• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Primärversorgung des Neugeborenen" (20.02.1975)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Primärversorgung des Neugeborenen" (20.02.1975)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Primärversorgung des Neugeborenen

Manfred Wolfart und Gerhard Loskant

Aus der gynäkologisch-geburtshilfliehen Abteilung (Leitender Arzt: Professor Dr. med. Gerhard Loskant) des Städtischen Krankenhauses Neunkirchen/Saar

Von der Zustandsdiagnostik der Neonaten durch den Geburtshelfer wird der Umfang der erforderlichen therapeutischen Maßnahmen bestimmt. Den grundsätzlichen Adaptationshilfen haben bei neona- taler Asphyxie Maßnahmen zu folgen, mit denen die Notfallsituation zu beseitigen ist; ihr Stellenwert ist unterschiedlich. Kardio-toko- graphische Überwachung mit Fetalblutanalyse, effiziente Atemspen- de inklusive Intubation und Katheterismus der Nabelgefäße sollten auf jeder geburtshilfliehen Abteilung möglich sein.

Bei 10 bis 20 Prozent der Gebur- ten ist mit einer Störung der frühen Neonatalzeit zu rechnen. Das Kind kann bedroht werden durch

a) pathogene Einflüsse seitens der Mutter (Tabelle 1 ),

b) Komplikationen unter der Ge- burt (Tabelle 2).

Das asphyktische Neugeborene kann durch rasches und präzises ärztliches Eingreifen in den ersten Lebensminuten vor irreversiblen zerebralen Störungen bewahrt wer- den. Ein im Geburtsverlauf gesetz- ter Hirnschaden wird durch un- sachgemäße Reanimation noch vergrößert. Umfang und Dauer von Hypoxie und Acidose bestimmen das Ausmaß der Folgen einer peri- natalen Asphyxie. Die sich daraus ergebende Soforttherapie muß un- ter optimalen Voraussetzungen möglich sein. Auf Grund eigener Erfahrungen haben wir die zur Be- herrschung einer geburtshilfliehen Notsituation (besonders der Neu- geborenenasphyxie) erforderlichen

personellen Mindestanforderungen in Tabelle 3 zusammengestellt.

Wegen der uneinheitlich und mit- unter auch sparsam eingerichteten geburtshilfliehen Abteilungen ist es noch zu früh, Minimalforderungen an die apparative Ausrüstung zu stellen. Die in Tabelle 4 genannten perinatologischen Vorgänge soll- ten allerdings bereits heute überall durchzuführen sein.

Da die meisten kindlichen Asphyxi- en aus dem Schwangerschafts- und Geburtenverlauf vorhersehbar sind, kann zur Akutversorgung des Neugeborenen alles Notwendige vorbereitet werden. Die erforderli- chen Maßnahmen ergeben sich aus dem Status praesens, der Zu- standsdiagnostik des Neonaten. Vi- talitätsbeurteilungen, wie lebens- frisch, blau-asphyktisch oder blaß-asphyktisch sollten der Vergangenheit angehören. Durch die Standardisierung der zur Über- prüfung der Vitalität herangezoge- nen Kriterien wird eine differen-

Tabelle 1: Die kindliche Ent- wicklung ungünstig beein- flussende Faktoren einer Gravidität

~ Gestose

~ Diabetes und Diabetesvor- stadien

~ Blutgruppenunverträglich- keit (Morbus haemolyticus neonatorum)

~ eine Plazentainsuffizienz begünstigende Faktoren: Ni- kotinabusus, Alter der wer- denden Mutter, Mehrlings- schwangerschaften, Tragzeit- überschreitung, vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitiger Blasensprung

Tabelle 2: Drohende Gefah·

ren unter der Geburt

~ Nabelschnurkomplikation

~ Fieber

~ protrahierter Geburtsver- lauf

~ pathologischer Wehentyp, besonders Steigerung des Basaltonus

~ Übergang von depresso- risch wirksamen Medikamen- ten auf das Kind

~ pathologische Geburtsblu- tung (tiefer oder vorliegender Sitz oder vorzeitige Lösung der Plazenta)

~ operative Entbindung

zierte Zustandsdiagnostik sowie eine erste, vorsichtige Prognose ermöglicht.

