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Archiv "Entschließungen zum Tagesordnungspunkt III: Gesundheitsversorgung in Europa" (02.06.2006)

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A1538 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 22⏐⏐2. Juni 2006

D O K U M E N T A T I O N / 1 0 9 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

Gesundheitsversorgung in Europa

I.

Der Deutsche Ärztetag bekräftigt seine – auch schon in der letztjährigen Entschließung („Aktu- elle Position der deutschen Ärzteschaft zur Ent- wicklung der europäischen Gesundheitspolitik“) zum Ausdruck gebrachte – Einschätzung, dass die Bundesärztekammer sowohl im Meinungsbil- dungsprozess der europäischen Gesundheitspoli- tik als auch im Entstehungsprozess gemein- schaftsrechtlicher Gesetzgebung die Positionen der deutschen Ärzteschaft einbringen muss – so- wohl auf Gemeinschafts- als auch auf nationaler Ebene. Dasselbe gilt für die Wahrnehmung der be- ruflichen Belange bei der gesetzgeberischen Transformation europäischer Richtlinien. Gerade die jüngsten Beispiele, wie die Dienstleistungs- Richtlinie, Berufsanerkennungs-Richtlinie und die Gewebe-Richtlinie, zeigen die Notwendigkeit ei- ner solchen zweistufigen vor- und nachwirkenden Strategie. Leitbild dieser Aktivitäten muss der Er- halt der freien Berufsausübung und die ungestör- te Entwicklung der demokratisch legitimierten ärztlichen Selbstverwaltung sein, da nur sie die Garantie zur selbstbestimmten Wahrung der Pro- fessionalität, Kompetenz und Ethik der Berufsan- gehörigen sein kann.

Der Deutsche Ärztetag begrüßt daher die Ent- scheidung des Vorstands der Bundesärztekammer, eine Ständige Konferenz „Europäische Angelegen- heiten“ einzurichten, welche insbesondere die Sichtweise der Landesärztekammern bündelt, eine Plattform für einen berufspolitischen und institu- tionell-administrativen Erfahrungsaustausch und eine Unterstützung der Meinungsbildung des Vor- stands bietet.

Der Deutsche Ärztetag bittet den Vorstand, in vergleichbarer Weise auch die Sichtweise der deut-

schen Berufsverbände in die Meinungsbildung über europäische Angelegenheiten einzubeziehen.

II.

Der Deutsche Ärztetag erkennt die Bedeutung an, welche der Mitwirkung der deutschen Ärzteschaft auf europäischer Ebene im Meinungs- und Willens- bildungsprozess der europäischen Institutionen zukommt. Der Deutsche Ärztetag tritt daher dafür ein, dass die Bundesärztekammer als Mitglied des

„Ständigen Ausschusses der europäischen Ärzte“

(CPME) einen Prozess zu seinem Ausbau als eine Schirmorganisation der europäischen Ärzteschaft unterstützt. Nur dies wird der Eigenheit des Ständi- gen Ausschusses als einer Organisation der natio- nalen Ärztekammern oder nationalen Organisatio- nen mit vergleichbarer Bedeutung gerecht. Zu- gleich muss die arbeitsteilige Einbeziehung oder auch eine Verantwortungsteilung mit den maßgeb- lichen europäischen Berufsverbänden, in welchen die deutschen Berufsverbände vertreten sind, si- chergestellt werden. Auf diese Weise kann eine Konzentration und möglichst einheitliche Entwick- lung der europäischen Standpunkte der Ärzte- schaften bewirkt werden.

III.

Von herausragender Bedeutung waren und sind die Vorhaben der so genannten Dienstleistungs- Richtlinie (1) und der Berufsanerkennungs-Richtli- nie (2).

(1) Der Deutsche Ärztetag begrüßt die nach langwierigen Diskussionen und einer entspre- chenden Stellungnahme des Europäischen Parla- ments erfolgte Herausnahme der Gesundheits- dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der so genannten Dienstleistungs-Richtlinie. Auch die EU-Kommission hat in einer neuen Fassung

des Richtlinientextes einen entsprechenden Aus- schluss vorgesehen. Im Rat der Europäischen Uni- on deutet sich ebenfalls eine entsprechende Ent- scheidung an.

