• Keine Ergebnisse gefunden

4. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Der Markt

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "4. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Der Markt "

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Sondersession «Gesundheitspolitik» vom 13. September 2011 Hintergrundinformationen zur Erklärung des Regierungsrates

1. Vorbemerkungen

Perimeter der Gesundheitspolitik

In der Sondersession werden viele brennende Themen und Fragen besprochen, welche weit- reichende Konsequenzen haben. Es handelt sich ausschliesslich um Fragen der Spitalpolitik, obwohl die Sondersession als «Sondersession zur Gesundheitspolitik» bezeichnet wird.

Gesundheitspolitik geht jedoch weit über die Versorgung von erkrankten und verunfallten Menschen in Spitälern hinaus. Wichtige Teile der Gesundheitsversorgung bilden auch die Hausarztmedizin, die Spitex, die Langzeitversorgung und die Palliative Care. Gesundheitspoli- tisch von grosser Bedeutung sind zudem die Prävention von Krankheiten sowie die Gesund- heitsförderung, und in einer noch etwas erweiterten Optik muss die Tatsache, dass Gesund- heit einem sozialen Gefälle folgt, in die Überlegungen einbezogen werden.

Der Regierungsrat verfolgt eine ganzheitliche Gesundheitspolitik und hält dazu in den Richtli- nien der Regierungspolitik 2011–2014 fest: «Der Kanton Bern sorgt für eine gute und wirt- schaftlich tragbare, integrierte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in allen Regionen. Er reduziert die Armut und stärkt die Familien.»

Heutige Gesundheitsversorgung im Kanton Bern: Stärken und Schwächen

Die heutige Gesundheitsversorgung des Kantons Bern ist gekennzeichnet durch ein dezentra- les, spezialisiertes Angebot. Die Bevölkerung kann innerhalb des Kantons die gesamte Band- breite medizinischer Leistungen praktisch ohne Wartezeiten beziehen – von der ambulanten Grundversorgung bis hin zur hochspezialisierten Medizin. Das hat seinen Preis, der sich im Staatshaushalt und bei den Krankenkassenprämien niederschlägt. Eine grössere Zurückhal- tung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen könnte sich positiv auf das Kos- tenwachstum im Gesundheitswesen auswirken.

Das Versorgungssystem ist heute stark auf die Akutmedizin ausgerichtet. Doch die älter wer- dende Bevölkerung braucht eine bessere Versorgung für chronische und mehrfach erkrankte Patienten über längere Zeitabschnitte. «Eine gute und wirtschaftlich tragbare integrierte Ge- sundheitsversorgung» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die heute weitgehend seg- mentierten Leistungssektoren des ambulanten und stationären Bereichs sowie die Reha- bilitation und die Pflege (Spitex, Pflegeheime) besser zusammenwirken müssen. Die Versor- gungskette umfasst die Früherkennung, die kurative Behandlung, die Prävention von Rück- fällen oder Folgeproblemen sowie die Palliation (Linderung).

Gute Gesundheit entsteht jedoch nicht einfach im Spital oder in der Arztpraxis, sondern auch und in erster Linie im Alltag. Es braucht dazu nicht nur Anstrengungen jedes einzelnen, son- dern auch Anstrengungen der Gesellschaft, von der Familie über Quartiere, Gemeinden, zum Staat sowie von Betrieben und anderen Institutionen. Der vierte Gesundheitsbericht des Kan- tons Bern hat aufgezeigt, dass sozial benachteiligte Menschen im Kanton Bern häufiger er- kranken und früher sterben. Schlechte Gesundheitschancen der sozial Benachteiligten haben auch negative Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft. Gesundheitsförderung und Präven- tion allein reichen nicht aus, die Gesundheit der Bevölkerung auf Dauer zu verbessern, auch wenn sie auf diejenigen Bevölkerungsgruppen ausgerichtet werden, welche die schlechtesten Gesundheitschancen haben. Ebenfalls wichtig für eine gute Gesundheit ist der indirekte Ein- fluss der Sozial- und der Bildungspolitik, des Arbeitsmarktes und der Umwelt.

(2)

Gesundheitspolitische Herausforderungen

Die gesundheitspolitischen Herausforderungen sind vielfältig und können nur in einer ge- samtheitlichen Sicht und in koordiniertem Vorgehen angegangen und gemeistert werden.

