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Archiv "Medizinethik: Endlich Klartext" (22.05.1998)

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A-1270 (6) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998

Schade

Daß die einheitsstiftende Sprache des Griechischen be- nutzt wird, war mir große Freude. Daß das Thema Res- sourcenknappheit damit zu tun haben sollte, ist dagegen völlig daneben. Als ob ein Grieche sich mit Endlichkeit der Natur, der physis, be- schäftigt hätte. Das apeiron hat keine Grenzen, per defi- nitionem.

Den Begriff der Tugend arte/virtus hätten Sie ein- führen können, wollten Sie aber lieber nicht. Das verste- he ich. Die Tugend besteht für den Stoiker im homologo- menon zen. Vernunftgemäß zu leben heißt für den Stoiker, weder Sklave noch Tyrann zu sein. Und übrigens ist der Mensch von Natur aus ten- denziell unersättlich? Da hät- te Epikur auch etwas dazu zu sagen, zum Wesen der Wohl- gemutheit.

Den Begriff der sophrosy- ne benutzte Platon für die Sklaven. Daß der moderne Arzt ein Sklave ist, haben Sie zwar vergessen zu erwähnen, aber unbewußt doch sugge- riert. Dem freien Herren stand nach Platon die dikaio- synebesser zu Gesicht. Nach diesem proton pseudos habe ich mir erlaubt, den Text nicht zu Ende zu lesen. Schade, mit griechischer Philologie kann man auch viel Gutes, Wahres und Schönes tun.

Dr. med. Oliver Seemann, Schillerstraße 33/408, 80336 München

Endlich Klartext

Der Aufsatz von Herrn Prof. Höffe tut richtig gut:

endlich mal einer, der, wenn auch sehr elegant formuliert, Klartext spricht!

Sein Modell mit Grund-, Aufbau- und Abrundungs- stufe habe ich vor Jahren be- reits vertreten. Meine Begrif- fe sind dem Kfz-Wesen ent- liehen und lauten Haftpflicht (wie der Name sagt, ver- pflichtend, muß jeder ab- schließen), Teilkasko (wenn’s etwas mehr sein darf) und

Vollkasko (für die Reichen;

paßt zur entsprechenden Mentalität). Allerdings war dies lange Zeit nicht salon- fähig, da sofort ein Aufschrei ob einer Zwei-Klassen-Me- dizin die Szene erschütterte.

Dabei weiß doch jeder, daß es diese schon immer gege- ben hat, heute gibt und auch morgen geben wird – viel- leicht sogar deutlicher als je zuvor, da die Schere zwi- schen Reich und Arm in Deutschland zunehmend weiter aufgeht.

Nun bin ich gespannt, wann die Politik diese Ge- danken aufgreift und um- setzt. Wetten, daß dies nicht vor dem 27. September der Fall sein wird?

Dr. med. Ulrich E. Fulda, Talstraße 29, 51399 Bur- scheid

Fehlverwendung von Milliarden

Es gibt keine Ressourcen- knappheit, sondern eine

„Fehlverwendung“, sprich ei- ne Unterschlagung von 100 Milliarden DM der mehr als 250 Milliarden DM GKV- Beiträge (das hat Norbert Ja- chertz höchstpersönlich un- widersprochen im DÄ be- schrieben), die vom mit 2,2 Billionen DM überschulde- ten Staat (das ist so viel, als hätte Theo lang vor dem Bau der ägyptischen Pyramiden jeden Tag eine Million DM Schulden gemacht) heimlich betrieben wird!

Wirkliche „Besonnen- heit“: die durch Zins und Zin- seszins sich selbst alimentie- renden leistungslosen Ein- kommen der Gesamtheit der Kapitaleigner führten seit 1961 in exponentiell steigen- den Wachstumsraten ganz au- tomatisch zur „Pleonexie“

beziehungsweise repräsen- tierten diese. Und die lei- stungslos über die Zinsdyna- mik in immer kürzeren Zeit- abständen wachsenden Geld- vermögen beanspruchen ei- nen immer größeren Anteil am Sozialprodukt, nicht die Gesundheits-Konsumhaltung, Sie blinder Seher! Es sind

S P E K T R U M LESERBRIEFE

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A-1272 (8) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998

S P E K T R U M LESERBRIEFE

nicht die bösen Menschen, die habgierig sind.

