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Archiv "Mitochondriale Erkrankungen: Biochemisch-molekularbiologische Diagnostik von Defekten der Atmungskette" (19.11.1999)

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A-2972 (40) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 ie schnelle Zunahme unserer

Kenntnisse über das mensch- liche Erbgut durch die Viel- zahl neu entdeckter Gendefekte und deren Zuordnung zu zellulären Kom- partimenten und Organellen eröffnet neue Einsichten in die Entstehungs- mechanismen menschlicher Erkran- kungen, bedingt aber auch ein Über- denken althergebrachter nosologi- scher Einteilungen beziehungsweise neue Definitionen. Das Mitochondri- um mit seinen krankheitsverursachen- den Fehlfunktionen ist hierfür ein ein- drucksvolles Beispiel. Mitochondrien sind als die ATP-produzierenden Kraftwerke von zentraler Bedeutung für die meisten Leistungen nahezu al- ler Zellen des Organismus. Genetisch, strukturell und biochemisch sind sie einzigartig ausgestattet: Ihr strukturel- ler und funktioneller Besatz von ge- schätzt zirka 1 000 Proteinen wird durch zwei verschiedene Genome, die chromosomale und die mitochondria-

le DNA (mtDNA) kodiert (14). Letz- tere kodiert einige wenige, aber funk- tionell wichtige Eiweißuntereinheiten der Atmungsketten-Komplexe; die überwiegende Zahl der mitochondria- len Struktur- und Funktionsproteine wird hingegen durch die nukleäre DNA kodiert, an zytoplasmatischen Ribosomen translatiert und über ei- nen komplizierten Mechanismus in das Mitochondrium transportiert (10).

Strukturell sind Mitochondrien durch eine Doppelmembran gekennzeich- net, die die Organelle in vier kommu- nizierende Funktionsräume (Außen- membran, Intermembranraum, In- nenmembran, Matrix) unterteilt, und so das Zusammenspiel der verschie- denen in den Mitochondrien lokali- sierten Stoffwechselwege ermöglicht

(Grafik 1). Die genetisch, strukturell und funktionell komplexe Situation auf der zellulären Ebene spiegelt sich in einem äußerst bunten Bild klini- scher Erscheinungsformen (Phänoty- pen) wider, was die Diagnosefindung nicht selten erschwert. Der vorliegen- de Beitrag wurde geschrieben, um den genetischen Erkenntnissen und dia- gnostischen Verbesserungen der letz- ten Zeit Rechnung zu tragen und so- mit Kollegen, die nicht so häufig mit diesem relativ seltenen, aber sehr he- terogenen Formenkreis konfrontiert werden, einige klinische und diagno- stische Hilfestellungen zu geben. Wir werden dabei nur auf einige der in der Grafik 1 angezeigten teilweise oder ganz in den Mitochondrien lokalisier- ten Stoffwechselwege eingehen kön- nen. Darüber hinaus veröffentlichen wir die Internet-Adressen von Daten- banken und Diensten, die Bezug zum Thema haben (Textkasten Ausgewähl-

te Datenbanken). !

Mitochondriale Erkrankungen

Biochemisch-molekularbiologische Diagnostik von Defekten der Atmungskette

Michaela Jaksch-Angerer Sabine Hofmann Matthias Friedrich Bauer Klaus Gempel Bert Obermaier-Kusser Ingrid Paetzke Klaus-Dieter Gerbitz

Die Kenntnisse über mitochondriale (mt) Erkrankungen waren bis vor kurzem weitgehend auf solche einge- schränkt, die durch Mutationen der mtDNA entstehen.

Defekte der mitochondrialen DNA machen aber nur ei- nen geringen Teil dieses Formenkreises aus. Wie sich aus Familienstudien ableiten läßt, dürfte die Mehrzahl der Fälle chromosomalen Ursprunges sein; die entspre- chenden Gendefekte sind aber bisher weitgehend unbe- kannt. Es ist abzusehen, daß die weltweit unternommenen Anstrengungen zur Aufklärung von Genen und Gen- defekten diese Situation in den nächsten Jahren grundle-

gend ändern werden. Der folgende Übersichtsartikel beschreibt die dia-

gnostischen Entwicklungen. Eine Änderung der Klassifi- kation mitochondrialer Erkrankungen ist notwendig, da auch Defekte in mitochondrialen Proteinen, die nicht unmittelbar in den Apparat der oxidativen Energiege- winnung involviert sind, zu typischen mitochondria- len Erkrankungen führen können, wie das Beispiel der Friedreich-Ataxie zeigt.

Schlüsselwörter: Mitochondriale Erkrankung, Taubheit, Muskelschwäche, Diabetes mellitus, Atmungskette

ZUSAMMENFASSUNG

Mitochondrial Disorders:

Biochemical and Molecular Biological Diagnostics Our present knowledge on inherited mitochondrial (mt) disorders is largely restricted to a heterogenous group of respiratory chain (RC) deficiencies caused by mtDNA defects. The mtDNA defects, however, comprise only a relatively small proportion of all RC deficiencies; the majority of these disorders is known from pedigree studies to be of nuclear origin but the gene defects are largely unknown. Due to worldwide sequencing and disease-

mapping strategies the situation is about to change. The present review focuses on diagnos-

tic guidelines. We further stress the necessity to re-exam- ine the traditional classification of such disorders since defects in nuclear encoded mitochondrial proteins that are not directly linked to the energy producing system can present as typical mt disorders (for instance Friedreich ataxia) as well.