 Die Ansprüche der Gesellschaft erhöhen sich mit dem zunehmenden Wohlstand und dem medizinischen Fortschritt. Die Anspruchs- und Konsumhaltung der Bevölkerung steigt durch die zunehmende Informationsdichte über medizinische Möglichkeiten weiter an. Bei guter Gesundheit älter zu werden, ist heute ein erreichbares Ziel. Doch das stei- gende Durchschnittsalter führt zu einer Zunahme chronisch-degenerativer Erkrankun- gen, was sich auf die nachgefragten Leistungen auswirkt: Pflegeintensive Behandlungen sowie Leistungen im Bereich der Palliative Care werden immer wichtiger. Auch die Ge- sundheitsförderung sowie Prävention und Früherkennungsuntersuchungen gewinnen an Bedeutung.

 Das Vernetzen der Leistungserbringer im Gesundheitswesen ermöglicht eine patien- tenzentrierte, ganzheitliche Gesundheitsversorgung über die ganze Behandlungskette.

Eine solche Gesundheitsversorgung wäre gerade auch auf die steigende Zahl älterer Menschen, die häufig an mehreren chronischen Krankheiten leiden, zugeschnitten. Es gilt daher, die heute bestehenden, zahlreichen regulatorischen, organisatorischen und fi- nanziellen Hürden zu überwinden. Mit dem Bericht zu Managed Care hat der Regie- rungsrat Möglichkeiten aufgezeigt, wie dies unter Berücksichtigung des Krankenversi- cherungsgesetzes umgesetzt werden könnte.

 Über genügend und gut qualifiziertes Personal zu verfügen ist eine der zentralen Fragen für das Gesundheitswesen. In der Schweiz werden heute nur zwei Drittel des jährlichen Bedarfs an Gesundheitspersonal ausgebildet. Der Personalbedarf kann län- gerfristig nur gesichert werden, wenn die Akteure die Ausbildungstätigkeit weiter fördern und rasch Massnahmen zur Personalerhaltung einleiten. Die Auslandsrekrutierung hat Lücken schliessen können, so dass der Anteil an Personal mit ausländischer Nationalität in den Spitälern heute rund einen Drittel umfasst. Für das Bewältigen der Herausforde- rungen in der Gesundheitsversorgung braucht es eine bedarfsgerechte Anzahl aus- und weitergebildetes Personal auf allen Bildungsstufen.

 Die Regierung bezweckt, die wirtschaftliche Bedeutung des Gesundheits- und Sozial- wesens für den Kanton Bern zu fördern. Mit dem Inselspital als bernischem Universitäts- spital, der Universität, der Berner Fachhochschule und zahlreichen Unternehmen aus dem Medtech-Bereich tragen verschiedene Partner zur Stärkung des Medizinalstandorts Bern bei. Die Medizinalbranche beschäftigt inklusive dem Gesundheits- und Sozialwesen 81'000 von über 550'000 erwerbstätigen Personen (14,6 %) und generiert mit 4,7 Milliar- den Franken 8,8 Prozent der kantonalen Bruttowertschöpfung. Für den Medizinalstand- ort Bern ist die erfolgreiche Positionierung der Forschung und Entwicklung an der medi- zinischen Fakultät der Universität Bern und am Universitätsspital auf nationaler und in- ternationaler Ebene entscheidend.

2. Spitalpolitische Entwicklungen auf Bundesebene

Krankenversicherungsgesetz

Gemäss Botschaft zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) von 1994, welches ja eigentlich

«nur» die obligatorische Krankenversicherung regelt, sowie der aktuellen Rechtsprechung dient das KVG in Bezug auf die Gesundheitsversorgung drei Zielen:

 Koordination der Leistungserbringer

 optimalen Ressourcennutzung

 Eindämmung der Kosten.

Mit der Revision des KVG von 2007 hat der Bundesgesetzgeber die Vorgaben betreffend Aus- gestaltung und Zustandekommen der Spitalplanung und der Spitalliste präzisiert. Dabei greift

(3)

er massiv in die Planungshoheit der Kantone ein, eine vielfach verkannte Tatsache. Laut den Bundesbestimmungen muss die Spitalplanung

 bedarfsgerecht

 leistungsbezogen

 interkantonal koordiniert

sein. Bei der Aufnahme von Betrieben auf die Spitalliste sind qualitative und wirtschaftliche Kriterien zu berücksichtigen. Privatspitäler sind «angemessen in die Planung einzubeziehen».

