• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arzneimittel: Therapeutischer Fortschritt durch Veränderung der Darreichungsform bekannter Wirkstoffe" (15.02.1979)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arzneimittel: Therapeutischer Fortschritt durch Veränderung der Darreichungsform bekannter Wirkstoffe" (15.02.1979)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 7 vom 15. Februar 1979

Arzneimittel:

Therapeutischer Fortschritt durch Veränderung

der Darreichungsform bekannter Wirkstoffe

Wolfgang Forth

Therapeutische Fortschritte werden nicht nur dadurch erzielt, daß neue Wirkprinzipien aufgefunden werden, sondern auch dadurch, daß die gale- nische Aufbereitung längst bekann- ter Wirkstoffe verbessert wird. Der therapeutische Fortschritt liegt dar- in, daß beispielsweise ein Wirkstoff gezielt an bestimmte Orte im Orga- nismus gebracht werden kann; da- durch wird die systemische Arznei- belastung des Organismus mini- miert. Große Erwartungen werden in diesem Zusammenhang an die in- trauterine Applikation kontrazepti- ver Stoffe (Progesteron) geknüpft. In der Glaukombehandlung hat ein kontinuierlich Pilokarpin abgeben- des therapeutisches System bereits einen festen Platz (vergleiche den nachfolgenden Artikel).

Ein therapeutischer Fortschritt zeichnet sich auch bei der Behand- lung der posttraumatischen Osteo- myelitis ab, die immer wieder nach komplizierten Brüchen beziehungs- weise nach operativen Eingriffen auftritt. Nach der Einführung anti- biotischer Medikamente war die Osteomyelitis in der Regel zu be- herrschen; einige wenige chroni- sche Osteomyelitiden erwiesen sich jedoch als Problemfälle, sei es, daß die Infektionsquelle in einem Seque- ster von dem auf dem Blutweg her- angebrachten Antibiotikum nicht er- reicht werden konnte, oder sei es, daß das hohe Nebenwirkungspoten- tial eines systemisch verabreichten,

wirksamen Antibiotikums zum Bei- spiel des Aminoglykosidtyps den Therapieerfolg belastete. Nachdem sich die Infektionen nach Hüftge- lenkersatz durch eine Endoprothese dadurch senken ließen, daß zum Prothesenmaterial Antibiotika zuge- setzt wurden, lag es nahe, dieses therapeutische Prinzip auch auf an- dere Infektionen des Knochens zu übertragen. Dazu wurden Kunst- stoffkügelchen aus Polymethyl- methacrylat entwickelt, die mit ei- nem Antibiotikum (zum Beispiel Gentamycin) angereichert sind und nach der Entfernung eines Seque- sters in die infizierte Knochenhöhle gefüllt werden können. Die Kugeln stehen auch als Ketten*) zur Verfü- gung, die nach einiger Zeit aus der Operationswunde entfernt werden können. Im strengen Sinne des Wor- tes handelt es sich hierbei nicht um ein sogenanntes „therapeutisches System", weil die Abgabe des Anti- biotikums aus dem Kunststoff nicht in einer exakt zuvor definierten Rate erfolgt. Die Kügelchen geben in vitro nach Überschichten mit Pufferflüs- sigkeit noch nach 80 Tagen Genta- mycin in Konzentrationen ab, die über der minimalen Hemmkonzen- tration (ca. 5 mcg/ml) für die wich- tigsten in Frage kommenden Erre- ger liegen (4, 5). Im Wundsekret (Re- donsekret) wurden über 5 Tage Gen- tamycinkonzentrationen gemessen, die zwischen 14 und 215 mcg/ml

") Zum Beispiel Gentamycin PMMA-Kugeln Merck", Gentamycin PMMA-Ketten Merck.

419

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

1. Einführung

Es gibt prinzipiell zwei Möglichkei- ten, Arzneibehandlung zu optimie- ren: die Entwicklung von neuen Arz- neistoffen beziehungsweise Deriva- ten sowie den Versuch, bereits be- kannte Substanzen mittels moder- ner Technologie effektiver und si- cherer anzuwenden. Vor allem Fort- schritte in der Pharmakokinetik und Biopharmazeutik haben die begin- nende Ära membrankontrollierter Arzneistoff-Abgabe-Systeme mög- lich gemacht. So unterschiedliche medizinische Probleme wie Glau- kom und Kontrazeption konnten durch die rationale Anwendung von Therapeutischen Systemen bereits wesentlich beeinflußt werden.

2. Problematik konventioneller Arzneibehandlung

Für alle konventionellen, vom Pa- tienten selbst anzuwendenden Me-

dikamente ist ein Abgabemuster zweiter Ordnung charakteristisch:

der Arzneistoff wird zunächst rasch aus der Darreichungsform abgege- ben, so daß schnell eine initial hohe Konzentration aufgebaut wird, die bis zur nächsten Darreichung ex- ponentiell abfällt (Darstellung 1). In Form eines wellenförmigen Konzen- trationsmusters im Blut beziehungs- weise in den Geweben wechseln ho- he Konzentrationen mit niedrigen ab, und nur für eine begrenzte Zeit wird eine optimale therapeutische Konzentration erreicht.