Apgar-Schema

Am gebräuchlichsten und den in- ternationalen Vergleich erlaubend ist das 1953 von Virginia Apgar angegeoene Beurteilungsschema, das in einem Punktesystem Herz- DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 8 vom 20. Februar 1975 503

(2)

Primärversorgung des Neugeborenen

Tabelle 3: Personeller Bedarf für einen geburtshilfliehen Funktionstrakt

Tabelle 5: Versorgung des Neugeborenen {Basismaß- nahmen}

---~---·-

0

Ein geburtshilflich-perina- tologisch erfahrener Arzt, der alle geburtshilfliehen Opera- tionen sowie Reanimations- maBnahmen beim Neonaten beherrscht; er muß für den Eventualfall dienstbereit sein.

8

Ein Arzt zur Assistenz (etwa ein in der geburtshilf- lich-perinatologischen Aus- bildung stehender Arzt), der auch außerhalb von Notsitua-

tionen Präsenzpflicht hat.

8 Eine in Geburtsüberwa- chung und Perinatologie er- fahrene Hebamme, die wäh- rend einer Neugeborenenre-

animation die Mutter beauf-

sichtigen kann; Präsenz- pflicht besteht auch außer- halb der Notsituation.

0

Eine medizinisch-techni- sche Assistentin; sie muß am Bett des Neugeborenen Säu- re-Basen-Haushalt und Hämo- globin bestimmen und einen kleinen Gerinnungsstatus er- heben können; außerdem muß sie in Blutgruppensero- logie erfahren sein.

Tabelle 4: Wichtige perinato- logische Maßnahmen

0

Kontinuierliche kardio-to- kographische Überwachung und Möglichkeit der Fetal- blutanalyse.

, 8

Effiziente Atemspende des Neugeborenen inklusive Intubation.

8

Katheterismus der Nabel- gefäße des Neugeborenen.

0

Risikoarme TrartSport- möglichkeit des Neugebore- nen.

0 Abnabelung

[> Aktive medikamentöse

Leitung der Nachgeburtsperi- ode, bis der Uterus optimal kontrahiert ist.

[> Nabelschnur wird kind-

wärts ausgestrichen.

[> Abnabelung

8 Absaugen

[> Exogene Wärmezufuhr,

um Wärmeverluste zu ver- meiden (etwa im Inkubator).

[> Absaugen von Mundhöhle

und Nasen-Rachen-Raum mit erwärmtem Plastikkatheter.

[> Leersaugen des Magens

zur Prophylaxe von Regurgi- tation und Aspiration sowie zum Ausschluß einer öso- phagusatresie.

Tabelle 6: Zusätzliche Maß·

nahmen bei neonataler Asphyxie

..,.. Sauerstoffventilation; ap- parative Maskenbeatmung oder Beatmung über den ln- tratracheal katheter; notfall- mäßige Atemspende durch Mund-zu-Mund-Beatmung.

..,.. Nabelvenenkatheterismus und Acidosekorrektur.

..,.. Schocktherapie und Schockprophylaxe.

..,.. Externe Herzmassage.

..,.. (Medikamentöse Behand- lung)

schJag, Atmung, Muskeltonus, Re- flexerregbarkeit und Hautfarbe be- rücksichtigt. Später versuchte man die dem Schema anhaftenden Un- zulänglichkeiten durch neu entwik- kelte Schemata mit erweiterten Be- urteilungskriterien zu verbessern. Letztlich hat sich das Apgar-Sche- ma schon allein wegen seines Ver- breitungsgrades doch durchge- setzt, wobei ergänzend das pH im Nabelschnurblut bestimmt werden sollte. Nach dem Apgar-Schema liegt eine Neugeborenenasphyxie bei einer Punktzahl unter sieben vor; bei schwerer Asphyxie beträgt die Apgar-Zahl vier oder weniger.

