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2.1 Oberfl ¨achenspannung

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2 Oberfl ¨achen

Gott erschuf den Festk¨orper - der Teufel die Oberfl¨ache.

Wolfgang Pauli

Vermutlich kenne wir alle die Insekten, die auf der Wasseroberfl¨ache gehen k¨onnen (Abb. 2.1) oder hat beobachtet, wie die Haare eines Pinsels nach dem Benetzen mit Wasser aneinander haften. Die Grundlage dieser und vieler weiterer Ph¨anomene sind die Ober- fl¨achenspannung und der Kontaktwinkel, zwei eng verwandte Eigenschaften1.

Sowohl Oberfl¨achenspannung als auch Kontaktwinkel sind Eigenschaften, die sich aus all- gemeinen Materialeigenschaften ableiten lassen, nur daß diese in der N¨ahe von Oberfl¨achen andere Ergebnisse zeitigen, als im inneren einer Phase da sie auf molekularen Wech- selwirkungen kurzer Reichweite basieren: Zum Beispiel ist Wasser bekannt daf¨ur, viele Wasserstoff-Br¨uckenbundungen auszubilden, weshalb es ja auch trotz seines geringen Mo- lekulargewichts bei Raumtemperatur fl¨ussig ist. Direkt an der Oberfl¨ache sind aber keine benachbarten Molek¨ule da, zu denen Wasserstoffbr¨ucken ausgebildet werden k¨onnen, wes- halb sich einige “Bindungen” nicht ausbilden k¨onnen. Da das energetisch ung¨unstig ist, versucht das Wasser die Anzahl der nicht ausgebildeten Bindungen zu minimieren. Und dies wird dadurch erreicht, daß die Wasseroberfl¨ache m¨oglichst klein gehalten wird.

Einzelne Haare eines Pinsels die mit Wasser benetzt sind bildeten also eine sehr große Oberfl¨ache, wenn sie aber aneinander haften ist die Oberfl¨ache gering. Genauso wird die Oberfl¨ache durch die leicht einsinkenden aber wasserabstoßenden Beine des Wasserl¨aufers vergr¨oßert, wenn das ganze Insekt unterginge w¨are die energetisch ung¨unstige Grenzfl¨ache aber noch bedeutend gr¨oßer.

Zwar sind Wasserl¨aufer und Aquarellmaler wahrscheinlich anderer Meinung, es gibt aber noch viele andere bedeutende Anwendungen der Oberfl¨achenspannung und des Kontakt- winkels: Technologisch ist z.B. die Herstellung d¨unner Filme von großer Bedeutung, sei es, daß sie als Schutzschicht dienen sollen, sei es, daß sie in elektronischen Bauteilen Ver- wendung finden sollten. In all diesen F¨allen ist es essentiell, ob sich der Film gleichm¨aßig

1Die Oberfl¨achenspannung ist eine Eigenschaft der Grenzfl¨ache zwischenzweiPhasen, der Kontaktwinkel be- schreibt die Kante an der sichdreiPhasen treffen.

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Abbildung 2.1: Wasserl¨aufer (Gerris lacustris, http://www.natur-lexikon.com/).

verteilt, oder ob er in kleine Tr¨opfchen zerf¨allt. Und auch die Art, wie sehr eine Oberfl¨ache verschmutzt und wie oft sie gereinigt werden muß h¨angt entscheidend vom Kontaktwinkel ab (Kap. 2.3.1).

2.1 Oberfl ¨achenspannung

2.1.1 Grundlagen

Die Oberfl¨achenspannungγf¨uhrt zu einer Kraft, die entlang der Oberfl¨ache wirkt und zwar so daß die Oberfl¨ache minimiert wird. Um sie zu verstehen machen wir ein Gedankenexperi- ment mit einem Drahtbogen in dem sich ein Fl¨ussigkeitsfilm befindet (Fig. 2.2). Das offene Ende des Bogens wird mit einem verschiebbaren Drahte der L¨angelgeschlossen und nun w¨urde die Oberfl¨achenspannung dazu f¨uhren, daß sich der Film zusammenzieht und damit der Schieber nach oben gezogen w¨urde. Dagegen wenden wir eine KraftF auf. Das gan- ze Bild entspricht in etwa einem zweidimensionalen Kolben, wie er in themodynamischen Diskussionen gerne verwendet wird.

Die Kraft wird an der ganzen Kante des Films wirken und somit proportional zul sein.

