten in Hannover die Politik dazu auf, eine adäquate medizini- sche Versorgung für Migranten oh- ne ausreichenden Versicherungs- schutz sicherzustellen. Auf Grund- lage der von der Zentralen Ethik- kommission der BÄK veröffent-

lichten Stellungnahme „Versorgung von nicht regulär krankenversicher- ten Patienten mit Migrationshinter- grund“ verlangte der Ärztetag, dass Ärzte an der Erfüllung ihrer Pflicht nicht systematisch gehindert wer- den dürften. Bürokratische Hürden, die kranken Personen den Zugang zu Behandlungen erschwerten, sei- en zu beseitigen – unter Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht.

Die Delegierten sprachen sich zu- dem für den Einsatz von professio- nellen Sprach- und Kulturvermittlern

Rund 75 000 Patienten befinden sich derzeit in Substitutionsbehandlung, die Anzahl der Drogen -

toten ist auf einem Tiefstand.

Christoph von Ascheraden, Vorstandsmitglied bei der Bundesärztekammer

(5)

aus. Fehler in Diagnostik und Thera- pie aufgrund von Sprachproblemen oder kulturell bedingten Missver- ständnissen würden so vermieden.

Zudem wies der Ärztetag darauf hin, dass Menschen mit Migrationshinter - grund Studien zufolge häufiger von psychischen Krankheiten betroffen seien. Um hier gegenzusteuern, sei ei - ne gesetzliche Regelung zur Erweite- rung der Zulassung von muttersprach - lichen Psychotherapeuten nötig.

Im Themenblock Sozialgesetz- buch V/gesetzliche Krankenversi- cherung würdigten die Delegierten des Ärz tetages die Intention des Ge- setzgebers, die Regressgefahr für niedergelassene Ärzte zu verringern, forderten aber weitere Maßnahmen.

Die Angst vor einem möglichen Re- gress sei eines der Haupthindernisse für eine Niederlassung. Um die mas- sive Unsicherheit unter den Vertrags- ärzten zu beheben, sei der Grundsatz

„Beratung vor Regress“ auf andere Formen der Wirtschaftlichkeitsprü- fung für eigene Leistungen und be- gründete Fälle einer wiederholten Regelverletzung auszuweiten.

In einem weiteren Beschluss setz- ten sich die Delegierten darüber hin - aus für mehr Transparenz bei Ver - trägen zur integrierten Versorgung

und deren Auswirkungen auf die Pa- tientenversorgung ein. Auf der Seite der Kostenträger bestehe völlige In- transparenz über die Verwendung der Pflichtbeiträge der Versicherten im Rahmen von Integrationsverträ- gen, kritisierte der Ärztetag. Dies sei ungerecht und verschleiere gegebe- nenfalls die Zweckentfremdung von Versichertenbeiträgen.

Tabakentwöhnung als Kassenleistung

Zudem forderte der Ärztetag den Gesetzgeber auf, Medikamente zur Raucherentwöhnung nicht mehr von der gesetzlichen Arzneimittel- versorgung auszuschließen. „Niko- tinabhängigkeit ist eine Sucht und entsprechend behandlungsbedürf- tig. Wir haben im GKV-System der- zeit aber keine Möglichkeit, dafür Mittel zu verwenden“, begründete Dr. med. Andreas Hellmann, Bay- ern, den von ihm eingebrachten Entschließungsantrag. Dieser wur- de trotz des Einwandes von Martin Grauduszus, Nordrhein, dass dies Konsequenzen für das Medikamen- tenbudget im GKV-System habe, mit großer Mehrheit angenommen.

Der Ärztetag hat Bund und Län- der aufgefordert, den Nachweis

von Sprachkenntnissen ausländi- scher Ärzte bundeseinheitlich zu re- geln. Sprachkenntnisse seien ein wesentliches Element der Quali- tätssicherung in der ärztlichen Be- rufsausübung und dienten im erheb- lichen Maße der Patientensicher- heit. Fachsprachenkenntnisse soll- ten, sofern diese nicht bereits durch ein deutsches medizinisches Staats- examen oder erfolgreich absolvierte Eignungs- oder Kenntnisprüfung nachgewiesen wurden, gesondert vor Aufnahme der beruflichen Tä- tigkeit überprüft werden.

Dringenden Handlungsbedarf sieht der Ärztetag außerdem aufsei- ten der Bundesregierung, um einen weiteren Anstieg der Haftpflichtver- sicherungsprämien zu verhindern.

Konkret sprachen sich die Delegier- ten für eine Absenkung der Versiche- rungsteuer für ärztliche Haftpflicht- versicherungen von derzeit 19 auf elf Prozent aus. Auch seien die gesetzli- chen Regelungen zur Anpassung der Vergütungen, Erlösbudgets und Ge- samtvergütungen für ärztliche Leis- tungen so zu ergänzen, dass bei Notwendigkeit auch eine unterjähri- ge Berücksichtigung der Prämienent- wicklung möglich werde.

