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BRIEFE AN DIE REDAKTION
LOHNFORTZAHLUNG
Zu dem Beitrag von Prof.
Dr. Philipp Herder-Dorneich
„Neue Aufgaben einer Global- steuerung", Heft 42/1981, Seite 1993 ff.:
Problematische Vorschläge
• . Die Einwirkung auf den Krankenstand durch ver- trauensärztliche Begutach- tung der Arbeitsunfähigkeit wegen begründeter Zweifel ist nicht statthaft, sondern gern. § 389 b Abs. 1 Ziff. 2 RVO vorgeschrieben. Tat- sächlich wird dieser Vor- schrift von den Kranken- kassen nur halbherzig und je nach wechselnder Wet- terlage in den Selbstver- waltungen einmal etwas mehr, einmal etwas weni- ger Genüge getan — jeden- falls während des Bezuges von Entgeltfortzahlung.
Diese Unterlassung hat al- lenfalls psychologische, aber weniger unmittelbar reale Folgen. Da wir näm- lich über einigermaßen ver- läßliche Erkennungsmerk- male der einschlägigen Fälle und über ein geeigne- tes Suchsystem zu deren
„Herausfiltern" nicht verfü- gen, wird der Einfluß auf den Krankenstand durch dieses Laisser faire ohne- hin gering sein.
Wahrscheinlich wird der finanzielle Flurschaden durch nicht begründete Ar- beitsunfähigkeitsfälle in- nerhalb der Entgeltfortzah- lung — und um diese geht es dem Autor — vornehm- lich durch eine bestimmte Anzahl von Versicherten mit zahlreichen und kurz- dauernden Arbeitsunfähig- keitszeiten unter wechseln- den Diagnosen angerich- tet. Ihnen ist durch Vorla- dungen nach § 369 b Abs. 1 Ziff. 2 RVO ohnehin nicht beizukommen. Dies wird erkennbar, wenn sie einmal wegen einer ernsteren Er- krankung zu begutachten sind. Dann ergibt sich aus der Leistungskarte der
Krankenkasse, in Verbin- dung mit der Untersu- chungskarte des vertrau- ensärztlichen Dienstes, daß sie „jahrelang nicht beim Vertrauensarzt gewesen"
sind, aber regelmäßig fünf- bis sieben- bis zehnmal im Jahr „krankgefeiert" ha- ben. Sie rutschen durch die Maschen des Kontrollnet- zes hindurch.
Kontrolle ist nicht illegitim, der Gedanke aber, durch Kontrolle bei Fortbestehen der jetzigen Sozialverfas- sung kostensparend zu wirken, muß aus der Sicht der Praxis als Illusion be- zeichnet werden. Die Zei- ten schärfster Kontrolle bis zum Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes
—noch 1966 wurden 13,25 Millionen Versicherte zur Begutachtung vorgeladen
— haben ein Ausufern von Krankenständen, Beitrags- sätzen und Kosten durch und infolge von Krankhei- ten in keiner Weise verhin- dert. Hierzu sind auch
„Seelenmassagen" nicht das adäquate Mittel. Alle Erfahrungen und unsere Kenntnisse über Sozialver- halten und über Zugriffs- verhalten zu sozialen Lei- stungen und Angeboten laufen darauf hinaus, daß man mit ihnen und mit
„Maßhalteappellen" u. ä.
wohl kurzfristige Wirkun- gen erzielen kann, aber kei- ne auf Dauer. Man sollte auch Thesen wie „durch Verbesserung des Gesund- heitswesens müsse der Krankenstand abnehmen"
und „der Krankenstand sei das Maß der Effizienz der
Gesundheitsleistungen"
kritisch überprüfen, denn man begibt sich hiermit auf ein sehr weites Feld . . . Das System der „Arbeits- unfähigkeitstage auf Be- zugsschein" hätte den Vor- teil, den Umfang und die Fluktuation der Kranken- stände überschaubarer zu machen, als diese mit dem heute noch praktizierten Ermitteln des Krankenstan-
des mit seiner geringen Aussagefähigkeit sind. Ob aber Kassenärztliche Ver- einigungen und Betriebe den mit der Einführung die- ses Verfahrens verbunde- nen zusätzlichen Arbeits- aufwand zu übernehmen bereit sind, bleibt abzuwar- ten. Es ist auch die Frage, inwieweit die Selbstverwal- tungen der Krankenkassen der vorgeschlagenen Än- derung, welcher auf den er- sten Blick das Merkmal der Arbeitgeberfreundlichkeit zu eigen ist, zustimmen werden.
Dies beides läßt es zweifel- haft erscheinen, ob die von ihrer Theorie und von ihrer Praktikabilität her schon problematischen Vorschlä- ge von Herder-Dorneich auch zugleich politisch durchsetzbar sind. Doch das ist eine politische und keine ärztliche Frage.
Dr. med. Hero Silomon Leitender
Landesmedizinaldirektor Sc hölerbergstraße 22/3 4500 Osnabrück
SATIRE
Zu der Satire von Prof. Inge- mar Stähl „Kontrolle ist für alle da" (Lund, Schweden), Heft 48/1981, Seite 2297 ff.:
Alternativ- Vorschlag
Zu den Vorschlägen, die der schwedische Professor macht, hätte ich noch ei- nen Alternativ-Vorschlag, der sich möglicherweise verwaltungskostendämp- fend auswirken würde, zu unterbreiten: Die Einkünfte eines jeden Bürgers fließen zu 100 Prozent dem Fi- nanzamt zu; dafür erhält je- der Bürger am Jahresbe- ginn 365 Essens- marken . . .
Dr. med. Karl Gerock Josefstraße 10
7000 Stuttgart-Degerloch
AUTOFAHRER
Zu der Meldung „Getönte Scheiben: nichts für Seh- schwache", Heft 45/1981, Seite XLIII:
Tag und Nacht
Den Vorteilen getönter Windschutzscheiben, näm- lich einer geringfügig ver- besserten Isolierung gegen die Strahlungswärme der Sonne, die zudem in unse- ren Breiten nur an einem knappen Dutzend Tagen im Jahr zum Tragen kommt (Reiner), stehen ganz er- hebliche Nachteile gegen- über. . . . Der Prozentsatz der Nachtfahr-Untaugli- chen erhöht sich zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr um fast das Zehnfache. Au- ßerdem vermindert jedes Prozent fehlende Licht- durchlässigkeit (= Trans- missionsverlust) die Infor- mation („das Sehvermö- gen") des Autofahrers in der Nacht so, als ob er ein Jahr älter wäre. Leider ist volle Tagessehschärfe kei- ne Garantie für Nachtfahr- tauglichkeit. . . . Außerdem summieren sich die Trans- missionsverluste. So kann es kommen, daß beispiels- weise ein junger Mann mit an sich gutem Sehvermö- gen beim nächtlichen Au- tofahren durch eine schräg stehende Windschutz- scheibe (etwa 20 Prozent), die getönt ist (+ 10 Pro- zent, unter Umständen noch mehr), und mit Brille (+ 8 Prozent, wenn nicht superentspiegelt), selbst wenn diese nicht getönt ist, was noch mindestens 10 Prozent bringen würde, weniger sieht als sein au- gengesunder Großvater ohne alle diese Attribute.
Es sollte niemand glauben, auch wenn er tagsüber gut sieht, er dürfe sich diesen leider nur sehr langsam durchdringenden Erkennt- nissen . . . verschließen.
Dr. med. Albert Gaigl Untere Burghalde 40 7250 Leonberg L>