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Übersetzungsaufgaben in ausgewählten chinesisch-deutschen Übersetzungslehrbüchern. Eine qualitative Untersuchung

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Academic year: 2022

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Übersetzungsaufgaben in ausgewählten chinesisch-deutschen Übersetzungslehrbüchern

Eine qualitative Untersuchung

Inaugural-Dissertation

Zur

Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie

in der Fakultät für Philologie der

RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

vorgelegt von

Meng, Junjie

(2)

Gedruckt mit der Genehmigung der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum

Referent: Prof. Dr. Björn Rothstein Korreferent: Prof. Dr. Jianhua Zhu

Tag der mündlichen Prüfung: 09. Juli 2019

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Übersetzungsaufgaben in ausgewählten chinesisch-deutschen Übersetzungslehrbüchern

Eine qualitative Untersuchung

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen ... 4

1. Einleitung ... 5

1.1 Begriffliche Vorbemerkungen ... 5

1.2 Einordnung und Zielsetzung ... 7

1.3 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit ... 9

2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben ... 12

2.1 Zu den Übersetzungslehrbüchern ... 12

2.2 Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern ... 15

3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess ... 19

3.1 Übersetzerkompetenz ... 19

3.1.1 Kompetenzbegriff ... 19

3.1.2 Professionelle Handlungskompetenz ... 23

3.2 Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht ... 26

3.2.1 Übersetzungsprozess als kognitiver Prozess ... 27

3.2.2 Zirkelschema des Übersetzungsprozesses von C. Nord ... 29

4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells ... 33

4.1 Analyse der vier ausgewählten Übersetzungskompetenzmodelle ... 33

4.2 Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht ... 39

4.2.1 Sprachkompetenz ... 40

4.2.2 Kulturkompetenz ... 42

4.2.3 Sachkompetenz ... 44

4.2.4 Methodenkompetenz ... 46

4.3 Fazit ... 48

5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse ... 50

5.1 Vorbemerkungen zur Entwicklung des Kategoriensystems ... 50

5.2 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen .. 55

5.2.1 Themenauswahl ... 55

5.2.2 Art des Wissens ... 57

(5)

5.2.3 Kognitive Anforderungen ... 60

5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem ... 63

5.3.1 Kriterien der Sprachkompetenzdimension ... 64

5.3.2 Kriterien der Kulturkompetenzdimension ... 72

5.3.3 Kriterien der Sachkompetenzdimension ... 75

5.3.4 Kriterien der Methodenkompetenzdimension ... 79

5.4 Fazit ... 83

6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 85 6.1 Methodische Vorgehensweise und Aufgabenanalyseverfahren ... 86

6.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ... 86

6.1.2 Analyseverfahren ... 91

6.2 Vorstellung und Eingrenzung der untersuchten Lehrbücher ... 93

6.3 Reliabilität des Kategoriensystems: Cohens Kappa (ĸ) ... 97

6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse ... 100

6.4.1 Darstellung der Ergebnisse in den fünf Lehrbüchern ... 101

6.4.1.1 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Zhang (2014) ... 101

6.4.1.2 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Qian (2016) ... 109

6.4.1.3 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Wang (2006) ... 119

6.4.1.4 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Wang (2013) ... 127

6.4.1.5 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Gui (2009) ... 140

6.4.1.6 Zwischenfazit ... 147

6.4.2 Darstellung der Ergebnisse in verschiedenen Teilgebieten ... 149

6.4.2.1 Ergebnisse in der Dimension Sprachkompetenz ... 149

6.4.2.2 Analyseergebnisse in der Dimension Kulturkompetenz ... 154

6.4.2.3 Analyseergebnisse in der Dimension Sachkompetenz ... 158

6.4.2.4 Analyseergebnis in der Dimension Methodenkompetenz ... 161

6.4.2.5 Fazit und Modifizierungsvorschläge ... 164

(6)

7. Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht ... 168

7.1 Zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben ... 168

7.2 Einsatz der Übersetzungsaufgaben im Unterricht ... 171

7.3 Zur Progression der Übersetzungsaufgaben ... 174

8. Zusammenfassung und Ausblick ... 177

Literaturverzeichnis ... 180

Abbildungsverzeichnis ... 193

Tabellenverzeichnis ... 195

Anhang 1: Kategoriensystem für die Aufgabenanalyse in den Lehrbüchern hinsichtlich der Kompetenzentwicklung ... 197

Anhang 2: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgaben in den fünf ausgewählten Lehrbüchern ... 201

(7)

