• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Trauer: Alte Hüte" (27.02.2015)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Trauer: Alte Hüte" (27.02.2015)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 378 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 112

|

Heft 9

|

27. Februar 2015

Das Leser-Forum

KASUISTIK

Ist die Therapiezieländerung mit Beendigung der Transfusionen zu diesem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf medizinisch und ethisch ver- tretbar und rechtlich zulässig? (DÄ 4/2015:

„Beenden einer Transfusionsbehandlung bei Patientin mit infauster Prognose“).

Würdiger Tod in Tumoranämie?

Vielleicht sollte durch diesen Artikel eine Diskussion provoziert werden, jedenfalls finde ich aus onkologischer Sicht die Ent- scheidung ethisch fragwürdig, eine alte Dame mit rezidivierender tumorbedingter Intestinalblutung trotz relativ guter Le- bensqualität – letztlich aus logistischen Gründen – in protrahierter Anämie zu Hause versterben zu lassen.

Heutzutage sollte es möglich sein, durch minimalinvasive Intervention, milde Che- motherapie beziehungsweise Modulation der Gerinnung, eine intestinale Blutung zu stoppen – und in letzter Konsequenz die Transfusion auch zu Hause zu verabrei- chen. Natürlich ist der autonome Patien- tenwunsch zu respektieren, der allerdings durch ärztliche Moderation beeinflussbar ist und insbesondere nach Einbindung der Angehörigen kritisch hinterfragt werden muss. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Lebensverlängerung kann nur der Betroffene bei klarem Verstand selber be- antworten. Hierzu fehlen genauere Infor- mationen im konkreten Fall. Jedenfalls ist das genau die Situation, die mit palliativer Potenz noch zu bewältigen ist.

Dr. med. Wolfgang Abenhardt, 80335 München

Die Patientin entscheidet

Die Fragestellung dieser Kasuistik lautet, ob die Beendigung der Transfusionsbe- handlung zu diesem Zeitpunkt im Krank- heitsverlauf medizinisch und ethisch ver- tretbar ist. Ich teile hier nicht die Meinung der Kollegen, die Behandlung zu diesem Zeitpunkt abzubrechen.

Laut Fallvorstellung war die Patientin 73 Jahre alt, zwar in reduziertem Allgemein- zustand bei fortgeschrittenem Tumorlei- den, jedoch „wohnungsmobil“, familiär gut eingebunden und gut schmerzeinge-

stellt. Sie war in die SAPV eingebunden, wo bisher eine gute Symptomkontrolle er- folgte. Die einzige Schwierigkeit war der

„hohe logistische Aufwand“ für immer häufiger notwendige Bluttransfusionen . . . Palliativmedizin bedeutet Symptomkon- trolle und Linderung von Leiden bei Pa- tienten mit einer nicht heilbaren, progre- dienten und weit fortgeschrittenen Erkran- kung mit begrenzter Lebenserwartung mit dem Hauptziel der subjektiv guten Le- bensqualität. Und genau darum geht es in diesem Fall. So, wie es sich hier liest, war die einzige Einschränkung der Lebensqua- lität der Patientin die Vorbereitung und Durchführung der Transfusionen (Fahrten zum Hausarzt für die Kreuzblutabnahme und anschließend zum Onkologen zur Durchführung der Transfusion).

Alle bisherigen Symptome waren gut kon- trolliert, so dass die Patientin, einge- schränkt mobil, ein, auf ihrem gesundheit- lichem Niveau stabiles und gutes Leben im Kreise der Familie führen konnte.

Fraglich ist, ob der „hohe logistische Auf- wand“ für die Bluttransfusionen eine Min- derung der Lebensqualität für die Patien- tin oder eher für ihr Umfeld (Ärzte, Fami- lie) darstellte. Man hat den Eindruck, dass durch den Verzicht auf die Transfusions- behandlung das Umfeld der Patientin ent- lastet wurde. Oder waren die Fahrten quä- lend für die Patientin? . . .

