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Archiv "Das heisere Kind" (26.08.1976)

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Nutzen und Gefahren der Elektroenzephalo- graphie

KONGRESS- NACHRICHTEN:

Berufserkrankungen und Berufsunfälle - Diabetes und Hochdruck

NOTFALL IM

BEREITSCHAFTSDIENST:

Ileus

AUSSPRACHE:

SI-Einheiten in der praktischen Medizin Sinn oder Unsinn

DIAGNOSTIK IN KÜRZE

NOTIZEN:

Arbeitsmedizin

"auf Rädern"

Aus der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover

Jede akute und chronische Heiserkeit bei Kindern bedarf einer ein- gehenden Diagnostik, da es auch bei Kindern zahlreiche organische Kehlkopfkrankheiten und funktionelle Stimmstörungen gibt. Von ei-

ner funktionellen Stimmstörung kann erst gesprochen werden.

wenn organische Ursachen einer Heiserkeit (zum Beispiel chroni- sche Laryngitis, Stimmlippenpolypen, Stimmlippenzysten, Kehlkopf- papillomatose, Mißbildungen, Stimmlippenlähmung) sicher ausge- schlossen worden sind. Abgesehen von den bei Kindern seltenen psychogenen Stimmstörungen sind funktionelle Stimmkrankheiten in der Regel die Folge falscher Stimmgewohnheiten und eines fal- schen Stimmgebrauches. Wenn sie sich trotz längerer Stimmscho- nung nicht spontan bessern. dann ist zur Vermeidung bleibender Stimmschäden auch bei Kindern eine logopädische Stimmübungs- therapie möglich und notwendig.

Kinder mit heiseren Stimmen sind in Kindergarten und Schule durch- aus keine Seltenheit. Schon im Vorschulalter und ebenso in man- chen Grundschulklassen findet man sie bei etwa sieben Prozent der Kinder. Da sich jedoch die Mehrzahl der kindlichen Stimmstö- rungen auch ohne besondere the- rapeutische Maßnahmen über kurz oder lang wieder bessert, ist man leicht geneigt, das Symptom der Heiserkeit bei Kindern zu unter- schätzen und die Notwendigkeit ei- ner eingehenden Differentialdiagno- se zu übersehen. Außerdem stößt die Spiegeluntersuchung des Kehl- kopfes bei vielen Kindern auf er- hebliche Schwierigkeiten, und der Aufwand und das Risiko einer Nar- koseuntersuchung scheinen manch einem Arzt zu groß, wenn es nur

um die Abklärung einer Heiserkeit geht. Das führt dazu, daß immer wieder behandlungsbedürftige or- ganische und funktionelle Kehl- kopfkrankheiten lange Zeit uner- kannt bleiben und infolge mangel- hafter Therapie schließlich zu blei- benden Stimmschäden führen.

Schon die Tatsache, daß es ein- schließlich maligner Kehlkopftu- moren kaum eine laryngologische Krankheit gibt, die nicht auch schon bei Kindern gesehen und beschrieben worden wäre, sollte die Bedeutung einer möglichst um- gehenden Aufklärung jeder Heiser- keitsursache unterstreichen. Dar- über hinaus gilt es zu bedenken, ..,.. daß sich organischen Stimmlip- penveränderungen funktionelle

DEUTSCHES ARZTEBLATI'

Heft 35 vom 26. August 1976

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Stimmstörungen aufpfropfen kön- nen, die unter Umständen auch nach Beseitigung des organ-patho- logischen Befundes erhalten blei- ben,

..,. daß funktionelle Stimmstörun- gen oft reaktive, hyperplastische Stimmlippenveränderungen hervor- rufen und damit therapeutisch im- mer schwieriger beeinflußbar sind,

Abbildung 1: Chronisch-hyperplastische Laryngitis bei einem zwölfjährigen Jungen

Abbildung 2: Kehlkopfpapillomatose der linken Stimmlippe und der vorde- ren Stimmlippenkommissur bei einem dreijährigen Jungen (das Bild zeigt den Zustand zwei Monate nach Abtragung der Papillome von der rechten Stimm Iippe)

..,. daß jede funktionelle Stimmstö- rung zur Grundlage bleibender Stimmschäden, insbesondere auch der sogenannten habituellen Er- wachsenen-Dysphonie, werden kann.