Die Kommission hat in ihrem neuen Vorschlag mit ihrer Billigung des Standpunkts des Europäi- schen Parlaments folgende Aussage verbunden:

„Die Kommission akzeptiert den Ausschluss von Gesundheitsdienstleistungen aus dem Anwen- dungsbereich und bekräftigt ihre Entschlossenheit, einen eigenen Vorschlag für Gesundheitsdienstlei- stungen vorzulegen . . .“.

Der Deutsche Ärztetag bittet den Vorstand, die- se Entwicklung mit Sorgfalt zu verfolgen und ei- nerseits auf eine der Patienten- und Ärztemobilität gerecht werdende Lösung hinzuwirken als auch zu verhindern, dass neue unbegründete Harmonisie- rungsbestrebungen (wie z. B. das Arzthaftungs- recht betreffend) unnötige Veränderungen der Be- rufsausübung der Ärzte bewirken.

(2) Die Berufsanerkennungs-Richtlinie ist ver- abschiedet und bis Oktober 2007 in Deutschland umzusetzen. Der Deutsche Ärztetag hält es für er- forderlich, dass bei der Transformation in Deutsch- land folgende Aspekte vom Bundesgesetzgeber in der Bundesärzteordnung und von den Landesge- setzgebern in den Kammer- und Heilberufsgeset- zen beachtet werden:

1. Die verwaltungsrechtliche Feststellung zur Berechtigung der Ausübung des ärztlichen Berufs des zuwandernden Arztes aus einem anderen EU- Mitgliedstaat muss der Approbationsbehörde vor- behalten sein.

2. Auch für die Feststellungen entsprechender Befugnisse im Zusammenhang mit der vorüberge- henden und gelegentlichen Dienstleistungserbrin- gung ist die Approbationsbehörde berufen (vgl.

§ 10 b BÄO).

3. Dazu gehört auch die in Art. 7 der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit der Anzeige und Doku- mentenvorlage (z. B. auch Berufshaftpflichtversi- cherung, welche die Approbationsbehörde zu be- urteilen hat).

4. Die Prüfung von Sprachkenntnissen nach Art.

53 der Richtlinie ist Aufgabe der Approbations- behörde.

5. Die Zusammenarbeit in verwaltungsrechtli- cher Hinsicht unter den Behörden der Mitglied- staaten und der entsprechende Informationsaus- tausch sind Aufgaben der Approbationsbehörden (Art. 56 der Richtlinie).

6. Für die Facharztanerkennung werden weiter- hin die Ärztekammern zuständig sein und die da- mit verbundenen Aufgaben übernehmen.

7. Darüber hinaus sind die Ärztekammern be- reit, bei der Bildung gemeinsamer Plattformen im Sinne von Art. 15 der Richtlinie mitzuwirken.

Der Vorstand der Bundesärztekammer wird ge- beten, eine entsprechende Position gegenüber den Bundes- und Landesministerien einzunehmen.

IV.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts- hofs hat über die Feststellungen, dass versicherte Patienten aus den Mitgliedstaaten auch ohne Ge- muss daher für alle „somatisch“ tätigen, an der

unmittelbaren Patientenversorgung beteiligten Kollegen und Kolleginnen möglich sein, eine ent- sprechende Kompetenz zu erwerben. )

Frühzeitige Erkennung von psychischen Erkrankungen bei Kindern

Länder und Kommunen werden aufgefordert, die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste in den Kommunen zu stärken und ggf. finanzielle Mittel für Kooperationsmodelle mit Kinder- und Jugend- psychiatern sowie Kinder- und Jugendärzten und

Allgemeinärzten, die hausärztlich tätig sind, zur Verfügung zu stellen.

Begründung

Die frühzeitige Erkennung – und damit Initiierung der erforderlichen therapeutischen Maßnahmen – von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen ist gerade im Kindesalter wichtig. Hier bietet sich der Ausbau der Präsenz der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste vor Ort in den Schulen an, ggf. in Kooperation mit Kinder- und Jugendärz- tinnen und -ärzten und Kinder- und Jugendpsych- iaterinnen und -psychiatern, um auch Kinder und Jugendliche erreichen zu können, die vom Regel- versorgungssystem nicht erreicht werden. )

