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Archiv "KV-System: Eigene Versäumnisse" (08.05.2009)

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A930 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 19⏐⏐8. Mai 2009

B R I E F E

KV-SYSTEM

Notwendig ist ein Ordnungsrahmen, in dem Vertragsarzt wieder ein freier Be- ruf ist (DÄ 12/2009:

„Die Zukunft des KV- Systems: Es geht um mehr als um Geld“ von Heinz Stüwe).

Der Vertragsarzt teilt zu

. . . Die traditionelle Arztrolle, in der der Arzt sich als Anwalt des Patienten versteht und (bestenfalls) mit diesem gemeinsam Behandlungsentschei- dungen trifft, kollidiert zunehmend mit den Rahmenbedingungen Leis- tungs- und Arzneimittelbudget. Weil maximale Spielräume nicht mehr vorhanden sind, empfinden viele Ver- tragsärzte sich in ihrer Therapiefrei- heit eingeschränkt und ihren Beruf nicht mehr als freien Beruf. Was hilft, ist ein Wechsel der Perspektive: Die zugewiesenen Budgets sind der Rah- men, in dem wir für unsere Patienten eine ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung organisie- ren, die das Maß des Notwendigen nicht überschreitet und wirtschaftlich erbracht wird. Das sieht unser Ver- tragsverhältnis für die Versorgung der GKV-Mitglieder vor . . . Die Aufgabe des Vertragsarztes besteht demnach heute darin, seinen sich ihm anver- trauenden Patienten angemessene Anteile seiner Budgets zuzuteilen.

Dabei muss man Gerechtigkeitsfra- gen reflektieren, sich über Grenznut- zen oder Nutzlosigkeit in Diagnostik und Therapie klar werden und auch das traditionelle Arztbild infrage stel- len . . . und korrigieren. Wenn wir als Vertragsärzte mit unseren gewählten Vertretern dazu in der Lage wären, bräuchten wir umso weniger „sach- fremde Einflussnahmen“ beziehungs-

weise Auflagen und Richtlinien von außen. Erst wenn nachweislich bei vorgegebenen Budgets eine auf das notwendige reduzierte Versorgung nicht mehr möglich ist, ist die Forde- rung nach mehr Geld gerechtfertigt.

Solange wir als Vertragsärzte jedoch unsere Hausaufgaben nicht erledigen, werden wir von den durch uns so ge- schmähten Gesundheitspolitikern nicht ernst genommen und als ver- wöhnte Berufsgruppe mit überzoge- nem Anspruchsdenken wahrgenom- men. Die Zeit der absoluten Thera- piefreiheit in der GKV ist vorbei, und wir sollten aufpassen, mit unseren Forderungen nicht in den Verdacht zu geraten, Therapiefreiheit mit Narren- freiheit zu verwechseln.

Andreas Gänsicke,Sternstraße 28, 06886 Lutherstadt Wittenberg

Rückbesinnung

Ich fühle mich schon lange nicht mehr als Freiberufler. Ich fühle mich verwaltet von Politik, ärztlicher Selbstverwaltung und Krankenkas- sen. Zwangsmitgliedschaft und Plan- wirtschaft sind an die Stelle des freien Leistungsangebots getreten. Wir alle haben dieses System mitgetragen. Wir sind verantwortlich dafür, ob wir die- ses System weiter beibehalten und fördern wollen oder ob wir an einem Punkt angekommen sind, an dem es notwendig ist, innezuhalten und sich neu zu entscheiden. Partnerschaften können auch enden. Vor allem dann, wenn sie zu einer Schieflage geführt haben. Sollten wir uns nicht darauf zurückbesinnen, dass wir Freiberufler sind? Sollten wir nicht anfangen, wie Freiberufler zu handeln? Jeder Dienstleister bietet seine Leistungen an. Ist die Leistung erbracht, dann wird abgerechnet. Wir haben eine Ge- bührenordnung für Ärzte. Wir könn-

ten mit jedem, der unsere Leistung in Anspruch nimmt, offen abrechnen.

Was der Betreffende dann mit dieser Rechnung anfängt, dafür müssen wir uns nicht verantwortlich fühlen. Jeder Patient müsste sich darum kümmern, wie er sich versichert und in welcher Höhe er die Kosten, die er verursacht, von seiner Versicherung zurückerstat- tet bekommt . . .