Key words: Mitochondrial disorder, deafness, myopathy, diabetes mellitus, respiratory chain

SUMMARY

D

Institut für Klinische Chemie, Molekulare Dia- gnostik und Mitochondriale Genetik (Direktor:

Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Gerbitz), Akademi- sches Lehrkrankenhaus, München-Schwabing

(2)

Besonderheiten

mitochondrialer Genetik und ihr Krankheitsbezug

Je nach Energiebedarf besitzen Zellen unterschiedlicher Gewebe we- nige bis Tausende Mitochondrien, jede Organelle wiederum zwei bis zehn mtDNA-Kopien. Das mtGenom weist einige Besonderheiten auf. Das 16,6 Kilobasen (Kb) lange, doppel- strängige und zirkuläre Molekül ist äußerst kompakt gebaut, das heißt es besteht nahezu nur aus kodierenden Abschnitten (Genen) (1). Es kodiert für 22 mitochondriale tRNAs und zwei ribosomale RNAs und versetzt die Organelle damit in die Lage, 13 der über 70 Proteinuntereinheiten der fünf Komplexe der mitochondrialen Atmungskette und der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS) selbst zu produzieren (Grafik 2). Die kom- pakte Struktur, der fehlende Histon- schutz, ein ineffizienter Fehlererken- nungs- und Reparaturmechanismus und der Einfluß von entlang der be- nachbarten Atmungskette entstehen- den Sauerstoff-Radikalen macht das mtGenom verletzbar, was sich in einer 10- bis 20fach höheren Mutationsrate als in der chromosomalen DNA nie- derschlägt.

Es ist daher nicht verwunderlich, daß einerseits bis vor kurzem aus- schließlich Mutationen der mtDNA als genetische Ursache von mitochon- drialen Erkrankungen ausgemacht werden konnten, andererseits die Ak- kumulation somatischer Mutationen entlang der horizontalen Linie eines Lebens das Auftreten verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen fördert, beziehungsweise als wesentli- che Ursache des Alterns per se ange- sehen wird. Somatische Mutationen werden nicht weitergegeben, sondern vergehen mit dem Tod des Individu- ums. Keimbahnmutationen der mt- DNA hingegen werden vererbt und zwar ausschließlich entlang der ma- ternalen Linie, da nur der mtDNA- Satz der Eizelle (etwa 100 000 mt- DNA-Moleküle), nicht der des Sper- miums weitergegeben wird. In ande- ren Worten: Töchter und Söhne kön- nen Träger einer mitochondrialen Mutation, nur die Töchter aber Über- träger sein. Während der Mitosen der

Ausgewählte Datenbanken und Internet-Dienste mit Themenschwerpunkt

„Mitochondriale Erkrankungen“

c OMIM (Online Mendelian Inheritance of Men):

Differentialdiagnostische Hilfestellung, Beschreibung der einzelnen Erkrankungen, verschiedene Hyperlink-Möglichkeiten zu anderen On- line-Datenbanken (zum Beispiel MedLine):

(http://www3.ncbi.nlm.nih.gov/Omim/searchomim.html) c MITOMAP:

Ausschließlich mitochondriale Genetik mit den

dazugehörigen Erkrankungen und diversen Hyperlink-Möglichkeiten:

(http://www.gen.emory.edu/mitomap.html) c MITOP:

Systematische, akkumulierende Datenbank zur Beschreibung aller mitochondrialen Gene und Proteine mit diversen Hyperlink-Möglich- keiten: (http://websvr.mips.biochem.mpg.de/proj/medgen/mitop/) c MITONET:

Das sogenannte „MITONET“ stellt ein „Netzwerk

für Diagnostik und Therapie mitochondrialer Erkrankungen“

dar und besteht aus einem Zusammenschluß von mehr als 200 deut- schen Ärzten und Wissenschaftlern. Es nahm im Februar 1999 mit einer Homepage unter der Internet-Adresse

http://www.kms.mhn.de/mitonet/ seine Arbeit auf.

Es soll Patienten über Selbsthilfegruppen, Ambulanzen und Veran- staltungen informieren sowie einen wissenschaftlichen Veranstal- tungskalender, einen Literatur-und Diagnostikservice und ein Diskus- sionsforum beinhalten.

Verzweigte Aminosäuren

Glukose

Fettsäuren

Carnitin- Transporter Aktivierte Fettsäuren β-Oxidation

ATPase Acetyl-CoA

Succinyl-CoA

Pyruvat

NADH/H+

FADH2 Zitrat-

zyklus

ATP ATP

ADPPi Äußere Membran

Intermembran- raum Innere Membran Matrix

Atmungskette NADH/H+

Häm- Synthese

Steroid- Synthese

Oxidative Phosphorylierung Apoptose

Aminosäure- Stoffwechsel

Fettsäure- Stoffwechsel

Harnstoff- Zyklus Grafik 1

Aufbau und Stoffwechselwege von Mitochondrien

(3)

frühen Oogenese oder Embryogenese kann ein einzelnes mutiertes mtDNA- Molekül durch klonale Expansion den vormals einheitlichen mtDNA- Typ (Homoplasmie) in einen gemisch- ten mtDNA-Genotypus (Heteroplas- mie) überführen. Abhängig vom Zeit- punkt und von der betroffenen Zelle, kann die Konsequenz dieser mitoti- schen Segregation eine Funktionsein- schränkung des aus diesem Zelltyp entstehenden Organs sein, falls die Mutation zu einer Beeinträchtigung des Genproduktes führt und der Grad der Heteroplasmie einen organspezi- fischen Schwellenwert übersteigt. He- teroplasmie der mtDNA gilt daher als gravierender Hinweis auf eine krank- heitsrelevante Veränderung.