Diese bedeutet nicht allein ein schwerwiegendes Handikap für den beruflichen Werdegang, son- dern kann auch durchaus Einfluß auf das gesamte persönliche Ver- halten im Sinne einer neurotischen Fehlentwicklung ausüben .

..,. daß Heiserkeit ein Symptom ver- schiedener neurologischer und psychiatrischer Krankheitsbilder sein kann, und

..,. daß zunehmende Heiserkeit manchmal der erste Ausdruck ei- ner progredienten Innenohrschwer- hörigkeit ist.

Die folgenden Zeilen sollen in ei- nem kurzen Überblick an die wich- tigsten Ursachen kindlicher Heiser- keit erinnern und gleichzeitig auf die therapeutischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten hinweisen.

Akute Heiserkeilen

Organische Ursachen

Bei plötzlich einsetzender Heiser- keit handelt es sich meistens um akute katarrhalisch-entzündliche Veränderungen an den Stimmlip- pen in Form einer diffusen Rötung und leichten Schleimhautschwel- lung (Laryngitis acuta catarrha/is), die im Rahmen einer Erkältungs- krankheit oder als Reaktion auf starke mechanische Oberbean- spruchung der Stimmlippen ("sich heiser schreien" oder "sich heiser husten") entstehen. Oft sind ent- zündliche und mechanische Ursa- chen gemeinsam für die Entwick- lung des Kehlkopfkatarrhs verant- wortlich. Der Grad der Heiserkeit kann dabei entsprechend dem Aus- maß der entzündlichen Erscheinun- gen vom lediglich überhauchten Stimmklang bis zur vollständigen Stimmlosigkeit (Aphonie) variieren.

Therapeutisch bedarf die katarrha-

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Abbildung 3: Zyste der rechten Stimmlippe bei einem zwölfjährigen Mäd- chen mit chronischer Heiserkeit seit der Geburt

Abbildung 4: Luxation des linken Arytaenoidknorpels als Folge einer Lang- zeitintubation, die bei dem jetzt dreijährigen Kind im Alter von sechs Mona- ten durchgeführt werden mußte

lische Kehlkopfentzündung neben allgemeinen antiphlogistischen Maßnahmen keiner speziellen Be- handlung, da sie mit Abklingen des Allgemeininfektes beziehungsweise mit Unterbrechung der mechani- schen Stimmlippenbelastung wie- der verschwindet. Sehr lebhafte und laute Kinder sollte man aller- dings für einige Tage von der Schule fernhalten oder ihnen zu- mindest die Teilnahme am Sport verbieten, da jede weitere stimmli- che Überanspruchung während ei- ner akuten Laryngitis zu einer über Monate und vielleicht Jahre anhal- tenden chronischen Heiserkeit füh- ren kann.

Eine ohne Erkältungssymptome und ohne Anhalt für eine besonde- re stimmliche Belastung akut ein- setzende Heiserkeit muß auch schon bei Kindern an eine — wenngleich sicher seltene — ein- seitige Stimmlippenlähmung infol- ge einer Vagus- beziehungsweise Rekurrensparese denken lassen, vor allem dann, wenn die Heiser- keit sich nicht nach wenigen Tagen bessert. Ursächlich kommen vor al- lem die Druckläsion des Nervus re- currens durch Mediastinaltumoren, kardiovaskuläre Anomalien und Schilddrüsenmalignome, oder des Nervus vagus durch raumfordernde Prozesse im Kleinhirnbrückenwin- kel in Frage. Aber auch nach Grip- pe, Pneumonie und Diphtherie, nach Pockenschutzimpfungen und bei entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems wur- den Vagus- beziehungsweise Re- kurrensparesen — wahrscheinlich infolge einer Neuritis — beobach- tet.

Die Therapie der Rekurrensparese richtet sich nach der Grundkrank- heit, obwohl damit nur selten mög- lich ist, damit die Funktion des Nerven wiederhergestellt werden kann.

Nur bei entzündlichen Schädigun- gen darf man mit einer etwas gün- stigeren Prognose rechnen, da eine spontane Funktionsrückkehr nach drei bis acht Monaten mög- lich ist.

