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Archiv "Ärztliche Arbeitszeit: Eine Frage der Ethik" (30.09.2005)

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A2612 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005

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ngesichts der zahlreichen juristi- schen Vorgaben zur ärztlichen Arbeitszeit droht die Gefahr, die grundlegenden Konflikte aus den Au- gen zu verlieren, die Anlass geben, die ärztliche Arbeitszeit zu begrenzen. Die- se Konflikte sind vor allem ethischer Natur und berühren die elementaren Normen ärztlichen Handelns.

So dürfte eine jede Begrenzung der ärztlichen Arbeitszeit zunächst durch die Vermeidung von Schäden für die Patienten motiviert sein. Ärzte sollen aufgrund ihrer physischen und psychi- schen Voraussetzungen hinreichende Konzentration für ihre Tätigkeit mit- bringen. Deshalb sollen sie ab einem bestimmten Zeitpunkt die Arbeit an andere Ärzte weitergeben und sich er- holen. Doch inwieweit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Fehlern und Schädigungen für die Patienten durch mangelnde Konzentration von Ärzten?

(2, 6) Es bedurfte erheblicher Anstren- gungen, die Korrelation von Übermü- dung und vermehrten ärztlichen Feh- lern mit hinreichender wissenschaftli- cher Sicherheit nachzuweisen. Aufwen- dige Untersuchungen, die sich im De- sign an den Standards klinischer Thera- piestudien orientierten, konnten jedoch mit hoher Gewissheit belegen, dass nicht nur bestimmte Fähigkeiten mit überlangen Arbeitszeiten abnehmen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit ärztlicher Fehler steigt. (4, 5)

Das moralische Prinzip „nicht scha- den“ unterstützt keineswegs nur eine

strikte Begrenzung der ärztlichen Ar- beitszeit. Längere Arbeitszeiten und deren geschickte Aufteilung erlauben es, die Patienten durch weniger Ärzte zu versorgen, und verringern die oh- nehin allfällige Arbeitsteilung im Klinik- alltag. Zusätzlicher Informationsaus- tausch mit daraus folgenden Fehler- quellen entfällt. Zudem lässt sich das Arzt-Patient-Verhältnis als persönli- ches Vertrauensverhältnis nicht auf be- liebig viele Ärzte verteilen.

Auch wenn sich die Prinzipien „nut- zen“ und „nicht schaden“ üblicherweise auf den Patienten beziehen, sollte man im Zusammenhang mit Arbeitszeitre- gelungen auch an den Nutzen und die Schadensvermeidung für Ärzte den- ken. Sie sind bei fortgesetzt langen Ar- beitszeiten in ihrer weiteren Lebensge- staltung und in ihren Möglichkeiten zur fachlichen Weiterbildung und For- schung eingeschränkt und bei extremer Belastung gesundheitlich gefährdet.

Unterschiedliche Arztbilder

Hinter den kontroversen Vorstellungen zur ärztlichen Arbeitszeit verbergen sich unterschiedliche Auffassungen vom ärztlichen Beruf. Während vielen Ärzten der „alten Schule“ diese Frage nicht wichtig ist, weil für sie die Beru- fung zum Arzt unhinterfragt eine mehr oder weniger vollständige Hingabe ver- langt, verstehen nicht wenige Ärzte ihre Tätigkeit als einen normalen Beruf, des-

sen Ansprüche mit denen nach Freizeit oder denen der Familie abgewogen werden müssen.

Zwischen der „alten Schule“ und

„neueren“ Auffassungen vom Arztbe- ruf dürfte ein Konsens nicht zu erzielen sein. Besonderes Engagement inner- halb des ärztlichen Berufs und in Not- fallsituationen wird man einfordern dürfen, aber man wird die Auffassung vom Arztberuf als „Berufung“ mit weit- hin unbegrenzter zeitlicher Hingabe nicht mehr allgemeinverbindlich vor- schreiben können. Dazu fehlen Argu- mente, die von allen Ärzten akzeptiert werden können. Man wird nicht von al- len Ärzten verlangen können, ihren Be- ruf mit überhohem zeitlichem Aufwand auszuüben – auch wenn viele Ärzte durchaus dazu bereit sind. Das von je- dem Arzt zu fordernde Minimum an zeitlicher Ausdehnung seiner Tätigkeit dürfte jedoch für eine Begrenzung der Arbeitszeit sprechen.

