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M 211/2000 BVE 16. Mai 2001 49C
Motion
1643 Gresch, Bern (GB)
Weitere Unterschriften: 7 Eingereicht am: 20.11.2000
Gesamtmobilitätskonzepte statt reines Strassenplandenken
In den Regionen Burgdorf, Thun und Langenthal sind aufgrund akuter Verkehrsprobleme zurzeit Vorbereitungen für Lösungen im Gang, die allein auf Strassenneubau abzielen.
Deren ökonomischer, gesellschaftlicher und ökologischer Nutzen ist jedoch bisher nicht mit jenen möglicher Alternativen verglichen worden.
Der Regierungsrat wird deshalb aufgefordert,
1. für die Regionen Burgdorf, Thun und Langenthal Gesamtmobilitätskonzepte zu erarbeiten, deren Nutzwert jenem der geplanten Umfahrungen als Entscheidungsgrundlage gegenüber gestellt werden können.
2. für Ortsdurchfahrten mit Verkehrsüberlastungen vor der Aufnahme reiner Strassenplanverfahren Gesamtmobilitätskonzepte zu erarbeiten.
Begründung:
Mit rund 270 Millionen Franken wollen die InteressenvertreterInnen der drei Umfahrungsstrassen in den Regionen Burgdorf, Thun und Langenthal die Staatskasse belasten - eine Summe, die die finanziellen Möglichkeiten und die finanzpolitischen Grundsätze des Kantons Bern bei weitem sprengen. Diese Forderungen liegen in einer Zeit auf dem Tisch, in der reine Strassenbauoptik zur Lösung von Verkehrsproblemen (insbesondere Überlastungen von Ortsdurchfahrten) längst nicht mehr zeitgemäss ist.
Innovative Konzepte wie etwa das im In- und Ausland zum Vorzeigeprojekt gewordene
„Berner Modell“ - die Sanierungen der Ortsdurchfahrten Wabern (Seftigenstrasse) und Zollikofen (Bernstrasse) - drohen im eigenen Kanton wieder in der Versenkung zu verschwinden. Reine Strassenneubauten sind für alternative und kostengünstigere Mobilitätsformen und -systeme zudem innovationshemmend. Den geplanten Umfahrungen sind deshalb Gesamtmobilitätskonzepte gegenüber zu stellen und deren Analysen von Kosten-/Nutzen-Verhältnis und Nutzwert sind mit jenen der reinen Strassenneubauprojekte zu vergleichen. Dieses Vorgehen zielt darauf ab, erst die Gesamtsituation zu analysieren und zu beurteilen, bevor - wenn möglich falsch - gehandelt wird.
Gesamtmobilitätskonzepte beantworten die Frage, wie der Gesamtverkehr in einer Region in Zukunft primär auf der bestehenden Verkehrsinfrastruktur abgewickelt werden kann.
Alternativen und Ergänzungen zum motorisierten Individualverkehr und entsprechende Anreize zu deren Nutzung sind aufzuzeigen. Möglichkeiten zur Aufwertung und Weiterentwicklung von Schnittstellen in individuellen Mobilitätsketten sind zu entwickeln.
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Die Gesamtmobilitätskonzepte sind auf die ökonomischen, gesellschaftlichen und umweltpolitischen Erfordernisse der nächsten 20 bis 30 Jahre abzustimmen. Kosten- /Nutzen-Analysen sowie Nutzwertanalysen der Gesamtverkehrskonzepte sind jenen der Umfahrungen als Entscheidgrundlagen für das weitere Vorgehen gegenüber zu stellen. Die Forderung nach diesem Vergleich entspricht den Grundsätzen des Tiefbauamtes, welches gemeinsam mit der Koordinationsstelle für Umweltschutz mittels einem Total-Quality- Management-System die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in seine Prozesse integrieren will.
Der Kanton Bern hält sich mit der Prüfung von Alternativen zu reinen Strassenneubauten die Möglichkeit offen, die akuten Verkehrsprobleme weit kostengünstiger zu lösen. Zudem hat er die Chance, im Bereich Mobilitätsmanagement eine Vorreiterrolle zu übernehmen und damit Imagepflege und Standortmarketing zu betreiben.