Entschließungen zum Tagesordnungspunkt III

Gesundheitsversorgung in Europa

(2)

nehmigung ihrer Krankenkasse in anderen Mit- gliedstaaten Gesundheitsdienstleistungen in An- spruch nehmen dürfen (und Kostenerstattung nach den Sätzen der Herkunftskrankenkasse erhalten müssen), dazu geführt, dass die Gesundheitssyste- me stärker geöffnet worden sind, als dies in den politischen Vorstellungen der Verantwortlichen der Mitgliedstaaten lag. Damit hat der Europäische Gerichtshof auch eine Richtung eingeschlagen, die die Kompetenzordnung des Gemeinschaftsrechts, welche die Verantwortung für die Gesundheitssy- steme bei den Mitgliedstaaten ebenso belässt wie die Verantwortung für die Versicherungssysteme, relativiert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die nationalen Ziele und Vorhaben im Bereich der Patientenmobilität und der Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung innerhalb der Eu- ropäischen Union analysiert und diskutiert wer- den. Folgerichtig hat die Europäische Union einen so genannten hochrangigen Reflexionsprozess ini- tiiert, und zu diesem Zweck hat die Kommission ei- ne „Hochrangige Gruppe für das Gesundheitswe- sen“ (High Level Group on Health Services and Me- dical Care) eingerichtet. Zwischenberichte lassen erkennen, dass die Diskussion sich auf die Zusam- menarbeit unter den Mitgliedstaaten richtet, um diese zu erleichtern. Insbesondere Themen der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, die Mobilität in den Gesundheitsberufen oder die Einrichtung von so genannten Referenzzentren zur Erreichung von Synergien werden in verschiede- nen Arbeitsgruppen behandelt. Auch der Bereich E-Health, bei dem eine einheitliche Architektur Vor- aussetzung für den Informationsaustausch sowie die Patientensicherheit ist, wird dort behandelt.

Der Deutsche Ärztetag fordert, dass dieser Re- flexionsprozess transparent gemacht wird, damit die Mitgliedstaaten und die dort tätigen Angehöri- gen der Heilberufe rechtzeitig Entwicklungen er- kennen, analysieren und sich dazu positionieren können.

Der Deutsche Ärztetag unterstützt grundsätz- lich die beschriebenen europäischen Initiativen, aber fordert, dass damit

>keine Harmonisierung im Gesundheitswesen,

>keine administrativen Belastungen für die ihren Beruf ausübenden Ärzte und

>keine „Standards“ für strukturelle Rationie- rungen verbunden sein dürfen.

Der Deutsche Ärztetag unterstützt alle Maß- nahmen, welche die Patientenmobilität und die Arztmobilität in Europa fördern. Er sieht allerdings in Wartelisten, wie sie in einigen Mitgliedstaaten praktiziert werden, keine Maßnahmen, welche

„Vorbildcharakter“ für einen Vergleich der Ge- sundheitssysteme haben sollten.

V.

Mit der mit dem so genannten Lissabon-Prozess entwickelten Offene Methode der Koordinierung, die nunmehr aufgrund von verschiedenen Mittei- lungen der Europäischen Kommission auf den Ge- sundheitsbereich ausgedehnt worden ist, befasst sich die Bundesärztekammer schon seit einiger Zeit. In der vorjährigen Entschließung wurde sei-

tens des Deutschen Ärztetages eine endgültige Be- wertung dieser Methode vom weiteren Verlauf der damit verbundenen Anwendungsschritte abhängig gemacht. Die dort zum Ausdruck gebrachten Zwei- fel bleiben bestehen.

Darüber hinaus stellt der Deutsche Ärztetag Fol- gendes fest:

Allen Mitgliedstaaten sind vermutlich diesel- ben grundsätzlichen und zukunftsweisenden The- men und Probleme gemeinsam, mit welchen sich der Prozess der Offenen Methode der Koordinie- rung beschäftigen könnte. Dies sind die Alterung der Bevölkerung, das Problem der Finanzierbarkeit der Langzeitpflege, ihre sozialverträgliche Gestal- tung; Ungleichheiten im Zugang zu den Gesund- heitssystemen, Umstrukturierungen des Gesund- heitswesens, wie sie derzeit auch in der Bundesre- publik Deutschland unter dem Stichwort einer

„Gesundheitsreform“ geprüft werden und wie wir sie kürzlich für Frankreich und die Niederlande er- lebt haben. Dazu gehört die Finanzierung der Ge- sundheitssysteme auch im Zusammenhang mit den Arbeitskosten. Die Qualität der Versorgungs- angebote gehört ebenfalls zu den Problemen, de- ren Lösungen meistens darauf abstellen, wie Indi- katoren und Qualitätsstandards, die Festlegung von praktischen Leitlinien und die Einführung von Akkreditierungssystemen entwickelt werden kön- nen. Auch stellt sich das Problem der Koordinie- rung der unterschiedlichen Versorgungsangebote, welche bei uns unter dem Stichwort der sekto- renübergreifenden Integrierten Versorgung oder aber auch der Koordination durch Hausärzte dis- kutiert werden.

