A-1338 (10) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998
S P E K T R U M LESERBRIEFE
Ärzten und Krankenpflege- personal genauso gut wie in den alten Bundesländern.
Auch die Möglichkeiten der freien Arztwahl waren nicht anders als im Westen. Die verfügbaren 3 000 Medika- mente reichten zur Versor- gung aus, spezielle Präparate waren, wenn auch teilweise mit bürokratischen Hürden, ebenfalls verfügbar.
Nicht zuzustimmen ist Burgkhardt, wenn er meint, daß die Ärzte in der DDR ein schlechtes Sozialprestige hat- ten. Sie standen in der Rang- skala der Wertung der Berufe an vorderster Stelle und ver- dienten auch im Spektrum der akademisch Ausgebilde- ten mit am meisten, keines- falls jedoch nur genausoviel oder weniger als Kranken- schwestern, es sei denn, Burgkhardt vergleicht mit Krankenschwesterngehältern der alten Bundesländer.
OMR Dr. med. Wolfram Schindler, Am Hang 43, 24113 Molfsee
Altersgrenze
Zu dem „Seite eins“-Beitrag „Koppel- geschäft“ von Norbert Jachertz und dem Leserbrief „Blühende Vettern- wirtschaften“ von Carsten Bolm in Heft 18/1998:
Altersdiskriminierung
. . . Ein kluger Schachzug der Richter, wenn man davon absieht, daß die Begründung einen schizoiden Charakter trägt.
Wäre die Verfassungsbe- schwerde zur Entscheidung angenommen worden, hätte das Gericht sich nach dem eu- ropäischen Recht orientieren müssen. Und hier liegt nach meiner Information bereits ein Urteil zu einer Beschwer- de aus England vor, in wel- chem der europäische Ge- richtshof für den Antragstel- ler mit der Begründung posi- tiv entschieden hat, daß sol- che Bestimmungen als „Al- tersdiskriminierung“ aufzu- fassen und damit nicht Rech- tens sind.
Jetzt gilt es eine Instituti- on zu finden, welche mit Hilfe des europäischen Gerichts- hofs den Paragraphen eins des Artikels 33 luxiert.
Prof. Dr. med. Hans Isele, Handschuhsheimer Land- straße 62, 69121 Heidelberg
Mut zur
Freiberuflichkeit
. . . Die Ärzteschaft ist selbst weitgehend mit an der Misere schuld. Man fordert immer mehr Schutzzäune, die sich in Gefängnismauern wandeln. Deshalb: endlich Mut zur Freiberuflichkeit, zum Beispiel jetzt auch im Angebot, die staatliche GOÄ in eine Vertrags-GOÄ umzu- wandeln. Starren wir nicht ge- bannt auf die heilige Kuh Punktwert, die durch massi- ve Abrechnungsbeschrän- kungen wie Budgetierung, Abstaffelung, HVM künst- lich geschönt wird. Fordern wir ein leistungsgerechtes Honorar, stellen wir uns dem Wettbewerb zwischen Jung und Alt – nur so können wir auf die Dauer bestehen. Und zum Wettbewerb mit dem Krankenhaus: ich selbst bin seit über 30 Jahren als interni- stischer Belegarzt tätig. Vier Kollegen in zwei Praxen be- treuen mit von ihnen bezahl- ten Assistenten 60 Betten.
Bauen wir dieses Modell aus, befreien wir auch die Kolle- gen im Krankenhaus von den Fesseln einer überhandneh- menden Bürokratisierung und leistungsfeindlichen Zwangs- bestimmung, bilden wir Teams zwischen Ärzten im Krankenhaus und in der Pra- xis – nur so können wir die Zukunft meistern.
Dr. med. Klaus Reichel, Hartmannbund, Landesver- band Bayern, Oberer Markt 11, 91217 Hersbruck
Das Maß ist voll!
Es ist eine ungeheuerliche Entscheidung, insbesondere durch die Begründung des Urteils! Laut dem Grundge- setz ist angeblich die Alters-
begrenzung für Kassenärzte (68 Jahre) berechtigt. Die Richter des Bundesverfas- sungsgerichts führten an:
„Die Regelung diene dem Gesundheitsschutz der Pati- enten.“ Dies ist eine unver- schämte Diskriminierung ei- nes gesamten Berufsstandes, die man in einer Demokratie nie erwartet hätte. Allein die- se Begründung ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und berechtigte eine Beleidi- gungsklage. Ich hoffe, erwar- te und verlange eine entspre- chende Reaktion unserer Be- rufsverbände, besonders aber unserer Funktionäre der KBV, von Herrn Kollegen Dr.
Winfried Schorre, und der Kammern, hier besonders vom Präsidenten der Bundes- ärztekammer, Herrn Kolle- gen Dr. Karsten Vilmar. Ich glaube nicht, daß hier Diffe- renzen in der Meinungsbil-
dung bestehen dürften, das Maß ist voll!
