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Archiv "Höhenkrankheit und Knoblauch" (26.07.1979)

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Academic year: 2022

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Eine Exkursion nach Ladakh setzt eine sportliche Einstellung der Teil- nehmer voraus. Extreme körperliche Anstrengungen werden zwar nicht gefordert, die außergewöhnliche Landschaft verlockt jedoch dazu, und die extreme Höhenlage zwi- schen 2700 und 4500 Meter bei un- gewohntem Klima ist für Mitteleuro- päer eine schwere Belastung. Schon das Anamnesespektrum der Be- schwerden ist umfangreich: Allge- meines Krankheitsgefühl, vorzeitige Ermüdbarkeit oder hochgradige Lei- stungsminderung geben nicht sel- ten den ersten Hinweis auf ein Herz- leiden, auch wenn kardiale Sympto- me noch fehlen.

Das Höhenlungenödem

Auch unbeachtete pulmonale Infek- te stellen in den anzutreffenden Hö- henlagen eine Gefahr dar. Unange- nehme, beim Zusammentreffen mit anderen pathogenetischen Faktoren jedoch gefährliche Höhenreaktio-

nen wie die akute Bergkrankheit, der Höhenkollaps und die Entwicklung eines lebensbedrohlichen Höhen- lungenödems können die Folgen sein. Der Kreislauf wird jedenfalls belastet und müßte deshalb in Ord- nung sein; im Zweifelsfall sollte man als Arzt von der Teilnahme abraten.

Schon seit einigen Jahren hat die Anzahl der Menschen, die im Rah- men von Anden- oder Himalayarei- sen sich schnell an große Höhen an- passen müssen, sprunghaft zuge- nommen. Damit haben auch die Hö- henkrankheiten, früher nur ein Pro- blem für Hochalpinisten, für weite Kreise zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Weder die Ätiologie noch die Patho- genese eines akuten Höhenlungen- ödems sind endgültig geklärt. Si-

cher ist die rasche passive Überwin- dung eines großen Höhenunter- schiedes, wie auch die langsamere, jedoch unter starker körperlicher Anstrengung besonders bei großer Kälte bewerkstelligte Ersteigung großer Höhen ein wesentlicher aus- lösender Faktor. Aufgrund eines niedrigeren 0 2-Partialdruckes ist ei- ne Hyperventilation die Folge mit re- spiratorischer Alkalose; der venöse Rückstrom zum Herzen wird erhöht, und es kommt zu einer Blutüberfül- lung der Lungen.

An Symptomen dürfte eine starke Abgeschlagenheit zuerst auffallen, die von Kopfschmerzen und allge- meiner Müdigkeit, aber letztlich von Schlaflosigkeit begleitet wird. Hinzu kommt als typisches Zeichen eine Dyspnoe, begleitet von einem trok- kenen Husten. Differentialdiagno- stisch muß dieses Höhenlungen- ödem von einer akuten Linksherzin- suffizienz abgegrenzt werden und besonders von einer akuten Entzün- dung im Sinne einer fulminanten Pneumonie.

Als erste therapeutische Maßnahme bei dieser Erkrankung ist eine sit- zende Haltung mit herabhängenden

Extremitäten zu empfehlen; an- schließend läßt sich das Blutvolu- men mittels Furosemid 1 ) vermin- dern. Für den Notfall sollte immer eine Sauerstoffmaske mitgenom- men werden.

Höhenkollaps

Weiterhin muß unter den verschie- denen Formen der Bergkrankheit auch der Höhenkollaps abgegrenzt werden, welcher einen Entspan- nungskollaps darstellt. Es besteht hier Bradykardie, Hypotonie und

Lasix''

Reisen nach Ladakh, dem nordwestlichen, an Chinas Westprovinzen angrenzenden Zipfel Indiens, werden inzwi- schen von mehreren Reisebü- ros angeboten — Erholungs- reisen sind das nicht, eine ge- wisse körperliche Konstitution ist erforderlich. Die Autoren waren jedoch nicht als Grup- pe, sondern selbständig nach Ladakh gereist und haben da- bei einige Beobachtungen über die Einflüsse der extre- men Höhenlage des Landes auf den Reisenden gemacht — Beobachtungen, die auch für die Beratung von Reiselusti- gen bedeutsam sind. Lokales _Allheilmittel" ist übrigens der Knoblauch; empfindliche Rei- sende sollten auch darauf hin- gewiesen werden . . . — Mit diesem Bericht wird die Reise- reportage über Ladakh von H.