Auch die Tatsache, dass bei weiterer Le- bensverlängerung ein Tumorprogress und damit verbundene Komplikationen auftre- ten könnten, sind keine Begründung, ein Leben, das aktuell bis auf die zunehmende Transfusionspflichtigkeit gut symptom- kontrolliert wird, durch Verzicht auf wei- tere Transfusionsbehandlungen frühzeitig zu beenden . . .

Erst wenn die Patientin selbst ihr Leben nicht mehr für lebenswert hält, ist eine Be- grenzung medizinischer Maßnahmen ge- rechtfertigt. Was lebenswert ist, kann keine andere Person außer der Patientin selbst entscheiden (vorausgesetzt, sie ist einwilli- gungsfähig). Somit muss die Patientin über die aktuelle Situation wie auch alle mögli- chen zumutbaren medizinischen Optionen einschließlich ihrer Nebenwirkungen auf- geklärt werden, um dann nur für sich, ohne Rücksicht auf äußere Umstände (zum Bei-

spiel die der behandelnden Ärzte), ent- scheiden zu können, welche Maßnahmen sie wünscht beziehungsweise ablehnt.

In diesem Falle stehen für mich als Au- ßenstehender drei positive Aspekte der Lebensqualität der Patientin (in Häuslich- keit versorgt beziehungsweise familiär gut eingebunden, teilweise mobil/selbststän- dig, bis auf Blutungen gut symptomatisch geführt unter anderem schmerzfrei bis auf gelegentliche Bedarfsmedikation) einem negativen Aspekt (hoher logistischer und zunehmender Aufwand für das Umfeld der Patientin für die Bluttransfusionsbe- handlungen) gegenüber. Ich frage mich, ob dies die Begrenzung medizinischer Maßnahmen (mit frühzeitiger Todesfolge) rechtfertigte?

Yvonne Sommerfeld, Fachärztin für Strahlentherapie und Radioonkologie, 16225 Eberswalde

TRAUER

Spätestens seit den 1990er Jahren hat sich die Psychotherapie auch der Trauerarbeit gewid- met (DÄ 49/2014: „Krank ist anders“ von Burk- hard Voß).

Alte Hüte

Wenn man sich . . . als „niedergelassener Neurologe und Psychiater mit Zusatzbe- zeichnung Psychotherapie“ nur „an einem Vormittag“ gleich um „drei Patienten kümmern“ muss, „die um ihre verstorbe- nen Angehörigen trauerten“, dann sollte man die knappe Zeit, die einem verbleibt, für Weiterbildung nutzen, anstatt sie für das Schreiben einer „Glosse“ zu vergeu- den, in der alte Hüte so drapiert werden, als wären sie von heute. In Sigmund Freuds Arbeit „Trauer und Melancholie“, erschienen vor hundert Jahren, wird der Begriff „Trauerarbeit“ im heute gebräuch- lichen Sinn erstmals definiert – und es wird erläutert, warum Trauer und Melan- cholie (Depression) nicht dasselbe sind, auch wenn die Symptome (affektive Zu- stände) einander gleichen. Mit einem Wort: Bereits Freud hat auf den Unter- schied zwischen normaler und pathologi- scher Trauer hingewiesen und konnte des-

B R I E F E

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 112

|

Heft 9

|

27. Februar 2015 A 379 halb auch erklären, warum für erstere ein

herkömmlicher Seelsorger ausreicht, wäh- rend für letztere ein psychotherapeutischer Fachmann vonnöten ist . . .

Dr. Bernd Nitzschke, Psychologischer Psychotherapeut, 40210 Düsseldorf

Merkwürdig

Komisch, wie neunmalkluge Kolleginnen und Kollegen oder ihre Standesvertreter/

innen sich immer dann erfreut äußern, wenn sie ein psychisches Befinden ent- deckt haben, das angeblich keine Psycho- therapie erfordert. Hurra, hurra! Mich er- innert das an Äußerungen zu emotionalen Problemen in meiner Kinderzeit wie „Stell Dich nicht so an!“ oder „Gelobt sei, was hart macht!“ oder „Beiß die Zähne zusam- men!“ und vieles mehr. Erst aus derarti- gem, vormals nazistischem Milieu heraus hat ja die Psychotherapie allmählich ihre Krankheitslehre unter „Absenkung der Schwelle zum psychisch Kranksein“

durchgesetzt. Und sieht sich immer wieder mit Rückfällen aus der offenbar „guten, alten Zeit“ konfrontiert.