Diese Einschätzung geht einher mit gewandelten Geschlechterverhältnis- sen: Erstmals ergreifen mehrheitlich Frauen das Medizinstudium. Einige von ihnen haben bereits Kinder, andere wol- len eine Familie gründen, und kaum eine dieser Frauen verfügt über eine weitere Person, die als Hausfrau alle sonstigen familiären Ansprüche auffängt. Diese Konstellation hat bei drohendem Ärzte- mangel eine gesellschaftliche Dimensi- on:Wenn viele Ärztinnen nach erfolgrei- chem Studium auf eine klinische Tätig- keit verzichten, weil die Arbeitszeiten

Ärztliche Arbeitszeit

Eine Frage der Ethik

Die Schadensvermeidung für den Patienten ist vorrangig.

Urban Wiesing

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abschrecken, wird es schwierig, ange- messenen Ersatz zu finden.

Ärzte setzen sich durch extrem lange Arbeitszeiten der Gefahr einer gesund- heitlichen Beeinträchtigung aus. Ver- mehrte Krankheiten sind als Folge chronischer Überlastung zu erwarten.

Eine bewusste gesundheitliche Gefähr- dung kann man von Ärzten nicht ver- langen. Überdies stellen Ärzte, die sich permanent überarbeiten, auf Dauer auch für die Patienten ein Risiko dar.

Insofern ist die Schadensvermeidung für Ärzte bei einer Regelung der Ar- beitszeit zu berücksichtigen. Dieses Ar- gument besitzt ein höheres Gewicht als das „Freizeitargument“, denn gesund- heitlich gefährdete Ärzte gefährden auch ihre Patienten.

Eine Regelung der ärztlichen Arbeits- zeit greift in einen freien Beruf ein. Dies schlägt sich unter anderem in der inneren Freiheit, in der „Weisungsungebunden- heit und Entscheidungsfreiheit innerhalb der spezifischen Berufsausübung“ (Tau- pitz 1991, S. 44) nieder. Eine Arbeitszeit- regelung würde einen Aspekt der inne- ren Freiheit des ärztlichen Berufes, näm- lich deren zeitliche Ausdehnung, begren- zen. Nach einer bestimmten Zeit darf der Arzt einen Patienten nicht mehr behan- deln. Er wird gezwungen, die ärztliche Tätigkeit ruhen zu lassen, um sich zu er- holen. Insofern berührt eine Arbeitszeit- regelung traditionelle Eigenschaften des ärztlichen Berufs.

Doch die Berufsfreiheit legitimiert keineswegs eine ungeregelte, „freie“

ärztliche Arbeitszeit: Die Freiheit der Berufsausübung ist den freien Berufen gegeben, um individuell und situativ an- gemessen auf den Einzelfall eingehen zu können. Die Freiheit ist dem Arzt- beruf ausschließlich aus funktionellen Gründen gegeben. Deshalb ist ein Ver- weis auf die ärztliche Freiheit keines- wegs geeignet, eine Übermüdung des Arztes mit erhöhtem Risiko für die Pa- tienten zu rechtfertigen. Ärzte haben eben gerade nicht die Freiheit, ihre Pati- enten durch vermeidbare Übermüdung einem zusätzlichen Risiko auszusetzen.

Überlange Arbeitszeiten kollidieren zudem mit der Verpflichtung zur Fort- bildung und in manchen Kliniken zur Forschung. Damit gerät der jeweilige Nutzen für zwei unterschiedliche Be- zugsgruppen in Konflikt: Während die

Arbeitszeit, die den Patienten gewid- met wird, jetzigen Patienten nutzen soll, dient die Zeit für Forschung und Fort- bildung dazu, künftigen Patienten (bes- ser) helfen zu können.Wenn Ärzten nur eine bestimmte Zeit zu arbeiten erlaubt ist, einschließlich Forschung und Fort- bildung, die Zeit aber völlig mit der Pa- tientenversorgung ausgefüllt ist, scha- det dies letztlich künftigen Patienten.