Funktionelle Ursachen

Seelische Konfliktsituationen, psy- chische Traumen (Schreckerleb- nisse) oder hysterische Reaktionen können bereits bei vier- bis fünfjäh- rigen Kindern ihren Ausdruck in plötzlicher Heiserkeit finden. Über- wiegend sollen diese als Konversi- onssymptom aufzufassenden psy- chogenen Stimmstörungen bei et- was älteren Mädchen vorkommen.

Am geläufigsten ist dabei das aku- te Stimmversagen (psychogene Aphonie), doch wurde auch über akute psychogene Dysphonie (ge- preßt-heisere Stimmgebung) be- richtet, und eine eigene Beobach- tung bei einem elfjährigen Mäd- chen zeigt, daß es auch psychoge- ne Taschenfaltenstimmen gibt.

Pathognomonisch für psychogene Stimmstörungen ist, daß beim Hu- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 35 vom 26. August 1976 2205

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sten, beim Räuspern und manch- mal auch beim Stöhnen, vor allem aber bei binauraler Vertäubung mit Lärmtrommeln der Stimmklang normal wird. Indem man die Kinder auf ihr stimmhaftes Husten, Räus- pern usw. aufmerksam macht, ge- lingt es meist, die normale Stimm- funktion schon nach kurzer Be- handlung wieder herzustellen. Um späteren Rezidiven und vor allem einer weiteren Neurotisierung vor- zubeugen muß eine sorgfältige Psy- chodiagnostik und Psychotherapie angeschlossen werden.

Chronische Heiserkeiten

Organische Ursachen

Die chronische hyperplastische La- ryngitis entwickelt sich meist im Zusammenhang mit chronisch-rezi- divierenden Infekten der oberen und unteren Luftwege; manchmal ist sie einziges Zeichen einer bis dahin noch unerkannten chroni- schen Nebenhöhlenaffektion. Be- günstigende pathogenetische Fak- toren sind ständige Mundatmung (zum Beispiel bei Rachenmandel- hyperplasie), physikalische und chemische Reize (zum Beispiel Temperaturwechsel, staubreiche und trockene Luft) und fortgesetz- ter Stimmißbrauch. Im Anfangssta- dium erscheinen die Stimmlippen gerötet und insgesamt verdickt (Ab- bildung 1), bei längerem Bestehen bilden sich Schleimhautödeme an den Stimmlippenrändern oder so- gar polypöse Schleimhauthyperpla- sien. Nur konsequente Stimmscho- nung und umfassende Sanierung aller entzündlichen Erscheinungen im Bereich des Respirationstraktes können verhindern, daß die hyper- plastischen Stimmlippenverände- rungen fortschreiten, die Heiserkeit zunimmt und sich bleibende Stimmstörungen entwickeln.

Die wahrscheinlich virogene kindli- che Kehlkoptpapillomatose wird in der Regel bei Kindern im Vorschul- und Schulalter, manches Mal aber auch schon erheblich früher gese- hen (Abbildung 2). Die Papillom- zapfen breiten sich rasenartig über

Stimmlippen und Taschenfalten aus und machen sich zuerst durch zunehmende Heiserkeit, später durch Einschränkung der Respira- tionsleistung und inspiratorischen Stridor bemerkbar. Die einzig mög- liche Therapie ist die endoskopi- sche Abtragung des papillomatö- sen Epithels, die wegen der fast re- gelmäßig auftretenden Rezidive meist mehrfach wiederholt werden muß.

Insgesamt ist die Prognose jedoch verhältnismäßig gut, da sich die papillomatösen Veränderungen in vielen Fällen während der Puber- tät entweder spontan zurückbilden oder zumindest nicht mehr rezidi- vieren.

Kleine Stimmlippenzysten (Abbil- dung 3) und ein- oder doppelseitige Stimmlippenpolypen laufen meist lange Zeit unter der Diagnose

„Schreiknötchen", bevor sie richtig erkannt und dann auf endoskopi- schem Wege entfernt werden.