Mängel des Apgar-Schemas lassen sich ausgleichen, indem man das Neugeborene nicht nur eine Minute nach Abnabelung, sondern fünf be- ziehungsweise zehn Minuten spä- ter noch einmal beurteilt. Dieses Vorgehen ist besonders bei Vorlie- gen einer Asphyxie zu empfehlen;

dadurch wird der prognostische Wert des Apgar-Schemas gestei- gert.

Basismaßnahmen

Unmittelbar nach der Geburt sind an jedem Neugeborenen die Basis- maßnahmen vorzunehmen (Tabelle 5); gleichzeitig muß die Zustands- diagnostik erfolgen. Vor der Abna- belung ist die Nabelschnur kind- wärts auszustreichen. Dadurch wird ein ausreichender Füllungszu- stand des kindlichen Kreislaufs er- reicht, der für die Entfaltung der Lungen und das lngangkommen der Atmung wichtig ist. Wir bevor- zugen die frühe Abnabelung, weil dadurch die übrigen geburtshilfli- ehen Adaptationshilfen schnell

wirksam werden können.

Während der Abnabelung liegt das Kind zwischen den Beinen der Mutter unter Vulvaniveau. Wegen der Gefahr der Hypervolämie, der Übertransfusion, ist bei unreifen Neugeborenen ein gemäßigtes Vor- gehen zu empfehlen. Bei Rhesus- dissonanz und ABO-Unverträglich- keilen ist die Frühabnabelung ohne Ausstreichen der Nabelschnur ge- boten.

(3)

Abbildung 1: Beatmungsinstrumentarium von links: Batteriebetriebenes Laryngo- skop mit auswechselbarem Zungenspatel, Polyvinylintratrachealtuben verschiede- ner Größe, im zweiten Tubus eingeführter dünner Absaugkatheter zur intratrachea- len Absaugung, zwei Guedel-Tuben verschiedener Größe, ein Y-Stück als Verbin- dungsstück des Intratrachealkatheters zum Beatmungsgerät, ein Absaugkatheter des Nasen-Rachen-Raumes und Magens (oben querliegend), Beatmungsmasken verschiedener Größe (oben rechts)

Abbildung 2: Set zur Nabelgefäßkatheterisierung Beim asphyktischen Neugeborenen

wird die Energie anaerob gewon- nen. Da ein Teil davon für die Thermogenese verwandt wird, ist gerade beim deprimierten Kind be- sonders auf die Wärmezufuhr zu achten. Andererseits sind sowohl Basis- als auch Reanimationsmaß- nahmen am nackten Neugebore- nen vorzunehmen, um ihre Wirk- samkeit erkennen zu können.

Damit ist die vitale Primärversor- gung des Neugeborenen mit einer Apgar-Benotung von sieben und mehr abgeschlossen. Zur Erleich- terung der Adaptation empfehlen wir lediglich die Verabreichung von sauerstoffangereicherter Luft (etwa im Inkubator oder durch kurzfri- stige Maskenatmung). Selbstver- ständlich muß auch das unauffälli- ge Neugeborene bis zu seiner Ent- lassung aus der geburtshilflichen Abteilung ständig überwacht wer- den; die tägliche Minimaldokumen- tation soll folgende Parameter um- fassen:

Temperatur, Puls, Atmung, Stuhl, Urin, Gewicht, Nahrung, Serologie und im Krankheitsfalle beziehungs- weise bei Adaptationsstörungen die notwendigen Laborwerte (wie Hämoglobin und Bilirubin).

Die ärztliche Versorgung des Neu- geborenen nach risiko- und kom- plikationslosen Entbindungen er- streckt sich neben der Basisunter- suchung mit Ein- und Fünf-Minu- ten-Apgar-Wert sowie einer fach- pädiatrischen Untersuchung in den ersten Lebenstagen auch auf BCG- Impfung, Vorsorgeuntersuchung auf Phenylketonurle, eventuell auch auf Mukoviszidose. Zwei ärzt- liche Visiten täglich, Entlassungs- untersuchung, Mütterberatung und abschließender Arztbrief sind ebenfalls unerläßlich.

Reanimationsmaßnahmen

An die Basismaßnahmen schließen sich bei Neonaten mit Apgar-Wer- ten unter sieben die dem Schwere- grad der Asphyxie entsprechenden Reanimationsmaßnahmen an (Ta- belle 6).