Es wird Dringlichkeit verlangt. Abgelehnt: 23.11.2000
Antwort des Regierungsrates
Allgemeines
Die Frage, ob und in welchem Umfang und mit welchem Verkehrsträger die
Mobilitätsbedürfnisse befriedigt werden sollen, ist vorab im Rahmen der „Machbarkeit / Zweckmässigkeit“ zu beantworten. In einer ersten Phase werden solche Überlegungen von den Regionen (Regionalplanungsverbände etc.) angestellt. Artikel 34 der
Kantonsverfassung bildet dabei sowohl für die Regionen als auch danach für den Kanton die zentrale Grundlage:
1 Kanton und Gemeinden sorgen für eine sichere, wirtschaftliche, umweltgerechte und energiesparende Verkehrsordnung.
2 Sie fördern den öffentlichen Verkehr und das Umsteigen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel.
3 Sie berücksichtigen beim Strassenbau die Bedürfnisse des nicht motorisierten Verkehrs.
4 Sie berücksichtigen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen.
Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass ein beträchtlicher Teil des öffentlichen Verkehrs gemeinsam mit dem Nutzverkehr auf den Strassen abgewickelt wird.
Konfliktpotentiale bestehen dabei nicht nur in den Raumansprüchen, sondern ebenso sehr in den Zeitansprüchen (Fahrplan) sowie im Bereich Verträglichkeit zwischen öffentlichem Verkehr und motorisiertem Individualverkehr bzw. Velo-/Fussverkehr und zwischen Verkehrsmenge / Verkehrszusammensetzung und Strassenerscheinungsbild / Siedlungsqualität / Stadtarchitektur.
Im Mitwirkungsentwurf des kantonalen Richtplans wird der Gesamtverkehrsbetrachtung eine hohe Priorität eingeräumt. Die Integration sämtlicher Verkehrsmittel und
Verkehrsträger in ein effizientes Gesamtverkehrssystem soll die Polarisierung „Auto
versus öV“ auflösen. Jedes Verkehrsmittel soll seinen spezifischen Vorteilen entsprechend und der jeweiligen Siedlungsstruktur angepasst eingesetzt werden können. Die grosse Herausforderung besteht dabei darin, die sektorielle Verkehrsplanung zu überwinden und alle Beteiligten für das Gesamtverkehrs-Denken zu gewinnen.
Angesichts der komplexen Aufgabenstellungen im Bereich Mobilität begrüsst der Regierungsrat deshalb grundsätzlich alle Massnahmen, die dazu dienen können,
wirtschaftliche und für alle Beteiligten transparente und akzeptierbare Lösungen zu finden.
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Beizufügen ist, dass auch verschiedene Bundesstellen planen, Gesamtmobilitätskonzepte als Bedingung für eine Mitfinanzierung zu verlangen.
Zu Ziffer 1
Für die erwähnten Vorhaben liegen zur Zeit Studien von unterschiedlichem Detaillierungsgrad (Stufe Planungsstudie/Generelles Projekt) vor.
Im Rahmen der in den erwähnten Regionen vorgesehenen Strassenprojekte werden diese vor der Weiterbearbeitung durch den Kanton bezüglich ihrer Wirkung auf die
Gesamtmobilität überprüft. Die Ausarbeitung von entsprechenden Konzepten ist – nach Massgabe der regionalen Verkehrsverhältnisse und Rahmenbedingungen – im Sinne der Gesetzgebung auch erforderlich. Dabei ist die enge Zusammenarbeit zahlreicher Stellen, insbesondere diejenige der kantonalen Fachämter (wie AGR, AöV, KUS, SVSA, TBA), selbstverständlich.
Zu Ziffer 2
Das Tiefbauamt handelt bei allen Ortsdurchfahrten nach den Grundsätzen der
angebotsorientierten Verkehrsplanung. Gesamtmobilitätskonzepte sind dabei - wie unter Ziffer 1 erwähnt - nach Massgabe der regionalen Verkehrsverhältnisse und
Rahmenbedingungen angezeigt. Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass grössere Projekte meist auch UVP-pflichtig sind. Die Erfahrung bei aktuellen Strassenplanungen (T10, Verkehrssanierung Worb, A5 Umfahrung Biel) haben gezeigt, dass ein sauberer Variantenvergleich beziehungsweise ein Gesamtmobilitätskonzept
verfahrensbeschleunigend sein kann: Eine UVP allein auf Stufe Strassenplan kann zu Verzögerungen führen, da grundsätzliche Problempunkte nochmals aufgeworfen werden können und somit in einer späten Phase abgeklärt und ausdiskutiert werden müssen.
Im heutigen Zeitpunkt ist jedoch noch nicht genau absehbar, ob in allen von der Motionärin verlangten Fällen Gesamtmobilitätskonzepte angezeigt sind, weshalb der Regierungsrat empfiehlt, die Motion als Postulat zu überweisen.
Antrag: Annahme der Motion als Postulat
An den Grossen Rat