Genotyp versus Phänotyp

Der Begriff „mitochondriale Er- krankung“ ist nicht eindeutig defi- niert; er unterliegt mit zunehmendem Kenntnisstand einer Wandlung. Tra- ditionellerweise verstand man bisher hierunter Defekte des oxidativen Stoffwechsels, insbesondere der At- mungskettenenzyme (Grafik 2). Die- se stellen eine klinisch sehr heteroge- ne Gruppe dar, die zum einen moleku- largenetisch definiert (falls Art und Lokus des Gendefektes bekannt sind), zum anderen biochemisch durch Funktionsverlust des betroffe- nen Enzymkomplexes charakterisiert werden kann. Da die Peptidunterein- heiten von vier der fünf Komplexe der OXPHOS sowohl von der mitochon- drialen als auch von der nukleären DNA kodiert werden (Grafik 2) ist sowohl maternale als auch Mendel- sche Vererbung möglich. Obwohl die Genebene jede denkbare Defektvari- ante als möglich erscheinen läßt (Punkt- und Längenmutationen so- wohl der nukleären als auch der mt- DNA), waren bis vor kurzem nahezu ausschließlich Mutationen der mt- DNA bekannt. In letzter Zeit wurden allerdings einige nukleäre Defekte beschrieben, die mittelbar oder un- mittelbar die Funktionalität der OXPHOS beeinträchtigen. Phänoty- pisch steht letztlich bei allen geneti- schen OXPHOS-Defekten immer ei- ne Störung der Energiebereitstellung im Vordergrund, deren Auswirkungen A-2974 (42) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999

Äußere Membran Zytosol

Intermembran- raum Innere Membran Q

NADH

Cyt c Synthese

Import

Zellkern- Genom

H+ H+ H+ H+

H+H+H+

UE 43 5

7 1 3 2

11

H2O 13

ADP ATP

1/2O2 Pi Succinat

Komplex I II III IV V

Untereinheiten Mitochondrien-

Genom H+

= Elektronenfluß

= Protonenfluß e

e e Grafik 2

Aufbau der Atmungskette in der mitochondrialen Membran

Enzephalo(myo)pathien bzw. Symptome

Autosomal rezessiv/dominant oder unklarer Erbgang

Maternale Vererbung

Direkte Genanalyse der mtDNA

Ohne Diagnose bzw. Ausschluß- oder Bestätigungsdiagnostik Standardneuro(radio)logische Verfahren

NMR-Spektroskopie, PET Screening-Methoden (Tandem-MS, organische

Säuren im Urin etc.)

Direkte Genanalysen z. B. im MCAD-oder SURF1-Gen

Muskelmorphologie Muskelbiochemie

Genanalysen Genlokalisation Forschungsprojekte Grafik 3

Aktuelles diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf mitochondriale Erkrankungen

(4)

vor allem Gewebe mit hohem Ener- giebedarf wie Skelettmuskel, ZNS, Herz, Ohr, Auge und Endokrinium betreffen und in diesen mehr oder we- niger typische Symptome erzeugen (8) (Textkasten Prädilektionsstellen und Symptome). Die Ausdrucksviel- falt des Formenkreises mitochondria- ler Erkrankungen wird vor allem durch die variable syndromartige Kombination der Symptome ver- schiedener betroffener Organe er- zeugt. Obwohl in den meisten Fällen die Mechanismen unbekannt sind, die zu einer bestimmten Organmanifesta- tion eines gegebenen molekularen Defektes führen, kann die empirische Kenntnis des phänotypischen Er- scheinungsbildes richtungsweisend für die molekulargenetische Diagno- stik sein. Wir können hier beispielhaft nur einige Defekte der mitochondria- len wie chromosomalen Genebene anführen, die zu mehr oder weniger typischen Krankheitsbildern führen.

Mitochondrial-genetische Atmungskettendefekte

Krankheitsrelevante Längenmu- tationen der mtDNA (Deletion, Du- plikation, Insertion) treten meist spo- radisch auf, sind immer heteroplas- misch und können weite Abschnitte des mtGenoms betreffen (5). Die be- kannteste, die etwa 5 000 bp lange