Dr. Dr. Franz-Jos. Broicher, Schillerstraße 32, 50858 Köln (Weiden)
Vergütung
Zu dem „Seite eins“-Beitrag „Sach- verständige Illusion“ von Dr. Sabine Glöser in Heft 16/1998:
Der Rat soll das nicht
In ihrem lesenswerten Editorial zum Sondergutach- ten 1997 des Sachverständi- genrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen kommentiert Dr. Sabine Glö- ser den Vorschlag des Rates, die Vergütung der Ärzte stär- ker am Ergebnis der Behand- lung zu orientieren. Leider läßt der Beitrag erkennen, daß die Autorin das betref-
fende Ratsgutachten nicht detailliert zur Kenntnis ge- nommen hat. Der Rat weist, anders als ihr Kommentar unterstellt – vergleiche Son- dergutachten 1997, insbeson- dere in den Ziffern 622 ff. –, für die Bereiche ambulante ärztliche Versorgung (Ziff.
642 bis 648), Krankenhaus (Ziff. 649 bis 654) und Leitli- nien (Ziff. 657 bis 666) ganz konkret auf eine Reihe von Ansätzen für eine ergebnis- orientierte Vergütung hin.
In seinem Gutachten hat der Sachverständigenrat Vor- schläge unterbreitet, die in ih- rer Differenziertheit über das sonst übliche Maß in derarti- gen Gutachten hinausgehen.
Detaillierte Handlungsan- weisungen zu liefern ist nicht die Aufgabe dieses Gremi- ums. Im Errichtungserlaß für den Sachverständigenrat vom November 1992 heißt es dem-
entsprechend dazu, der Rat solle „Vorschläge für medizi- nische und ökonomische Ori- entierungsdaten“ vorlegen.
Es ist Sache der gemeinsa- men Selbstverwaltung und der Gesundheitspolitik, diese Vorschläge aufzugreifen und in Detaillösungen umzuset- zen. Den Schwarzen Peter mit dem Hinweis an den Sachverständigenrat zurück- zugeben, es fehlten „konkre- te Vorschläge“, verkennt den eigenen gesetzlichen Auftrag der ärztlichen Körperschaften.
Der Schlußsatz des Kommen- tars von Sabine Glöser sollte darum nicht heißen: „Der Rat kann das nicht“, sondern:
„Der Rat soll das nicht.“
Prof. Dr. med. F. W.
Schwartz, Sachverständigen- rat für die Konzertierte Akti- on im Gesundheitswesen, c/o Bundesministerium für Ge- sundheit, Am Propsthof 78a, 53121 Bonn
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Geringe Sachkenntnis
Ergebnisorientierte Ver- gütung: Eine wunderbare Idee des Sachverständigenra- tes. Es werden sich freuen:
Die Kollegen der Dialyse- abteilung (keine Heilung ih- rer terminal niereninsuffizi- enten Patienten); die Kolle- gin, die schwerstbehinderte Kinder betreut (Progredienz der progredienten Erkran- kung ihrer Patienten); der Kollege, der mit enormem Engagement eine Ambulanz für HIV-Infizierte und AIDS- Kranke aufgebaut hat (trotz großer Erfolge der Therapie keine Heilung seiner Patien- ten); die Kollegin, die onko- logische Patienten behandelt usw.
Vorschlag: Alle Genann- ten sollten in andere Berei- che wechseln, zum Beispiel in die Chirurgie, wo – bei Be-
schränkung auf bestimmte Eingriffe – große Erfolgsquo- ten der Behandlung möglich sind.
Im Ernst: Wie gering muß die Sachkenntnis sein, um in den Sachverständigenrat zu
gelangen? Und wieso wehrt sich die KBV nicht massiv ge- gen solche Vorschläge, son- dern unterstützt sie letztlich?
Dr. med. Dietrich Tamm, Lindenstraße 28, 56073 Ko- blenz
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Heinrich Heine
Zu dem Leserbrief „Unspektakuläre Erklärung“ in Heft 14/1998, der sich mit der möglichen Bleivergiftung Heinrich Heines befaßt:
Keine Erklärung
Der von uns geführte Nachweis von Blei in Hein- rich Heines Haaren ermög- licht – ebensowenig wie die bei Heinrich Heine beschrie- bene Symptomatik – noch keine Aussage zur Ursache der Bleivergiftung. Bleiver- giftungen nach Aufnahme
von Getränken, die in Kera- mikgefäßen mit bleihaltiger Innenglasur aufbewahrt wor- den waren, sind schon sehr früh und relativ oft beschrie- ben worden. Bleihaltige In- nenglasuren wurden im Deut- schen Reich bereits im vori- gen Jahrhundert verboten, finden sich aber an importier- ter Keramikware bis heute.
Inhalatorische Bleivergiftun- gen sind bei Arbeitern be- obachtet worden, die mit Bleifarben gestrichene Me- tallteile geschweißt oder ge- schnitten haben. Zur Frage der inhalatorischen Bleibela-
stung aus Wandfarben, die von Frau Michaelis zur Dis- kussion gestellt wurde, haben wir unter Berücksichtigung physikalisch-chemischer und physiologischer Parameter Modellrechnungen durchge- führt.
Danach ist das von Frau Michaelis vorgeschlagene Mo- dell kaum geeignet, eine schwere Bleivergiftung zu er- klären.
Der Nachweis von Arsen in Haaren, die von Napoleon stammen sollen, hatte seiner- zeit großes Aufsehen erregt.
Über den Nachweis von Blei in den Haaren Napoleons (wie im Leserbrief referiert) wurde aber nirgends berichtet.
Literatur beim Verfasser Priv.-Doz. Dr. med. Dr. rer.
nat. H. Kijewski, Institut für Rechtsmedizin der Univer- sität Göttingen, Windausweg 2, 37073 Göttingen