2.1 Begrenzte Wirkungsdauer Eine problematische Eigenschaft konventioneller Darreichungsfor- men ist die, daß mit ihnen nur eine Wirkungsdauer von einigen Stunden erreicht werden kann. Wenn heute die eine oder die andere orale Arz- neispezialität eine Wirkungsdauer von 1 oder 2 Tagen besitzt, so kann

„Therapeutische Systeme"

lagen. Damit ist sichergestellt, daß über einen beträchtlichen Zeitraum antibiotisch wirksame Konzentratio- nen in unmittelbarer Nähe des Infek- tionsherdes herrschen (4, 5). Im Se- rum des systemischen Blutes der Behandelten überstiegen die Genta- mycin-Konzentrationen nicht 0,5 mcg/ml und im Urin nicht 10 mcg/

ml. Damit ist die Gefahr systemi- scher Intoxikationen durch Genta- mycin, das, wie andere Aminoglyko- side, ototoxische und nephrotoxi- sche Wirkungen verursachen kann, ausgeschlossen (4, 5).

Der Kunststoffträger Polymethyl- methacrylat ist seit vielen Jahren in Gebrauch (2). Eine Gewebsschädi- gung, die hin und wieder bei der intrakorporalen Autopolymerisation aufgetreten ist, ist ausgeschlossen, weil die Aushärtung der Kugeln ex- trakorporal erfolgt. Die intensive to- xikologische Untersuchung der Kü- gelchen (1, 3) ergab keinen Anhalts- punkt auf gewebsschädigende Wir- kungen. Dabei ist zu berücksichti- gen, daß die Kügelchen im geringen Umfang Monomeren-Reste (Meth- acrylat) Reste des Katalysators für die Polymerisation (Benzoylperoxid) sowie Reste des Sterilisationsmittels (Äthylenoxid) enthalten; außerdem ist den Kügelchen zur Schattenge- bung im Röntgenbild Zirkondioxid zugesetzt.

Sicherlich sind die heute verfügba- ren Erfahrungen mit der lokalen An- wendung von Antibiotika bei Kno- cheninfektionen noch nicht ausrei- chend, um ein abschließendes Urteil zuzulassen. Sie sind indes außeror- dentlich ermutigend. Die Entwick- lung auf diesem Gebiet dürfte auch noch keineswegs abgeschlossen sein; die Anwendung polymerer Arz- neistoffträger steht erst am Anfang.

Literatur beim Verfasser Professor Dr. med.

Wolfgang Forth

Ruhr-Universität Bochum Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie

Im Lottental Postfach 10 21 48

4630 Bochum-Querenberg

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Therapeutische Systeme

Eine neue Klasse von Darreichungsformen

Klaus Heilmann

Aus der Augenklinik der Technischen Universität München (Direktor: Professor Dr. med. Hanns-Jürgen Mertö)

Für die Herstellung und Anwendung von Arzneimitteln gilt es heute als unerläßlich, eine pharmakologisch wirksame Substanz pharmakoki- netisch zu charakterisieren. Damit die aus derartigen Untersuchungen gewonnenen Informationen auch therapeutisch genutzt werden kön- nen, ist es in zunehmendem Maße notwendig, konventionelle Dar- reichungsformen zu verlassen und zu Methoden der Arzneiverabrei- chung zu gelangen, mit denen Arzneistoff - ausgerichtet auf ein bestimmtes therapeutisches Programm - in vorprogrammierter Rate kontinuierlich über einen definierten Zeitraum abgegeben wird. Es ist zu erwarten, daß das Therapeutischen Systemen zugrunde liegende Prinzip membrankontrollierter Arzneiverabreichung die Herstellung und Anwendung von Arzneimitteln in der Zukunft tiefgreifend beein- flussen wird.

420 Heft 7 vom 15. Februar 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Von einer unerwünschten Neben- wirkung ist nach Weidmann bei jedem Ereignis auszugehen, das im zeitlichen Zusammenhang mit der Arzneimittel- therapie steht, ohne dass ein

Halbjahr 1978 um nicht mehr als 3,5 Prozent je Versicherten gegen- über der Hälfte der Gesamtausga- ben für verordnete Arzneimittel im Jahre 1977 erhöhen".. Durch die

Internal fixation versus total hip arthroplasty in the treatment of displaced femoral neck fractures: a prospective randomized study of 100 hips. Handel M, Brettschneider J,

Im Stadtzyklus genehmigt sich der Motor laut Hersteller 8,1 Liter, außerorts sind es kaum mehr als 5 Li- ter, die die 60 kW (82 PS) star- ke Maschine für 100 km benötigt.. Mit dem

Wie immer bei seinem Handeln, aber insbesondere bei bestehender Schwangerschaft muß der Arzt ab- wägen, was für seinen Patienten, in diesem Fall für die Mutter und den

Die rot-schwarze Koalition erhofft sich durch das Gesetz jährliche Ein- sparungen von rund 1,3 Milliarden Euro.. In diesem Jahr sollte es eine Mil- liarde

Auch die Hoffnung darauf, daß die Anwendung von Humaninsulin Vorteile bei der Stoffwechseleinstellung erbrin- gen könnte, haben sich in einer ersten vergleichenden Studie

„Der Überle- bensvorteil von fünf Monaten blieb auch für die Patienten erhalten, die nach der Verum- Behandlung in der Zulas- sungsstudie eine Oxaliplatin- haltige