Beatmung

Zur apparativen Mindestausstat- tung einer geburtshilflichen Abtei- lung gehört heute die Möglichkeit zur Sauerstoffbeatmung. Die Aus- stattung der im Handel befindli- chen Apparate ist verschieden:

Entweder sind Atemdruck und Atemfrequenz von Hand zu steuern (mittels Beatmungsbalg) oder wei- sen bei fest eingestellten Werten eine druckgesteuerte Automatik auf. Es gibt auch Geräte mit druck- gesteuerter Automatik, bei denen Atemdruck und Atemfrequenz ver-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 8 vom 20. Februar 1975 505

(4)

Abbildung 3: Nach steriler Abdeckung wird der Nabelschnurrest nach kaudal ge- zogen und die Vene elliptisch angeschnitten

Abbildung 4: Die Nabelschnur ist bis auf eine Brücke durchtrennt. In die nun gut erkennbare Nabelvene ist der Katheter bis zur Markierung etwa zehn Zentimeter weit eingeführt worden; es läßt sich Blut aspirieren. Die Nabelarterien sind mit Klemmen zur Markierung gefaßt

Primärversorgung des Neugeborenen

änderlich sind, oder volumenge- steuerte Automaten.

Zur passiven Entfaltung der Lunge ist ein initialer Beatmungsdruck von mindestens 40 Zentimeter H2O erforderlich. Um Verletzungen des zarten Tracheal- und Bron- chialsystems zu vermeiden, muß die Drucksteigerung langsam erfol- gen. Nach auskultatorisch oder vi-

suell bestätigter Lungenentfaltung, spätestens aber nach dem fünften Beatmungsakt, wird die Ventilation mit einem positiven Druck von etwa 15 bis 20 Zentimeter H2O (Dauerbeatmung) aufrechterhalten.

Ob man mit intermittierendem Überdruck oder Wechseldruck be- atmet, ist von sekundärer Bedeu- tung. Weniger aufwendige Metho- den, wie die Beatmung mit

Kuhnschem Besteck, Ayreschem T-Stück oder die Mund-zu-Mund- Beatmung sollten dem Fachmann vorbehalten bleiben; sie können schwere Schädigungen des Respi- rationstraktes zur Folge haben.

Wesentlich für die Lungenbelüftung ist die Beschichtung der Alveolen mit dem Antiatelektasestoff. Sein Vorhandensein hängt vom Fül- lungszustand des Kreislaufs und der Reife des Neugeborenen ab.

Daraus wird erneut ersichtlich, wie wichtig eine sachgerechte Abnabe- lung ist.

Der größte Teil der neonatalen De- pressionszustände läßt sich mittels der Maskenbeatmung überbrücken.

Diese Maßnahme kann ein Guedel- Tubus erleichtern; auch diese Technik muß geübt werden, soll sie effizient sein. Die zu verwendende Maske sollte eben noch Munddrei- eck und Nase bedecken (Tot- raum!).

Intubation

Ist das klinische Resultat der Mas- kenbeatmung unbefriedigend, muß umgehend die intratracheale Intu- bation folgen. Das hierzu verwand- te Instrumentarium richtet sich nach den Erfahrungen des Opera- teurs. Das Laryngoskop soll mög- lichst wenig traumatisierend sein und den Blick auf den Kehlkopfein- gang bei angehobenem Kehldeckel freigeben. Dabei muß in Mund und Rachen genügend Raum zur Ein- führung eines Trachealkatheters bleiben. Für den Intubationsvor- gang sind mindestens drei Tuben verschiedener Größe bereitzule- gen. Wir bevorzugen Plastik-(Poly- vinyl-)Tuben, da sie bei Körper- wärme weich sind, zur Zeit der In- tubation aber die notwendige Stei- fe besitzen. Entscheidend für die Wahl der Intratrachealtuben sollte aber ein möglichst geringer Außen- umfang bei maximalem Innen- durchmesser sein (geringe Wand- stärke). Frühgeborene benötigen Tuben mit Außenumfang von 8 bis 12 Charrire, reife Neugeborene solche mit 12 bis 16 Charriöre. Die Länge des Tubus beträgt etwa zehn bis zwölf Zentimeter.