„common deletion“ betrifft etwa ein Drittel des gesamten mtGenoms und führt zum Verlust von Genen, die für die Untereinheiten der Komplexe I, IV und V sowie für fünf tRNAs kodie- ren (11). Phänotypisch kann sie – je nach Organmanifestation – zum Bild der chronisch progredienten externen Ophthalmoplegie (CPEO), dem Voll- bild des Kearns-Sayre-Syndroms (KSS) mit CPEO, Retinitis pigmento- sa, Kardiomyopathie mit Reizlei- tungsblock oder zum Pearson-Syn- drom (Sideroachrestische Anämie mit Panmyelophthise und exokriner Pankreasinsuffizienz) führen, wobei Übergänge der einzelnen Bilder in- einander beschrieben worden sind (Tabelle 1). Darüber hinaus sind mitt- lerweile eine Vielzahl weiterer Dele- tionen bekannt, die andere Bereiche der mtDNA betreffen, ohne daß sich ihnen bisher definierbare Phänotypen Prädilektionsstellen und Symptome mitochondrialer Erkrankungen

c Auge Ptosis, Ophthalmoplegie, Optikusatrophie, Retinitis pigmentosa, Katarakt, Nystagmus

c Ohr Innenohrschwerhörigkeit, Taubheit

c Skelettmuskel Myopathie, generalisierte Muskelhypotonie, Belastungsintoleranz, Rhabdomyolyse

c ZNS Ataxie, Hirnstammsymptomatik,

Entwicklungsretardierung, Epilepsie, Myoklonus- Epilepsie, progressive Myoklonus-Epilepsie,

Demenz, periphere Neuropathie, Migräne, Dystonie, Paraplegie, schlaganfallsähnliche Attacken, Basalgangliendegeneration, Basalganglienverkalkung c Herz Kardiomyopathie (hypertroph, dilatativ),

Herzreizleitungsstörungen

c Endokrinium Diabetes mellitus, Hyperparathyreoidismus

Tabelle 1

Auswahl von Erkrankungen mit bekannten Mutationen der mitochondrialen DNA

Erkrankung Gendefekt Diagnostik

MELAS tRNALeu(UUR) DNA, AE,

Morphologie

MERRF tRNALys DNA, AE,

Morphologie Progressive Myoklonusepilepsie tRNASer(UCN) DNA, AE,

und Taubheit Morphologie

Kearns-Sayre-Syndrom Deletionen DNA, AE,

(mehrere Gene) Morphologie

Pearson-Syndrom Deletionen DNA, AE,

(mehrere Gene) Morphologie CPEO (CPEO plus) verschiedene tRNAs DNA, AE,

Deletionen Morphologie

Myopathie mit „ragged red fibers“ verschiedene tRNAs DNA, AE,

Deletionen Morphologie

Taubheit, syndromisch tRNASer(UCN) DNA

Aminoglycosid-induzierte Taubheit 12S rRNA DNA Maternaler Diabetes (mit Taubheit) tRNALeu(UUR) DNA Lebersche Optikusatrophie Proteinkodierende Gene DNA

Leigh-Syndrom, maternal ATPase6 DNA

NARP ATPase6 DNA

Progressive Enzephalopathie verschiedene tRNAs DNA Abkürzungen: AE: Atmungskettenenzyme; MELAS: mitochondriale Enzephalomyopa- thie, Laktatazidose und schlaganfallsähnliche Attacken; MERRF: mitochondriale Enze- phalomyopathie mit „ragged red fibers“; CPEO: chronisch progressive externe Ophthal- moplegie; NARP: neurogene Muskelschwäche, Retinitis pigmentosa.

(5)

beziehungsweise klinische Zustands- bilder zuordnen ließen.

Seit der Erstbeschreibung 1988 sind über 50 weitere krankheitsrele- vante Punktmutationen der mtDNA beschrieben worden (Textkasten Aus- gewählte Datenbanken [Mitomap], Tabelle 1). Sie betreffen entweder als sogenannte missense mutations kon- servierte kodierende Bereiche der mtDNA, bedingen eine Kodonverän- derung und somit einen Aminosäu- reaustausch im betroffenen Protein oder mutieren mitochondriale tRNA- Gene und führen so zu einer Be- einträchtigung der mitochondrialen Translation. Drei verschiedene mis- sense mutations sind für über 90 Pro- zent aller Fälle mit dem ophthalmolo- gischen Bild der Leberschen Opti- kusatrophie (LHON) verantwortlich.

Dies sind im einzelnen eine CÕA Mu- tation an Nukleotidposition (np) 3 460 im ND1-Gen, ein GÕA Austausch an np 11 778 im ND4-Gen und ein TÕC Austausch an np 14 484 im ND6-Gen (6). LHON-Mutationen sind in der Regel homoplasmisch, wurden aber als Polymorphismen bei Gesunden bisher nicht gefunden und können somit als pathognomonisch für LHON gelten. Warum diese in allen Geweben vorkommenden Mutatio- nen in den Komplex-I-Genen sich

hauptsächlich am Nervus opticus ma- nifestieren und ausschließlich zum Bild der LHON führen, ist bisher un- klar.

Eine extreme Variabilität des klinischen Bildes findet man bei tRNA-Mutationen, die meist hete- roplasmisch auftreten. Die promi- nentesten Beispiele, die sogenannte MELAS-Mutation an np 3 243 in der tRNALeu(UUR)(4) sowie die MERRF- Mutation an np 8 344 in der tRNALys, wurden zwar ursprünglich mit de- finierten mitochondrialen Erkran- kungsbildern assoziiert gefunden, konnten aber mittlerweile mit einer

Reihe anderer Syndrome in Verbin- dung gebracht werden. Dies wird bei- spielhaft dadurch verdeutlicht, daß die MELAS-Mutation bei entspre- chender heteroplasmischer Organver- teilung ausschließlich als Diabetes mellitus mit Taubheit (3), aber auch als chronisch progrediente externe Ophthalmoplegie imponieren kann.