Bei weniger stark ausgeprägten kongenitalen Mißbildungen (zum Beispiel kongenitale Rekurrenspa- rese; partielle Stimmlippensyn- echien; Larynxzysten; Hämangiome) kann die Beeinträchtigung der Atemtätigkeit gelegentlich fehlen und als einziges Symptom eine chronische Heiserkeit im Vorder- grund stehen.

Manchmal entstehen bleibende Stimmschäden nach lntubations- narkosen oder nach Langzeitintu- bation durch Schleimhautläsionen im Glottisbereich mit nachfolgen- der Vernarbung oder durch eine Luxation des Arytaenoidknorpels (Abbildung 4). Solchen irreversi- blen Kehlkopfverletzungen läßt sich nur durch sorgfältigste Intuba- tionstechnik vorbeugen.

Schließlich muß an die Möglichkeit hormoneller Stimmstörungen infol- ge endokriner Erkrankungen oder nach therapeutischer Applikation von Androgenen oder von Anaboli- ka mit androgener Nebenwirkung erinnert werden.

Hinsichtlich der stimmlichen Re- habilitation ist bedeutsam, daß jede organisch bedingte laryngeale Be- wegungsstörung infolge des Versu- ches, die herabgesetzte stimmliche Leistung durch vermehrte Kraftan- strengung auszugleichen, sekundä- re hyperfunktionelle Bewegungs- störungen nach sich ziehen kann.

Unabhängig davon, ob es gelingt, die organische Ursache zu beseiti- gen oder nicht, ist es daher für die Wiederherstellung beziehungswei- se Erhaltung einer ausreichenden Stimmfunktion oft erforderlich, sol- che Hyperfunktionen durch eine Stimmübungstherapie abzubauen.

Funktionelle Ursachen

Bei weitaus der Mehrzahl chro- nisch heiserer Kinder handelt es sich jedoch um primäre, hyper- funktionelle, das heißt nicht durch organische Stimmlippenverände- rungen hervorgerufene Bewegungs- störungen des Phonationsapparates (hyperfunktionelle Dysphonie), die sich auf dem Boden eines fehler- haften und übermäßigen Stimmge- brauches entwickeln. Entspre- chend fällt der Häufigkeitsgipfel in das siebente Lebensjahr, in eine Zeit also, in der sich die gerade eingeschulten Kinder besonders lebhaft und lautstark verhalten. Sie verfügen in diesem Alter über ei- nen geringen Stimmumfang von durchschnittlich knapp einer Okta- ve, so daß sie sehr oft ihre obere Stimmgrenze erreichen und sich dabei hinsichtlich Tonhöhe und Lautstärke an der äußersten Gren- ze ihrer stimmlichen Leistungsfä- higkeit bewegen. Dies bedeutet eine häufige Überbeanspruchung der Stimmlippen, die sich beson- ders dann auswirkt, wenn sie mit mangelhafter Stimm- und Sprech- töchnik (gepreßte und verkürzte Sprechatmung, harte Stimmein- sätze, verspannte und ungenaue Artikulation) gekoppelt ist. Über- wiegend handelt es sich um überak- tive Kinder mit zum Teil aggressi- ven Verhaltensweisen, doch gibt es auch scheue und furchtsame Kin- der, die ihreAngst und Hemmungen

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Abbildung 5: Kolbig verdickte und gerötete Stimmlippen bei einem achtjäh- rigen Jungen mit chronischer Heiserkeit aufgrund einer funktionellen Dys- phonie

Abbildung 6: Typische Stimmlippenknötchen bei einem achtjährigen Jungen mit chronischer Heiserkeit aufgrund einer funktionellen Dysphonie

durch erhöhte Stimmkraft zu über- winden suchen. Auf die besondere Bedeutung familiärer Einflüsse hat Cornut (1971) hingewiesen: Stimm- und Sprechfehler des erzieheri- schen Vorbildes verbunden mit ge- wohnheitsmäßig zu lautem Spre- chen können die Entstehung der kindlichen Dysphonie maßgeblich fördern.

