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Archiv "Heinrich VIII.: Kraft und Brutalität" (02.10.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 40

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2. Oktober 2009 A 1973 HEINRICH VIII.

Kraft und Brutalität

Durch einen schweren Unfall änderten sich

Psyche und Lebensstil des englischen Monarchen, der im Jahr 1509 den Thron bestieg und dem in diesem Jahr zahlreiche Ausstellungen gewidmet sind.

C

harles Dickens, der mit

„Christmas Carol“ die klas- sischste Weihnachtsgeschichte der englischen Literatur hinterließ, hielt wenig von ihm: Er sei ein „uner- träglicher Schurke, eine Schande für die menschliche Natur und ein Fleck von Blut und Fett auf der Ge- schichte Englands“. Der so Ge- scholtene war bei des Literaten Ver- dammung schon mehr als drei Jahr- hunderte lang tot. Ein Tyrann war Heinrich VIII., der Englands Thron anno 1509, vor genau einem halben Jahrtausend bestieg und bis zu sei- nem Tod 1547 regierte, zweifellos.

Doch ohne ihn sähe die Welt mög- licherweise ganz anders aus. Durch seinen Bruch mit Rom und der katholischen Kirche beschritt sein Land einen Sonderweg. Unter sei- ner Tochter Elisabeth I. wurde es der wichtigste Gegner der katholi- schen Weltmacht Spanien. Elisa- beth legte den Grundstein für Eng- lands Seeherrschaft und sein über- seeisches Empire, das wiederum Voraussetzung für die heutige Do- minanz der englischen Sprache und die Vormachtstellung der USA ist.

Der Mann, den der deutsche Künstler Hans Holbein der Jüngere 1537 in seinem berühmten Ölge- mälde porträtierte, strahlt Kraft und Brutalität aus. Beide Eigenschaften brauchte Heinrich auch, um seine eigenen Krankheiten zu überwin- den. Denn der König wurde immer wieder von gesundheitlichen Kri- sen heimgesucht. Der König, der mit 18 Jahren auf den Thron kam, konnte tagelang Turniere feiern, ze- chen und essen, sodass er abergläu- bischen Zeitgenossen wie der Leib- haftige erschien. Bei einem Turnier verschliss er zehn erschöpfte Pfer- de. Sein Immunsystem muss her-

vorragend funktioniert haben, denn 1514 erkrankte er an den Pocken.

Sieben Jahre später zog er sich eine Malaria zu, die damals in Teilen Englands endemisch war. Die cha- rakteristischen Fieberschübe such- ten ihn danach zeitlebens heim.

Eine wirkliche Plage waren in- des Hautgeschwüre an den Beinen.

Dieses Leiden war traumatischer Genese. Bei einem Turnier im Pa- last von Greenwich am 24. Januar 1536 wurde Henry VIII. in voller Rüstung vom Pferd geworfen, das Reittier rollte überdies über den Monarchen hinweg. Zwei Stunden lang war er bewusstlos, man fürch- tete um des Königs Leben. Doch schwerer als die Gehirnerschütte- rung wog die offene Wunde am Oberschenkel, die nie richtig ver- heilte. Schlimmer noch: Die wahr- scheinlich chronische Infektion streute in die Umgebung aus, Haut- ulzerationen an den Beinen wurden des Monarchen ständige Begleiter.

Jetzt, im Jubiläumsjahr, das Eng- land mit zahlreichen Ausstellungen über Henry VIII. feiert, hat ein Team von Historikern jenen Unfall als Wendemarke seines Lebens be- zeichnet. „Wir glauben,“ so erklärt Lucy Wormsley, die Chefkuratorin der Organisation Britain’s Historic Royal Palaces, „dass dieser Tur-

nierunfall von 1536 der Grund für den Wandel der Persönlichkeit vom vielversprechenden, generösen jun- gen Prinzen zum grausamen, para- noiden, bösen Tyrannen ist.“ Der Unfall hatte nicht nur bei Henry, sondern auch in seinem Umfeld Folgen – ganz unmittelbare und historisch einschneidende: Anne Boleyn, seine zweite Frau, erlitt auf die Nachricht vom Sturz des Königs hin eine Fehlgeburt – das Kind war ein Knabe, jener Thron- folger, den Heinrich sich so drin- gend ersehnte. Hätte Anne das Kind lebend zur Welt gebracht – wer weiß, wie Europas Geschichte ohne ein Elisabethanisches Zeitalter ver- laufen wäre ?

Nicht nur die Psyche, auch der Lebensstil Heinrichs änderte sich aufgrund der posttraumatischen Komplikationen. Die Ulzerationen an den Beinen beendeten seinen bislang mit körperlichen Anstren- gungen gepflasterten Lebensstil.

Statt Tennis zu spielen, zu tanzen und zu reiten, frönte Henry, der frü- her zehn Pferde pro Tag bis zu de- ren Erschöpfung geritten hatte, nun exzessiv den Freuden der Tafel, oft mit 13 Gerichten pro Tag, herunter- gespült mit bis zu zehn Pint Bier.

Bis zu einem Tod (wahrscheinlich an kongestivem Herzversagen) am 28. Januar 1547 war er jedoch geis-

tig höchst vital. ■

Roland D. Gerste Die wichtigste Ausstellung zum Thronjubiläum „Henry VIII:

A 500th Anniversary Exhibition“ findet bis 18. April 2010 in der Drawings Gallery von Windsor Castle statt. Bis 6. Sep- tember ist in der British Library in London die Ausstellung

„Henry VIII: Man and Monarch“ zu sehen. Im Tower of Lon- don wird bis 17. Januar 2010 die Ausstellung „Henry VIII:

Dressed to Kill“ gezeigt.

AUSTELLUNGEN

Heinrich VIII. von England strahlt auf dem Gemälde von Hans Holbein d. J.

Kraft und Vitalität aus.

Foto: Picture-Aliance

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