Schadensvermeidung

Alle organisatorischen Regelungen sollten zunächst darauf ausgerichtet sein, ein erhöhtes Schadensrisiko zu vermeiden, das durch überlange Ar- beitszeiten und durch zu häufigen Wechsel der Ärzte entsteht. Es gilt, den Zeitpunkt zu finden, an dem die Ge- fährdung der Patienten aus Mangel an Konzentration die Gefährdung durch vermehrte Arbeitsteilung übersteigt.

Das moralische Prinzip primum nil no- cere ist die Treibkraft hinter all den Bemühungen und ist im Konfliktfall am höchsten einzustufen. Eine Institution, die eine vermeidbare Erhöhung des Schadensrisikos für ihre Patienten in Kauf nimmt, verstößt gegen ein konsti- tutives moralisches Fundament des ärztlichen Berufs. Andere Argumente sind demgegenüber zweitrangig. Auch der Verweis auf die ärztliche Freiheit kann vermeidbare Ge-

fährdungen nicht legiti- mieren. Das Argument der Schadensvermeidung unterstützt gleichermaßen eine flexible Aufteilung der Arbeitszeit, zum Bei-

spiel durch geteilten Dienst oder lange Mittagspausen, um die Zahl der Ärzte, die einen Patienten behandeln, gering zu halten.

Doch darüber hinaus hat die Organi- sation der Dienstzeiten das Erreichen langfristiger Ziele zu gewährleisten. Ei- ne Regelung der Arbeitszeit, die zwar eine Übermüdung der Ärzte verhin- dert, ihnen aber keinen Freiraum für Fortbildung lässt und zum Beispiel in Universitätskliniken die Forschung un- terbindet, begeht ein langfristiges Ver- säumnis. Kurzfristig im Konfliktfall ist das Argument der Schadensvermei- dung für Patienten sicher stark genug,

um andere Verpflichtungen hintanzu- stellen. Langfristig wird eine Organisa- tion der Arbeitszeit auch Verpflichtun- gen gegenüber zukünftigen Patienten berücksichtigen müssen.

Im direkten Konflikt sind auch die Be- dürfnisse nach privater Lebensgestal- tung der Ärzte geringer zu veranschlagen als die Schadensvermeidung für Patien- ten. Die Gefahr der gesundheitlichen Schädigung der Ärzte durch Überarbei- tung ist hingegen gewichtiger, schließlich gefährden kranke Ärzte auch ihre Pa- tienten. Die familienverträglichen Ar- beitszeiten sind zudem ein politisches Mittel gegen einen Ärztemangel. (7)

Der Konflikt um Arbeitszeiten be- sitzt für die Krankenhausträger eine er- hebliche wirtschaftliche Komponente.

Unbezahlte Überstunden entlasten die finanziellen Budgets. Die Einstellung weiterer Ärzte aufgrund von Arbeits- zeitvorgaben trifft die Institutionen ohnehin in einer Phase schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Doch der Verweis eines Krankenhaus- trägers auf die Kosten ist in diesem Zu- sammenhang kein dauerhaft tragfähi- ges Argument, sondern sollte den Trä- ger dazu veranlassen, entweder bei den Kassen weitere Mittel zu erlangen oder innerhalb des Budgets nach anderen Einsparungen zu suchen.

Die Befürchtungen, die Profession der Ärzte drohe Schaden zu nehmen, wenn der berufsbestim- mende Altruismus durch feste Arbeitszeiten be- grenzt würde, sind unbe- gründet. Im Gegenteil:

Wenn überlange Ar- beitszeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Patienten ge- fährden, dann droht das Ansehen der Profession Schaden zu nehmen, wenn sie dem keinen Einhalt gebieten kann.

