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Eine Frage der Staatskunst

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Academic year: 2022

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Jeder westliche Politiker, der in den vergangenen Jahren mit Außen- und Sicherheitspolitik befasst war, kennt die entmutigende Realität: Die Struk- turen und Prozesse, die die Regierun- gen vor Jahrzehnten geschaffen ha- ben, um Bedrohungen zu analysieren und Antworten zu koordinieren, sind für das sich rasch wandelnde geostra- tegische Umfeld von heute nicht mehr tauglich. Regierungen müssen heute

„dreidimensionales Schach“ spielen, wie es Joseph Nye formuliert hat – also neben politischen auch militärische, wirtschaftliche und transnationale Dimensionen gleichzeitig bewältigen.

Politische Entscheidungsträger se- hen sich zudem einer immer größe- ren Vielfalt von Akteuren gegenüber, von Wettbewerbern vergleichbaren Formats über aufsteigende Mächte bis hin zu nichtstaatlichen Akteu- ren. Hinzu kommt, dass sich die Fä- higkeiten und Taktiken, die Gegner nutzen, um unseren wirtschaftli- chen und militärischen Vorteilen et- was entgegenzusetzen, ebenfalls ge-

ändert haben. Ob es Chinas Strategi- en und Fähigkeiten sind, uns den Zu- gang zum Südchinesischen Meer zu verweigern, oder der russische Ein- satz von Energie und Cyberangriffen als Instrumente der Nötigung – asym- metrische Kriegsführung stellt Minis- terien, die für eine ganz andere Zeit konzipiert waren, vor neuartige Her- ausforderungen.

Die Regierungen haben mit neu- en Strategien und Instrumenten re- agiert. Auf den Homepages westli- cher Außen- und Verteidigungsmi- nisterien wimmelt es von Weißbü- chern und Sicherheitsstrategien, die den Wandel in der Welt der Außen- politik beschreiben. Sie erklären, wa- rum es eines ganzheitlichen Ansatzes bedarf, der die Stärken vieler Regie- rungsbehörden bündelt. Doch bezo- gen auf die Kunst der Staatsführung hat sich wenig getan. Dabei ist unbe- stritten, dass auch die besten und in- novativsten Strategien und Politik- ansätze scheitern müssen, wenn sie nicht von Prozessen begleitet werden, Julianne Smith | Angela Merkels Rückzug aus der Politik eröffnet Berlin die Chance, seine Sicherheitsarchitektur der veränderten Interessen- und Be- drohungslage anzupassen. Wer immer als nächstes ins Bundeskanzleramt einzieht, sollte sich Erfahrungen von Ländern wie den USA, Japan und Großbritannien mit einem solchen Gremium zunutze machen.

Deutschland sollte erneut über einen Nationalen Sicherheitsrat nachdenken

Eine Frage der Staatskunst

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Die Mängel und Lücken zeigen sich immer deutlicher

die ihre Umsetzung ermöglichen.

Es gibt einen einfachen Grund, warum die Staatskunst gegenüber der Strategie oft ins Hintertreffen gerät.

Die bestehenden außen- und sicher- heitspolitischen Strukturen zu refor- mieren, während man regiert, ist eine gigantische Aufgabe. Neue zu schaf- fen, ist noch schwieriger. Wenn Politi- ker unter enormem Zeitdruck stehen, in Echtzeit auf Krisen im Jemen, in Nordkorea oder am Schwarzen Meer zu reagieren, erscheinen solche Pro- zesse zweitrangig. Der Tageskalender quillt eh schon über. Sich dann Zeit zu nehmen, um einen Prozess besser zu durchdenken, ist ein Luxus, den sich die meisten Politiker nicht leis- ten können. Die einzige echte Chan- ce für Veränderungen besteht da- her in der Anfangszeit einer Regie- rung. Ein neuer Regierungschef ver- fügt über ein kleines Fenster, um eine neue Vorgehensweise zu entwickeln.