Dr. med. Wolfgang Weck,Hölderlinstraße 2, 97980 Bad Mergentheim

Eigene Versäumnisse

Natürlich muss Herr Stüwe als Chef- redakteur des Organs der BÄK und KBV einem Erhalt des KV-Systems den Mund reden, aber das geht selbst auf „Seite eins“ objektiver. Man könnte einräumen, dass es die KBV selbst war, die die Zeichen der Zeit übersehen hat und der inneren Kündi- gung ihrer Mitglieder nicht entgegen- gewirkt hat. Man muss auch nicht so tun, als ob die Überbürokratisierung des Arztberufes nur die Schuld der anderen ist, nein, auch wir Ärzte selbst und damit auch die KVen ha- ben kräftig dabei mitgeholfen, indem in den fetten Jahren das Geld mit bei- den Händen ausgegeben wurde und damit die eigenen und auch die An- sprüche der Patienten in heutzutage unbezahlbare Höhen geschraubt wur- den und daher Reglementierungen nötig wurden. Wer dazu am Schluss seines Beitrags Hausarztverträge brandmarkt mit dem Verzicht der freien Arztwahl, war wohl schon län- ger nicht mehr im Praxisalltag und kennt scheinbar auch die Geldver- nichtung durch Mehrfach- und medi- zinisch nicht indizierte Untersuchun- gen nicht. Solange die Ärzteschaft nicht dazu in der Lage ist, sich selbst kritikfähig, wahrhaftig und glaub- würdig an der Diskussion zu beteili-

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich

die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

Das Leser-Forum

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 19⏐⏐8. Mai 2009 A931

B R I E F E

gen und aufzuhören mit der Selbstbe- dienungsmentalität, kann sie nicht er- warten, dass sich am Gesundheitssys- tem irgendetwas zum Positiven für alle, insbesondere aber für die Nach- geborenen, ändert.

Dr. med. Alexander Voigt,Frankenstraße 13, 97078 Würzburg

HPV-IMPFUNG

Das DÄ dokumen- tierte die Kritik eini- ger Wissenschaftler sowie die Position der Zulassungs- behörde („Wie wirk- sam ist die HPV- Impfung?“ DÄ 8/2009 von Ansgar Gerhar- dus et al. und DÄ 9/2009 von Johannes Löwer und Susanne Stöcker).

Was hinter den Zahlen steckt

Die beiden Artikel unter gleichem Ti- tel machen in überdeutlicher Weise klar, dass in Deutschland Mediziner nicht miteinander sprechen können, weil sie konzeptionell sich in den je- weils anderen nicht mehr hineinden- ken können – was in angelsächsischer Medizinkultur in dieser Weise über- haupt nicht mehr vorstellbar ist. Im ersten Artikel von Gerhardus et al.

wird mit Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass es unterschiedliche Betrachtungen von Wirksamkeit, oder, was eigentlich ausgedrückt wer- den soll, von Nutzen gibt. In einer her- vorragenden Tabellenzusammenstel- lung zur HPV-Impfung wird deutlich gemacht, dass der Nutzen der HPV- Impfung irgendwo zwischen knapp zehn Prozent und 20 Prozent liegt, das heißt, bei 100-prozentiger Impfung würde längerfristig das „Problem Zer- vixkarzinom“ um zehn bis 20 Prozent zurückdrängbar sein – einmal komp- lizierende andere Faktoren nicht be- trachtet. Im Entgegnungsartikel gehen Löwer und Stöcker aber von einer fast 100-prozentigen (95 bis 98 Prozent) Wirksamkeit aus. Das Geheimnis die- ser so unterschiedlichen Zahlen wird von den jeweiligen Autoren nicht gelüftet – weil sie ganz offensichtlich gar nicht verstehen, was der andere wirklich meint: Die einen – Gerhar- dus et al. – sprechen auf Basis eines

bevölkerungsbezogenen Ansatzes vom Nutzen in Bezug auf das „Ge- sundheitsproblem Zervixkarzinom“.

