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Ueber das Alter der Rasikasamjivini des Königs
Arjunavarman.
Von tt. Btthler.
In der Einleitung zu seiner fleissig gearbeiteten Ausgabe des
Amarusataka (Kiel, Haeseler, 1893) macht Dr. K. Simon, p. 24 f.,
folgende Bemerkungen über Arjunavarman, den ältesten Commen¬
tator seiner III. Itecension:
„Ersterer [Arjunavarman] gibt von sich an, er sei der Sohn
eines Subhatavarman und stamme aus dem Oeschlechte eines Bhoja.
Die Annahme der Herausgeber des Amaru9ataka [in der Kävyamälä],
dass dies das Geschlecht der Bhojas von Mälava sei, deren Ahnherr
bei dem Tode seines Onkels Munja im Jahre 996 (994) zur Re¬
giemng kam, ist durch nichts begründet und vnirde den Commen¬
tator in ein bedenklich hohes Alter setzen. Als seinen Lehrer
nennt Arjunavarmadeva in V. 1 seines Commentares Madana
,Bäla8arasvatyaparanämnä' und citirt an vier Stellen je einen Vers
von ihm. BälasarasvatI ist nach G. Oppert, Catalogue of Sanskrit
MSS. I, No. 5444, 5589, 6391 Verfasser eines sog. Bälasaras-
vattyakävya."
In der Note 1 zu dieser Stelle (p. 25) heisst es femer: „Nach
den Herausgebem der Kävyamälä lebte Bhoja allerdings erst im
13. Jahrhundert."
In seiner Polemik gegen die Herren Durgäprasäd und Ka^fnäth
P. Parab ist Dr. Simon nicht glücklich. Er legt ihnen unrichtige
Angaben zur Last , die sie nicht gemacht haben , bestreitet ihre
vollständig richtigen Behauptungen und zeigt zugleich, dass er mit
den Residtaten der neueren Forschungen über die Geschichte von
Mälvä nicht vertraut ist.
Die beiden indischen Herausgeber des Sataka behaupten durchaus nicht, wie Dr. Simon meint
1) dass es „ein Geschlecht der Bhqfas von Mälava" gegeben
habe, „deren Ahnherr bei dem Tode seines Onkels Mufija . . . zur
Regierung kam",
noch 2), dass Bhoja erst im 13. Jahrhunderte lebte.
Nach der Aufzählung der Commentare und ihrer Verfasser
Bühler, Deis Alter der Rasikasamjivini des Königs Arjunavarman. 93
sagen sie, p. 2, Z. 4 ff., ganz richtig: TmT^irT^t^: ^HfW^
"T^nrrf^rt^^rf^r'i^'^^ ^ifl4^*j<i*nf^r(i dt^dil^v
mw^^: ^rraTTwrat ? %% *iri(<ti-H<0<<<i*'MT<m vr-
fW ^«HTW «IR^'«, t^fliTT^ f^rf^RrfiTf?T H^«!««^-
*ii<n<siai<i*ii^ivr^»i<i4 ^^t^(sic) f^TiR;.
„Unter diesen [Commentatoren] war Arjunavarmadeva ein Nach¬
komme des wohlbekannten Herrschers von Mälava, des Königs
Bhoja, und ein Sohn des Subhatavarman; dies erföhrt man aus den
Versen im Anfange des von ihm verfassten Commentares und aus
der Schenkungsurkunde, die in der Kävyamälä als drittes Stück
der Inschriftensammlung gedruckt ist. Da die Schenkungsurkunde
im Vikrama-Jahre 1272 geschrieben wurde, so ist es ganz klar,
dass Arjunavarman in der ersten Hälfte des 13. Jahr¬
hunderts der christlichen Aera lebte."
Wer die Inschrift nachsieht, auf welche sich die beiden Indei:
berufen, wird finden, dass ihr Urheber, der Paramärakönig Arjuna¬
varman von Mälvä, den König Bhoja an die Spitze seiner Vorfahren
stellt und Subhatavarman als seinen Vater nennt. Anf diese An¬
gaben, weicbe in zwei andern Urkunden Arjunavarmans (siehe Kielhom,
Ind. Ant. XIX, p. 346), wiederholt werden, kann man allerdings
die Annahme gründen, dass der königliche Commentator Arjuna¬
varman, „der Sohn des Königs Subhatavarman und die Leuchte
des Geschlechtes des Bhoja" (Rasikasamjivini, Vers 4), mit dem
gleichnamigen Paramära von Mälvä identisch ist. Man kann aber
die Richtigkeit dieser Annahme durch folgende zwei Puncte un¬
widerleglich beweisen.