Klaus Mahler, Preußenallee 34, 14052 Berlin

Mehr öffentliche Diskussion

Vielen Dank für Ihren an- regenden Beitrag „im Jahr- zehnt der Verunsicherung“.

Der philosophische Vor- schlag eines Paradigmen- wechsels hin zur Besonnen- heit in der Medizin ist sicher- lich überfällig. Wenn er denn nur rasch über die Fachgesell- schaften in Qualitätsstan- dards umgesetzt würde.

Wenn sich dann auch noch der Berufsstand der Juristen zum Mithandeln entschlie- ßen würde. Wenn die Sozial- politiker die notwendige Zi- vilcourage zur notwendigen Rahmenstrukturierung auf- bringen würden.

Ich wünsche mir darüber nur noch eine öffentliche Diskussion, nicht nur im DÄ, sondern in den maßgeb- lichen, meinungsbildenden Medien, denn nur dann erle- ben wir im nächsten Jahrtau- send das Zeitalter von Beson- nenheit und Maß anstelle von Aggression ob des Scheiterns des allseits propagierten und ausgelebten Hedonismus.

Dr. med. R. Gommann, Voß- straße 49, 47574 Goch

Sorge nimmt tragisch- komische Züge an

Auch wenn die Argumen- tationsfigur der Knappheit gesellschaftlicher Ressourcen aus Philosophenmunde nicht weniger ideologieverdächtig bleibt als ihr Mißbrauch in den bekannten politischen Begründungen restriktiver Maßnahmen, bleibt die Zita- tensammlung aus dem Schatzkästlein der Sophrosy- nen bedenkenswert. Es fehlte dabei der Verweis auf I. Il- lichs bekannte Kritik: „Daß die Sorge des medizingesät- tigten Wohlstandsbürgers um seine Gesundheit zu den größten Gefahrenquellen ge-

worden ist.“ Jene Sorge, die vielleicht zu den folgenreich- sten Infektionen mit dem Keim der Pleonexie gehört.

Über den Surrogatcharakter dieser Art von Sorge, als Per- vertierung des Begriffes von Heil, als transzendente Größe nachzudenken ist we- niger aus ökonomischen, denn aus sittlichen Gründen geboten.

In Anbetracht des Ge- sundheitszustands der Armen dieser Welt, deren medizini- sche Ressourcen in „sophro- synischer Versonnenheit“

übergangen werden, nimmt die Sorge um Begrenzung der Ressourcen hier tragisch-ko- mische Züge an . . .

Dr. med. Rainer Baden, Dia- konie Stetten e.V., Devizes- straße 4, 71332 Waiblingen

Skepsis bei Vertrauen in den Markt

Ob der antikisierte Blick Höffes auf die Tugenden zwi- schen „Unersättlichkeit“ und

„Mäßigung“ hinreicht, die komplexe Sachfrage der Verteilungsgerechtigkeit mit der wünschenswerten Tiefen- schärfe zu erfassen, steht da- hin. Denn ihr Umrißcharak- ter erfuhr unter der Führung des „Protestantischen Gei- stes“ eine ambitendente Zu- spitzung, wie sie ökonomiehi- storisch Max Weber im Blick auf den „Geist des Kapitalis- mus“ untersuchte. Die Tu- gend des leistungsbezogenen, zweckrationalen Maßhaltens triumphierte im okzidentalen Wirtschaften, so daß sie – ab- gelöst von ihrer religiösen Motivation – im Markthabi- tus mit der Tendenz zur al- leinigen innerweltlichen Be- reicherung übereinkommen konnte. Diese paradoxe In- dienstnahme der asketischen Lebensführung – auch für das medizinische Wirtschaften – läßt zweifeln, ob sie als via re- gia aus der Ressourcen- knappheit zu empfehlen ist.

Zudem stimmt das ungebro- chene Vertrauen des Denkers vom Fach auf den sich selbst ausbalancierenden Markt an- gesichts der Langzeitarbeits-

losigkeit skeptisch, wie auch der „konstruktive Vorschlag“

des „Prinzip[s] Freiheit“ ob der begrenzten Kontextana- lyse nur dem glücklichen Zu- fall – oder verdienten Schick- sal – des Langzeitarbeitstäti- gen gefallen darf.