Eine Chance für Veränderung Mit der Ankündigung von Bundes- kanzlerin Angela Merkel, spätestens 2021 aus der Politik auszuscheiden, erhält Deutschland eine seltene Chan- ce, Änderungen an seinen in die Jahre gekommenen außen- und sicherheits- politischen Strukturen vorzunehmen.

Eine der vielen Veränderungen, die die nächste Kanzlerin oder der nächs- te Kanzler in Betracht ziehen kann, betrifft die Frage, ob Deutschland ei- nen Nationalen Sicherheitsrat braucht – eine Idee, die von Think Tanks und Politikern in Deutschland seit Jahr- zehnten debattiert wird.

In Deutschland ist die Autonomie der Bundesminister durch das Grund- gesetz ausdrücklich vorgegeben und geschützt. Deutsche Außenpolitik liegt deswegen fast ausschließlich

in den Händen des Außenministers und des Auswärtigen Amtes. In der komplexen Welt von heute, in der Be- drohungen ebenso die Innen- wie die Außenpolitik betreffen können, zei- gen sich die Mängel und Lücken die- ses Systems immer deut-

licher. Davon sind zahl- reiche Experten aus dem ganzen außen- und sicher- heitspolitischen Spektrum überzeugt. Auch politische

Entscheidungsträger klagen, dass die Außen- und Verteidigungsstruktu- ren Deutschlands nicht agil genug sind. Sie sind nicht in der Lage, unter Einbeziehung einer Vielzahl von Be- hörden schnelle und innovative poli- tische Antworten zu geben.

Die häufigste Kritik an der heu- tigen deutschen Sicherheitsarchitek- tur betrifft den Mangel an Koordina- tion. Das deutsche Verteidigungsmi- nisterium veröffentlichte bereits 2006 ein Weißbuch, das die Notwendigkeit eines „vernetzten Ansatzes“ für die gesamte Regierung beschrieb. Politi- sche Entscheidungsträger in Deutsch- land haben in den vergangenen Jah- ren wichtige Änderungen vorgenom- men, um ein solches Vorgehen zu ermöglichen. Dazu gehört die Ein- richtung eines Krisenreaktionszent- rums im Auswärtigen Amt. Aber die Koordinierung von Politik bleibt ein großes Thema.

Kritik gibt es auch an anderen Aspekten der Art, wie Außenpolitik von der deutschen Regierung formu- liert wird. Beobachter verweisen auf die Ineffizienz von Ad-hoc-Arbeits- gruppen, auf die Kluft zwischen fei- erlicher Rhetorik und konkreter Poli- tik sowie auf den Mangel an Transpa- renz zwischen den Behörden. Ande- re Punkte betreffen die Unfähigkeit,

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eine umfassende Strategie zu entwi- ckeln, und die Widersprüche, die zwi- schen strategischen und operativen Zielen bestehen. Ein weiteres Thema,

das immer wiederkehrt, ist die Schwierigkeit, po- litische Entscheidungen mit Ressourcen zu unter- legen. Daraus folgert eine Reihe von Fachpolitikern und Experten, dass Deutschland ei- nen zentralisierten, im Kanzleramt angesiedelten Nationalen Sicherheits- rat brauche. Welche Aufgaben und Be- fugnisse dieses Gremium haben soll- te, dazu fallen die Detailantworten aber höchst unterschiedlich aus.

Kleine oder große Lösung?

Eine kleine Lösung wäre eine Funk- tionseinheit mit dem Recht, regel- mäßige Sitzungen auf Ministerebe- ne einzuberufen und diese zu leiten.

Das Ziel wäre die Koordinierung po- litischer Lösungsansätze in der ge- samten Regierung. In einer ehrgei- zigeren Form würde der Sicherheits- rat über einen größeren Stab von au- ßenpolitischen Beratern verfügen.

Er wäre für strategische Planungen und Überprüfungen und die Festle- gung der übergeordneten politischen Prioritäten zuständig und würde ins- gesamt eine größere operative Rolle spielen. Geleitet würde er von einem eigens benannten Nationalen Sicher- heitsberater.