Ein Anrecht auf Aufnahme in die Liste hat niemand.

Verschiebungen bei der finanziellen Belastung

Mit der Mitfinanzierung der Privatspitäler und der freien Spitalwahl hat der Bundesgesetzgeber zudem den Kantonen eine bittere Pille verordnet. Die Kostenbeteiligung des Kantons von 55 Prozent bei stationären Aufenthalten von Kantonseinwohnerinnen und Kantonseinwohnern in einem schweizerischen Listenspital bedeutet für den Kanton Bern eine Mehrbelastung von rund 260 Millionen Franken. Auch bei der Revision der Pflegefinanzierung im KVG resultierte eine zusätzliche finanzielle Belastung des Steuerzahlers. Die Finanzierungsverschiebung vom KVG zum Kanton dürfte hingegen eine gute Botschaft für den Prämienzahler im Kanton Bern sein: Die Prämien sollten im Durchschnitt real sinken, wenn auch vermutlich um einen gerin- gen Betrag.

Fragen um den «Wettbewerb»

Mit der KVG-Revision sollen auch der Wettbewerb und die Transparenz unter den Spitälern gefördert werden. Spitäler müssen marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen werden, um langfristig überleben zu können. Heute trifft dieses Modell sicherlich erst auf einen Teil der Spitäler zu. Allerdings ist auch festzustellen, dass es mit der neuen Spitalfinanzierung schwie- riger wird, durch Spitalbehandlungen viel Geld zu verdienen. Das ist jedoch kein kantonalber- nisches Problem, sondern vom Bundesgesetzgeber so gewollt. Dass man im Gesundheitswe- sen Geld verdienen darf, ist durchaus kein Tabu – es handelt sich um eine nachhaltig boo- mende Branche. Die Frage ist lediglich: Wer finanziert die Gewinne? Ist es der Konsument, der frei entscheiden kann, wofür er sein Geld ausgibt, oder ist es der Steuer- und Prämienzah- ler, der auf die Höhe seiner Abgaben keinen Einfluss hat? Hier sind die Parallelen zum freien Markt nicht gegeben, weshalb man Vergleiche mit Vorsicht geniessen sollte. Schliesslich wer- den Leistungen der Grundversicherung auch von schlechter Verdienenden mitfinanziert, was Honorar- und Gewinnexzesse im Spitalbereich anstössig macht. Medien und Politik haben sich des Themas bereits angenommen.

3. Regierungsrätliche Politik der Spitalversorgung

Spitalversorgungsgesetz

Mit dem Spitalversorgungsgesetz aus dem Jahr 2005 hat der Kanton Bern die Organisation der Spitalversorgung bereits auf eine moderne Basis gestellt und damit Schritte vollzogen, die die anderen Kantone zum grössten Teil erst jetzt, im Hinblick auf die neue Spitalfinanzierung des Krankenversicherungsgesetzes vollziehen. Die kantonseigenen Spitäler sind als Regiona- le Spitalzentren in Form von Aktiengesellschaften organisiert, und auch der Zugang zu den Privatspitälern ist für die Bevölkerung traditionellerweise leichter möglich als anderswo.

Gemäss Spitalversorgungsgesetz muss der Kanton für die Bereiche Akutsomatik, Rehabilitati- on, Psychiatrie, Rettungswesen und Gesundheitsberufe eine Planung (Versorgungsplanung) erstellen. In dieser Planung enthalten sind zum einen die Schätzung des Bedarfs und zum anderen die Analyse des Angebots. Aus diesen beiden Aspekten werden Massnahmen abge- leitet, damit das zur Deckung des Bedarfs erforderliche Angebot gesichert und ausgestaltet werden kann (die Versorgungsplanung 2011–2014 wird in der Novembersession beraten).

(4)

Aufgrund dieser Planung wird die Spitalliste erstellt. Diese beruht nicht nur auf kantonalen Be- stimmungen, sondern wird vom KVG vorgeschrieben: Nur Betriebe, bzw. deren Leistungs- spektren, die auf dieser Liste figurieren, dürfen zu Lasten der obligatorischen Krankenversi- cherung abrechnen. Auf der bernischen Spitalliste sind – mit Ausnahme von zwei kleinen Schönheitskliniken – heute alle Spitaler aufgeführt. Mit einem Teil dieser Betriebe – nämlich den «öffentlichen» – hat die GEF bisher Leistungsverträge abgeschlossen, in welchen die an- gebotenen Leistungen in Art und Menge aufgeführt waren, und aufgrund derer der nach Abzug der Tarifeinnahmen verbleibende, nicht gedeckte Normaufwand abgegolten wurde. Wurden Leistungsmengen über- oder unterschritten, kamen degressive Ansätze zur Anwendung.