Matthias Bormuth, Garten- straße 175, 72074 Tübingen

Zur Ungerechtigkeit tendierende Elitisierung

Höffes diskussionswürdi- ge gesundheitspolitische Dia- gnosen und Therapievor- schläge sind eingebettet in problematische Präsupposi- tionen: Was er gesundheits- politisch zu analysieren an- mahnt, hat er weder sozial- noch bildungspolitisch be- dacht: Ressourcenknappheit.

Bedingungsmöglichkeit und nicht nur nachträgliche Kor- rektur der Verhältnisbestim- mung von Freiheit und Gleichheit und damit der Ge- rechtigkeit ist die Teilhabe, das heißt die Zugangschance zu (nicht nur politischen, son- dern auch sozialen) Ressour- cen. Nur wenn sie gewährlei- stet wird, kann sich der ein- zelne qualifiziert zwischen Freiheit und Gleichheit ent- scheiden. Bevor Teilhabe nicht thematisiert wird, ist al- le Rede vom Vorrang der Freiheit und der Tauschge- rechtigkeit nicht vom Vor- wurf einer zur Ungerechtig- keit tendierenden Elitisie- rung freizusprechen. Beson- nenheit allein wird weder die Ressourcenknappheit behe- ben noch den Weg in die Zweiklassenmedizin aufhal- ten.

Peter Dabrock, Ruhr-Uni- versität Bochum, 44780 Bo- chum

Schlußwort

Eine vernünftige Knapp- heitspolitik fällt der profes- sionellen Politik aus dem ein- fachen Grund schwer, daß sich ihr Auftraggeber und Souverän, der Bürger, selber schwer tut. Nach wenigen Jahrzehnten wirtschaftlicher

Blüte hat er die Einsicht ver- drängt, daß die Knappheit zur Conditio humana gehört und daher nach zwei Grundhal- tungen (Tugenden: aretai) verlangt, die wir seit der Anti- ke kennen: Die Besonnenheit tritt der ausufernden Begehr- lichkeit (pleonexia) entgegen, und die Gerechtigkeit dem Sozialdarwinismus (zu Dr.

Raitzig), da sie jene Knapp- heit, die auch nach Korrektur mancher „Fehlverwendung“

zurückbleibt (zu Herrn Mah- ler), nach Maßgabe einer zwangsbefugten Moral (und nicht freiwilliger Mehrlei- stungen) bewältigt.

Weil die heutige Knapp- heit nicht bloß anthropologi- sche, sondern auch zeitspezi- fische Ursachen hat, erliegt meine Diagnose nicht, wie Herr Bormuth befürchtet, ei- nem „antikisierten Blick“.

Im übrigen ist es schön, daß die humanistische Bil- dung lebendig bleibt. Das von Dr. Seemann genannte apeiron derphysisspielt aber in Platons und Aristoteles’

Ethik keine Rolle, und da die Sache der Tugend eingeführt ist und der Stoiker-Hinweis an meiner Diagnose nichts ändert, erweist sich das selbstauferlegte Weiterlese- verbot als überflüssig. Und Aristoteles’ Metaphysik,ihre Einleitungskapitel und die Schlußkapitel der Nikoma- chischen Ethik geben in der Tat dem nutzenfreien Wissen den Vorrang vor der prakti- schen Philosophie (zu Dr.

Laux).

Nicht nur in der Medizin besteht die Neigung, das hier- zulande herrschende An- spruchsniveau für schlicht ge- rechtigkeitsgeboten zu hal- ten.

Der Ländervergleich mahnt zur Vorsicht. Wenn in den USA auf die entspre- chende Einwohnerzahl gut vier, bei uns aber gut zehn Betten kommen, so kann man schwerlich jede kleinste Re- duktion schon als Gerechtig- keitsverstoß brandmarken.