Zudem wurden mittlerweile eine ganze Reihe weiterer tRNALeu (UUR)- Punktmutationen mit der Erkran- kung MELAS assoziiert, so daß eine ausschließliche Testung der Mutation an np 3 243 bei vorliegendem Ver- dacht diagnostisch nicht mehr aus- reichend ist. Eine von uns durchge- führte detaillierte Suche nach tRNA- Mutationen bei Patienten mit At- mungskettendefekten führte zur Identifizierung bisher unbekannter tRNA-Mutationen, vor allem in der tRNASer(UCN)(7). An diesen Beispie- len wird die phänotypische Varianz von tRNA-Mutationen nochmals deutlich: Auch wenn die gefundenen Mutationen ein und dieselbe tRNA betreffen, können sie doch in so unter- schiedlichen Krankheitsbildern wie ei- nerseits einer Myoclonusepilepsie mit Ataxie, Innenohrschwerhörigkeit und kognitiver Beeinträchtigung und an- dererseits, einer progredienten Myo- pathie mit „ragged red fibers“ resul- tieren.

Unserer Erfahrung nach können bei Patienten mit OXPHOS-Erkran- kungen in bis zu 20 Prozent aller Fälle mtDNA-Mutationen gefunden wer- den. Sie stellen somit eine wesentliche Ursache für mitochondriale Erkran- kungen dar.

A-2978 (46) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 Tabelle 2

Heterogenität des Leigh-Syndroms (LS)

LS: Einteilung Datenbank-Nr. Gendefekt Genlokus (OMIM)

LS mit PDH-Defekt 312170 PDH(E1) Chr. X

LS mit Komplex II-Defekt 600857 SDH2 Chr. 5 LS mit Komplex-IV-(COX)-Defekt 185620 SURF1 Chr. 9 LS mit Komplex-I-Defekt 602141 NDUFS8 Chr. 11

LS, maternal 516060 ATPase6 mtDNA

Chr.: Chromosom; mtDNA: mitochondriale DNA

Tabelle 3

Beispielhafte Krankheiten des erweiterten Formenkreises

Erkrankungen Datenbank-Nr. Gendefekt Genlokus (OMIM)

Barth-Syndrom 302060 EFE2 Chr. X

Sideroblastische Anämie u. Ataxie 301310 ABC7 Chr. X Taubheit/Dystonie-Syndrom 305050 DDP1 Chr. X Progressive Enzephalopathie 136850 FH Chr. 1

Myopathie 600650 CPT2 Chr. 1

Koproporphyrie 121300 CPO Chr. 3

Friedreich-Ataxie 229300 FRDA1 Chr. 9

Morbus Wilson 277900 ABC7B Chr. 13

Spastische Paraplegie 602783 SPG7 Chr. 16

Metabolische Azidose und Ataxie 253270 HLCS Chr. 21 Chr.: Chromosom

(6)

Chromosomal vererbte Atmungskettendefekte

Stammbaumanalysen betroffe- ner Familien sowie das Fehlen nach- weisbarer mtDNA-Defekte weisen darauf hin, daß die Mehrzahl von At- mungskettenerkrankungen auf nu- kleäre Gendefekte zurückzuführen ist (2, 9). In nukleär kodierten Un- tereinheiten der Atmungskette be- schriebene Mutationen stellen bis- her jedoch die Ausnahme dar. Dies mag zum einen an der hohen Muta- tionsrate der mtDNA, zum ande- ren auch daran liegen, daß eine un- bekannte Vielzahl nukleärer Gene letztendlich am Aufbau und an der Funktionalität der Atmungskette be- teiligt ist.

Bekannt waren bis vor kurzem lediglich seltene Mutationen in den Untereinheiten der Komplexe I und II. Obwohl die Komplex-IV-(Cyto- chrom-c-Oxidase-[COX-])Defizienz den weitaus häufigsten Atmungsket- tendefekt darstellt, konnten wir trotz intensiver Suche an 21 COX-defizi- enten Patienten weder in den zehn nukleär kodierten Untereinheiten, noch in den drei mitochondrial ko- dierten Untereinheiten Mutationen finden. Eine Untergruppe dieses Pa- tientenkollektives litt an Leigh-Syn- drom (LS). Die Mutationssuche bei diesem häufigsten pädiatrischen Krankheitsbild des mitochondrialen Formenkreises demonstriert Ent- wicklung, Ausweitung und Schwie- rigkeiten dieses Forschungssektors in der letzten Zeit in eindrucksvoller Weise.