Neuer Auftrag des KVG: leistungsorientierte Planung

Das KVG gibt den Auftrag, eine leistungsorientierte Planung zu erstellen. In Abstimmung mit der leistungsorientierten Spitalfinanzierung (SwissDRG), muss sich das Angebot an ebendie- sen Leistungen orientieren. Die DRG taugen indessen wenig für eine zweckmässige Struktu- rierung des Angebots. Aus diesem Grund hat der Kanton Bern gemeinsam mit dem Kanton Zürich eine neue Leistungssystematik erarbeitet. Dieses Planungsinstrument wurde zwischen- zeitlich von der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) gutgeheissen und allen Kantonen zur Anwendung empfohlen. Diese Leistungssystematik beinhaltet nicht nur die Bezeichnung des angebotenen Leistungsspektrums, sondern auch die institutionellen Voraussetzungen (Fach- personal, Infrastruktur, Prozesse), die gegeben sein müssen. Dies entspricht zwar kaum den Vorstellungen aller Leistungserbringer, der Kanton nimmt allerdings dadurch seine Verantwor- tung für eine gute Versorgung wahr. Dazu gehört auch die Festlegung von Mindestfallzahlen für komplexe Eingriffe, für die es eine gewisse Routine braucht. Im Fokus steht dabei nicht das Spital oder gar die Spitalgruppe, auch nicht der einzelne Operateur, sondern das «Team» – die Fachärzte, Medizinaltechniker, Pflegenden, etc. welche für eine gelungene Intervention zusammenarbeiten müssen.

Es handelt sich hier somit um Vorgaben zur Sicherstellung der Qualität bzw. um eine Konkre- tisierung des KVG hinsichtlich der zu vergebenden Leistungsaufträge. Wer eine Leistung in Auftrag gibt, sollte vorher sicherstellten, dass der potenzielle Anbieter die Anforderungen auch erfüllt, um die Leistung qualitativ einwandfrei erbringen zu können. Die Kontrolle, ob dem so war, erfolgt über die Messung des «Outcomes» bzw. der Ergebnisqualität. Auch hier engagiert sich der Kanton Bern bereits seit vielen Jahren an vorderster Front. Allerdings sind bisher nur die öffentlichen Spitäler gehalten, sich an den Messungen zu beteiligen.

Tarifgestaltung und Regulierung

Auch aus dem Blickwinkel der Tarifpartner ist es hilfreich zu wissen, welche Anforderungen an die Leistungserbringung bestehen, damit nicht «Dumping-Tarife» eine qualitativ angemessene Arbeit verunmöglichen. Es ist davon auszugehen, dass die Kosten der Leistungserbringung inskünftig über die Tarifgestaltung geregelt werden. Diejenigen Spitäler, die ihre Kosten im Griff haben, werden sich besser positionieren können, egal ob öffentlich oder privat. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Kostendruck keine falschen Anreize setzt (Sparen am

«falschen Ort», willkürliche Triage von Patienten, etc.), auch das gilt für alle Trägerschafts- formen. Der Markt regelt es im Spitalbereich nämlich nicht von allein. Die moderne Ökonomie anerkennt, dass es eine regulierende Hand braucht, in diesem Fall der Kanton. Dadurch, dass sich der Kanton Bern aus den Tarifverhandlungen heraushält, anerkennt er die Rolle, die ihm laut KVG zukommt und mischt sich nicht in die Preisgestaltung ein. Das bedeutet aber auch, dass die Verhandlungspartner entsprechend gefordert sind und nicht, sobald die Lösungsfin- dung schwierig wird, den Kanton mit Gesuchen zur Tariffestsetzung überhäufen.

(5)

4. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Der Markt

Bern Stadt

Der Kanton Bern berücksichtigt durchaus die vermehrt wettbewerbliche Ausgestaltung der Spitalversorgung: Auf dem Platz Bern soll in der Grundversorgung der Wettbewerb zwischen allen Listenspitälern spielen. Dies trotz des permanenten Vorwurfs eines Überangebots in die- ser Region. Denn für einen Wettbewerb braucht es mindestens zwei Anbieter.