(5)

Abbildung 5: Über den liegenden Nabelkatheter wird langsam (Injektionsdauer etwa fünf Minuten) die Pufferlösung durch eine Hilfsperson injiziert

Abbildung 6: Der Katheter wird bei liegender Nabelschnurklemme gezogen Zum Intratrachealset (Abbildung 1)

gehört auch ein steriler Absaugka- theter, der leicht durch die Tuben geführt und mit dessen Hilfe das Bronchialsystem während der Intu- bation intermittierend abgesaugt werden kann. Die blinde Intubation sollte heute nicht mehr angewandt werden, um unnötigen Traumatisie- rungen vorzubeugen. Von der Ein- satzbereitschaft des Laryngoskops hat sich der Geburtshelfer täglich zu überzeugen.

Gleiches gilt auch für die in einem modernen technisierten Kreißsaal verwendeten Geräte und Instru- mente. Ihre Einsatzbereitschaft ist anhand einer Checkliste täglich zu überprüfen.

Pufferung

Im Anschluß an die Intubation, oder besser gleichzeitig, sollten die Nabelgefäße katheterisiert wer- den, um die Aciditätssteigerung auszugleichen. Der Stellenwert der Pufferung ist nicht endgültig; unter Umständen kann durch eine vorzei- tige Pufferung eine Intubation un- nötig werden. Für die Reihenfolge der Maßnahmen ist also das klini- sche Bild entscheidend. Die erfolg- reiche Ventilation äußert sich unter anderem auch in der Aufhebung der 02-Sparschaltung und führt da- mit zur vermehrten Einschwem- mung von anaerob entstandener Milchsäure.

Um die kindlichen Säure-Basen-Ver- hältnisse bestimmen zu können, wird zunächst die Katheterisierung einer Arterie bis in die Aorta emp- fohlen. Meist wird jedoch nur die größerkalibrige Nabelvene kathe- terisiert, indem man den Nabel- schnurrest nach kaudal zieht und die Vene einen Zentimeter vom Na- belring elliptisch anschneidet (Ab- bildungen 2 bis 6). Ist die Vene nicht gleich auffindbar, wird die Nabelschnur bis auf eine Brücke zum Straffhalten durchtrennt. Den im Durchmesser 1 bis 1,5 Millime- ter großen, mit physiologischer Kochsalzlösung oder Pufferlösung, gefüllten Katheter schiebt man bei

Frühgeburten sieben Zentimeter, bei Reifgeborenen zehn Zentimeter weit in das Nabelgefäß vor, bis sich gut Blut aspirieren läßt. Die sogenannte Pufferdusche erfolgt blind, also ohne vorherige Kenntnis des aktuellen pH-Wertes im kindli- chen Blut. Die Blindpufferung ist bei schweren kindlichen Depressi- onszuständen, gleich welcher Ge- nese (zerebal, medikamentös, pul- monal), indiziert; alle diese Zustän- de gehen mit einer metabolischen

Aciditätssteigerung einher. Vorzu- ziehen ist die gezielte Zufuhr von Puffersubstanz. Sind weitere Kor- rekturen des Säure-Basen-Haushal- tes erforderlich, sind diese selbst- verständlich nur unter Kontrolle des pH-Wertes erlaubt.

Zur Pufferung werden Trispuffer (THAM) oder Natriumbikarbonat- puffer verwandt. (Wegen der nach Trispuffer entstandenen Schäden verabreichen wir ausschließlich

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 8 vom 20. Februar 1975 507

(6)

Abbildung 7: Beispiel einer Reanimationseinheit (von links): pH-Meßgerät, Beat- mungs-Inkubator-Einheit, im Hintergrund kombinierter Wickel-Bade-Tisch unter ei- ner Heizlampe