Wenn wir dann noch ber¨ucksichtigen, daß unser Film zwei Seiten hat, so erhalten wir

γ=F/(2l) (2.1)

Die Oberfl¨achenspannung ist also eine Kraft pro L¨ange mit der Einheit N/m.

Erh¨ohen wir die Kraft, sodaß wir den Schieber um eine Streckedxbewegen, so vergr¨oßern wir die Oberfl¨ache umdA = 2ldx. Wir haben dann aber eine Kraft l¨angs eines Weges

Oberflächenspannung

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2 Oberfl¨achen

Abbildung 2.2: Ein Drahtbogen in dem sich ein Fl¨ussigkeitsfilm befindet. Mit einem ver- schiebbaren Draht kann dieser mit einer KraftFgestreckt werden.

Tabelle 2.1: Oberfl¨achenspannung einiger Fl¨ussigkeiten bei 20C

Substanz γ[mJ m−2] Substanz γ[mJ m−2] Substanz γ[mJ m−2]

n-Hexan 18.4 Benzol 29.0 n-Octan 21.8

Ethyl-ether 17.0 CHCl3 28.5 CCl4 26.9

m-Xylol 28.9 Toluol 28.5 1,2-Dichlorethan 32.2

CS2 32.3 Wasser 72.8 Quecksilber 484

angewandt, n¨amlichF dx und das entspricht einer Arbeit f¨ur die Energie ben¨otigt wird.

Diese Arbeitdw0ist also

dw0 =F dx=γ2ldx=γdA (2.2) undγkann als die Arbeit pro Fl¨acheneinheit gesehen werden, die ben¨otigt wird, um neue Oberfl¨ache zu generieren. Die dazugeh¨orende Einheit ist alsoJ/m2. Diese Interpretati- on ist gleichwertig mit der oben angef¨uhrten. Einige Beispiele, um ein Gef¨uhl f¨ur die Gr¨oßenordnung der Oberfl¨achenspannung zu erhalten, sind in Tabelle 2.1 angegeben.

Um thermodynamisch konsistent zu sein, ist es besser, nicht die Arbeit zu verwenden, die wir aufwenden m¨ussen, um den Film zu strecken, sondern die, die das System selbst ausf¨uhrt, n¨amlichdw=−dw0. Man kann dann zeigen, daß−dw=dG=γdA, womit wir eine sch¨one Verbindung zur freien Enthalpie haben2.

2Der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt jadE=∂q∂w, wobei∂qdie absorbierte W¨arme ist und

∂wdie Arbeit.∂wkann wieder in einen Druck-Volumen und einen nicht-Druck-Volumen Anteil aufgetrennt werden als∂w=pdV +∂wnon−pV. Die Arbeit in Gl. 2.2 f¨allt in die zweite Kategorie. Wenn wir noch den Zusammenhang aus dem zweiten Hauptsatz∂q=T dSf¨ur reversible Prozesse verwenden, so k¨onnen wir die Endergie¨anderung alsdE=T dS−pdV−∂wnon−pV anschreiben. Da die freie EnthalpieG=HT S= E+pVT Sist und ihre Ableitung alsodG=T dSpdV∂wnon−pV+pdV+V dpT dSSdT gilt f¨ur konstante Temperatur und konstanten DruckdG=−∂wnon−pV.

Arbeit

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Abbildung 2.3: ¨Anderung der Oberfl¨ache einer gekr¨ummten Oberfl¨ache.

2.1.2 Gekr ¨ummte Oberfl ¨achen

Wir haben soeben gesehen, wie die Oberfl¨achenspannung mit der Energie- und der Ober- fl¨achen¨anderung zusammen h¨angt. Da viele interessante Strukturen aber nicht nur aus pla- naren Filmen aufgebaut sind, ist das Verst¨andnis des Einflusses von Kr¨ummung auf die Oberfl¨achenspannung essentiell.

Beginnen wir unsere Diskussion mit einer Oberfl¨acheABCD(Abb. 2.3), die gekr¨ummt ist.

Da die Kr¨ummung nicht unbedingt in alle Richtungen gleich ist nehmen wir zur Beschrei- bung zwei Kr¨ummungsradienR1undR2. Die Seitenl¨angen der Oberfl¨ache seienxundy.

