Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 23½½½½7. Juni 2002 AA1545
S E I T E E I N S
G
anz am Beginn stand Aram Chat- scharturjans „Säbeltanz“, ein aufregendes Stück, gespielt bei der Eröffnung des Ärztetags in Rostock.Ein heftiges Gefecht lieferten sich später dann die 250 Delegierten über die zukünftige hausärztliche Versorgung. Am Ende stand ein schmerzlicher Kompromiss, schmerz- lich insbesondere für die Interni- sten, nämlich die Fusion der Weiter- bildungen zum Allgemeinarzt und zum Internisten. Der erwartete Sä- beltanz blieb allerdings aus, die In- ternisten führten eher ein Rückzugsgefecht, nachdem schon vor dem Ärztetag durchgesickert war, dass sich die großen Fraktionen auf einen Kompromiss verstän- digt hatten. Noch in Rostock hatte der Marburger Bund auf seiner Hauptversamm- lung zugunsten des Fusions- modells entschieden.
Fusionen sind heute all- gemein „in“. In der Wirt- schaft werden sie ob ihrer Synergie-Effekte gepriesen.
Manchmal gibt es die, oft be- stehen sie lediglich darin, dass nach der Fusion zehn Prozent der Beleg- schaft abhanden kommt.
Welche Synergien aus der Fusion von Allgemeinärzten und Interni- sten hervorgehen, wird wesentlich davon abhängen, wie der Rostocker Kompromiss in der Weiterbildung und später in der ärztlichen Versor- gung umgesetzt wird. Das Kompro- missmodell sieht vor, dass der neue internistische Allgemeinarzt neben vielerlei Internisten mit Schwer- punkt tritt. Allen gemeinsam ist eine internistische Basisweiterbildung.
Zwei mögliche Entwicklungen zeich- nen sich nun ab:
Es gelingt nicht, den internisti- schen Allgemeinarzt zu einer neuar- tigen Variante des Arztberufes her-
aufzumendeln, sondern es bleibt de facto beim Allgemeinarzt gewohn- ter Art, mit all den Problemen, dafür Nachwuchs zu gewinnen. Daneben verbleiben Internisten, die sich trotz ihrer Spezialisierung weiterhin all- gemein-internistisch betätigen.
Das liegt nicht in der Logik des Ärztetagsbeschlusses. Die Mehrheit der Delegierten jedenfalls wollte ei- nen neuartigen Hausarzt mit interni- stischer Grundlage und daneben in- ternistische Spezialisten. Wenn die sich demnächst streng auf ihr Spezi-
algebiet beschränken müssen, also nicht allgemein internistisch arbei- ten dürfen, dann gäbe es in naher Zukunft eine Vielzahl internistischer Fachrichtungen, beispielsweise im Sinne des Facharztes für Kardiologie.
Wenn es so kommt, dann hätte der Ärztetagsbeschluss, der vorder- gründig nur Innerärztliches regelt, weitreichende Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung. Die Spe- zialinternisten wären auf große Ein- zugsgebiete angewiesen, könnten al- so nicht, wie herkömmliche Interni- sten, flächendeckend eingesetzt wer- den. Das bedeutet Konzentration der internistischen Spezialdiszipli- nen auf zentrale Orte, eventuell am und im Krankenhaus.Vielleicht reiz- te den Marburger Bund (MB) dieser
Umstand so, dass er diesem Modell, das früheren MB-Positionen nicht entspricht, zustimmte.
Die Versorgung in der Fläche würde alsdann Aufgabe der interni- stischen Allgemeinärzte sein, die in Zukunft der Einfachheit halber Hausärzte heißen könnten. Ein sol- ches Modell entspräche auch der derzeitigen gesundheitspolitischen Philosophie, die den Hausarzt her- ausstellt, in der Hoffnung, dass er als Filter dient, zunächst freiwillig, spä- ter zwangsweise, und damit die Ko- sten dämpft. Auf der Strecke bliebe die in Deutschland von den Patienten hoch ge- schätzte flächendeckende fachärztliche Versorgung, zu- mindest für den internisti- schen Bereich.
Den Allgemeinärzten wird diese Lösung mehrheitlich recht sein, stärkt sie doch ih- re Position in der Versor- gung und stützt sie ihren Status. Ob allerdings das ur- alte Statusproblem der All- gemeinärzte und der frühe- ren praktischen Ärzte damit ein für allemal gelöst ist, ist eher un- wahrscheinlich. Denn dieses liegt im Kern darin, dass sich vor gut hun- dert Jahren aus dem Arztberuf her- aus die Spezialisten entwickelten, mit dem Anspruch, die wahre, weil (natur-)wissenschaftliche Medizin zu vertreten. Der „Praktiker“ mit seiner sozialen Kompetenz und großen Erfahrung empfand sich zurückgesetzt. Gegen solches Den- ken, das auch heute noch weit ver- breitet ist, hilft nur allgemeinärztli- ches Selbstbewusstsein: Der All- gemeinarzt übt einen schönen, menschlich anspruchsvollen, hoch geschätzten Beruf aus. Ob mit oder ohne Fusion. Aber die diente ja auch der berufspolitischen Befrie- dung. Norbert Jachertz
Hausarzt
Synergie-Effekte
Das Percussion Projekt Rostock am Werk, nicht nur mit dem Säbeltanz, sondern wie hier mit Drumcorps on the march.