Der Deutsche Ärztetag unterstützt Informa- tionsprozesse der beschriebenen Art. Sie sollten

„Lernprozesse“ auslösen, jedoch keinen Harmoni- sierungsdruck mit Blick auf bestimmte Praktiken hervorrufen. Es muss in der Entscheidung der Mit- gliedstaaten im Rahmen ihrer Verantwortung für ihre Gesundheitssysteme bleiben, welche Maß- nahmen für die Weiterentwicklung der Gesund- heitssysteme maßgeblich sind.

VI.

Ein maßgebliches Kriterium für das Ziel, in der Ge- meinschaft ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu erreichen, ist für die Ärzteschaft in Deutschland die Freiheit ihrer Berufsausübung. Die Erfahrungen in Deutschland mit einer Politik fantasieloser Kosten- dämpfungsfiguren (wie z. B. Budgets und Nullrun- den) sind nicht geeignet, als Muster zur qualitati- ven Entwicklung der Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union zu dienen. Es ist zu hoffen, dass die Kommission einen eigenständigen Ansatz findet, um vorbildliche Praktiken für ein freiheitli- ches Gesundheitswesen in der Versöhnung mit den notwendigen sozialen Aspekten zu finden.

VII.

Der Deutsche Ärztetag stellt darüber hinaus fest, dass das europäische Gemeinschaftsrecht und die es begleitenden Politiken im Bereich der Gesund-

heit und des sozialen Raums Anlässe für die Berücksichtigung der Tatsache bieten, dass das Ge- sundheitswesen ein enormes Entwicklungspoten- zial für die Wirtschaft in Europa, insbesondere den Dienstleistungsmarkt, und damit auch den Arbeits- markt darstellt. Eine Fokussierung im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung auf Kosten- aspekte würde den notwendigen Blick auf diese Bewertung verbauen. Bei der weiteren Diskussion auf europäischer Ebene ist es erforderlich, die Be- deutung des Gesundheitswesens als Wirtschafts- und Standortfaktor und als Faktor für den wissen- schaftlich-technischen Fortschritt in der Medizin in Europa angemessen zu berücksichtigen. Gerade wenn in den Prozess der Offenen Methode der Ko- ordinierung auch unter dem Thema der Finanzier- barkeit der Sozialsysteme die Angebots- und Nach- frageregulierungsmaßnahmen der Mitgliedstaa- ten in den Blick genommen werden, muss Wert darauf gelegt werden, den äußeren finanziellen Ef- fekt von damit verbundenen strukturellen Effekten zu unterscheiden und zu analysieren und zu be- werten, inwieweit solche Maßnahmen geeignet sind, einen Kostenanstieg einzudämmen, ohne zu- gleich die Qualität und Leistungsfähigkeit der Ge- sundheitssysteme zu beeinträchtigen.

VIII.

Nicht alle europäischen Angelegenheiten vollzie- hen sich auf der Metaebene des europäischen Ge- meinschaftsrechts und der europäischen Gesund- heitspolitik. Gerade in den Grenzgebieten im Ver- hältnis zu einzelnen Mitgliedstaaten stellen sich Probleme, die bilateral gelöst werden müssen. Dies gilt z. B. für den Einsatz von Rettungsdiensten. Hier sollte der Weg zu Regierungsabkommen gegangen werden, sofern nicht andere Absprachen hilfreich sind. Auch die Lösungspotenziale der so genann- ten Euregios können Vorbild sein.

Der Deutsche Ärztetag fordert den Vorstand der Bundesärztekammer auf, Landesärztekammern bei der Lösung solcher bilateraler Probleme zu unter- stützen.

IX.