Jede Idee, in Deutschland so etwas wie einen Nationalen Sicherheitsrat einzurichten, stößt sofort auf eine lan- ge Liste hochpolitischer Sensibilitä- ten und Widerstände. Als erstes sind die gewaltigen rechtlichen Hürden zu nennen. Wie erwähnt hat das Kanz- leramt auf dem Papier bei der Außen- politik kaum Exekutivbefugnisse. Im

Laufe der Jahre haben es zwar einige Kanzler geschafft, die Kontrolle über bestimmte Politikfelder zu gewinnen.

Im Fall von Bundeskanzlerin Angela Merkel waren es Russland, Israel und die transatlantischen Beziehungen – aber im Allgemeinen ist nach wie vor das Auswärtige Amt für die Außen- politik zuständig.

Der zweite Punkt betrifft die zent- rale Rolle, die die Parteipolitik für das Verhältnis zwischen dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt spielt. In Koalitionsregierungen erhält traditi- onell der Juniorpartner die Kontrol- le über das Außenamt. Dieser Junior- partner hat dann jedes Interesse da- ran, seinen Bereich gegen das Kanz- leramt zu verteidigen. Das gilt ganz besonders für Themen, bei denen die beiden Parteien unterschiedliche Auf- fassungen vertreten.

Schließlich trifft der Vorschlag für einen Sicherheitsrat nicht nur auf parteipolitische Vorbehalte, sondern auf eine weitere komplizierte Gemen- gelage: die Grabenkämpfe zwischen verschiedenen Ministerien und Be- hörden. Wie in jeder Hauptstadt wetteifern auch die deutschen Mi- nisterien um Einfluss und Aufmerk- samkeit, und das gilt ganz besonders im Bereich der nationalen Sicherheit.

Ein Vertreter des Auswärtigen Am- tes sagte mir, seine Kollegen würden jeden Versuch, einen Nationalen Si- cherheitsrat ins Leben zu rufen, als

„Kriegserklärung“ ansehen. Dies mag dramatisch wirken, aber die Be- amten des Auswärtigen Amtes sind zu Recht davon überzeugt, dass sie in der Außenpolitik über größere Fähig- keiten als jede andere Behörde verfü- gen. Hier wollen sie keine Einbußen erleiden, auch nicht zugunsten eines verbesserten Verfahrens.

Eine Liste hoch-

politischer Sensibili-

täten steht dagegen

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Die rechtlichen und politischen Schwierigkeiten sind also ernüch- ternd. Und doch ist die Debatte über einen deutschen Nationalen Sicher- heitsrat nicht verstummt. Die Frage ist, ob die Hürden überwindbar sind.

Britische Erfahrungen

Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem über einen Nationalen Sicherheitsrat diskutiert wird. Auch in Großbritannien und in Japan gab es eine solche Debatte, die schließlich 2010 beziehungsweise 2013 zu der Entscheidung führte, solche Sicher- heitsräte einzurichten.

Im Vereinigten Königreich er- gänzten zwei weitere neue Instituti- onen den wöchentlich tagenden Nati- onalen Sicherheitsrat: ein Sekretari- at mit etwa 200 Mitarbeitern und ein Nationaler Sicherheitsberater, meist ein Berufsbeamter. Dieser neue Pos- ten fasst die Aufgaben zusammen, die vorher vom außenpolitischen Be- rater des Premierministers, dem Chef

des Sekretariats für Übersee- und Verteidigungspolitik und dem Ge- heimdienstkoordinator des Premiers wahrgenommen wurden. Hinzu ka- men noch Aufgaben, die bis dahin dem Kabinettssekretär und dem Vor- sitzenden des Joint Intelligence Com- mittee oblagen.

Eine erste Bilanz des neuen Na- tionalen Sicherheitsrats in Großbri- tannien fällt gemischt aus. Auf der Plusseite vermerken externe Exper- ten des Institute for Government und der Libra Advisory Group, dass der Sicherheitsrat die Koordination der gesamten Regierungsarbeit verbes- sert habe. Die gemeinsame Entschei- dungsfindung sei gestärkt und die Transparenz erhöht worden.