Wenn wir jetzt einen Druck aus¨uben, so wird die Oberfl¨ache etwas anschwellen und die Seitenl¨angenx+dxundy+dyhaben. Die ¨Anderung in der Oberfl¨achedAist also

dA= (x+dx)(y+dy)−xy=xdy+ydx+dxdy≈xdy+ydx (2.3) Wie sich die Oberfl¨achen¨anderung auf die Energie auswirkt, haben wir schon in Gl. 2.2 kennengelernt und k¨onnen also zusammenfassen

∆G=γ(xdy+ydx) (2.4)

Bekanntlich ist auch Arbeit Kraft l¨angs eines Weges. Die Kraft ist hier der Druckunterschied mal der Fl¨ache, und die Oberfl¨ache wird um den Wegdzverschoben. Wir erhalten also einen Ausdruck, den wir mit 2.4 gleichsetzen k¨onnen3:

dw0 = ∆pxydz=γ(xdy+ydx) (2.5) Wenn wir jetzt den geometrischen Zusammenhangx=R1αund(x+dx) = (R1+dz)α verwenden k¨onnen wirxund(x+dx)in Beziehung setzen

x+dx R1+dz = x

R1 dx xdz = 1

R1 (2.6)

3Wegen des Vorzeichens: Das ist eine Druck-Volumsarbeit, die wir aus¨uben, da wir die Oberfl¨ache vergr¨oßern.

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2 Oberfl¨achen

Nat¨urlich kann ein vergleichbarer Zusammenhang zwischen1/R2unddy/(ydy)gefunden werden. Wenn wir diese nun in Gleichung 2.5 einsetzten, so erhalten wir eine Beziehung zwischen∆p,R1,R2undγ

∆p=γ µ 1

R1 + 1 R2

(2.7) Dieses Ergebnis ist als “Young-Laplace” oder nur “Laplace” Gleichung bekannt4.

Wenden wir uns kurz der Bedeutung dieser Gleichung und der verschiedenen Radien zu.

Da wir keine Einschr¨ankungen ¨uber die genaue Lage der gekr¨ummten Oberfl¨ache gemacht haben k¨onnen wir festhalten, daß die Laplace-Gleichung universell g¨ultig ist und sowohl f¨ur K¨orper gilt, deren Kr¨ummung stets gleichm¨aßig ist, wie auch f¨ur solche, wo sich die Kr¨ummung von Ort zu Ort ¨andert. Einige Kr¨ummungs-Geometrien f¨uhren auch noch zu besonders wichtigen Sonderf¨allen:

F¨ur eine Kugel istR1=R2=Rund somit∆p= 2γ/R.

Ein Zylinder hat eine Oberfl¨ache mitR1 → ∞, w¨ahrendR2seinen Radius angibt.

Wir erhalten also∆p=γ/R2

Eine ebene Oberfl¨ache kann durch R1 = R2 → ∞ beschrieben werden, weshalb

∆p= 0

Wenn eine Oberfl¨ache lokal sattelf¨ormig ist, so liegen die beiden Mittelpunkte der Kr¨ummung auf unterschiedlichen Seiten der Fl¨ache. Dann haben sie unterschiedliche Vor- zeichen und es kann vorkommen, daß die Druckdifferenz auch in solchen F¨allen 0 ist.

2.1.3 Gleichgewichte und Nukleation

Bis jetzt haben wir abgeleitet, wie stark der Druckunterschied aufgrund einer gekr¨ummten Oberfl¨ache ist. Dieser Druckunterschied f¨uhrt dazu, daß sich die Substanzen etwas anders verhalten als sonst. Nehmen wir zum Beispiel Fl¨ussigkeitstr¨opfchen die im Gleichgewichte mit dem Dampf stehen. Der ¨ubliche Dampfdruckp0wird durch die gekr¨ummte Oberfl¨ache um∆perh¨oht. Die freie Enthalpie f¨ur die Erh¨ohung des Druckes in der Fl¨ussigkeit ist dabei laut Thermodynamik

∆G=

Z p0+∆p

p0

V¯Ldp= ¯VL∆p=2 ¯VLγ

R (2.8)

wobeiV¯Ldas molare Volumen der Fl¨ussigkeit ist. F¨ur ein ideales Gas giltV¯ =RT /pund die freie Enthalpie ist

∆G=RTln

µp0+ ∆p p0

=RTln µp

p0

(2.9)

4Young leitete sie 1805 ab, da er aber mathematische Ausdr¨ucke vermied wurde seine L¨osung des Problems von anderen nicht erkannt. Laplace ver¨offentliche 1806 die erste algebraische Version unabh¨angig von Young im Anhange eines zehnb¨andigen Werkes ¨uber Astronomie.