Primärversorgung des Neugeborenen

Natriumbikarbonat-Lösungen.) Die 8,4prozentige Natriumbikarbonat- Lösung wird in einem Verhält- nis von eins zu eins mit zehn- prozentiger Glukose verdünnt. Von dieser Lösung werden dem Neuge- borenen innerhalb von drei bis sechs Minuten zehn bis 15 Kubik-

zentimeter über den Nabelvenen- katheter zugeführt. Die vielfach be- schriebenen Nebenwirkungen in Form von Gewebsnekrosen (Leber, Gefäße, Gesäßbereich, Destruktion am Os iliunn und Femurkopf sowie Kolonperforationen) dürften auf un- sachgemäße Injektionen in die Na-

belarterie oder auf zu rasche Ap- plikation zurückzuführen sein. Wäh- rend der Injektion muß eine effi- ziente Ventilation gewährleistet sein.

Zur Behandlung acidotischer Neu- geborener wird auch eine Sequen- tialtherapie vorgeschlagen, wobei initial THAM ohne vorherige pH- Messung gegeben wird; die weite- re Puffertherapie erfolgt gezielt mit Natriumbikarbonat.

Die dem Bikarbonat beigegebene Glukose dient nicht nur zur Ver- dünnung, sondern ist auch ein dringend benötigter Energieliefe- rant, denn bei Asphyxie wird Glu- kose anaerob unter Freisetzung von Milchsäure verbrannt. Im An- schluß an einen Nabelvenenkathe- terismus besteht die Gefahr eines aufsteigenden Infektes; wir befür- worten daher die prophylaktische Gabe von Antibiotika (Ampicillin).

Schocktherapie

Pufferung und sachgemäße Abna- belung stellen neben der Acidose- korrektur gleichzeitig eine Schock- behandlung dar.

Zusätzlich — besonders bei feto- maternalen Transfusionen, kindli- chen Blutverlusten bei Placenta praevia und vorzeitiger Lösung — kann eine Volumenauffüllung des kindlichen Kreislaufs durch lang- same Verabreichung von 20 bis 40 Milliliter Humanalbuminlösung oder Dextranlösung erforderlich sein.

Herzstillstand

Kommt es unmittelbar vor oder nach der Geburt des Kindes zum Herzstillstand, sollte eine extratho- rakale Herzmassage versucht wer- den. Hierbei drückt man mit zwei Fingern auf das mittlere Drittel des Sternums, bis ein Widerstand auf- tritt; die Frequenz der Thoraxkom- pressionen sollte zwischen 80 und 100 pro Minute liegen. Eine externe Herzmassage ist nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig endotracheal be-

(7)

In der DDR und in Polen sind zahl- reiche neuere Arbeiten über Kom- plikationen als Folge legaler Schwangerschaftsunterbrechungen erschienen. Sie geben außerge- wöhnlich interessante Aufschlüsse über die Zusammensetzung des Krankengutes sowie über Art und Häufigkeit von Komplikationen nach diesem intrauterinen Eingriff.

In der Bundesrepublik Deutschland fehlen entsprechende Erfahrungen.

Aus diesem Grund ist vor allem die Literatur aus den Ländern heranzu- ziehen, in denen eine ähnliche Re- gelung zum Schwangerschaftsab- bruch getroffen wurde, wie sie bei uns beabsichtigt ist. Diese Arbeiten mit ihren Zahlenangaben scheinen den entscheidenden Gremien der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannt gewesen zu sein, obwohl

sie, in deutscher Sprache abgefaßt, ohne Schwierigkeiten zu beschaf- fen gewesen wären.

Was die Zusammensetzung des Krankengutes anbelangt, so geht aus der Arbeit von Schulz und Henning (Leipzig) hervor, daß die Zahl der ledigen Mütter, bei denen eine lnterruptio durchgeführt wur- de, in der Zeit von 1960 bis 1971 zwischen 9,1 und 14,3 Prozent lag;

im ersten Halbjahr 1972 war sie auf 24,6 Prozent angestiegen. In dem gleichen Zeitraum waren unter den Frauen, die in der Lübecker Klinik entbunden wurden, sieben bis zehn Prozent ledige Mütter. Diese Diffe- renz kann nur so gedeutet werden, daß im Falle der Fristenlösung der größte Teil dieser werdenden ledi- gen Mütter ihre Schwangerschaft unterbrechen lassen wird. Es ist al- atmet wird und möglichst eine Puf-

ferinfusion angelegt und eine Schocktherapie eingeleitet worden ist.