Thomas Gerst, Heike E. Krüger Brand

Die übliche lange kontroverse Diskussion um die Einführung der elektronischen Gesund- heitskarte (eGK) fand in diesem Jahr – über- raschenderweise – nicht statt. Der Grund hier- für war ein von Fritz Stagge, Ärztekammer Nordrhein, und weiteren Delegierten aus Ham- burg und Westfalen-Lippe eingebrachter An- trag zu diesem Themenkreis, der inhaltlich in zwei Teilen abgestimmt wurde: Teil 1 empfahl, dass sich der Ärztetag in diesem Jahr nicht mit dem Thema und den dazu eingebrachten An- trägen befassen sollte. Teil 2 forderte, dass statt - dessen der nächste Ärztetag einen eigenen Ta- gesordnungspunkt hierzu einrichten solle.

Den ersten Teil nahmen die Delegierten mit großer Mehrheit an. Damit entfielen sämtliche weiteren Entschließungsanträge zum Thema, darunter etwa Anträge zur umstrittenen On- line-Aktualisierung der Versichertenstammda- ten auf der eGK. Teil 2 hingegen lehnte die Mehrheit der Delegierten ab, nicht zuletzt, weil

Bundesärztekammerpräsident Prof. Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery zuvor davor gewarnt hatte, den nächsten Ärztetag mit zu vielen Themen zu überfrachten.

Beschlossen wurde immerhin, dass der Vorstand der Bundesärztekammer beim nächsten Ärztetag in Düsseldorf einen ausführ- lichen Sachstandsbericht über die Zusammen- arbeit in der Gematik vorlegt, damit die Delegierten fundiert und grundsätzlich über die weitere Zusammenarbeit in der Betreiber- gesellschaft diskutieren können.

In einem weiteren Beschluss forderte das Ärzteparlament die gesetzlichen Krankenkas- sen auf, bei Telemedizinprojekten, die von den Kassen selbst initiiert werden, Ein- und Ausschlusskriterien, Art und Umfang der tele- medizinischen Versorgung, deren Honorierung sowie die Ergebnisse offen darzulegen und auch die Verwendung der Versichertengelder transparent zu machen.

Zudem solle die gesetzliche Krankenversi- cherung entsprechend der im Sozialgesetz- buch V enthaltenen Verpflichtung eine Vergü- tungssystematik für telemedizinische Leistun- gen bereitstellen und ambulante medizinische Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaß- stab verankern, verlangten die Delegierten.

Software für Arztpraxen solle zudem künftig offene, für den Arzt frei nutzbare Schnittstellen enthalten, lautet ein weiterer Beschluss der Delegierten. Dadurch soll es er- möglicht werden, den gesamten Datenbestand zu exportieren und eine einfache, kostengüns- tige Migration zur Software eines anderen An- bieters zu realisieren. Das Bundesministerium für Gesundheit soll sich für eine entsprechen- de gesetzliche Regelung einsetzen. In Koope- ration von ärztlichen und Industrieverbänden sollen geeignete technische Spezifikationen für Schnittstellen und Formate entwickelt und für Hersteller verbindlich festgelegt werden.

KONFLIKTTHEMA GESUNDHEITSTELEMATIK VERTAGT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

- Ist der Regierungsrat bereit, sich diesem Problem anzunehmen und Lösungen zu suchen, damit diese Lücke im System - falls nicht ganz – wenigstens teilweise

Die Finanzkontrolle dankt dem Finanzkontrollgremium, der Finanzkommission, der Oberauf- sichtskommission, der Justizkommission sowie dem Regierungsrat, der

Der Leser kann nachlesen, in wel- chen Gebieten oder Schwerpunkten die 557 Ärzte im Rahmen ihrer Wei- terbildung geprüft wurden und dass es in Sachsen insgesamt über 22.700

Ob die Nieder- lande mit 80 Krankenhäusern für 16 Millionen Menschen für den Freistaat Sachsen mit ebenfalls 80 Kranken- häusern für nur 4 Millionen Men- schen ein Vorbild sein

Der Präsident wies auch darauf hin, dass die Zahl der ausländischen Ärzte in Sachsen weiter steigt, obwohl weder die Sächsische Landesärztekammer noch das Netzwerk „Ärzte

Die KommAustria kam aufgrund der Feststellungen zu dem im erwähnten Zeitraum im Versorgungsgebiet „Oberösterreichischer Zentralraum“ ausgestrahlten Programm zunächst

Die Antragstellerin erachtete die mit Schreiben vom 09.02.2016 und vom 17.02.2016 dargestellten Programmänderungen als nicht grundlegend, beantragte jedoch für den

Sie berät den Bundesrat, das zuständige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) sowie das Eidgenös- sische Nuklearsicherheitsinspektorat