Erhöhung des Dampfdrucks um delta-p

aufgrund der Krümmung der Oberfläche

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Abbildung 2.4: Ostwald-Reifung von Succinonitril Kristallen in einem d¨unnen Film (Kri- chevsky & Stavans (1993)Phys. Rev. Lett.70, 1473).

Wenn Dampf und Fl¨ussigkeit im Gleichgewichte sind so gilt RTln

µ p p0

= 2 ¯VLγ

Rs (2.10)

Dies ist die sogenannte “Kelvin”-Gleichung, die es uns erm¨oglicht, nicht nur den Druckun- terschied ¨uber eine Grenzfl¨ache zu berechnen sondern den Druck ¨uber einer Oberfl¨ache.

Wieder einmal ist die Gleichung nicht nur auf Tr¨opfchen anwendbar. Wir m¨ussen uns nur merken, daß der Radius, den wir in unserer Ableitung verwendet haben in der Fl¨ussigkeit gemessen wurde. Wenn wir also Gasbl¨aschen in Wasser betrachten gilt das gleiche Gesetz, wir m¨ussen nur ein Minuszeichen in Gleichung 2.10 einf¨ugen.

Was sind die Folgen die wir ableiten k¨onnen? Wenn wir die Gr¨oßep/p0 f¨ur verschiedene Teilchengr¨oßen berechnen, so erhalten wir 1.00 f¨ur 1µm Wassertr¨opfchen bei 20C, 1.02 f¨ur 100 nm Tr¨opfchen, 1.11 f¨ur 10 nm und 2.94 f¨ur 1 nm Tr¨opfchen. Wir sehen also, daß der Effekt der Oberfl¨achenkr¨ummung f¨ur Teilchen im Mikrometer-Bereich unwichtig ist, Nanoteilchen aber stark betroffen sind.

Was wir ¨uber den Dampfdruck bei verscheidenen Tr¨opfchengr¨oßen ausgesagt haben hat noch eine weitere wichtige Konsequenz: Nehmen wir an, wir haben einen Nebel aus vie- len kleinen Tr¨opfchen gleicher Gr¨oße im Gleichgewicht mit dem sie umgebenden Dampf.

Einzelne Molek¨ule werden stets zwischen Fl¨ussigkeit und Gasphase ausgetauscht und da- bei ¨andert sich der Radius der einzelnen Tr¨opfchen geringf¨ugig. Wenn also ein Molek¨ul ein Tr¨opfchen verl¨aßt, so wird das Tr¨opfchen kleiner und sein Gleichgewichts-Dampfdruck steigt, wodurch weitere Molek¨ule dieses Tr¨opfchen bevorzugt verlassen. Andererseits f¨uhrt Kondensation eines Molek¨uls zu einem Zuwachs des Radius und zu einem vermindertem Gleichgewichts-Dampfdruck. Es werden also einige Tr¨opfchen immer kleiner bis sie sich v¨ollig aufl¨osen, andere Tr¨opfchen werden jedoch wachsen.

Es ist ¨ubrigens auch m¨oglich, ¨ahnliche Gleichungen f¨ur nicht mischbare Fl¨ussigkeiten oder f¨ur Festk¨orper in Fl¨ussigkeiten abzuleiten. Auch dort kann man beobachten, daß große Kri- stalle oder Emulsionstr¨opfchen auf Kosten der kleineren wachsen, ein Vorgang, der als “Ost- wald Reifung” bekannt ist (Abb.2.4).

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2 Oberfl¨achen

Ein kleines Problem bleibt noch zu kl¨aren: Wenn wir konsequent Gleichung 2.10 anwenden, so erhalten wir f¨ur einen Radius, der sich 0 n¨ahert einen nach unendlich strebenden Dampf- druck. Das hieße aber, daß wir ein Gas nie verfl¨ussigen k¨onnten, da ja der Dampfdruck des ersten sich bildenenden Tr¨opfchens so gewaltig w¨are, daß es sofort wieder zerfiele. Es lohnt sich deshalb, folgende kurze ¨Uberlegung anzustellen: Unser Gas besteht aus Molek¨ulen, die sich manchmal treffen und die, sobald es ¨ubers¨attigt ist, eine gewisse Neigung haben, zusammen zu bleiben. Es werden sich also kurzlebige Dimere, Trimere und andere Clu- ster bilden. Die Energie, die zur Bildung eines solchen Clusters aufgewandt werden muß l¨aßt sich aus Gl. 2.8 absch¨atzen, wobei wir diesmal nicht an einem Mol Teilchen sondern an einem einzelnen Cluster interessiert sind sodaß wirV¯L durch das Volumen eines Clu- sters ersetzen. Aus der statistischen Thermodynamik wissen wir, daß die Energien gem¨aß einer Maxwell Verteilung gewichtet sind und wir erhaltenexp(−2γ/R·4πR3/3·1/kT).