Regionen

In den Regionen des Kantons existiert in der Regel jeweils ein Anbieter. Dort haben die Re- gionalen Spitalzentren einen Versorgungsauftrag. Allerdings sind die Patienten mobil genug, sich für Wahleingriffe im Zentrum behandeln zu lassen, was sie vermehrt auch tun – sehr zum Leidwesen «ihrer» regionalen Anbieter. Von regionalem Protektionismus kann keine Rede sein. Als kantonale Behörde hat die GEF keine Möglichkeit, auf die Spitalwahl der Patienten Einfluss zu nehmen.

Hochspezialisierte Medizin

In der hochspezialisierten Medizin sind die Fallzahlen zu klein und die institutionellen Vor- aussetzungen zu hoch, als dass ein effizienz- und qualitätsfördernder Wettbewerb stattfinden könnte. Konkurrenz artet hier in ein ruinöses Aufrüsten von Infrastruktur und ein Abjagen von Fachkräften aus. Das kann weder im Sinne des Patienten noch des Steuer- und Prämienzah- lers sein. Deshalb verfolgt hier der Regierungsrat, wie in der Versorgungsplanung 2011–2014 als Ziel formuliert, eine Konzentration beim Universitätsspital und eine Verortung der Verant- wortlichkeit bei demselben.

Medizinalstandort Bern

Mit dem Zusammenschluss Inselspital – Spital Netz Bern will der Regierungsrat nicht ein neues Spital zu bauen, sondern den Medizinalstandort Bern stärken, vor allem auch im Hin- blick auf die Förderung von Lehre und Forschung bzw. der medizinischen Fakultät. In beiden Spitalgruppen stehen Bauvorhaben an, die in diesem Zusammenhang koordiniert sein wollen.

Es soll kein «Megaspital» entstehen, in dem die Patienten verloren gehen oder eine unpersön- liche Behandlung erfahren. Vielmehr soll der Zusammenschluss rechtlich und organisatorisch so ausgestaltet werden, dass zwischen den Betrieben Synergien möglich sind. Ziel ist, den Patienten zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Behandlung zu gewähren, und diese so effizient wie möglich zu erbringen. Das entspricht der modernen Unternehmensführung. Mit den heutigen, partikularen Strukturen ist dies jedoch praktisch nicht möglich.

5. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Die gleich langen Spiesse

Gleiche Ausgangslage und Voraussetzungen für alle

Nach 2012 macht es in Bezug auf die Spitalplanung und -finanzierung keinen Unterschied mehr, ob ein Spital eine öffentliche oder eine private Trägerschaft hat, ob es Belegärzte oder angestellte Ärztinnen und Ärzte beschäftigt und wie es wirtschaftlich strukturiert ist. Für alle gilt das gleiche Prinzip: Die mit den Versicherern ausgehandelten Tarife müssen die Betriebs- und die Investitionskosten decken, inklusive Aus- und Weiterbildung von nichtuniversitärem Ge- sundheitspersonal. Der Kanton übernimmt 55 Prozent der Rechnung, die Grundversicherung des Patienten 45 Prozent. Voraussetzung ist, dass sich das Spital auf der Spitalliste befindet und die übrigen Anforderungen des KVG und des Spitalversorgungsgesetzes erfüllt. Die Pati- entinnen und Patienten haben unter allen Listenspitälern der Schweiz die freie Wahl.

Unter dem Stichwort «gleich lange Spiesse» ist der Kanton Bern daran, zum Einführungszeit- punkt des neuen Systems die Rechte und Pflichten der Listenspitäler so zu definieren, dass für

(6)

rung, wie sie der GEF vorgeworfen wird. Heute gelten für öffentliche und private Spitäler zum Teil sehr unterschiedliche Bedingungen, was die Ausgangslage und die Positionierung beein- trächtigt. Die Betriebe ganz «gleichzumachen» ist dabei natürlich nicht möglich.

6. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Der Spitalinvestitionsfonds

Nachhaltiger Einsatz der Mittel

Im bisherigen Spitalfinanzierungssystem trägt der Steuerzahler vollumfänglich die Last der Investitionen im öffentlichen Spitalbereich. Oberstes Ziel ist deshalb die Nachhaltigkeit der eingesetzten Mittel. Dieses Ziel wird auch im Zusammenhang mit dem Einsatz der noch ver- fügbaren Mittel im Spitalinvestitionsfonds verfolgt. Ein unbesehenes Verteilverfahren würde dem Ziel widersprechen.