Erstlich wird in der Rasikasamjivini zu Vers 22 (p. 23, Z. 6— 7
Kävyamälä, worauf Professor Zachariae mich aufmerksam gemacht
hat) mit Bezug auf den Vers ^7% ISf^rRtTl«lgesagt: ^I^-
W5^NRf ^w^fTnrnrRTTwt ii
„Wie (in dem Verse) meines Vorfahren, Sr. Majestät
(des Königs) Munja, dessen zweiter Namen Väkpatiräja ist."
Hier behauptet also der Commentator Arjunavarman, dass er
ein Nachkomme des Onkels des berühmten Bhoja von Dhär sei.
Mit Bezug auf den letzteren ist jedoch zu bemerken, dass derselbe
nicht, wie Dr. Simon meint, im Jahre 994 oder 996 p. Chr.')
nach dem Tode Mufijas den Thron bestieg.
Das Navasähasänkacharita des Padmagupta, welcher der Hof¬
dichter Munjas und seines Nachfolgers war, belehrt uns, dass Bhojas
Vater , Sindhuräja , nach Munjas Tode König wurde , und es ist
1) Munjas Todesjahr ist bis jetzt unbeltannt, liegt aber zwischen den Jahren 994 uud 997 p. Chr.
94 Bühler, Das Alter der Rasikasamjivini des Königs Arjunavarman.
sehr wahrschemlich, dass Sindhuräja noch im ersten Jahrzehnte des
elften Jahrhunderts auf dem Throne sass.')
Ohschon die eigene Angabe des Commentators über seine
Abstammung allen vernünftigen Anforderungen genügt, so mag
auch noch der zweite Punct erwähnt werden, der seine Verbindung
mit Mälvä beweist. Dies ist der Umstand, dass der Verfasser der
Rasikasamjivini den Dichter Madana , genannt Bälasarasvati , als
seinen Lehrer nennt. Denn Asädhara, ein frommer Jaina-Schriftsteller
und Dichter, der gegen das Ende des 12. Jahrhunderts aus Raj¬
putänä nach Dhär auswanderte , berichtet -), dass er in letzterer
Stadt den grossen Dichter Väla- d. h. Bäla-SarasvatI -Madana
in der Dichtkunst unterwies. Derselbe Asädhara erzählt auch, dass
sein Sohn Chhähada ein Günstling des Königs Arjunavarman von
Dhär wurde. Ob dieser Madana-BälasarasvatI , wie Dr. Simon
meint, der Verfasser des von Professor Oppert aufgeführten Bäla-
sarasvatlyakävya ist, lässt sich nicht ohne Weiteres entscheiden.
Denn Bälasarasvati ist ein Biruda, welches auch andere Dichter als
Madana, z. B. Asadas Sohn Räjada '), geführt haben.
Die Zeit, zu welcher Arjuna die Rasikasarnjivini verfasste,
lässt sich noch etwas genauer bestimmen als die beiden indischen
Gelehrten gethan haben. Arjunavarman muss bald nach dem Datum
seiner spätesten Inschrift, dem Vikrama-Jahre 1272, gestorben oder
entthront sein. Denn nach der Harsaudä-Inschrift '') herrschte im
Vikrama-Jahre 1275 oder 1218 p. Chr. der König Devapäla, der
ebenso wie sein Sohn Jaitugi auch von Asädhara (Bhändärkar op. cit.
p. 105) genannt wird, über Dhär und Mälvä. Die Rasikasamjivini
wurde somit vor dem Ende des zweiten Decenuiums des 13. Jahr¬
hunderts geschrieben und sie ist wahrscheinlich bedeutend älter als
die übrigen Commentare des Amarusataka. Da Arjunavarmans
Arbeit, wie Pandit Durgäprasäd bemerkt, eine vorzügliche ist, und
da es, wie Dr. Simon auf p. 28—42 seiner Einleitung ausführlich
darthut, nicht wohl möglich ist, feste kritische Principien für die
Reconstmction des Textes aufzufinden, so bätte ohne Zweifel, trotz
aller Rücksicht auf „praktische Gesichtspunkte" (p. 3), die durch
den ältesten Commentator beglaubigte Recension III an erste Stelle
gestellt werden müssen.