Allerdings beantworten sie damit auch die Frage eines einzelnen, zur Impfung aufgerufenen Menschen:

Welchen Nutzen habe ich von der Impfung in Bezug auf dieses Gesund- heitsproblem – statistisch – zu erwar- ten? Die anderen – Löwer/ Stöcker – sprechen in einer fast irritierenden Weise medizinzentriert von der klas- sischen Wirksamkeit, die sie aber kli- nische Wirksamkeit nennen. Wirk- samkeit ist zwar immer Vorausset- zung für einen Nutzen einer Behand- lung oder einer Impfung, nur reicht diese in Bezug auf klinische und be- völkerungsbezogene Relevanz eben nicht aus, wie am Beispiel der Imp- fung deutlich wird. Der Impfstoff ist überzeugend wirksam bei a) Kindern und jungen Frauen, die bisher keinen HPV-Kontakt hatten, und er bezieht sich b) nur auf die beiden HPV-Typen 16 und 18. Wirksamkeit kann man nur in Bezug auf diese Konditionen testen. Was ist also die „richtige“ Ant- wort auf die Frage der Artikelüber- schrift? Interessiert man sich für die Wirksamkeit einer Substanz, eines Impfstoffes, so hat die Darstellung von Löwer/Stöcker die richtige Ant- wort. Man fragt sich nur, wer sich bei einer Impfung hierfür interessiert, handelt es sich doch um eine absolut handlungsferne Frage. Interessiert man sich aber für das „Gesundheits- problem Zervixkarzinom“, also auch für die Frage, was hat ein junges Mädchen davon, wenn es sich impfen lässt, so ist die richtige Antwort aus dem Artikel von Gerhardus zu ent- nehmen: Der Nutzen liegt zwischen zehn und 20 Prozent. Würde man nur sehr junge Kinder impfen, wäre der Anteil auf bis auf 40 Prozent zu he- ben. Auch dies ließe die Notwendig- keit weiterer Früherkennung auf das Karzinom unverändert wichtig sein.

Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz,Leiter der Abteilung für Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf

Kosten und Nutzen

Die jährlichen 6 200 Neuerkrankun- gen an Zervixkrebs beziehen sich auf die weibliche Bevölkerung von 42 Millionen, also eine von 6 800 Frau-

en. Von 1 000 Todesfällen bei Frauen sind vier durch Zervixkrebs verur- sacht und davon eventuell drei mit HPV assoziiert. Da bis 70 Prozent der Frauen im geschlechtsreifen Alter mit HPV konfrontiert werden, ist der Übergang in eine persistierende HPV-Infektion mit Krebsrisiko selten und Spontanheilung die Regel. Ist dafür der immense GKV-Kostenauf- wand vertretbar, wenn weiter gynä- kologische Vorsorge nötig bleibt und Primärprävention oft möglich ist?

Eine Kosten-Nutzen-Bewertung nach dem Sozialgesetzbuch (siehe DÄ 7/2009) käme zu einem „Nein“.

Denn der HPV-Impfung, bei jetzigen Daten und Kosten, fehlen die Ange- messenheit und Zumutbarkeit der Kostenübernahme durch die Versi- chertengemeinschaft. Das gilt auch dann, wenn Zusatznutzen berück- sichtigt wird, z. B. unabhängig vom IQWiG ermittelt. Mehr ergänzende, systematische Beobachtung zur Siche- rung des Nutzens von HPV-Impfun- gen ohne GKV-Leistung ist vertretbar.

Wenn der Leiter des Paul-Ehrlich-In- stituts im DÄ das Statement abgibt

„Es ist absolut unethisch, auf ein Kar- zinom zu warten“, dann berücksichtigt er nicht, dass es gynäkologische Vor- sorge als GKV-Leistung gibt.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. J. M. Wenderlein, Eythstraße 14, 89075 Ulm

DOKUMENTATION

Ärzte sind zu „Da- tensklaven“ gewor- den (DÄ 12/2009:

„Dokumentation in der Medizin: Es ist ein Wahnsinn!“ von Serban-Dan Costa).

Verhext

Prof. Dr. med. Serban-Dan Costa hat den aktuellen Dokumentationswahn- sinn in der Medizin in seiner fatalen Konsequenz eindringlich beschrie- ben. Noch nie in der Menschheitsge- schichte war die Medizin in ihren se- gensreichen Möglichkeiten für den kranken Menschen so hoch ent- wickelt – zugleich aber auch in ihrer sachgerechten Anwendung und Wei- terentwicklung durch oben genannte Entwicklung so existenziell bedroht

Referenzen

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