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Archiv "TOP III: Ärztliche Arbeit und Zusammenarbeit in Europa: Gleichberechtigte Gesundheitsversorgung in Europa" (19.05.2000)

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P O L I T I K 103. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 20, 19. Mai 2000 ünftig werde es mehr Freihei-

ten für Patienten geben müs- sen zu entscheiden, in wel- chem Land der Europäischen Union (EU) sie sich behandeln lassen wol- len. Auch Staaten, die gesundheitli- che Leistungen nach dem Sachlei- stungsprinzip wie in Deutschland ver- güten, könnten sich dem Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts nicht mehr verschließen. Das erklärte Rechtsanwalt Horst-Dieter Schirmer, Justiziar der Bundesärztekammer.

Durch die Urteile zu den Klagen der

Luxemburger Kohll und Decker vor zwei Jahren habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) gezeigt, welchen Einfluss das Wettbewerbsrecht des Binnenmarktes auf die sozialen Siche- rungssysteme hat. Damals entschied der EuGH, dass die Krankenversiche- rungen der Kläger die Kosten für Be- handlungen im Ausland bezahlen müssen. Eine Verweigerung hielt der EuGH für eine „Behinderung der Nachfragefreiheit der Patienten und der Angebotsfreiheit ausländischer Ärzte“.

Demnächst entscheidet der EuGH, ob auch Krankenhausbehand- lung im europäischen Ausland dem Freizügigkeitsrecht der Patienten un- terliegt. Schirmer verdeutlichte, dass der Patient keinen Anspruch auf Er- stattung hat, wenn die Behandlung aufwendiger wäre als in seinem Her- kunftsland: „Den Mehraufwand muss er auf eigene Kosten tragen.“

Nach den Kohll/Decker-Urteilen argumentierten einige Mitgliedstaa- ten, dass das Recht auf Freizügigkeit der Patienten eine Kostenerstattung,

TOP III: Ärztliche Arbeit und Zusammenarbeit in Europa

Gleichberechtigte

Gesundheitsversorgung in Europa

Die Gesundheitssysteme geraten durch das Wettbewerbsrecht des europäischen

Binnenmarktes immer mehr unter Druck. Der 103. Deutsche Ärztetag sorgt sich um den sozialen Charakter der gesundheitlichen Versorgung und warnte vor einer nivellierenden Angleichung der Systeme.

Geschlossene Reihe im Angesicht des Ärzteplenums: der Vorstand der Bundesärztekammer, 17 Herren, 2 Damen

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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 20, 19. Mai 2000 wie sie in Luxemburg praktiziert wird,

voraussetzt. Dagegen könnten die Ur- teile nicht auf Länder, in denen das Sachleistungsprinzip gilt oder natio- nale Gesundheitsdienste einspringen, übertragen werden. Schirmer dage- gen: Die nationalen Sozialleistungssy- steme müssten sich dem Gemein- schaftsrecht so

anpassen, dass eine Kostener- stattung mög- lich ist.

„Faktisch wird es wahr- scheinlich nicht viele migrieren- de Patienten geben“, schätzt der Justiziar.

Andererseits würde sich si- cher niemand auf Wartelisten setzen lassen,

wenn er ein Wahlrecht hat. „In einem freien Europa müssen Patienten das Recht haben, notwendige medizini- sche Versorgung in einem anderen Mitgliedsland zu erhalten, besonders wenn sie in ihrem eigenen nicht gelei-

stet werden kann“, forderte Prof. Dr.

med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer.

Das europäische Wettbewerbs- und Vergaberecht werde auch die Zu- lassungschancen ausländischer Ärzte weiter erhöhen, betonte Schirmer. In vergangenen Urteilen entschied der EuGH gegen Mitgliedsstaa- ten, die zusätz- lich zu den eu- ropaweit aner- kannten Diplo- men besondere Qualifikationen von zuwandern- den Ärzten for- derten. Das Recht, in einem Nachbarland ei- ne Zweigpraxis zu eröffnen, oh- ne die Tätigkeit im Herkunfts- land aufgeben zu müssen, ging nach Entscheidungen des EuGH in die Be- rufsordnung von 1997 über. Ein nichtärztlicher Heilbehandler werde dagegen auch künftig keine Zulas- sungschancen haben, wenn der Staat,

in dem er den Arztberuf ausüben will, Vorbehalte hat. Der EuGH bestätigte beispielsweise ein französisches Ge- richt: Verurteilt wurde ein Franzose, der unter Berufung auf sein Diplom als Osteopath an einer britischen Schule im Fach Medizin unterweisen wollte.

Die Befürchtung, dass mit der Ost-Erweiterung eine starke Migrati- on von Ärzten aus Osteuropa nach Deutschland einhergehe, teilte Hoppe nicht. Eine Einwanderungswelle von Ärzten aus Griechenland, Spanien und Portugal nach der Süd-Erweite- rung sei nicht erfolgt.

Allerdings befürchtet Hoppe, dass der „Druck des Marktes“ immer stärker werden wird. Der soziale Cha- rakter des Gesundheitswesens könne dabei verloren gehen, wenn Teile da- von nur noch nach Wettbewerbskrite- rien bewertet würden.