Dies ist eine Nutzanwendung, die ich aus meinen Bemerkungen
entnommen sehen möchte. Noch mehr würde es mich freuen,
wenn dieselben dazu beitrügen, die Aufmerksamkeit der jüngeren
Generation der Collegen auf die indische Geschichte zu lenken und
die Ueberzeugung hervorzurufen, dass es heut zu Tage nicht rathsam
1) Siehe Epigraphia Indica I, p. 228 ff.
2) Bhändärlcar, Report 1883/84, p. 104. In Folge eines Versehens heisst es dort „the great poet, Välasarasvati and Madana."
3) Peterson, Third Report App. p. 102, Verse 12. Zu derselben Classe von Birudas gehört Sriharshas Ehrentitel Narabhärati.
4) Siehe Prof. Kielhorns Artikel, Indian Antiquary, XX, p. 310 f.
Biihler, Das Alter der Rasikasamjivini des Königs Arjunavarman. 95
ist, ohne ein eingehendes Studium derselben über classisches Sanskrit
zu schreiben, oder gegen die Tüchtigeren unter den modernen
indischen Gelehrten zu polemisiren, welche die authentischen Quellen
der Geschichte ihres Vaterlandes eifrig studiren. Das Studium der
indischen Inschriften , welche hier zunächst in Betracht kommen,
bietet jetzt keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Jeder Sanskritist
kann die älteren Formen der indischen Buchstaben mit Hilfe der
vielen genauen pnblicirten Facsimile und deren Umschriften leicht
erlernen. Zum Verständnisse der Texte ist nur eine tüchtige
Kenntniss des Kävjra und Alamkära nothwendig, welche durch die
ohnehin sehr empfehlenswerthe wiederholte Lectüre des Kirätärjuniya,
des Sisupälavadha, der Kädambari u. s. w. erworben werden kann.
Die weitere Verwerthung und die eigentliche historische Inter¬
pretation der Documente erfordert kaum eine grössere Anstrengung als ähnliche Arbeiten auf andern Gebieten der Geschichtsforschung.
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Bemerkungen zu den aramäischen Inschriften von
SendschirU. ^)
Von Theodor Möldeke.
Nachdem durch immer neue Funde und Entzifferungen die
alten Culturländer am Nil und am Tigris in das helle Licht ur¬
kundlicher Geschichte getreten sind, scheint jetzt die Reihe an Syrien
zu kommen. Aegyptische Entdeckungen haben uns über dessen alte
Geschichte manches neue gelehrt , freilich aher auch viele Räthsel aufgegeben. Die Entzifferung der „hethitischen" Hieroglyphen ist
in Angriff genommen. Und durch den rühmlichen Eifer des Ber¬
liner Orient-Comitös sind jetzt aus dem Boden Nordsyriens weitere
Monumente zu Tage gefördert, die uns imbekannte Staats- und
Völkerverhältnisse enthüllen, aber wiederum so viel räthselhaftes
enthalten, dass der, welcher sie untersucht, beständig zwischen
Freude und Enttäuschung schwankt. Das beruht grösstentheils auf
der argen Zerstörung, welche die beiden grossen, vor mehr als 2'/^
Jahrtausend umgestürzten, aramäischen Inschriften erlitten haben,
aber ich glaube, dass uns auch dann, wenn sie unversehrt wären,
manches in ihnen dunkel sein würde , sowohl in den Ausdrücken
wie im Sachlichen. Was wir jetzt haben, bedarf durchaus der Auf¬
hellung durch neue Funde. Nur ungefthr ein Dritttheil des Schutt¬
hügels von Sendscbirli ^) ist durchsucht; der noch unberührte Rest
schliesst wahrscheinlich weitere künstlerisch wie inschriftlich hoch¬
wichtige Denkmäler in sich. Und die Hunderte und Tausende von
Tell's, die sich nach Luschan über die nordsyrische Ebene hinziehen,
werden im Lauf der Zeit gewiss noch reiche Ausbeute geben ').
Es ist dringend zu wünschen, dass das Orient-Comitö
zunächst dafür sorge, dass die Ausgrabungen in Sen¬
dscbirli fortgesetzt und vollendet werden!
1) Königliche Museen in Berlin. Mittheilungen aus den orientalischen Sammlungen. Heft XI. Ausgrabungen in SendschirU I. Einleitung und In¬
schriften. Berlin 1893. (84 S. gr.-4''; 1 Karte, 8 Tafeln).
2) _>JjA>-U;.
3) NamentUcb auch für Entzifferung jener Hieroglyphen.