Im übrigen darf man nicht übersehen, daß für die Ge- sundheit außer genetischen Vorgaben sowohl soziale als

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A-1274 (10) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998

S P E K T R U M LESERBRIEFE

auch persönliche Faktoren zuständig sind. Infolgedessen ist die Gesundheit nur teil- weise ein öffentliches, teil- weise aber auch ein privates Gut, und dem mündigen Bür- ger stehen eigene Entschei- dungsbefugnisse zu, die ihm ein ausufernder Fürsorge- staat gern verwehrt. Das aus mündiger Entscheidungsfrei- heit resultierende Mehrstu- fenmodell der Krankenversi- cherung darf man nicht mit dem „Totschlagwort“ Zwei- klassenmedizin abtun (Herr Dabrock). Die höheren Stu- fen können nämlich das bis- herige Maß, gewisse Lohn- prozente, beibehalten. Jeder Bürger soll aber unterschei- den dürfen, was ihm die Ge- sundheit wert ist, wert an ge- sundheitsbewußter Lebens- führung und an prozentualer Beitragshöhe.

Eine nüchterne Diskussi- on, deren die Knappheitsfra- ge endlich bedarf, muß für ak- tuelle Gefahren offenbleiben:

daß die Übermacht der Dia- gnostik fast jeden Gesunden als krank definieren kann, daß eine Zunahme attrakti- ver Nischenmedizin droht, ferner eine Dominanz kurz- fristiger Behandlungserfolge über den langfristigen Ge- sundheitserfolg.

Prof. Dr. phil. Otfried Höffe

Alkohol

Zu dem Medizin-Kongreßbericht „Ge- sundheitliche Vorteile durch mäßigen Konsum alkoholischer Getränke?“

von Prof. Dr. med. Reinhold Kluthe und Dipl.-Oecotroph. Rainer Thimmel M.P.H., in Heft 7/1998:

Verharmlosend

In Ihrem Artikel verharm- losen Sie die bewußtseinsver- ändernde Droge Alkohol, in- dem Sie sich auf ihre Neben- wirkungen wie Lipidstatus, Herzinfarkt- und Mortalitäts- daten konzentrieren – Daten, die im Prinzip analog auch beim Tier erhoben werden könnten. Wie das schleichen- de Versumpfen von Millionen Alkoholikern gezeigt hat,

werden aber vor allem spezi- fisch menschliche Fähigkei- ten, wie Selbstkontrolle und Selbstreflexion, durch den Alkohol untergraben. Mäßi- ges Trinken bedeutet meines Erachtens lediglich: kom- pensierte Schädigung des Menschlichen, was naturwis- senschaftlich natürlich kaum erfaßbar ist und daher über- sehen wird . . .

Paul Metzger, Güntzelstraße 49, 10717 Berlin

Magnesium

Zu dem Beitrag „Wirksamkeit verschiedener Verbindungen“ von Dr. rer. nat. Sieghard W. Golf in Heft 10/1998:

Kein Dopingmittel

. . . Dem Trugschluß einer vermeintlichen Leistungsstei- gerung durch Magnesium- Gabe sind schon mehrere Autoren erlegen, indem sie die Leistungsfähigkeit einer Gruppe, die kein Mg erhielt, verglichen haben mit einer anderen Gruppe, der Mg zu- geführt wurde. Ebenso kann man trainierte mit untrainier- ten Personen vergleichen.

Sportler haben aus ver- schiedenen Gründen generell einen erhöhten Mg-Umsatz und -Bedarf. Es ist daher ver- ständlich, daß sie ihre Lei- stungsfähigkeit nicht voll ent- wickeln können, wenn ihre Mg-Speicher nicht voll gefüllt sind beziehungsweise ergänzt werden. Das macht sich be- sonders im Ausdauersport bemerkbar.

Richtig ist, daß Athleten, die durch ausgewogene Ernährung sowie regelmäßi- ge zusätzliche Mg-Zufuhr langfristig optimal mit Mg versorgt sind, leistungsmäßig anderen Sportlern überlegen sind, die über geringere Mg- Depots verfügen . . . Ausrei- chende Mg-Zufuhr ist zum Erreichen der vollen Lei- stungsfähigkeit unentbehr- lich, aber es ist kein Doping- mittel . . .

Dr. Dr. med. Armin Schroll, Buchaerstraße 3, 81479 Mün- chen

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