Europäische Ärzte einheitlich vertreten

Politischen Einfluss in Europa will das Comité Permanent (CP), der Ständige Ausschuss der Europäi- Papierbewältigung gehört nicht nur zum Arztberuf, sondern auch zum Delegiertenamt – der Ärztetag bei der Arbeit

Zunehmende Bedeutung des Gemeinschaftsrechtes – Justiziar Horst-Dieter Schirmer

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schen Ärzte, geltend machen. Es tritt mit dem Anspruch an, als Dachorga- nisaton der nationalen Ärzteverbän- de alle europäischen Ärzte zu vertre- ten und als gemeinsames Organ der Ärzte gegenüber den europäischen Einrichtungen zu wirken. Eine sol- che gemeinsa-

me Vertretung ist jetzt wichti- ger denn je:

Neben dem CP gibt es zahl- reiche weitere europäische Dachverbände ärztlicher Or- ganisationen, wie den Dach- verband der Fachärztlichen Berufsverbän- de, der Allge-

mein- und Praktischen Ärzte oder die Ständige Arbeitsgruppe der Jun- gen Krankenhausärzte. Sie vertre- ten ihre Partikularinteressen oft- mals allein bei der Europäischen Kommission – ein Vorgehen, das Hoppe heftig kritisiert: „Wir werden von der Politik auseinander divi- diert, gegeneinander ausgespielt und gegenseitig vorgeführt. Am En- de sind wir eher geschwächt als ge- stärkt.“ Um die Position der Ärzte gegenüber der Politik zu verbessern, müssten sich die nationalen Verbände zum Ständigen Ausschuss als Vertre- tung der Gesamtärzteschaft beken- nen. Die Delegierten des Ärztetages beschlossen einstimmig einen Appell an die Ärztinnen und Ärzte in den Mitgliedsländern der Europäischen Union, die Zusammenarbeit unter dem Dach des Ständigen Ausschusses zu suchen und diesen als Vertretung der Europäischen Ärzte gegenüber den Organen der Union zu stärken.

So einfach sich diese Aufforde- rung anhört, so schwierig ist sie umzu- setzen. Trotz seines eindringlichen Aufrufs sieht Hoppe verschiedene Probleme: so die heterogene Zusam- mensetzung des Comité Permanent.

Einige nationale Ärzteschaften wer- den durch freie Verbände vertreten, wie zum Beispiel die skandinavischen Ärzte, andere durch Kammern. Ein Problem besteht auch darin, dass eini- ge Verbände eine starke europäische

Vertretung der Ärzteschaft noch nicht für so notwendig erachten. Für sie sei europäische Gesundheitspolitik noch

„weit weg“, bedauerte Hoppe.

Das Comité Permanent will sich sowohl für die Belange der euro- päischen Ärzte als auch der Patien- ten einsetzen.

Während „die Ärzte bereits das Recht ha- ben, ihren Be- ruf in jedem Land der Eu- ropäischen Uni- on auszuüben, hat der Patient auf europäischer Ebene noch kei- ne Wahlfreiheit“, kritisierte Dr.

Markku Ääri- maa die derzei- tige Situation. Der Hauptgeschäfts- führer der Finnischen Ärztevereini- gung ist gleichzeitig Präsident des Ständigen Ausschusses der Europäi- schen Ärzte.

Charta der Grundrechte

Das CP will, dass der gleichbe- rechtigte Zugang zur gesundheit- lichen Versorgung in Europa in die Charta der

Grundrechte, die derzeit er- stellt wird, aufge- nommen wird.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieds- länder hatten auf ihrem Gipfel Mit- te 1999 angekün- digt, eine solche Charta zu ent- wickeln. Noch ist allerdings unklar, wie diese ausse- hen soll und wel-

chen Grad an Verbindlichkeit sie haben wird. Einstimmig billigten die Dele- gierten den Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer, das Recht der Patienten auf notwendige medizi- nische Versorgung in jedem anderen Mitgliedsland als Grundrecht anzuer- kennen. Die Ärzte müssten jetzt die

gesundheitliche Versorgung in Euro- pa gestalten, betonte Hoppe. „Die Zeiten, in denen Staatsgrenzen auch als Grenzen für Chancen akzeptiert wurden, sind in der Europäischen Union vorbei“, sagte er unter dem Beifall der Delegierten des Ärzteta- ges.

Neben dem Plädoyer für humane Grundwerte in Europa setzt sich das Comité Permanent für spezifische Belange der europäischen Ärzteschaft ein. So verteidigt es die besondere Stellung der Ärzte im Zusammen- hang mit dem Erlass des Verbrau- cherschutzgesetzes. Ärztliche Dienst- leistung sei kein industrielles Pro- dukt, sondern gründe sich vielmehr auf andere Faktoren, zum Beispiel das Arzt-Patienten-Verhältnis, sagte Äärimaa.

Zum Thema Genpatentierung bezieht der Ständige Ausschuss der Europäischen Ärzte eine klare Positi- on: „Menschliche Genome oder Teile davon dürfen nicht patentiert wer- den“, bekräftigte Äärimaa.

Um eine gleichwertige ärztliche Ausbildung in allen europäischen Ländern will sich das CP stärker selbst kümmmern. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass der „Be- ratende Ausschuss für die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung“ der Europäischen Kommission aufgelöst wurde, umso wichtiger. Die Gründe für die Auflösung sieht Hoppe bei den zahlreichen Vor- schlägen und Forderungen für eine einheit- liche und höhe- re Qualität der Weiterbildung.

Der Beratende Ausschuss sei der Kommissi- on offenbar lä- stig geworden.

Er bedauerte, dass durch die Demon- tage des Ausschusses die Harmoni- sierung der ärztlichen Bildung zu- nächst in weite Ferne gerückt wurde, und forderte das CP auf, das entstan- dene Vakuum zu füllen.

Petra Bühring,

Dr. med. Eva A. Richter

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P O L I T I K 103. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 20, 19. Mai 2000 Referiert zum Thema Europa: Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe,

Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages Zu Gast in Köln: Dr. Markku Äärimaa aus Helsinki, Präsident

des „Ständigen Ausschusses“ der Europäischen Ärzte

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