Zur Trauer: Natürlich ist Trauer per se kei- ne Krankheit, wer wollte das bestreiten.

Trauer kann aber ein Symptom sein – mög- licherweise wie Kopfschmerzen, die man ja auch nicht „automatisch“ von allgemein- medizinischer Abklärung ausschließen würde. So was wird offenbar immer nur bei der Psychotherapie versucht – siehe oben.

Trauer als Symptom kann aber nach aller menschlicher, ärztlicher oder psychothera- peutischer Erfahrung krank machen. Trauer und Verlust sind oft überaus destabilisie- rende Lebensereignisse, die dann behandelt werden sollten und sei es „stützend und be- gleitend“. Trauer liegt nahe bei depressiven oder sogar suizidalen Seelenzuständen. Es gibt die bedrohliche und nachhaltige „pa- thologische Trauer“. Trauer ruft Krisen her- vor oder kann frühe unbewältigte Konflikte als Auslöser mobilisieren. Dieses Wissen erfordert ohne Zweifel die „Absenkung der Schwelle zum psychischen Kranksein“, die der Kollege Voß unter missverständlicher Zeugenschaft bekannter Psychiater oder Psychotherapeuten (Richter, Dörner) be- klagt. Trauer erfordert immer Hilfe, fami- liäre, freundschaftliche und manchmal eben auch ärztliche beziehungsweise psychothe- rapeutische. Warum also diese merkwürdi- ge Glosse, bei der mir jedenfalls das La- chen im Halse stecken bleibt?

Dr. med. Karl-Rüdiger Hagelberg, 20148 Hamburg

DKV-GESUNDHEITSREPORT

Wie gesund leben wir Deutschen? (DÄ 5/2015:

„DKV-Gesundheitsreport 2015: Sitzen geblie- ben“ von Egbert Maibach-Nagel).

Kritisch zu hinterfragen

. . . Aussagen zum Gesundheitsverhalten der Deutschen stoßen stets auf großes In- teresse bei Ärzteschaft, Öffentlichkeit und Politik. Aus unserer Sicht sind je- doch bei dem zitierten DKV-Gesund- heitsreport 2015 die Anforderungen an Repräsentativität und statistische Genau- igkeit aus folgenden Gründen kritisch zu hinterfragen:

. . . Die Antwortquote des DKV-Ge- sundheitsreports liegt mit 13 Prozent sehr niedrig. Es ist nicht auszuschließen, dass dies – trotz Gewichtung – zu einer Verzer- rung der Stichprobe führt.

. . . Es wurden 200 Interviews pro Bun- desland geführt . . . Da bei dieser Fallzahl die Schätzer breite Konfidenzintervalle haben, ist fraglich, inwieweit die zwischen den Ländern berichteten Unterschiede sta- tistisch signifikant sind . . .

. . . Es kann nicht beurteilt werden, ob ein Unterschied von zwei oder drei Pro- zentpunkten zur vorherigen Studie (Alko- holkonsum, Ernährung, Rauchen) statis- tisch belastbar ist . . .

Diese Limitationen sind auch bei einer In- terpretation der Ergebnisse zu berücksich- tigen, wie zum Beispiel beim Trend des Rauchens . . . Nachfolgend ein Zitat aus dem Report:

. . . „So stieg die Zahl der Raucher in den vergangenen zwei Jahren von 22 auf 24 Prozent an (. . .)“. Hier fehlt eine Ein- ordnung dieses überraschenden Befunds in den gegenwärtigen Stand der For- schung. Längerfristige Trends werden nicht berücksichtigt. Sämtliche große Bevölkerungsstudien zum Thema „Sub- stanzkonsum“ zeigen, dass der Anteil der Raucher und Raucherinnen seit eini- gen Jahren rückläufig ist – besonders auch im Jugend- und jungen Erwachse- nenalter . . .