Auf der Negativseite beklagen die politischen Entscheidungsträger im- mer noch den Mangel an strategischen Überlegungen. Sie stört, dass sich der Sicherheitsrat zu sehr auf operative Entscheidungen konzentriert. Aller- dings passt sich das Gremium jedem

Für das Auswärtige Amt wäre ein Nati- onaler Sicherheits- rat im Kanzleramt eine „Kriegserklä- rung“: das Berliner Bundeskanzleramt

© dpa

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Regierungschef an. Premierminister David Cameron wollte einen Nationa- len Sicherheitsrat, der politische Ent- scheidungen ausführt. „Natürlich

sprechen wir im Sicher- heitsrat über Strategie“, sagte Cameron. „Aber ich möchte, dass wir uns auf eine Politik festlegen, ich will, dass wir uns auf Ak- tionen einigen, und ich will, dass wir nachprüfen, ob wir getan haben, was wir angekündigt haben.“

Jedoch führen die Kritiker an, der Sicherheitsrat habe weder über US-Präsident Barack Obamas „Hin- wendung nach Asien“ noch über die Konsequenzen der Eurokrise für die nationale Sicherheit Großbritanniens gesprochen – zwei Fragen, bei denen der britische Nationale Sicherheitsrat eine konstruktivere Rolle hätte spie- len können.

Vielleicht am interessantesten für Deutschland ist die Rückmeldung vom Foreign and Commonwealth Office.

Wie sein deutsches Gegenüber in Ber- lin stand anfangs auch das britische Außenministerium der Idee skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber. Die Sorge war groß, dass es seine heraus- ragende Rolle bei der Formulierung der Politik verlieren würde.

Überraschenderweise sagen ei- nige politische Entscheidungsträ- ger im Foreign and Commonwealth Office heute, dass die neuen Verfah- ren die Rolle ihres Ministeriums so- gar gestärkt hätten. Das Außenmi- nisterium bereitet die Unterlagen für die Sitzungen des Nationalen Si- cherheitsrats vor und bestimmt die Tagesordnungen mit. Im Nachgang ist es das Außenministerium, das mehr Aufträge erhält als jedes ande- re Ministerium.

Vorbild Japan?

Shinzo Abe versuchte schon während seiner ersten Amtszeit als Premiermi- nister 2007, einen Sicherheitsrat ins Leben zu rufen. Ohne die entspre- chende gesetzliche Grundlage schei- terte sein Versuch allerdings. Als Abe 2012 zum zweiten Mal Premier wur- de, ließ er ein Gesetz verabschieden, das die ständige Einrichtung eines Na- tionalen Sicherheitsrats ermöglichte.

Sowohl die externen als auch die internen Bewertungen des japani- schen Sicherheitsrats fallen außeror- dentlich positiv aus. Japanische Regie- rungsvertreter – selbst die im Außen- ministerium, die sich anfangs genau- so stark gegen den Vorschlag wehrten wie ihre britischen Kollegen – sind überzeugt, dass der Nationale Sicher- heitsrat eine höchst notwendige Zen- tralisierung und Koordinierung der Außenpolitik ermöglicht hat. Das ja- panische Beispiel bietet drei weitere Lehren, die für Deutschland beson- ders relevant sind.

Die erste Lehre betrifft Japans Rol- le in der Welt. Angesichts der Weiter- entwicklung seiner strategischen Kul- tur hat Japan es hilfreich gefunden, dem neuen Nationalen Sicherheitsrat gerade die besonders heiklen Themen zu übertragen. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung Abes, den Artikel 9 der Verfassung zu revidieren, der dem Land kriegerische Aktivitäten unter- sagt. Dieser Beschluss schlug in ganz Asien hohe Wellen. Abe instruier- te nicht das Außenministerium, sei- ne Botschaften auf der ganzen Welt zu informieren, sondern bat den Na- tionalen Sicherheitsberater, die Füh- rung bei diesem Thema zu überneh- men. Der Premier ist überzeugt, dass die internationale Reaktion auf die Verfassungsänderung nur deswegen

Heikle Themen hat

Tokio dem Sicher-

heitsrat übertragen

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In den USA hat der Nationale Sicher- heitsrat zu viel Macht

relativ gelassen ausfiel, weil sich sein Nationaler Sicherheitsberater eng mit seinen Amtskollegen in Indonesien, Australien und anderen Ländern ab- gesprochen hatte.