Die medikamentöse Zusatzbehand- lung ist von untergeordneter Be- deutung. Bei opiatbedingter Atem- depression des Neugeborenen werden intramuskulär oder über die Nabelvene langsam 0,1 bis 0,2 Milligramm Lorfan® injiziert. Bei Verdacht auf Hirnblutung wird Vit- amin Ki (Konakion® oral oder in- tramuskulär) verabreicht.

Zur Aufhebung der postpartal per- sistierenden Vasokonstriktion, ins- besondere bei asphyktischen Zu- ständen, wird die Verabreichung von Perphyllon®, Alupent® oder Complamin® in die Nabelvene dis- kutiert. Alle weiteren Maßnahmen, seien sie mechanischer (taktile, thermische Reize) oder medika- mentöser (Analeptika, Respiratoni- ka) Art, sind heute verpönt und können zusätzlich traumatisierend wirken. Die gesamte Reanimations- einheit (Abbildung 7) sollte zwar vom Kreißsaal abgeteilt, aber möglichst nahe liegen.

Nach Aufhebung des Depressions- zustandes gehört das Neugeborene in eine neonatologische Intensiv- pflege. Sie sollte dem Ort der Pri- märversorgung möglichst nahe lie- gen. Für den Transport des gefähr- deten Neugeborenen zur Intensiv- behandlung und -pflege müssen ausreichende Behandlungsmög- lichkeiten vorhanden sein.

Die Primärversorgung des Neuge- borenen gehört heutzutage in das Repertoire eines jeden Geburtshel- fers. Der apparative und finanzielle Aufwand ist, gemessen am Erfolg, bescheiden; entscheidend bleibt der persönliche ärztliche Einsatz.

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. Gerhard Loskant Dr. med. Manfred Wolfart

Oberarzt

668 Neunkirchen (Saar) Städtisches Krankenhaus

Erfahrungen

mit dem Schwangerschaftsabbruch in der DDR

Wichard Freiherr von Massenbach

Aus der Frauenklinik

(Direktor: Professor Dr. med. Wichard Freiherr von Massenbach) der Medizinischen Hochschule Lübeck

Seit der „Liberalisierung" des § 218 in der DDR sind zahlreiche Arbei- ten erschienen, in denen auf die sich daraus ergebenden Konse- quenzen eingegangen wird. Durch Umrechnung der statistischen Ergebnisse auf die Verhältnisse der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Lübeck wird gezeigt, mit welchen Komplikationen und finanziellen Belastungen man bei uns rechnen muß, falls die Fristen- lösung eingeführt wird.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 8 vom 20. Februar 1975 509

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ziel der Aufgabe ist es, den Flächeninhalt eines Viertels des Einheitskreises (Einheitskreis im ersten Quadranten) durch Approximation zu bestimmen. Sei S der Kreisbogen

, n} lässt sich in zwei gleichgroße rechtwinklige

Beachten Sie dabei, dass manche Quellen die Implikation nur in speziellen Situationen zeigen (was natürlich Teilpunkte geben würde). Wir greifen im Folgenden Aufgabe V.2

Präsenzaufgaben zu Mathematik für Biologen und Biotechnologen Blatt XIII vom 12.07.17..

(a) Sie wollen einen Liter einer neuen Lösung mit 15% Methanol und 10% Formaldehyd herstellen. Funktioniert dies und wenn

In der folgenden Aufgabe geht es um die anderen beiden Wachstumsmodelle, die in der Vorlesung besprochen wurden. (a) In Abschnitt 2.6.2 der Vorlesung haben wir das Gesetz

Begründen Sie Ihre

Hinweis: Zeichnen Sie ein Dreickeck mit den drei Ecken A: Leuchtturm, B: Ort des Schiffes vor Zurücklegen der 10 Seemeilen, C: Ort des Schiffes nach Zurücklegen der