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Cluster ein weiteres Molek¨ul einf¨angt von seinem Quer- schnitt (4πR2) abh¨angt, erhalten wir f¨ur die Bildungsrate einer bestimmten Clustergr¨oße n¨aherungsweise

Bildungsrate≈c1R2exp(−c2R2) (2.11) wobeic1undc2Parameter sind, die vom Material, Druck und Temperatur abh¨angen. Wich- tig ist aber, daß der erste Term mitRansteigt, der Exponentialterm aber abf¨allt und wir ir- gendwo ein Maximum haben werden. Wenn wir den Dampf hinreichend ¨ubers¨attigen, also die Temperatur erniedrigen oder den Druck erh¨ohen, werden wir irgendwann genug Clu- ster bilden, die dann als Keime f¨ur weiteres Wachstum gem¨aß Kelvins Gleichung dienen k¨onnen. Aber nat¨urlich k¨onnen wir auch der Kondensation etwas unter die Arme greifen und von außen Keime wie z.B. Impfkristalle hinzuf¨ugen.

2.2 Kontaktwinkel

2.2.1 Zusammenhang mit Oberfl ¨achenspannung

Die Oberfl¨achenspannung glauben wir nun einigermaßen verstanden zu haben, und es wird Zeit, daß wir unsere zwei Phasen mit einer dritten konfrontieren. Beginnen wir mit dem (scheinbar) einfachen Experiment eines ¨Oltropfens auf einer Wasseroberfl¨ache (Abb. 2.5).

Die Oberfl¨achenspannung wirkt als Kraft parallel zur Oberfl¨ache. Wir k¨onnen also f¨ur die horizontalen Komponenten das Kr¨aftegleichgewicht

γW Dcosθ1=γODcosθ2+γW Ocosθ3 (2.12) anschreiben.

Wenn wir aber statt Wasser eine feste Unterlage verwenden, so vereinfacht sich der Zusam- menhang, dennθ1 = θ3 = 0und wir erhalten die sogenannte “Young-Gleichung” (oder manchmal auch “Dupr´e-Gleichung)

γF D=γLDcosθ2+γF L (2.13)

wobei der IndexF Df¨ur die Festk¨orper-Dampf Grenzfl¨ache steht undLDf¨ur Fl¨ussigkeit- Dampf,F Lf¨ur Festk¨orper-Fl¨ussigkeit.

Young

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auf Wasser.

Die Young-Gleichung liefert uns den gesuchten einfachen Zusammenhang zwischen Ober- fl¨achenspannung und Kontaktwinkel. Wir werden noch sehen, daß sie bedeutende Folge- rungen hat, aber zuerst wollen wir ein paar Probleme diskutieren: Wir haben derzeit nur die horizontalen Komponenten der Kr¨afte betrachtet, aber es gibt ja noch die Komponente γLDsinθ2, die normal auf die Oberfl¨ache wirkt. Wenn die Unterlage deformiert werden kann, wie z.B. Wasser, so bildet sich ein Grat, aber nicht deformierbare Festk¨orper k¨onnen nicht so ausweichen und die Unterlage kann also im Bereich des Kontaktwinkels nicht im Gleichgewichte sein. Ob das Auswirkungen auf den Kontaktwinkel hat ist auch nach 200 Jahren kontroversiell.

2.2.2 Koh ¨asion, Adh ¨asion und Benetzung

Unser bisher gewonnenes Wissen k¨onnen wir auch anwenden, um Wechselwirkungen zwischen Oberfl¨achen zu beschreiben. Die dabei wichtigen Ph¨anomene sind Koh¨asion, Adh¨asion und Benetzung (Abb. 2.6).