Bisherige Spielregeln: gesteuertes Verfahren

Der Spitalinvestitionsfonds ist kein «Sparkässeli», sondern ein Instrument, das aus finanzpla- nungs- und tresorerietechnischen Gründen geführt wurde. Gelder wurden und werden erst gesprochen, wenn das ordentliche Gesuchsverfahren durchlaufen worden ist, welches von den Betroffenen oftmals als «schwerfällig und bürokratisch» kritisiert wird. So ist auch zu ver- stehen, dass viele öffentliche Spitäler beklagen, investitiv zu schlecht ausgestattet zu sein, um die Herausforderungen des neuen Spitalfinanzierungssystems meistern zu können. Sie orten hier einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber den Privatspitälern, die von jeher ihre Inves- titionen selber finanzierten und darüber frei entscheiden konnten. Ob dem tatsächlich so ist, darüber scheiden sich die Geister.

Neue Spielregeln: Kanton als Zahlstelle?

Der Kanton hat aber auch im neuen Spitalfinanzierungssystem die Pflicht, Steuermittel nach- haltig und sorgsam einzusetzen. Dieses Prinzip wird mit der neuen Spitalfinanzierung unter- laufen, denn die Beteiligung an den Patientenrechnungen zu 55 Prozent gilt als gebundene Ausgabe. Der Kanton kann sie weder planen (Wahlfreiheit der Patienten) noch direkt beein- flussen (Tarifprozedere, das zumeist letztinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht entschie- den wird). Er verliert mit dem neuen System seine massgebliche Steuerungsmöglichkeit des Spitalangebots und des Budgets, jedoch nicht die Verantwortung. Aus diesem Grund müssen vor- und nachgelagerte Steuerungsinstrumente, wie die Planung, die Aufsicht und die Kon- trolle gestärkt und ausgebaut werden, um den berechtigten Erwartungen der Steuerzahler, der Patienten und nicht zuletzt auch des Personals gerecht zu werden, das auch unter den ver- schärften Konkurrenzbedingungen und dem zunehmenden Preisdruck humane, förderliche Arbeitsbedingungen vorfinden können muss.

7. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Das Personal

Personal als primärer Erfolgsfaktor

Der Regierungsrat ist sich der Gefahr bewusst, dass einzelne Spitäler unter dem Kostendruck aus bequemen, aber auch kurzsichtigen Überlegungen heraus am «Hauptkostenblock» Per- sonal zu schrauben beginnen. Tatsächlich aber ist kompetentes und motiviertes Fachpersonal der Erfolgsfaktor eines Spitals, und ein Sparen an diesem Ort – etwa durch Lohndumping, übermässigen Stellenabbau oder die Beschäftigung von unterqualifiziertem Personal – gefähr- det die Qualität und damit den Ruf eines Spitals. Dieser ist im Zeitalter der freien Spitalwahl, der zunehmenden Mobilität und Informiertheit der Patienten indessen absolut zentral. Die Be- völkerung hat zwar aus Sicherheitsgründen gern ein Spital in Sichtweite, im Bedarfsfall begibt man sich aber zur Behandlung in das aus subjektiver Sicht «beste» Spital.

(7)

Personalschützende Massnahmen und Ausbildungsverpflichtung

Um die Ängste des Personals ernst- und aufzunehmen, sieht der Kanton einerseits vor, die personalschützenden Massnahmen auf alle Listenspitäler auszuweiten, und plant andererseits eine generelle Ausbildungsverpflichtung für alle Betriebe im Gesundheitswesen. Diese soll auch die Weiterbildung zum Facharzt beinhalten. Jeder Betrieb, der Gesundheitspersonal be- schäftigt, soll dazu beitragen, dass es dieses auch gibt. Selbstverständlich nicht gratis – die Aus- und Weiterbildungsleistung wird entschädigt.

8. Wichtige Aspekte der Spitalpolitik: Die legislative Hektik

Einführungsverordnung: nur wenig ist nötig

Mit der Einführungsverordnung zum KVG (EV KVG) will der Kanton primär die Voraussetzun- gen zur Umsetzung der KVG-Revision schaffen. Dabei kann und darf er nur das Nötigste re- geln. Das Vorgehen ist bewusst so gewählt und entspricht nicht einer fahrlässigen Hektik. Es darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Kanton Bern schon vor einigen Jahren ein modernes Spitalversorgungsgesetz erlassen hat und Vieles, was für andere Kantone Neuland ist, schon gut funktioniert (z. B. Abrechnen mit Fallpauschalen oder die Rechtsform der Regio- nalen Spitalzentren).