Darüber hinaus gibt es auch prä- disponierende Faktoren, zu denen vor allem chronische Infekte des Respirationstraktes, kongenitale Kehlkopfasymmetrien (zum Bei- spiel asymmetrische Arytaenoid- knorpel, Stimmlippenfurchen) und Bewegungsstörungen des Gau- mensegels (zum Beispiel offenes Näseln bei Gaumenspalten-Kin- dern) gehören. Insbesondere muß auf die Möglichkeit einer Innenohr- schwerhörigkeit hingewiesen wer- den (audiogene Dysphonie): Das infolge der schlechteren auditiven Stimmkontrolle ständig zu laute und zu hohe Sprechen kann schnell zu stimmlicher Überbela- stung führen.

Die Diagnose einer hyperfunktio- nellen Stimmstörung stellt sich an- hand des laryngoskopischen Be- fundes: Entweder erscheinen die Stimmlippen weitgehend normal, das heißt es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen organischem Befund und Stimmstörung, oder es zeigen sich die typischen reak- tiv — hyperplastischen Verände- rungen in Form geröteter und wal- zenförmig verdickter Stimmlippen (Abbildung 5) oder knötchenförmi- ger Schleimhautschwellungen zwi- schen vorderem und mittlerem Stimmlippendrittel (Stimmlippen- knötchen, Abbildung 6). Meist schließen die Stimmlippen bei Pho- nation nicht vollständig, sondern lassen im dorsalen Drittel einen dreieckigen Spalt offen. Die thera- peutischen Folgerungen ergeben sich jedoch weniger aus dem la- ryngologischen Befund als viel- mehr aus den Ergebnissen der wei- terführenden Diagnostik, die sich ebenso auf die gesamtkörperliche Untersuchung, wie auf die genaue Analyse der Atem-, Stimm- und

Sprechfehler, der Persönlichkeits- struktur und Verhaltensweise so- wie der individuellen Umweltver- hältnisse zu erstrecken hat.

Die Behandlung der kindlichen Dys- phonie hat im wesentlichen zwei Aufgaben:

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Ausschaltung aller stimmschä- digenden Faktoren und

O Abbau von Fehlleistungen des Stimm- und Sprechapparates durch Stimmübungstherapie.

Wenn es gelingt, die Kinder von stimmbelastenden Situationen weitgehend fernzuhalten (zum Bei- spiel vom Chorsingen in der Schu- le) und ihnen schädliche Stimmge- wohnheiten, wie überlautes Schrei- en und Rufen oder ständiges Räus-

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pern abzugewöhnen, so ist in vie- len Fällen eine Rückbildung der Heiserkeit auch ohne eigentliche Stimmübungsbehandlung zu erzie- len. Letztere wird aber notwendig, wenn trotz aller stimmschonenden Bemühungen keine Besserung der Stimmfunktion innerhalb von ein bis zwei Jahren eintritt. Allerdings ist die Indikation zu einer solchen Behandlung erst dann sinnvoll, wenn alle chronisch-entzündlichen Affektionen der oberen und unte- ren Luftwege saniert worden sind (oder mindestens gleichzeitig be- handelt werden), wenn die Eltern sich von der Notwendigkeit einer so langwierigen und mühevollen Maßnahme überzeugen lassen und zur Mitarbeit bereit sind, und wenn das Kind über ausreichende Intelli- genz und Einsicht verfügt.

Die Grundzüge der Stimmtherapie bei Kindern lassen sich in wenigen Sätzen umreißen: Spielerische Stimmübungen wecken zunächst das Interesse des Kindes am Klang und am Gebrauch seiner eigenen Stimme. Durch Summ- und Brumm- töne lassen sich Gehör und Kör- pergefühl für stimmliche Vorgänge gleichzeitig schulen. Danach muß man dem Kind die ihm eigenen stimmlichen Fehler bewußt machen und es dahingehend motivieren, daß es seine Stimme selbst verbes- sern will. Schließlich wird die Kor- rektur von Stimm- und Sprechfeh- lern durch Atem-, Stimm- und Arti- kulationsübungen angestrebt, wo- bei alle diese Übungen aus spiele- rischen Handlungen entwickelt werden müssen, will man dem Kind nicht das Interesse am Stimmun- terricht nehmen.