Beginnen wir mit der Koh¨asion. Eine Substanz A h¨alt zusammen, und um neue Ober- fl¨ache zu generieren muß Energie aufgewandt werden. F¨ur den in Abb. 2.6 dargestellten Vorgang ist der Zuwachs an Oberfl¨ache gleich zwei Einheitsoberfl¨achen. Integration von Gleichung 2.2 ergibt, daß pro Einheitsoberfl¨ache die Arbeit gleichγist, und somit gilt f¨ur Koh¨asion des StoffesA

∆G= 2γA=WAA (2.14)

wobeiγAdie Oberfl¨achenspannung vonArelativ zu Luft ist. Das ist also die Arbeit, die ben¨otigt wird, um eine Fl¨ussigkeitss¨aule auseinanderzureißen.

Wenden wir uns nun der Adh¨asion zu. Die Arbeit des in Abbildung 2.6 dargestellte Vor- gangs kann als Differenz der Oberfl¨achenspannungen vor und nach dem Auseinanderreißen beschrieben werden

∆G=γA+γB−γAB=WAB (2.15)

Diese Gleichung kann f¨ur den Fall einer fl¨ussigen und einer festen Phase noch vereinfacht werden, da dann γA γF D,γB γLD und γAB = γF L. Mit der Young-Gleichung erhalten wir dann

∆G≈γLD(1 + cosθ) (2.16)

10

Kohäsion

Adhäsion

Surface Free Energy:

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2 Oberfl¨achen

Abbildung 2.6: Schematische Darstellungen von Koh¨asion, Adh¨asion und Benetzung. Die farbige Fl¨ache ist eine Einheitsfl¨ache.

Schlußendlich werfen wir noch einen Blick auf Benetzung. Hier ist analog zu den zuvor besprochenen Vorg¨angen

∆G=γAB+γB−γA=WBB−WAB (2.17) Wie ¨ublich laufen Prozesse mit negativem∆Gspontan ab. Wenn wir also eine energetisch ung¨unstige Oberfl¨ache A an Luft haben, Oberfl¨ache B zu Luft und die Grenzfl¨ache zu AB aber f¨ur das System nicht so viel Energie kosten, so wird sich ein Tropfen von selbst vertei- len. Da dieser Vorgang technologisch sehr wichtig ist, wurde auch der Benetzungskoeffizient Seingef¨uhrt, der als

S =−∆G=WAB−WBB (2.18)

definiert ist. Ein positiver Koeffizient bedeutet also, daß sich ein Schmiermittel oder ein Klebestoff von selbst gleichm¨aßig ¨uber die zu benetzende Oberfl¨ache verteilt, ein negativer Wert f¨urSist zum Beispiel erw¨unscht, wenn man wasserabstoßende Oberfl¨achen erzeugen will.

2.3 Anwendungen

2.3.1 Lotus Effekt

Unter normalen Bedingungen kann der Kontaktwinkel von Wasser auf einer Oberfl¨ache offensichtlich einen gewissen Rahmen nicht ¨uberschreiten und der gr¨oßte bisher gefundene

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winkelθappdeutlich gr¨oßer sein, als der eigentlich zu erwartendeθreal. Dies sind “superhydrophoben” Oberfl¨achen, die auch unter “Lotus-Effekt” ver- marktet werden.

Kontaktwinkel ist 119. Es gibt aber einen Trick, den die Natur schon lange nutzt, um h¨ohere Kontaktwinkel und damit st¨arker hydrophobe Oberfl¨achen zu erzeugen.

Abbildung 2.3.1 zeigt das Prinzip, auf dem dieser sogenannte “Lotus-Effekt” basiert. Die Oberfl¨achenspannung und damit der Kontaktwinkel ist eine Materialeigenschaft und kann selbst in Jahrmillionen der Evolution kaum ver¨andert werden. Deshalb zeigt das eigentliche die Oberfl¨ache bildende Material auch noch immer den f¨ur Wachs zu erwartenden Kontakt- winkelθreal. Aber die Oberfl¨ache von Lotusbl¨attern ist im Nanometerbereich uneben und die Tropfen sitzen nur auf den Spitzen der Unebenheiten. In den T¨alern bleibt Luft einge- schlossen. In dem gezeigten Zustand ist der apparente Kontaktwinkel deutlich gr¨oßer (typi- scherweiseθapp160) und der Tropfen rollt leicht weiter. Dabei nimmt er ¨ubrigens auch am Blatte anhaftende Schmutzpartikel mit, denn diese sind oft hydrophil und bevorzugen das Wasser. Aber selbst die hydrophoben Partikel haben nur eine geringe Kontaktfl¨ache zu den Spitzen der Unebenheiten und die durch Adh¨asion gewonnene Energie ist gering. Der Energiegewinn durch Adh¨asion an den vorbeirollenden Wassertropfen ist zwar gering, we- gen der großen zur Verf¨ugung stehenden Oberfl¨ache bleiben auch die hydrophoben Partikel am Tropfen h¨angen (Abb. 2.8).