Das Leigh-Syndrom ist neuro- pathologisch durch fokale, bilateral symmetrische spongiforme Läsionen gekennzeichnet, die sich vor allem in der Hirnstammregion und im Thala- mus finden. Das klinische Bild ist va- riabel; meist finden sich psychomo- torische Entwicklungsstörungen, muskuläre Hypotonie, Ataxie und eine Hirnstammsymptomatik mit Schluckstörungen und respiratori- scher Insuffizienz. Eine Laktater- höhung im Liquor liegt praktisch im- mer vor. Die Verdachtsdiagnose des meist im ersten Lebensjahr auftre- tenden Syndroms basiert häufig auf einer kranialen MRI- beziehungs- weise CT-Untersuchung. Für das kli-

nische Bild des Leigh-Syndroms können Defizienzen verschiedener Enzymkomplexe des oxidativen En- ergiestoffwechsels verantwortlich sein, so beispielsweise die Pyruvat- Dehydrogenase, sowie die Komple- xe I, II, IV und V der Atmungskette (Tabelle 2). Etwa 20 Prozent aller LS-Patienten weisen einen bioche- misch nachweisbaren schweren und generalisierten Defekt der COX auf (LSCOX). Der Erkrankungslokus für diese ausschließlich autosomal re- zessiv vererbte Subform wurde kürz- lich auf Chromosom 9q34 kartiert.

Die Mehrzahl der untersuchten LSCOX-Patienten haben Mutationen

in einem dort lokalisierten Kandida- tengen, dem SURF-1 (12, 15). Die genaue Funktion des Surf-1-Proteins ist bisher unklar. Untersuchungen am Surf-1-Homolog der Hefe weisen jedoch darauf hin, daß dieses bisher unbekannte Protein für die Funktio- nalität des COX-Komplexes von Be- deutung ist.

Ein von uns durchgeführtes Screening einer größeren Anzahl von COX-defizienten Patienten, darun- ter auch solchen ohne eine LS-typi- sche Symptomatik, machte zwei Din- ge deutlich: Erstens, SURF-1-Muta- tionen sind ausschließlich bei LS-Pa- tienten nachzuweisen und zweitens, innerhalb der LSCOX-Subform stellen SURF-1-Mutationen eine wesentli- che Ursache (65 Prozent aller Fälle) dieses heterogenen Krankheitsbildes dar (13).

Erweiterung des

Begriffs „mitochondriale Erkrankung“

Das Beispiel der Patienten mit biochemisch nachweisbarem Akti- vitätsverlust der COX wie auch die Entdeckung von für das Leigh-Syn- drom spezifischen Defekten im SURF-1-Gen macht die Komplexität des Geschehens deutlich: Wenn – wie in den Fällen der COX-Defizien- zen – keine Gendefekte in den eigent- lichen Strukturgenen der Enzym- komplexe gefunden werden, dann bedingt dies eine entsprechende Ausweitung möglicher Kandidaten- gene und eine Erschwernis für die Diagnostik. Um hierfür einen An- halt zu geben: Aus Hefestudien ist bekannt, daß zur Erstellung eines funktionellen COX-Komplexes an- nähernd 40 andere Gene benötigt werden, die Prozessierung, Modifi- kation, mitochondrialen Import und Zusammenbau der Untereinheiten bewerkstelligen.

Aber nicht nur die notwendige Ausweitung des Spektrums an Kan- didatengenen bei der Suche nach ge- netischen Ursachen der Atmungs- kettendefekte macht eine Öffnung des tradierten Begriffes notwendig.

In den letzten Jahren ist eine Reihe von genetischen Defekten aufge- deckt worden, die zu mitochondrial Probenbehandlung für

enzymatische Untersuchungen an Muskelproben

Zur biochemischen Untersuchung (beispielsweise Aktivitätsmessung der Atmungskettenenzyme) sollte Gewebe (je nach Fragestellung zirka 30 bis 100 mg) sofort nach Entnahme tiefgefroren werden, um einen autolytischen Aktivi- tätsabfall labiler Enzyme zu ver- meiden. Ratsam ist das sofortige Einfrieren in flüssigem Stickstoff.

Die gefrorene Probe kann an- schließend auf Trockeneis ver- sandt, oder bei –80°C zwischenge- lagert werden. Biochemische Un- tersuchungen aus Fibroblasten- kulturen sind ebenfalls möglich.

Probenbehandlung für DNA-Analytik

DNA kann aus allen Geweben ge- wonnen werden, wobei zum Nach- weis von mtDNA-Deletionen und -Duplikationen (bei Verdacht auf Kearns-Sayre-Syndrom oder chro- nisch progressive externe Ophthal- mologie) Muskelgewebe erforder- lich ist. Am einfachsten lassen sich heute genetische Analysen aus zirka 5 bis 10 ml EDTA-Vollblut (bei Kleinkindern 1 ml) durchführen, wobei die Gesamt-DNA aus Leuko- zyten extrahiert wird. Das EDTA- Blut kann ungekühlt auf normalem Postweg versandt werden.

(7)

lokalisierten Störungen führen, aber nicht unmittelbar der OXPHOS zuzurechnen sind. In Tabelle 3 sind einige dieser Erkrankungen aufge- führt, eine vollständige Übersicht findet sich in unserer Münchener MITOP-Datenbank im Internet (Textkasten Ausgewählte Datenban- ken). Bei manchen dieser Erkran- kungen (beispielsweise Friedreich- Ataxie, Spastische Paraplegie, Mor- bus Wilson) ist die physiologische Funktion des Genproduktes bisher nicht bekannt, dennoch deuten Lo- kalisation und Symptomatik auf eine mitochondriale Erkrankung hin. Mitochondrien sind ferner teil- weise oder ganz Ort des Geschehens der Steroid-, Harnstoff- und Häm- synthese, des Aminosäurestoffwech- sels, des Carnitin-abhängigen Fett- säuretransportes und der ß-Oxidati- on. Über die letztgenannten Stoff- wechselwege wird ein folgender Bei- trag in Heft 47 informieren. Der von uns etablierte Informationsdienst MITONET (Textkasten Ausgewählte Datenbanken)soll über Zusammen- hänge, Neuentdeckungen und thera- peutische Möglichkeiten auf dem erweiterten Gebiet mitochondrialer Erkrankungen in der Zukunft be- richten.