Die zweite Lehre betrifft die auch Deutschland vertrauten Graben- kämpfe zwischen dem Verteidigungs- und dem Außenministerium, die in Japan mit jedem Fünf-Jahres-Plan des Verteidigungsministeriums wie- der auflebten. Nach seiner Gründung konnte der Nationale Sicherheitsrat 2013 die erste Nationale Sicherheits- strategie auf oberster Ebene verab- schieden. Dieses Dokument, das die nationalen Interessen und überge- ordneten Ziele Japans in bemerkens- werter Klarheit und Konsequenz beschreibt, gab den Rahmen vor, in dem das Verteidigungsministerium dann seine Verteidigungsplanungs- richtlinien erstellte.

Schließlich führte die Entwick- lung des Sicherheitsrats auch zur Zentralisierung der japanischen Ge- heimdienste. Ebenso wie die USA hat auch Japan den Posten eines natio- nalen Geheimdienstkoordinators ge- schaffen. Vertreter der Nachrichten- dienste nehmen an den Sitzungen des Sicherheitsrats teil und versorgen die Leitung regelmäßig mit nachrichten- dienstlichen Berichten. Ein zusätzli- cher Vorteil der neuen Institutionen ist der verbesserte Austausch von Ge- heimdiensterkenntnissen zwischen Japan und den USA.

Die Mutter aller NSCs

In der Regel wollen deutsche Politiker von den amerikanischen Erfahrun- gen mit ihrem übermäßig großen und mächtigen National Security Council (NSC) nicht viel wissen. Kein Deut- scher, mit dem ich gesprochen habe,

kann sich vorstellen oder hält es gar für wünschenswert, das US-Modell auf Deutschland zu übertragen. Das heißt aber nicht, dass die Deutschen nicht aus den Erfahrun-

gen der USA lernen könn- ten. In den vergangenen zehn Jahren haben Wis- senschaftler und Prakti- ker in den USA eine gan-

ze Reihe eingehender Untersuchun- gen des NSC vorgenommen. Es ist lehrreich zu verstehen, wie die Stelle von einer kleinen Gruppe von Beam- ten des Außenministeriums und Of- fizieren der Streitkräfte in den späten 1950er Jahren auf knapp 400 Mitar- beiter während der Obama-Regierung anwuchs.

Die wichtigste Lehre aus den Er- fahrungen der USA ist es, Auswüchse zu vermeiden. Die Nationalen Sicher- heitsberater und Direktoren des NSC tragen einfach zu viele Hüte. Die vom Gesetz vorgeschriebenen Sitzungen, bei denen die Präsidenten den Vor- sitz führen, machen inzwischen nur noch einen kleinen Teil des NSC-All- tags aus. Die Mitarbeiter sind dafür bekannt, dass sie extrem hart arbei- ten, oft an sieben Tagen in der Wo- che, weil sie im Laufe der Jahrzehnte eine immer längere Liste von Koordi- nierungs- und operativen Aufgaben übernommen haben. Der NSC soll- te anderen Ministerien und Behör- den einen Teil der Macht zurückge- ben und sich auf zwei Kernaufgaben konzentrieren: den Prozess der Ent- scheidungsfindung des Präsidenten in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zu organisieren und die Um- setzung der solcherart getroffenen Entscheidungen sicherzustellen.

