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Ein kürzlich entdecktes Edikt des Königs Asöka.
Von
£. Hultzsch.
Meinem Freunde Prof. Konow verdanke ich die Übersendung
eines im vorigen Jahre erschienenen Heftes: .Hyderabad Archaeo¬
logical Series. No. I. The New Asokan Edict of Maski. Printed
at the Baptist Mission Press, Calcutta". Während in Europa der
Weltkrieg tobte, entdeckte ein Goldsucher, Mr. C. Beadon , am 6
27. Januar (Kaisers Geburtstag) 1915 bei Maski in der Lingsugur-
Taluk des Raichur-Distrikts einen Felsblock mit einer Inschrift, die
sich als ein Edikt des königlichen Friedensapostels Asöka entpuppte.
Das mir vorliegende Heft enthält zwei Photographieen der Inschrift,
ein Faksimile, sowie eine sorgtältige ümschrift und Übersetzung lo
von der Hand meines früheren Assistenten Rao Sahib H. Krishna
Sastri.
Von besonderem Interesse ist es, daß König Devänämpriya hier
sein Inkognit-i lüftet und sich des bisher nur aus der buddhistischen
Literatur unu den Puränas bekannten Namens Asöka bedient. Im i5
Übrigen erinnert der Inhalt an die bekannten Edikte von Rüpnäth,
Sahasräm, Bairät und Siddäpura. Eine bemerkenswerte Variante
liefert Zeile 2. Während andere Inschriften berichten, daß Asöka
vor seinem Beitritt zum Samgka ein Upäsaka wurde, ist letzteres
Wort nach meiner Lesung hier durch Bu[dhä]-Saka (in Sanskrit üo
Buddha-Säkya)^) ersetzt. Dieser Ausdruck wirft neues Licht auf
eine bisher zweifelhafte Stelle der Rüpnäth-Inschrift. Es ist dort
statt ya sumipäkä [savd]ke (Bühler) zu lesen ^ ya suvii prakäsa^)
[(Sa]Ä;[e] (in Sanskrit: yad asmi prakäSam Säkyah).
Krishna Sastri hat wahrscheinlich Recht mit der Vermutung, 26
daß die in der Öiddäpura-Inschrift erwähnte Provinzial-Hauptstadt
Suvarnagiri (d. h. „Goldberg') in dem Goldlande von Maski zu
suchen ist. In Constable's Hand-Atlas of India findet sich ein
1) Varähamihira braucht den Geschlechtsnamen Säkya in der Bedeutung
„ein buddhistischer Mönch"; s. das Petersburger Wörterbuch, s. v. Der Religions¬
stifter Budhe Sakijamurü wird von Asöka auf der Rummindei-Säule erwähnt.
2) In pra sieht r wie ä aus. Vgl. das r in mitra (GirnSr, III, Z. 4) und [p]rajä (GirnSr, V, Z. 7).
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540 Hultzsch, Ein kürzlich entdecktes Edikt des Königs Aäöka.
Ort jKanakgiri' südlich von „Muski" (= Maski) und nördlich von den
Ruinen von Vijayanagara. Da Kanakagiri ein Synonym von
Suvarnagiri ist, sind vielleicht die beiden Orte identisch.
Da Krishna Sastri's Bericht während des Krieges wenigen Fach-
5 genossen zugänglich sein dürfte , gebe ich im Folgenden eine Um¬
schrift und Übersetzung des Maski-Edikts auf Grund des vorliegen¬
den Materials. Ein guter Abklatsch würde vielleicht einige weitere
Verbesserungen des Textes ermöglichen.
Umschrift.
10 1 (A) Devana{m]piya8a A8ok{a]sa (B) [a](iA[a]-
tii]-
2 ..[«/]!) vashalni]''') am sum[i'\ Bu[dha]-j^ake^) (C)
.. [t]tre[ke] *)
3 ..[m]i^) [s]amgha[m] u[pa]gate [bä] m[e]*) u[pa]gate
16 (D) pure Jambu-
4 .... s[i'] ').... [devä husu] te [dä'\n[i'] misibhütä (E) iga a[tke khu\da-
5 ke['na pi~\ *) dhamMyute[nä] sake adhigatave (F) na hevarrt
dakhitaviye [udä]-
20 6 lake va ima adhigachh[e]yä ti (G) khu[dak]e [cha ud]älake
cha vata-
7 viyä hevam ve kalarntam bha[dak'\e (H) [se] *) *[* ]^[«]
cha va[dhi]-
8 siti chä diya[dhi]yain^^) ^^)
»5 Übersetzung.
(A) (Ein Edikt) des Devänärnpriya Asoka.
(Bj zwei und ein halbes Jahr , seit ich ein Buddhist
{Buddha-Säkya) bin.