Im Einzelfall ist der jeweilige Arzt verantwortlich, und Flexibilität ist zu fordern. Hier ist die Verpflichtung auf Schadensvermeidung für den Patienten gleichermaßen mit höchster Priorität zu nennen. Dies gilt insbesondere für Not- fallsituationen oder für unvorhersehba- re Aufgaben. Wenn die Ablösung für ei- nen Krankenhausdienst nicht kommt, sollte ein Arzt zweifellos zugunsten der Schadensvermeidung für die Patienten entscheiden und andere Bedürfnisse T H E M E N D E R Z E I T

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Das moralische Prinzip

primum nil nocere

ist im Konfliktfall am

höchsten einzustufen.

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avon, dass der deutsche Gesetzge- ber das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zum 1. Januar an die europäische Richtlinie 2003/88/EG („EU-Arbeits- zeitrichtlinie“) angepasst hat, und Bereit- schaftsdienste seitdem eigentlich als Arbeitszeit einzustufen sind, haben vie- le Klinikärzte bislang wenig gespürt.

Ursächlich ist ein Passus, der im Dezember 2003 in letzter Sekunde vom Vermitt- lungsausschuss in die Gesetzesvorlage der Bundesregierung eingefügt wurde – vor allem, um den Krankenhausträ- gern mehr Zeit für die teure Umstellung zu geben: Nach § 25 ArbZG bleiben tarifver- tragliche Bestimmungen be- stehender oder nachwirkender Tarifverträge, „die den in diesen Vor- schriften festgelegten Höchstrahmen überschreiten“, bis Ende 2005 von der Gesetzesanpassung unberührt.

Nur wenige Krankenhäuser haben die zweijährige Übergangszeit genutzt und neue Arbeitszeitmodelle einge- führt. Die Verantwortlichen haben sich vielmehr darauf verlassen, dass die EU- Arbeitszeitrichtlinie in dieser Zeit in ihrem Sinne novelliert und das deutsche Arbeitszeitgesetz entsprechend ange- passt wird. Ausschlaggebend für diese Erwartungshaltung waren zunächst Äußerungen der damaligen EU-Kom- missarin Anna Diamantopoulou im Ja- nuar 2004, wonach die Entscheidung, Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit zu werten, den Mitgliedstaaten überlassen werden sollte. Die Richtlinie habe zu hohe Kosten verursacht. Daraus wurde zwar nichts, jedoch unterbreitete die

EU-Kommission im September 2004 einen Vorschlag, der die Klinikarbeitge- ber weiter hoffen – und untätig bleiben – ließ: Neben der Arbeits- und der Ruhe- zeit sollte eine dritte Kategorie einge- führt werden, die die inaktiven Zeiten während des Bereitschaftsdienstes um- fasst. Da das Europäische Parlament eine solche Aufweichung des Arbeits- schutzes allerdings ablehnt und eine Änderung der Arbeitszeitrichtlinie nicht ohne seine Zustimmung möglich ist, blieb die Arbeitszeitrichtlinie bisher un- verändert. Daran dürfte sich auch bis Ende des Jahres nichts ändern.

Derweil drängt die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft (DKG) auf eine Verlängerung der Übergangsregelung.

Im Mai 2005 gab es dazu ein Gespräch mit dem federführenden Bundesarbeits- ministerium. Staatssekretär Rudolf An- ziger habe jedoch „in aller Klarheit“

mitgeteilt, dass er und Minister Clement eine Verlängerung der Übergangsregelung ablehnten, heißt bei der DKG. Noch offen ist, ob auf anderem Wege ge- setzgeberische Initiati- ven hinsichtlich einer Verlängerung der Über- gangsregelung realisiert werden. Ein unionsgeführ- tes Bundesland erwägt offen- bar, über den Bundesrat eine Ge- setzesänderung zu initiieren.Wegen der unklaren Machtverhältnisse in Berlin ist allerdings unsicher, was daraus wird.

Es ist davon auszugehen, dass ab dem 1. Januar 2006 eine maximale Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden gilt. Bereitschaftsdienste müssen zu 100 Prozent angerechnet werden. Die Tarifvertragsparteien kön- nen allerdings längere Arbeitszeiten vereinbaren. Dies ist im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) im besonderen Teil für die Krankenhäuser (§ 45) erfolgt. Der TVöD gilt jedoch nicht für Mitglieder des Marburger Bundes (MB) und auch nicht für die Beschäftigten der Länder, also die Uni- versitätsklinikärzte. Der MB strebt Ta- rifverhandlungen mit allen öffentlichen Arbeitgebern an. Ein Entgegenkom- men bei der Behandlung der ärztlichen Bereitschaftsdienste dürfte dabei zur Strategie gehören. Jens Flintrop

zurückstellen, zumal dann, wenn sich der Schaden unmittelbar abzeichnet.