Beim NSC finden auch zu viele Be- sprechungen statt. Minister können es

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sich nicht leisten, jeden Tag stunden- lang über taktische Fragen zu beraten, die auch auf einer weniger ranghohen Ebene gelöst werden könnten. Zudem hat der NSC zu viele Mitarbeiter in zu vielen Abteilungen – jedes Mal, wenn eine neue Herausforderung auf- taucht, wird eine neue Abteilung ein- gerichtet. Natürlich spie- len die USA eine globale Rolle. Dies macht es not- wendig, eine Vielzahl von Kontinenten und Themen gleichzeitig im Blick zu be- halten. Deutschland würde aber gut daran tun, eher dem Vorbild Japans zu folgen. Dort wurden Abteilungen nur für die Top-Prioritäten geschaf- fen. Beispielsweise gibt es keine für Afrika, dieses Thema bleibt dem Au- ßenministerium überlassen.

Trotz der Schwächen des NSC wäre es schwierig bis unmöglich, ei- nen politischen Entscheidungsträger zu finden, der sich vorstellen könn- te, das Gremium abzuschaffen. Die

„DCs“ (Deputies Committees), an denen ich teilnahm, als ich im Büro von Vizepräsident Joe Biden arbeite- te, gehörten zu den informativsten und wichtigsten Sitzungen, die ich während meiner Tätigkeit für die Re- gierung erlebte. Natürlich wünschte ich mir oft, dass es weniger Meetings gäbe, und meine Kollegen und ich be- klagten häufig die mangelnde Rück- kopplung zum Haushaltsverfahren.

Aber das hohe Niveau der Koordinie- rung zwischen den Ministerien, vor allem im Krisenfall, trug entschei- dend zur Formulierung der politi- schen Antworten der USA bei.

Deutschland hat die einzigartige Gelegenheit, seine strategische Kul- tur zu verändern und neue Struktu- ren zu entwickeln, die helfen werden,

sich auf das sich verändernde Sicher- heitsumfeld einzustellen. Rechtzeitig vor der Amtseinführung eines neuen Kanzlers, einer neuen Kanzlerin soll- te Deutschland ein kleines Team ex- terner Experten einberufen, um die Erfahrungen anderer Länder sehr ge- nau zu prüfen. Diese Gruppe sollte sich auch mit den folgenden Fragen befassen: Gibt es bereits Strukturen in der deutschen Regierung (zum Bei- spiel den Bundessicherheitsrat), de- ren Mandat ausgeweitet oder verän- dert werden könnte, um als eine Art Nationaler Sicherheitsrat zu dienen?

Wie kann Deutschland strukturelle Veränderungen vornehmen, ohne un- nötige Bürokratie zu schaffen? Wel- che Verfassungsänderungen wären erforderlich? Wer könnte ein solches Gremium leiten? Gerät Deutschland ohne einen Sicherheitsrat ins Hinter- treffen, wenn viele andere Regional- mächte solche einführen oder bereits eingeführt haben?

Die wenigen Kandidaten, die Aus- sichten haben, Deutschlands nächster Bundeskanzler zu werden, denken ohne Zweifel bereits über eine Viel- zahl neuer politischer Ideen nach.

Aber diese müssen von guter Regie- rungsführung untersetzt werden.

Sich jetzt die Zeit zu nehmen, zu der Frage eines Nationalen Sicherheits- rats zurückzukehren, wäre ein guter erster Schritt, um eine Debatte über deutsche Staatskunst zu beginnen.

Trotz Schwächen will niemand in den USA den NSC abschaffen

Julianne Smith war in der Obama- Regierung u.a. stellv.

Nationale Sicherheits- beraterin von Vizeprä- sident Joe Biden. Der- zeit ist sie Richard von Weiz säcker Fellow an der Bosch Academy.

Sicherer Schutz vor Gefahren durch Drohnen – wenn es wirklich darauf ankommt

GUARDION – im Einsatz bewährt:

❙ G7-Gipfel 2015 in Elmau

❙ Staatsbesuch des US-Präsidenten 2016 in Hannover

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Eine Kooperation von ESG, Diehl Defence und Rohde & Schwarz ■ www.drohnenabwehr.de Modulares Drohnenabwehrsystem

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