Der Lotuseffekt f¨uhrt also zu einer selbstreinigenden Oberfl¨ache. In den letzten Jahren wurden auch technologische Realisationen dieses Effekts erreicht etwa f¨ur sich bei Regen selbstreinigende Fenster und W¨ande, die Haltbarkeit dieser Oberfl¨achen ist aber noch nicht so gut, wie die des von der Natur vorgegebenen Originals.

2.3.2 Kapillarkr ¨afte

Wir bleiben noch im Pflanzenreich, wenden uns aber jetzt dem Transport von Pflanzen- saft zu. Es d¨urfte allgemein bekannt sein, daß Wasser und darin gel¨oste N¨ahrstoffe ¨uber Kapillarwirkung in Baumkronen gelangen. Der ausschlaggebende Punkt dabei ist wieder die Oberfl¨achenspannung, denn offensichtlich sind die Kapillarw¨ande der Pflanzen hydro- phil. Dabei ist der Benetzungskoeffizient positiv, das Wasser versucht also an den W¨anden hochzukriechen. Dabei bewegt es sich aber gegen die Graviatation, und wir wollen einmal

(11)

2 Oberfl¨achen

Abbildung 2.8: Ein Wassertropfen auf einem Lotus-Blatt (Nelumbo nucifera). Da er auf der stark hydrophoben Oberfl¨ache leicht abperlt nimmt er dabei an der Blat- toberfl¨ache haftenden Schmutz mit und reinigt es (http://www.botanik.uni- bonn.de/system/bionik en.html).

absch¨atzen, wie weit so etwas m¨oglich ist. Nehmen wir an, wir haben eine d¨unne Kapillare mit Radiusrund der Meniskus kann mit einer Kr¨ummungR1=R2=r/cosθbeschrieben werden (d.h. der Meniskus ist ein Kugelsegment und die Kugel ber¨uhrt die Kapillarwand unter einem Winkelθ). Den Druckunterschied zwischen den beiden Seiten der Grenzfl¨ache haben wir schon in Gleichung 2.7 kennengelernt. Die Fl¨ussigkeit in der Kapillare wird also so lange ansteigen, bis das Gewicht der Fl¨ussigkeitss¨aule diesen Druck ausgleicht:

∆p=ρ1gh−ρLgh=γ µ 1

R1

+ 1 R2

(2.19) wobeiρ1die Dichte des Saftes undρLdie Luftdichte sind undhdie Steigh¨ohe ist.

Der h¨ochste derzeit lebende Baum ist eine Sequoia sempervirens mit einer H¨ohe von 112.7 m. Wenn wir den Durchmesser der Kapillaren absch¨atzen wollen, so k¨onnen wir ρ1 1000kg/m3,ρL 0kg/m3undγ 0.0728J/m2 setzen. Damit erhalten wir einen Kapillardurchmesser von ca.1.3·10−7m.

Es ist ¨ubrigens nicht notwendig, daß die Pore durchgehend diesen kleinen Radius hat, denn sobald die Wassers¨aule einmal aufgebaut ist sehen wir aus Gl. 2.19, daß nur der Radius des Meniskus und die Gesamth¨ohe entscheidend sind. Weiter unten kann die Fl¨ussigkeitss¨aule jede beliebige Form annehmen.

Einige Worte zur Vorsicht: Unsere Kapillargleichung ist nur eine einfache Fassung, denn die genaue Form des Meniskus haben wir nicht ber¨ucksichtigt. Dazu m¨ußten wir noch eine Balance zwischen Oberf¨achenspannung und Gravitation der Fl¨ussigkeit im Ring ganz oben ber¨ucksichtigen. Das ist zwar ein einfaches auf der Laplace-Gleichung basierendes Problem, artet aber in ziemliche Rechenarbeit aus, da nur numerische L¨osungen m¨oglich sind.

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