Der Deutsche Ärztetag fordert den Vorstand der Bundesärztekammer auf zu prüfen, ob und inwie- weit ein eigenständiges Positionspapier der Bun- desärztekammer zur europäischen Gesundheits- politik und ihren Auswirkungen auf Deutschland und die damit verbundenen Positionen der deut- schen Ärzteschaft entwickelt werden kann. Dar- über soll ggf. auf dem nächsten Deutschen Ärzte-

tag berichtet werden. )

Entzug des Rechts der Berufsausübung/

Dienstleistungsfreiheit

Der 109. Deutsche Ärztetag fordert die Europäi- sche Kommission und das Europäische Parla- D O K U M E N T A T I O N / 1 0 9 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 22⏐⏐2. Juni 2006 AA1539

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A1540 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 22⏐⏐2. Juni 2006

D O K U M E N T A T I O N / 1 0 9 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

Versorgungsforschung

Nutzung von Synergien des IQWiG, der Versorgungsforschung der Bundesärztekammer und des Deutschen Netzwerks für

Versorgungsforschung

Die vom letzten Deutschen Ärztetag beschlossene Investition der Bundesärztekammer in die Versor- gungsforschung erfordert, dass die aus der Versor- gungsforschung gewonnenen Erkenntnisse mit den Ergebnissen aus der Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits- wesen (IQWiG) abgeglichen werden. Der Deut- sche Ärztetag fordert sowohl das IQWiG als auch die von der Bundesärztekammer beauftragten Projektgruppen auf, die aus randomisierten klini- schen Studien gewonnenen Ergebnisse auf ihre Relevanz für eine bedarfsgerechte, dem allgemei- nen anerkannten Stand der medizinischen Er- kenntnisse entsprechende Patientenversorgung zu überprüfen.

Eine der wesentlichen Aufgaben der Versor- gungsforschung stellt die Analyse der Versor- gungsstrukturen, der Versorgungsqualität und der Versorgungsdichte dar. Ein wichtiges Kriterium ist hierbei die Feststellung von Versorgungsdefiziten.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen befasst sich mit dem aktuel- len Stand von Diagnostik und Therapie und beur- teilt die Qualität und Wirtschaftlichkeit.

Im Sinne einer bedarfsgerechten Patientenver- sorgung ist es notwendig, dass die vom IQWiG in randomisierten Studien überprüften und erstell- ten Versorgungsempfehlungen auf die im Rahmen der Versorgungsforschung festgestellten Versor- gungsdefizite abgestimmt werden. Nur dadurch ist gewährleistet, dass Versorgungsforschung ei- nerseits und Qualitätssicherung in Diagnostik und Therapie andererseits praxisgerecht im Sinne ei- ner Verbesserung der Patientenversorgung ge-

nutzt werden. )

Individuelle

Gesundheitsleistungen (IGeL)

Zum Umgang mit individuellen Gesundheitsleistungen

Hintergrund

Medizinische Versorgung, die über den Leistungs- katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hinausgeht, hat es schon immer gegeben.

Nach Einführung der Budgetierung 1993 und einer Veröffentlichung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung über „individuelle Gesundheitsleistun- gen“ (IGeL)* werden derartige Leistungen jedoch vermehrt von Ärztinnen und Ärzten angeboten oder von Patientinnen und Patienten nachgefragt.

Grund hierfür ist insbesondere, dass die Notwen- digkeit einer Behandlungsmaßnahme als Lei- stungsvoraussetzung unter dem Sparzwang der GKV heute tendenziell enger beurteilt wird. Zuneh- mend stellt sich die Frage, ob deren Leistungsum- fang noch dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.

Patientinnen und Patienten äußern jedoch den Wunsch nach der bestmöglichen Versorgung, auch soweit diese über den Leistungsumfang der GKV hinausgeht. Es kann Ärztinnen und Ärzten nicht grundsätzlich verwehrt werden, diesem Verlangen nach einer aus Sicht der Patienten wünschenswer- ten Behandlung Rechnung zu tragen. Das gilt auch dann, wenn Leistungen ohne Zusammenhang mit einer Heilbehandlung nachgefragt und erbracht werden. In einem zunehmend von der Ökonomie geprägten Gesundheitssystem muss es Ärztinnen und Ärzten erlaubt sein, auf eine solche Nachfrage zu reagieren und insoweit auch ökonomisch zu handeln, um ihre freiberufliche Tätigkeit und Exi- stenz zu sichern.