Lauterbach ergänzt, die in Heft 13, Seite XIV. und Heft 14, Seite XXVIII, erschienen ist.

Drehschwindel. Bei diesen Sympto- men ist eine Kopf-Tieflagerung durchaus angebracht.

Höhenkrankheit nennt man alle Be- schwerden, die einige Tage nach dem Erlangen großer Höhen auftre- ten können, z. B. Konzentrations- schwäche, Ermüdung, Kopfschmer- zen, Schwindel, Erbrechen, Herz- klopfen, Zyanose, Atem- und Puls- beschleunigung. Die Pathophysiolo- gie dieser Symptome erklärt zwei- fellos der bereits oben erwähnte herabgesetzte p0 2 ; er beträgt auf 5000 m etwa 50 Prozent des Normal- wertes. Doch schon 1939 erwartete ein Flugmediziner, „daß der aufs äu- ßerste höhenangepaßte Bergsteiger den höchsten Gipfel, nämlich den des Mt. Everest mit 8848 m, ohne künstliche Sauerstoffatmung errei- chen könnte". Die Entstehung die- ses Symptomenkomplexe wird schließlich noch begünstigt durch den starken Wind mit geringer Luft- feuchtigkeit von 25 Prozent, starkes Schwitzen, dauernde UV-Strahlung

Höhenkrankheit und Knoblauch

Ärztliche Beobachtungen bei einer Reise nach Ladakh

Wolfgang Schinzel und Thorsten Graf

1974 Heft 30 vom 26. Juli 1979 DEUTSCHES ARZIEBL ATT

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Suektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ladakh: Höhenkrankheit und Knoblauch

und durch den täglichen Tempera- turwechsel; in der Sonne schwitzt man, im Schatten fröstelt einen, nachts friert man im Freien.

Den ständigen Flüssigkeitsverlust kann man durch eine tägliche Zu- fuhr von etwa 51 ausgleichen, am besten mit Hilfe des energiereichen Buttertees (ladakhisch: solcha).

Aber das bewahrt nicht vor hohem Kaliumverlust, was zur vermehrten Katabolie mit intrazellulärer ,H-Än- derung und Steigerung der Zellper- meabilität führt. Dies läßt sich durch kräftiges Salzen der Nahrungsmittel und Einnahme von tägl. 3 Beuteln eines Pulvers zur peroralen Kalium- therapie 2) vermeiden. Daneben ist jedoch auf die tägliche Harnaus- scheidung von zumindest 1 1 zu ach- ten. Vorbeugend wirkt auch, sofern man körperliche Anstrengungen möglichst klein hält, die Anwen- dung von Aldosteron-Antagonisten, sprich Spironolacton 3) 2mal tägl.

25 mg schon seit einigen Tagen vor der Exkursion. Zu den eine Höhen- krankheit verstärkenden Faktoren gehören durch falsche Ernährung' oder Darminfekte bewirkte Diar- rhöen, um die nach unserer Mei- nung niemand gänzlich herum- kommt; aber zu deren Behandlung genügen oft schon Kohle-Compret- ten®. Daneben muß man immer mit der Verstärkung einer Hypokaliämie rechnen. Im Falle einer akuten Er- krankung muß zu Sauerstoffmaske, Furosemid und auch zu Oxazepam 4) gegriffen werden.

Besuch bei Lama-Ärzten — Heilsamer Knoblauch

Die Lamas spielen im Leben der La- dakhis eine sehr wichtige Rolle und bestimmen so das religiöse und so- ziale Leben. Sie sind jetzt noch so- wohl Priester und Astrologen als auch Ärzte und Lehrer. Wir waren daher sehr erfreut, daß uns ein Be- such im Trag thog Gompa bei Sakti ohne größere Schwierigkeiten ge- lang, obgleich es im militärischen

2) Liquisorb®K 3) Aldactone ® 4) Adumbran®

Sperrgebiet nahe der tibetischen Grenze liegt. Dieses Kloster stellt quasi die medizinische Fakultät für Ladakh dar, zu der in unregelmäßi- gen Abständen ärztlich tätige Lamas zur Aus- und Weiterbildung ge- schickt werden.