(C) nebst einem Überschuß, [seit] ich dem Orden (Samgha)
so beigetreten bin und völlig beigetreten bin.
1) Ergänze adhatiyäni.
1) vasüni K. S., der hiernach [ya]m einschaltet.
3) bum[pS\sake K. S.
4) Ergänze sätireke.
5) Ergänze sumi.
6) Ergänze bärlham cha sunn.
7) Ergänze Jambudipasi.
8) h[i] K. S.
9) \the ti] K. S.
10) Ergänze chilathitike.
11) diyadhiya K. S.
12) h{e\sati K. S.
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Hultzsch, Ein kürzlich entdecktes Edikt des Königs Aiöka. 541
(D) Diejenigen Götter, [welche] früher in Indien {Jambudvipa)
waren, sind jetzt (mit dem Volke) vermischt worden ^).
(E) Dieses Ziel kann selbst von einem Niederen erreicht werden,
der Moralität {Dharma) übt^).
(P) Man soll nicht meinen, daß nur ein Edler dies erreichen kann. 5
(G) Sowohl dem Edlen als dem Niederen soll gesagt werden : „Wenn
Ihr so handelt*), (wird) Euch das Heil".
(H) Dies von langer Dauer und wird zum Anderthalb¬
fachen gesteigert werden *).
1) tJber die mutmaßliclie Bedeutung dieses Satzes s. JRAS., 1913, p. 652 f.
2) Das SahasrSm-Edikt liest hierfür: „der eifrig ist" (palakamamina).
3) kalarntam ist nom. sing, absolutus des partie. praes. von kri. Vgl.
z. B. das Dhauli-Separat-Edikt II , Z. 9: hevam oha kalarntam tuphe svagam älädha[yi ]satha.
4) vadhisiti ist wahrscheinlich fut. pass, des Kausativs (= Sanskrit *var- dhyishyati). Vgl. das Delhi-Säulen-Edikt I , Z. 6 {vadhitä vadhlsati chevä).
Zeitschrift der D. M. O. Bd. 70 (1916). 35
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Zur Priorität des „Apocopatus".
Von Martin Sprengling:.
In seinen grundlegenden üntersuchungen zur semitischen Tempus¬
lehre (BAss. VIII, 1—53 und diese Zeitschr. 66, 106 ff. und 68,
365 ff.) geht Hans Bauer aus von der Annahme, daß der Aorist
(Imperfektum) älter ist als der Nominalstamm (Perfektum) und daß
6 die ursprüngliche Porm des Aorist in dem sogenannten Apocopatus
oder Jussiv zu suchen ist , nicht im Indikativ oder sonstwo. Die
Darlegungen Bauer's sind löblich kurz und prägnant gehalten.
Bei dieser Kürze aber und der Neuheit von B a u e r 's Aufstellungen
darf es kaum Wunder nehmen , daß nicht alle Gründe und Tat-
10 Sachen , die für und wider eine solche Annahme sprechen, Berück¬
sichtigung gefunden haben; Bauer selbst hat das sicherlich nicht
beabsichtigt. Die Einarbeitung nun der Bauer'sehen Hypothese
in das Gewebe der semitischen Sprachwissenschaft und die Um¬
arbeitung der Darstellung dieser Wissenschaft im allgemeinen und
iB in ihren Einzelgebieten mit diesem Einschlag wird nicht wenig Zeit
in Anspruch nehmen. Mittlerweile dürfte zunächst auch diese und
jene Einzelbeobachtung nach dieser Richtung hin nicht eben unwill¬
kommen sein. Eine solche Einzelbeobachtung möchten folgende
Zeilen den für diese Frage sich interessierenden Lesern dieser Zeit- 20 schrift zur Beurteilung vorlegen.
Die Schwierigkeiten, welche sich unter den früheren Voraus¬
setzungen bei Barth's Nachweis (diese Zeitschr. 43, 185ff.), daß
das Verschwinden einer großen Anzahl von i-Imperfekten aus dem
Hebräischen durch die AVirkung des Philippi'sehen Lautgesetzes
25 zu erklären sei , ergeben , sind wohl kaum anderswo so kurz und
scharf formuliert als bei Brockelmann, Kurzgef. vergl. Grammatik,
S 20 e, Anm. 1 (= Grundriß I, § 52 h ß fin.) : ,Wenn in der großen
Mehrzahl der ursprünglichen j-Imperfekte i jetzt durch a ersetzt
ist ... ., so hat hier die Jussivform, die schon ursprünglich vokal-
80 los schloß, den alten Indikativ verdrängt". Warum aber gerade
hier der doch nicht eben häufig vorkommende Jussiv den Indikativ
verdrängt haben soll, bleibt unerklärt; unter den von Barth (a. a. 0.)
angeführten Beispielen sind es doch die wenigsten, von denen man