Genetische Beratung

Sofern es sich um nukleäre Gen- defekte handelt, die Mendelschen Vererbungsregeln unterliegen, un- terscheidet sich die genetische Bera- tung im Bereich der mitochondrialen Erkrankungen nicht von der anderer Erbkrankheiten. Völlig anders sieht die Situation auf dem Sektor geneti- scher Veränderungen der mtDNA aus. Wir wissen heutzutage noch viel zu wenig über die Regulierung der in der frühen Embryogenese ablaufen- den Prozesse der Segregation, um mit einer gewissen Wahrscheinlich- keit voraussagen zu können, ob eine Mutter mit einer heteroplasmischen mtDNA-Mutation eine „krankma- chende Dosis“ dieser Mutation an ihr Kind weitergeben wird. Diese Unsicherheit zu beheben, ist ein we- sentliches Aufgabengebiet zukünfti- ger genetischer Forschung auf die- sem Sektor.

Aktuelle Diagnostik

Grundsätzlich ist bei einem si- cher nachgewiesenen maternalen Erbgang nur eine mtDNA-Untersu- chung aus Blutzellen notwendig, um zu einer definitiven Diagnose zu ge- langen (Grafik 3). Eine ausführliche Familienanamnese ist deshalb in je- dem Fall dringend erforderlich. Sie erspart gegebenenfalls eine Muskel- biopsie. Nur bei Verdacht auf CPEO, KSS und Pearson-Syndrom (meist sporadisch auftretende Erkrankun- gen) muß die mtDNA-Deletionsana- lyse mittels Southern-blotting aus Muskel-DNA erfolgen, da die Ana- lyse aus weißen Blutzellen nicht aus- sagekräftig ist.

Liegen Mendelsche beziehungs- weise unklare Erbgänge bei dringen- dem Verdacht auf eine mitochon- driale Erkrankung vor, sollten Screen- ing-Methoden zur Erfassung von Metabolitveränderungen (wie orga- nische Säuren im Urin, Amino- und Fettsäuren im Serum) zur Aus- schluß-, beziehungsweise Bestäti- gungsdiagnostik, herangezogen wer- den. Die in einem folgenden Beitrag vorgestellte Tandem-Massenspek- trometrie stellt hierfür ein beson- ders schnelles und sensitives Verfah- ren dar. Bei einer Muskelbeteiligung ist die Muskelbiopsie zur weiteren Diagnostik meist unverzichtbar. Mit Hilfe der morphologischen Skelett- muskelanalyse läßt sich eine große Zahl neuromuskulärer Erkrankun- gen bereits im Vorfeld aussortieren.

Alle weiteren können somit für eine biochemische und/oder genetische Analyse gezielt ausgewählt werden (Tabelle 1 und 2).

Wesentliche Hilfestellungen für differentialdiagnostische Überlegun- gen können die über Internet öf- fentlich zugänglichen Datenbanken OMIM, Mitomap, MITOP und MITONET bieten (Textkasten Aus- gewählte Datenbanken). Sollten die Untersuchungen keine eindeutige Diagnose ergeben haben, empfehlen wir die Kontaktaufnahme mit den Stoffwechselzentren, die in manchen Fällen weitere Hinweise zu sehr sel- tenen mitochondrialen Erkrankun- gen oder Auskünfte über aktuelle Projekte zu vorliegenden Erkran- kungen geben können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2972–2981 [Heft 46]

Literatur

1. Anderson S, Bankier AT, Barrell BG et al.:

Sequence and organization of the human mitochondrial genome. Nature 1981; 290:

457–465.

2. Dahl HH: Getting to the nucleus of mito- chondrial disorders: identification of res- piratory chain-enzyme genes causing Leigh syndrome. Am J Hum Genet 1998; 63:

1594–1597.

3. Gerbitz KD, Gempel K, Brdiczka D: Mito- chondria and diabetes. Genetic, biochemi- cal, and clinical implications of the cellular energy circuit. Diabetes 1996; 45: 113–126.

A-2980 (48) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999

Glossar

mtDNA:

mitochondriale DNA Heteroplasmie:

gleichzeitiges Vorkommen von mutierter und nicht mutierter Wildtyp-mtDNA

Homoplasmie:

ausschließliches Vorkommen von mutierter oder Wildtyp-mtDNA maternale Vererbung:

Vererbung nur der mütterlichen mtDNA; das heißt Söhne und Töchter können Träger einer mutierten mtDNA sein, nur die Töchter aber Überträger Mutation:

Veränderung der DNA an einzelnen (Punktmutation) oder mehreren Basen (Längenmutation), bei letzterer entweder durch:

Insertion, Duplikation:

Einfügen einer neuen

beziehungsweise Verdoppeln einer vorhandenen DNA-Sequenz oder durch Deletion

Deletion:

Herausbrechen einer vorhandenen DNA-Sequenz

„common deletion“:

häufigste der bisher gefundenen mtDNA-Deletionen

mitotische Segregation:

zufällige Verteilung von mutierter und nicht mutierter mtDNA wäh- rend mitotischer Teilungen der Zelle Schwellenwert:

Grad der Heteroplasmie der mtDNA einer Zelle, die zu Ausfäl- len der Funktion führt

!