Vor diesem Hintergrund lassen sich individuelle Gesundheitsleistungen unterscheiden in

>erforderliche Leistungen, die von der GKV nicht gezahlt werden,

>ärztlich empfehlenswerte Leistungen außer- halb des GKV-Systems und

>von Patientinnen und Patienten initiativ ge- wünschte, ärztlich vertretbare Leistungen.

Verhältnis zu GKV-Leistungen

Nach ihrem Verhältnis zu GKV-Leistungen kann es sich zum einen um Leistungen handeln, die aus dem Leistungsumfang der GKV ausgeschlossen sind, die sich aber im Einzelfalle als sinnvolle Diagnostik oder Therapie anbieten können. Angesichts komplexer Verfahren zur Aufnahme neuer Methoden in den Lei- stungsumfang der GKV und hoher, insbesondere bei seltenen Erkrankungen schwierig zu erfüllender An- forderungen an eine evidenzbasierte Aufnahmeent- scheidung können bei neuen Methoden Situationen auftreten, in denen eine Behandlung außerhalb des Leistungsumfangs der GKV nach dem Stand der me- dizinischen Erkenntnisse zu empfehlen ist. Hinzu kommen empfehlenswerte ärztliche Leistungen, die, wie z. B. reise- oder sportmedizinische Untersuchun- gen oder ein jährlicher Check-up, nie zum Leistungs- umfang der GKV gehört haben und auch in Zukunft kaum zum Leistungsumfang einer solidarisch fi- nanzierten Krankenversicherung zählen werden.

Schließlich können Leistungen je nach Lage des ein- zelnen Falles vom Leistungsumfang der GKV gedeckt sein oder eine individuelle Gesundheitsleistung dar- stellen, Letzteres beispielsweise, wenn ohne Indikati- on eine Diagnostik gewünscht wird, die auch nicht als Präventionsleistung zum Leistungsumfang der GKV zählt.

Definition

Individuelle Gesundheitsleistungen sind danach zu verstehen als ärztliche Leistungen, die

>generell oder im Einzelfall nicht der Lei- stungspflicht der GKV unterliegen,

>aus ärztlicher Sicht erforderlich oder empfeh- lenswert, zumindest aber vertretbar sind und

>von Patientinnen und Patienten ausdrücklich gewünscht werden.

Hinweise für das Erbringen individueller Gesundheitsleistungen

Jedes Angebot individueller Gesundheitsleistun- gen muss der hohen ärztlichen Verantwortung ge- genüber Patientinnen und Patienten Rechnung tra- gen, die auch bei nicht notwendigen Leistungen nicht zu Kunden werden. Nur ein seriöses Anbieten individueller Gesundheitsleistungen kann das für den Erfolg jeder Heilbehandlung unverzichtbare Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärz- ten erhalten. Daher muss in jedem Fall den Anfor- derungen des Berufsrechts Rechnung getragen werden, das eine gewissenhafte Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsme- thoden gebietet (§ 11 Abs. 1 MBO), und es verbie- tet, diagnostische oder therapeutische Methoden unter missbräuchlicher Ausnutzung des Vertrau- ment auf, durch Änderung der Richtlinie

2005/36 EG klarzustellen, dass eine Ärztin oder ein Arzt, deren oder dessen Approbation in ei- nem Mitgliedsland widerrufen wurde, im Rah- men der Dienstleistungsfreiheit nicht weiterhin in diesem Mitgliedstaat als Ärztin oder Arzt tätig werden kann.

Begründung

Der Bundesgerichtshof hat am 13. Oktober 2005 entschieden, dass die Befugnis eines Mit- gliedstaates der Europäischen Union zur vor-

übergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs in Deutschland durch das Ruhen einer ihm er- teilten deutschen Approbation nicht berührt wird. Ein Arzt, dessen Approbation in Deutsch- land widerrufen wurde, kann daher im Rah- men der Dienstleistungsfreiheit weiterhin als Arzt in Deutschland tätig werden, wenn er z. B.

in Belgien eine Berufserlaubnis hat. Ein Tätig- keitsverbot tritt erst dann ein, wenn er auch seine belgische Berufserlaubnis rechtskräftig verloren hat. Diese Rechtslage muss im Interes- se des Patientenschutzes umgehend geändert

werden. )

Entschließungen zum Tagesordnungspunkt VII

Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

* individualvertragliche Leistungen im Gegensatz zu kol- lektivvertraglichen Leistungen im GKV-System

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