In Kleintibet hörten und sahen wir die Anwendung einer in Europa seit langem kultivierten Pflanze, die al- lerdings in Ostindien bzw. Zentral- asien beheimatet ist. Gemeint ist der zur Ordnung der Liliiflorae zählende Allium sativum L., also Knoblauch (von den Ladakhis „Rohan" ge- nannt). Die Hauptwirkung dieser Pflanze bestreitet das ätherische Öl mit den örtlich reizenden Alkylpoly- sulfiden, was sich durch Tränenfluß und Niesreiz dokumentiert.

Nach oraler Gabe führt Knoblauch im Magen-Darm-Kanal zur Zunahme der Schleimhautdurchblutung und Sekretionsanregung. Die Verteilung im Organismus geht recht schnell vor sich, was man schon bald an der Ausscheidung durch die Lunge merkt; die Verweildauer beträgt trotzdem mehrere Tage. Die Öl- dämpfe haben eine nicht unerhebli- che antibakterielle Wirkung und füh- ren zur Stärkung einer obligaten Darmflora. Gleichzeitige fäulnis- und gärungswidrige Erscheinungen verhindern eine gastrointestinale Autointoxikation, besonders durch Indol- und Phenolgruppen. Knob- lauch soll aufgrund des Gehaltes an Sulfiden und Polysulfiden zur Dehy- drierung krebserzeugender Sub- stanzen beitragen; derzeit kann man in ihm nur ein symptomatisch wir- kendes Adjuvans erblicken.

Die anthelmintische Wirkung des Knoblauchs per os soll verhältnis- mäßig gut sein. Soweit wir hörten, muß zwei Wochen lang nüchtern die Hälfte einer frischen Zwiebel geges- sen werden, egal ob als Scheibe oder in Breiform. In den folgenden zwei Wochen genügt das Viertel zum Frühstück; eine solche Be- handlung sei ausreichend bei Cesto- den (Bandwurm). Ob sie auch bei Oxyuren (Madenwurm) anspricht, war nicht eindeutig zu erfahren, doch dürfte besonders die Anwen-

dung als Prophylaktikum von Wert sein.

Auf der äußeren Haut erzeugt die zerschnittene Zwiebel, zumindest nach längerer Anwendung, Rötung, Blasenbildung und tiefergehende Wirkungen. Besonders eindrucks- voll war die Behandlung von War- zen, hier bei Verruceae vulgares an den Händen. Die betreffende Stelle wurde mehrmals täglich mit frisch geschnittenen Zwiebelstücken ab- gerieben und anschließend luftge- trocknet. Nach fünf Tagen lösten sich die Wucherungen gegen gerin- gen Widerstand leicht blutend her- aus. Zur Prophylaxe sollten diese Stellen für die gleiche Zeit täglich einmal mit Zwiebelsaft befeuchtet werden.

Die Reise nach Ladakh sollte nicht zur Erholung eingeplant sein und je- denfalls nicht nur sechs Tage dau- ern, wie öfters in Prospekten ange- priesen, sondern mindestens drei Wochen, um die verschiedensten Erfahrungen zu machen und die ent- sprechenden Eindrücke zu verwer- ten. Als günstigste Reisezeit in An- betracht der regelmäßigen Monsun- regen in Indien sind die Monate Mai/

Juni oder September/Oktober zu empfehlen. Unsere Reise am Boden war gut organisiert von „Indoculture Tours" Stuttgart; den Kontakt dazu vermittelte „Studienreisen Klingen- stein" München.

Literatur

v. Diringshofen, H.: Medizinischer Leitfaden, 42. Steinkopff, Dresden 1939 — Gessner, 0., Orzechowski, 0.: Gift- und Arzneipflanzen, 325. Winter, Heidelberg 1974 — Heberer, P., ölz, 0.: Der einsame Sieg am Mount Everest, 219.

Goldmann, München 1979 — Köhler, J.: Kardio- logische Notfälle, 52. Witzstrock, Baden 1976

Anschrift für die Verfasser:

Dr. Wolfgang H. Schinzel Institut für Pharmakologie und Toxikologie der

Universität Erlangen-Nürnberg Universitätsstraße 22

8520 Erlangen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 26. Juli 1979 1975

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