(8)

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Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Gerbitz Institut für Klinische Chemie, Molekulare Diagnostik und Mitochondriale Genetik Forschergruppe Diabetes Akademisches

Lehrkrankenhaus Schwabing Kölner Platz 1

80804 München

Dem weltweit verbreiteten Virus der lymphozytären Choriomeningitis (LCMV), Prototyp der Arena-Virusfa- milie, dienen Mäuse als Hauptwirt. Oh- ne zu erkranken scheiden diese Nager den Erreger lebenslang aus und kön- nen so den Menschen gefährden. Zu- weilen sind auch infizierte Spielham- ster die Infektionsquelle. Beim Men- schen verläuft die Infektion mit LCMV meist mild und unspezifisch mit Fieber, Schwindel, Kopf- und Muskelschmer- zen, in seltenen Fällen als Meningitis oder Enzephalitis. Während des ersten Schwangerschaftstrimesters kann die Infektion mit LCMV einen Abort aus- lösen. Im zweiten und dritten Trimester führt die Infektion des Fetus zum Tode intrauterin oder bald nach der Geburt, bei lebend geborenen Kindern zu Hy- drozephalus und Chorioretinitis. Die Diagnose der LCMV-Infektion gelingt durch die Isolierung des Erregers, den Nachweis seiner Nukleinsäure mittels PCR oder den Nachweis spezifischer Antikörper mit Hilfe des früh- und an- haltend anzeigenden indirekten Im- munfluoreszenztests, ELISA oder Neutralisationstest. Die Komplement- bindungsreaktion ist weniger geeignet.

Die Autoren beschreiben sechs virologisch gesicherte kongenitale LCMV-Infektionen, die in den Jahren 1991 bis 1997 in verschiedenen Teilen Westdeutschlands aufgetreten waren.

Beobachtet wurden ein Hydrozepha- lus und intrauteriner Tod in der 22.

Schwangerschaftswoche, ein innerer Hydrozephalus (im zweiten Trimester festgestellt), nach der Geburt zeig- ten sich Chorioretinitis, Stummheit, Krämpfe, Unfähigkeit zu sitzen und zu schlucken sowie ein innerer Hydroze- phalus, der in der 29. Schwanger- schaftswoche erkannt wurde. Ferner zeigten durch Kaiserschnitt entbunde- ne Zwillinge Dystrophie, Hydroze- phalus, Mikrozephalus, Chorioretini- tis, Krämpfe, verzögerte psychomoto- rische Entwicklung und Blindheit. Ein Säugling erkrankte drei Monate nach der Geburt vorübergehend mit Meningitis und Konjunktivitis ohne Hydrozephalus oder Chorioretinitis und in einem Fall wurde ein Hydro- zephalus, Mikrozephalus, intrakrani- elle Verkalkungen und Chorioretinitis festgestellt. Das Kind war nahezu blind. Fünf Monate nach der Geburt wurde eine kongenitale Infektion an- derer Ätiologie vermutet und im Alter von neun Monaten als LCMV-Infekti- on bestätigt.

In zwei Fällen konnte eine Expo- sition gegenüber Spielhamstern, in ei- nem Fall gegenüber Hausmäusen während der Schwangerschaft ermit- telt werden. Drei Fälle konnten pro- spektiv verfolgt werden. Die Ätiologie der übrigen wurde nach der Geburt er- kannt. Ein Hydrozephalus beim Fetus und beim Neugeborenen zusätzlich eine Chorioretinitis sollten dazu ver- anlassen, neben anderen kongenitalen

Infektionen auch nach einer LCMV- Ätiologie zu suchen. Vor allem aber sollten Schwangere jeden Kontakt zu Mäusen, Spielhamstern und anderen Nagetieren meiden. Bei uns wird der nicht ungefährliche Erreger wegen sei- ner relativen Seltenheit meist nicht in Betracht gezogen oder mit unzulängli- cher Technik untersucht. Die durch Spielhamster aus LCMV verseuchten Zuchten zu Beginn der 70er Jahre in der Bundesrepublik beobachteten Krankheitshäufungen mit gleicharti- gen kongenitalen Infektionen sind in- zwischen vermutlich vergessen. akm

Enders G, Vrko-Göbel M, Löhler J, Ter- letskaia-Ladwig E, Eggers M: Congenital lymphocytic choriomeningitis virus in- fection: an underdiagnosed disease. Pe- diatr Infect Dis J, 1999; 18: 652-655.

Prof. Dr. med. Gisela Enders, Medizin- Diagnostik Gemeinschaftslabor, Insti- tut für Virologie, Infektiologie und Epi- demiologie e. V., Rosenbergstraße 85, 70193 Stuttgart.

Kongenitale Infektion mit dem Virus der lymphozytären Choriomeningitis

Normierende Texte

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