Man sollte sich allerdings darüber im klaren sein, daß es sich hierbei um ein ausgesprochen langfristig angelegtes therapeutisches Pro- gramm handelt, das nicht in wenigen Wochen durchzuführen ist, sondern oft die mehrfache Wie- derholung mehrwöchiger Übungs- kurse über Jahre hinaus erfordert.

Der endgültige Erfolg hängt nicht zuletzt von der geschickten psy- chologischen Führung des Kindes

durch Elternhaus und Therapeuten ab. Da jedoch die Übungsbehand- lung die einzige Möglichkeit ist, um funktionell-dysphonische Kinder vor bleibenden Stimmschäden zu be- wahren oder ihnen zumindest eine für ihr späteres Leben ausreichen- de stimmliche Leistungsfähigkeit wiederzugeben, darf man trotz des großen Aufwandes und der hohen Anforderungen an alle Beteiligten nicht auf diese Behandlung ver- zichten.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. H.-J. Schultz-Coulon Medizinische Hochschule Hannover Hals-Nasen-Ohren-Klinik

Karl-VViechert-Allee 9 3000 Hannover 61

ECHO

Zu: „Hodentumoren" von Dr.

med. Hermann Pennekamp und Prof. Dr. med. Jürgen Sökeland in Heft 2/1976, Seite 49 ff.

Hodenkrebs

„In der Bundesrepublik er- kranken alljährlich rund 3000 Männer — vorwiegend im biologisch aktivsten Alter zwischen 20 und 40 Jahren

— an Hodenkrebs. Da diese besonders gefährlichen Tumo- ren fast immer zu spät er- kannt werden, sind die Aus- sichten auf Heilung leider nicht sehr günstig. Sie kön- nen sich nur dann bessern, wenn jeder Mann auch bei der kleinsten Veränderung der Hoden grundsätzlich so- fort zum Arzt geht. Der wie- derum muß, wie Professor Dr. Jürgen Sökeland (Dort- mund) im DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATT betonte, bis zum Beweis des Gegenteils einen bösartigen Prozeß annehmen und unverzüglich eine klini- sche Differentialdiagnose veranlassen ..." (Fränkischer Anzeiger, Rothenburg)

Berufserkrankungen und Berufsunfälle

Berufskrankheiten werden weniger vom Verhalten des einzelnen als vielmehr durch Faktoren am Ar- beitsplatz verursacht und begün- stigt. Ihre Eliminierung hängt ent- scheidend vom arbeitsmedizini- schen Wissensstand und von den Schutzmöglichkeiten ab. Jüngstes Beispiel: Vinylchloridkrankheit. — Anders bei den Berufsunfällen, de- ren Zahl bei Gastarbeitern (speziell bei Türken und Spaniern) anfangs sehr hoch gewesen ist (Dr. med.

W. Horn, Arbeitsschutzkommission der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg): Mit .der Dauer der Be- schäftigung wurde auch die Unfall- ziffer ständig geringer. — Der Ein- fluß des Alkoholismus auf Zahl und Art der Berufsunfälle kann vorerst nur geschätzt werden. Exakte Zah- len sind darüber noch nicht veröf- fentlicht.

(2. Wehrmedizinisches Symposion „Prä- vention und Rehabilitation", Mai 1976, Füs- sen)

Diabetes

und Hochdruck

Die Glukosetoleranz ist bei Hyper- tonikern weit überzufällig häufig pathologisch verändert im Sinne eines latenten Diabetes (Priv.-Doz.

Dr. med. V. H. Heimsoth, Medizini- sche Klinik, Städtisches Kranken- haus Schweinfurth). Das gilt ganz besonders auch für jugendliche Hochdruckpatienten, von denen knapp 37 Prozent einen pathologi- schen Ausfall der oralen Glukose- belastung (100 g Glukose) zeigen, gegenüber 8,3 Prozent pathologi- scher Belastungskurven bei nor- motonen Kontrollgruppen (beide Gruppen normalgewichtig). Die hereditäre Diabetesbelastung der jugendlichen Hypertoniker beträgt etwa 11 Prozent. Der Anteil latenter Diabetiker bei älteren Hypertoni- kern entspricht dem Prozentsatz in der Gruppe der Jugendlichen. WP

(82. Tagung der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin, April 1976, Wiesbaden)

Referenzen

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