Können junge Künstler heute überhaupt noch malen?
Diese Frage stellt sich in zweifacher Hinsicht: Sie spricht die handwerklichen Fähigkeiten ebenso an wie die Wirksamkeit der künstle- rischen Aussage in der heuti- ge Zeit. Mit der breiten Ak- zeptanz von Minimal- und Concept-Kunst schien das Ende der klassischen Arbeit mit Pinsel und Farbe endgül- tig besiegelt. Auch die Be- strebungen nach neuen Ver- mittlungsebenen, wie sie die technischen Medien bieten, sprachen dafür. Inzwischen erscheint die Situation viel- schichtiger.
Nicht nur als bloßes Kor- rektiv zur Aktualität der Me- dienfusionen haben einige junge Künstler die „klassi- sche“ Malerei als geeignete Ausdrucksform entdeckt. Ih- re Arbeiten sind vielfach großformatige Leinwand-Ta- felbilder, die durch eine diszi- plinierte Maltechnik auffal- len – wie Öl auf Holz und eine sorgfältige Grundierung. Ei- ne Vertreterin dieser jungen Generation ist Corinne Was- muht.
Thematisch behandelt die Düsseldorfer Künstlerin vor- wiegend Motive aus Natur und Medizin, die sie mit Akri- bie recherchiert. Am Ende dieses umfangreichen Prozes- ses von Sammeln, Filtern und Verknüpfen steht ein Gemäl- de, welches das Gesehene als Destillat in noch nie gesehe- ner Weise präsentiert. Bei die- ser Arbeitsweise erscheint es logisch, daß es zu jedem Bild ein „Archiv“ gibt, eine thema- tisch angelegte Sammlung von Bildern, die in das Gesamt- werk eingearbeitet werden.
Ein Beispiel für diese auf- wendige Arbeitsweise aus dem Bereich der Medizin ist das Werk „Ohne Titel – mi- kroskopische Anatomie“. Be- trachtet man das dreiteilige Gemälde, glaubt man, daß es
sich hierbei um die abstrakte Darstellung einer Großstadt- Skyline handelt. Tritt man näher heran, entpuppen sich die einzelnen „Häuser“ und
„Straßen“ als histologische Schnitte des menschlichen Körpers. Jedes einzelne Ge- webe – ob Netzhaut, Muskel oder Haut – ist dabei mit einer
Präzision dargestellt, die den Anforderun- gen eines medizi- nischen Lehrbuchs durchaus entspricht.
„Obwohl in den Bil- dern die abstrakte und strenge Ordnung der Monta- getechnik stets präsent ist, pulsiert die Malerei aus einer visuellen Vielfalt heraus. Es ist eine Vielfalt, die sich in den schier endlosen und nur minimalen Variationen eines Grundmusters abspielt“, er- klärt Julian Heynen vom Kre- felder Kunstmuseum. „Es
herrscht eine solche Dichte, daß der erste – noch nicht geschulte – Blick vielleicht nur eine unklar modulierte Einförmigkeit wahrnimmt.“
Taucht man jedoch in die Bil- der ein, gleicht keine Form der anderen mehr. Jedes De- tail ist einzigartig, aber alle sind miteinander verbunden.
Dabei wendet sich die Ge- nauigkeit der naturwissen- schaftlichen Zeichnung nicht ausschließlich an den Ver- stand. Corinne Wasmuht nutzt ebenso emotionale und ästhetische Bedürfnisse nach Ordnung. Sie sieht die Welt unter veränderten Umstän- den und vermittelt ihre Wahr- nehmung mit dem histori- schen Instrument der Male- rei. Dieser Anachronismus gipfelt in einer zeitgenössi- schen avancierten Technik.
Corinne Wasmuht gehörte im vergangenen Jahr zusam- men mit Martin Gerwers und Dirk Skreber zu den Preis- trägern „Malerei“ des Kultur- kreises der deutschen Wirt- schaft im Bundesverband der Deutschen Industrie. Infor- mation: Johnen & Schöttle, Kamekestraße 21, 50672 Köln. Vera Zylka-Menhorn
Als Curt Emmrich wurde er am 20. Oktober 1897 in Hochneukirch geboren. Er wuchs in Sachsen auf, besuch- te in Bautzen das Gymnasium und nahm als Kriegsfreiwilli- ger am Ersten Weltkrieg teil.
In München, Göttingen und Freiburg studierte er Medizin und Sinologie und promovier- te 1923 zum Dr. med.
Schon während seiner me- dizinischen Fachausbildung begann Emmrich, der sich den Künstlernamen Peter Bamm gab, Feuilletons für die
„Deutsche Allgemeine Zei- tung“ zu schreiben, die er na- hezu 20 Jahre ohne Unterbre- chung fortsetzte. Als Schiffs- arzt unternahm Bamm Welt-
reisen nach Ostasien, Mexiko und Westafrika, lebte dann je ein Jahr lang in Paris und Lon- don und bereiste 1928/29 China. Danach ließ er sich als Chirurg in Berlin nieder.
Während des Zweiten Weltkrieges wirkte er als Stabsarzt an der Ostfront, ab 1947 lebte er als freier Schriftsteller in Baden-Ba- den, später in der Schweiz. In einer Sendereihe des NWDR berichtete er über seine Kriegserlebnisse und legte sie danach in dem Buch „Die unsichtbare Flagge“ nieder.
Darin gelang ihm eine menschlich packende, reali- stische Darstellung seiner Er- lebnisse unter der unsichtba-
ren „Flagge der Humanitas“.
Damit begann sein literari- scher Erfolg. Ab 1953 er- schien die Sendereihe „Frühe Stätten der Christenheit“, worin der Autor seine Reise- eindrücke aus Griechenland, Kleinasien und Palästina schilderte. Als Buch erschie- nen sie 1956.
Als Fortsetzung kam dann 1959 der Bericht „Welten des Glaubens“ heraus. Als Krö- nung von Bamms Schaffen gilt die Biographie „Alexan- der oder die Verwandlung der Welt“. Es ist ein Versuch, der Persönlichkeit Alexan- ders des Großen aus der Per- spektive des modernen Men- schen näher zu kommen.
Für sein literarisches Werk erhielt Bamm zahlrei- che Auszeichnungen, unter anderem wurde ihm im Jahr 1960 die Paracelsus-Medaille verliehen. Er starb 1975 in Zürich. Jürgen Lange A-2766 (86) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 42, 17. Oktober 1997
V A R I A FEUILLETON
Zum 100. Geburtstag Peter Bamms
Flagge der Humanitas
Corinne Wasmuht
Skyline der Anatomie
Corinne Wasmuht: o. T. – mikroskopische Anatomie, 254 x 381 cm, dreiteilig, Öl
auf Holz, 1994 Repro: Johnen & Schöttle