Die Analyse der konfligierenden Ver- pflichtungen verdeutlicht, dass die weit- hin unstrittigen moralischen Vorgaben ärztlichen Handelns keineswegs eine ein- zige und zudem präzise Regelung der ärztlichen Arbeitszeit abzuleiten erlau- ben. Ein Korridor, in dem die Arbeitszeit bleiben sollte, lässt sich jedoch ausma- chen, und insbesondere eine völlig unge- regelte Arbeitszeit verstößt gegen die moralischen Grundlagen der Medizin.

Kein Verzicht auf eine Regelung

Überdies sollte man akzeptieren, dass jede Regelung pragmatisch ist und von individuellen Unterschieden in den komplexen Arbeitsverhältnissen abse- hen muss. Es ist stets eine pragmati- sche Regelung, die ärztliche Tätigkeit zwangsweise zum Beispiel auf zehn Stunden pro Tag zu begrenzen. Es gibt Ärzte, die danach noch konzentriert ar- beiten können, wiewohl es anderen schon zuvor an Aufmerksamkeit man- gelt. Solche individuellen Bedingungen kann eine Regelung nur begrenzt berücksichtigen. Regelungen scheitern immer an einer angemessenen Behand- lung von komplexen situativen Beson- derheiten. Diese Eigenschaften von Re- gelungen muss man akzeptieren, sofern man überhaupt regeln will. Sie lassen sich allenfalls graduell mindern, indem man geschickt regelt, Ausnahmen zu- lässt und eine situativ angepasste, fle- xible Handhabung ermöglicht. Den- noch erlaubt die Spannung zwischen ei- ner Regel und dem Einzelfall keines- wegs den Schluss, man könne auf eine Regelung verzichten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2612–2616 [Heft 39]

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing Institut für Ethik und Geschichte der Medizin Universität Tübingen

Schleichstraße 8 72076 Tübingen

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3905 abrufbar ist.

Foto: Peter Wirtz [M]

Arbeitszeitgesetz

Übergangsfrist endet

Nur wenige Krankenhäuser

haben die Zeit genutzt und neue

Arbeitszeitmodelle eingeführt.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005 AA1

Literatur

1. Beauchamp, Tom L., Childress, James F. (2001) Princi- ples of Biomedical Ethics. New York Oxford (5. über- arbeitete Aufl.)

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5. Lockley SW, Cronin JW, Evans EE, Cade BE, Lee CJ, Landrigan CP, Rothschild JM, Katz JT, Lilly CM, Stone PH, Aeschbach D, Czeisler CA; Harvard Work Hours, Health and Safety Group. Effect of reducing interns' weekly work hours on sleep and attentional failures.

N Engl J Med. 2004 Oct 28;351(18):1829-37.

6. Owens JA, Blum J. Sleep, Fatigue, and Medical Trai- ning: an Overview. Medicine an Health/Rhode Island 85, (2002) S. 82-85

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8. Schroeder S. How Many Hours Is Enough? An Old Profession Meets a New Generation. Ann Intern Med. 2004 May 18;140(10):838-9

9. Steinbrook R. The debate over residents' work hours.

N Engl J Med. 2002 Oct 17;347(16):1296-302 10. Taupitz J. (1991) Die Standesordnungen der freien

Berufe. Geschichtliche Entwicklung, Funktionen, Stellung im Rechtssystem. Walter de Gruyter, Berlin New York

11. Wiesing U. (2004) Wer heilt, hat Recht? Über Prag- matik und Pluralität in der Medizin. Stuttgart, Schat- tauer

Literaturverzeichnis Heft 39/2005, zu:

Ärztliche Arbeitszeit

Eine Frage der Ethik

Die Schadensvermeidung für den Patienten ist vorrangig

Urban Wiesing

Referenzen

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