Gesetzesrevision braucht Zeit

Natürlich waren damals aber die Vorgaben der KVG-Revision noch nicht bekannt, so dass sich auch der Kanton Bern wieder anpassen muss. Die ordentliche Revision des Spitalversor- gungsgesetz, in der auch Fragen zu einer allfälligen Reorganisation der kantonalbernischen Spitäler sowie des Rettungswesens thematisiert werden sollen, braucht Zeit, einen demokrati- schen Konsens, und beruht sinnvollerweise auf ersten Erfahrungen mit dem neuen System.

Ansonsten besteht die Gefahr eines permanenten Nachbesserns, was weder Ziel noch Mittel sein kann.

(8)

9. Fazit

Spannungsfeld Wettbewerb und Planung

Wettbewerb und Planung sind zwei Wirtschaftsprinzipien, die sich grundsätzlich nicht ver- tragen. Im KVG stehen sie jedoch mit gleicher Geltung nebeneinander. Der Regierungsrat ver- sucht trotz oder gerade mit der komplexen Spitallandschaft des Kantons Bern, die Quadratur des Kreises dahingehend aufzulösen, indem er möglichst homogene Rahmenbedingungen schafft, innerhalb derer der Wettbewerb «in geordneten Bahnen» stattfinden kann. Sowohl Patienten als auch Fachkräfte sollen ihre Wahlfreiheit ausnützen können. Denn sie determinie- ren schliesslich den «Markt».

Grosse Herausforderungen

Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass die Herausforderungen, die das neue Spitalfinanzie- rungssystem mit sich bringt, gross sind und dass sie die bernischen Spitäler in sehr unter- schiedlicher Weise treffen. Er bemüht sich, diese Unterschiedlichkeit sowohl zu respektieren als auch zu ordnen.

Versorgungsziele

In der Versorgungsplanung hat der Regierungsrat elf Versorgungsziele für die Planungs- periode 2011–2014 formuliert. Drei prioritäre Zielsetzungen sind:

 In allen Regionen besteht eine gute medizinische Grundversorgung, die Kooperatio- nen einschliesst (öffentliche und private Trägerschaften).

 Die Universitätsspitäler übernehmen eine Zentrumsfunktion in der Spitalversorgung und stellen die Versorgung mit hoch spezialisierten Leistungen sicher.

 Alle Bereiche der Gesundheitsversorgung verfügen über ausreichendes, gut qualifizier- tes und motiviertes Fachpersonal. Dies umfasst sowohl die nicht-universitären wie auch die universitären Gesundheitsberufe.

Angestrebt wird ein bezahlbares, gut funktionierendes, vernetztes Gesundheitswesen, in dem Menschen mit ihren Leiden ganzheitlich und ohne Diskriminierung behandelt werden, von Menschen, die ihren Beruf mit Stolz und Freude ausüben.

Bern, 6. September 2011

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Welche Zusatzkosten in Bezug auf die Anhebung an kantonale Baustandards entstehen werden, ist derzeit noch Gegenstand der laufenden Überarbeitung des Projekts bis Ende September

Ich möchte Ihnen, Herr Regierungsrat, meinen Dank und meine Wertschätzung ausdrücken für ihr grosses persönliches Engagement und die offensichtlichen Bemühungen des

Wie in Kapitel 3.3.2 bereits erwähnt, hat der Schweizerische Hebammenverband (SHV) eine nationale Onlineplattform 21 zur Vermittlung von frei praktizierenden Hebammen

Vogt Hans Rudolf Nein/Non Zimmerli Christoph Nein/Non Costa Stefan. Hess Sandra

Bütikofer Stefan Ja/Oui Dumerrnuth Marianne Ja/Oui Dunning Samantha Ja/Oui. Egger Ulrich

Neu basiert die Strategie zur Bekämpfung von Feuerbrand im Kanton Bern auf drei Kernelementen: Prävention verstärken, Bekämpfung flexibilisieren und fokussieren sowie

[r]

Anstatt die von Alkohol und/oder einer Mischintoxikation berauschte Person schnellst- möglich in ein nahe gelegenes Krankenhaus zu bringen, würde eine, je nach Ort des Auffin- dens