Der DKV-Gesundheitsreport findet in Be- zug auf den Gesamtindex zum Gesund- heitsverhalten lediglich geringe Unter- schiede zwischen den betrachteten Bil- dungs- und Einkommensgruppen . . . Obwohl die Unterschiede statistisch ver- mutlich nicht signifikant sind . . . werden Aussagen hierzu abgeleitet, wie „Men- schen mit mittlerer Reife leben im Bil- dungsvergleich am gesündesten . . .“.

Dies müsste kritisch diskutiert werden, da es dem Stand der gesundheitlichen Ungleichheitsforschung in Deutschland widerspricht. Die vorliegenden Studien zeigen relativ eindeutig, dass mit zuneh- mendem Bildungsgrad und höherem Einkommen der Anteil an Personen, die sich gesundheitsförderlich verhalten, zunimmt . . .

Wir freuen uns sehr über den Aufruf zu mehr Prävention, sind jedoch der Mei- nung, dass es belastbarere Studien zur Einschätzung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung gibt. Daten, wie sie das Statistische Bundesamt, das Deutsche In- stitut für Wirtschaftsforschung mit dem Sozio-ökonomischen Panel, das Institut für Therapieforschung mit dem Epidemio- logischen Suchtsurvey oder das Robert Koch-Institut mit den Studien des Ge- sundheitsmonitorings bereitstellen, wür- den Ihrem Anliegen sicherlich noch mehr Schlagkraft verleihen.

Nur als Beispiel: Für Kinder und Jugend- liche, für die sich angeblich „wenig Anlass zur Hoffnung bietet“, gibt es die bereits im DÄ veröffentlichten Daten der für Deutschland repräsentativen „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugend- lichen in Deutschland“ (KiGGS). Diese zeigen, dass zwar weniger als die Hälfte der Kinder das von der WHO empfohlene Aktivitätsniveau erreicht, aber mehr als drei Viertel der Kinder und Jugendlichen Sport treibt, der Großteil davon in einem Verein. Gibt es da nicht doch etwas Hoffnung?

Literatur bei der Verfasserin

Prof. Dr. rer. nat. Bärbel-Maria Kurth, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, 12101 Berlin

SCHACH

Zu dem Schlusspunkt DÄ 51–52/2014: „Häddi- dädiwäri“ von Helmut Pfleger).

Schwäbisch-alemannisch

. . . Der Autor stellt fest, dass das Häddidä- diwäri bayerisch sei. Weit gefehlt! Im Bayerischen heißt das Haddidadiwa- ri. Häddidädiwäri ist schwäbisch-aleman- nisch.

Ich bin zwar kein Schachspieler, aber Alt- bayer in der Diaspora im Schwarzwald, wo es sich hervorragend leben lässt.

Dr. med. Otto A. Brusis, 78126 Königsfeld

B R I E F E

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Waldfläche von 2,4 Millionen Hektar. Und selbst mit 160 Jahren 

Ein junges Leben hat plötzlich aufgehört zu sein, wir Hinterbliebenen können nicht einmal schreien, wir suchen nach einem neuen Inhalt fürs Leben, die Zeit kann uns dazu die

Auch wenn Ihre Ärzte und alle Anderen macht- los zusehen mussten, wie das Leben aus meinem Sohn gegangen ist, so haben sie zu jeder Zeit durch ihren herzlichen Um- gang mit meinem

[r]

Auch hat sich mit dem Wechsel der Führungsgeneratio- nen (von den Revolutionsveteranen zu den heute dominierenden Tech- nokraten) die Art und Weise, wie Politik in China gemacht

Weiterhin ist die Inzi- denz für bösartige Hodentumoren, auch wenn sie innerhalb der letzten Jahrzehnte angestiegen ist, viel zu ge- ring, um einen nennenswerten Ein- fluß auf

Allerdings hält sich diese Begeisterung spä- testens dann in Grenzen, wenn es – auch hier sind sich die beiden Damen einig – um den Preis geht: „150 Euro für jedes Foto ist uns

Am 3. März 1975 wurde der Verstorbene auf unserem Ward- friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Nach kurzer, schwerer Krank- heit verstarb am 2. Februar 1975 im Alter von 66 Jahren