Abkürzungen

ZT Zieltext

AT Ausgangstext

AK Ausgangskultur

ZK Zielkultur

AS Ausgangssprache

ZS Zielsprache

ÜK Übersetzungskompetenz

SK Sprachkompetenz

KK Kulturkompetenz

SaK Sachkompetenz

MK Methodenkompetenz

TA Themenauswahl

HW Hintergrundwissen

ÜW Übertragungswissen

MW Metakognitives Wissen

RA Reproduktionsaufgabe

TA Transferaufgabe

KP Kreatives Problemlösen

NTW Natur- und Technikwissenschsft

SGW Sozial- und Geisteswissenschaft

(8)

1. Einleitung

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zur Übersetzungswissenschaft durch Lehrbuchanalysen bzw. Aufgabenanalysen in Kombination mit dem Auswertungs- instrument der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015). Durch die Analyse der Übersetzungsaufgaben aus fünf ausgewählten Übersetzungslehrbüchern, die als Korpus dienen, wird anhand eines Kategoriensystems der Beitrag von Übersetzungs- aufgaben zur Vermittlung der Übersetzungskompetenz dargelegt. Im ersten Kapitel werden im Wesentlichen die Zielsetzung, die Fragestellungen und die Struktur der Arbeit vorgestellt. Dabei werden die Basistermini und begrifflichen Differenzierungen erarbeitet, die für das Verstehen und die Grenzen der Übersetzerkompetenz bedeutend sind und gleichzeitig bei der Modellierung der Übersetzungskompetenz bzw.

Entwicklung des Kategoriensystems eine herausragende Rolle spielen.

1.1 Begriffliche Vorbemerkungen

Der Bedarf einer eigenständigen Übersetzungswissenschaft wurde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannt und von Friedrich Schleiermacher (1814) erstmals erhoben:

Ueberall sind Theorien bei uns an der Tagesordnung, aber noch ist keine von festen Ursätzen ausgehende, folgegleich und vollständig durchgeführte, Theorie der Übersetzungen erschienen ...: nur Fragmente hat man aufgestellt und doch, so gewiß es eine Altertumswissenschaft gibt, so gewiß muß es eine Uebersetzungswissenschaft geben. (Schleiermacher 1814, 104)

„Nach Schleiermacher dauerte es dann noch fast 150 Jahre, bis eine systematische und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Problemen des Übersetzens begann“ (Siever 2010, 18). Als eine vergleichsweise junge Disziplin etablierte sich die Übersetzungswissenschaft aber erst in den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts (vgl.

Salevsky 2002, 101; Hönig 1995, 7; Siever 2010, 17). Historisch hat sich die Übersetzungswissenschaft in Deutschland in den 1960er Jahren an der Kontrastiven Linguistik und der Systemlinguistik, in den 1970er Jahren an der Textlinguistik und der philosophischen Hermeneutik und in den 1980er Jahren an der philosophischen bzw.

soziologischen Handlungstheorie orientiert. In den 1990er Jahren flossen vor allem

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1. Einleitung

Anregungen aus der interkulturellen Kommunikationsforschung und den Kognitionswissenschaften ein (vgl. Siever 2010, 16).

In der Übersetzungswissenschaft finden sich begriffliche Überlappungen, wie schon die Aneinanderreihung der Begriffe Translation, Übersetzen und Dolmetschen oder Übersetzungswissenschaft, Übersetzungskompetenz, Translationswissenschaft und Translationskompetenz zeigt. Otte Kade (1968, 33) führte die Translation als Oberbegriff für Übersetzen und Dolmetschen in der Wissenschaft ein. Hinzu kommen die Begriffe Translationskompetenz bzw. translatorische Kompetenz, die sich in der Literatur1 finden und ebenfalls kaum unterscheiden.

Eine andere Ansicht ist, dass das Dolmetschen auch zur Übersetzungswissenschaft gehört. Im Brockhaus (1974, 172) findet sich die folgende Definition: „Übersetzung, die Übertragung von Gesprochenem oder Geschriebenem aus einer Sprache (Ausgangssprache) in eine andere (durch einen Übersetzer oder Dolmetscher).“ Danach wird Übersetzungswissenschaft als ein Synonym für Translationswissenschaft betrachtet. Unter dem Oberbegriff Übersetzungswissenschaft sind sowohl die Wissenschaft des Dolmetschens als auch die Wissenschaft, die sich ausschließlich mit dem Übersetzen befasst, subsumiert (vgl. Prunč 2007, 16f.). Beispielsweise werden Siever (2010, 13) zufolge Übersetzen und Dolmetschen als Gegenstände der Übersetzungswissenschaft bezeichnet.

Aus übersetzungsdidaktischer Sicht unterscheiden sich Übersetzen und Dolmetschen durch die Wiederholbarkeit und die Korrigierbarkeit (vgl. Kade 1968; Vermeer 1978;

Prunč 2007).

Das „Übersetzen“ als schriftliche Übertragung unterscheidet sich vor allem dadurch vom Dolmetschen, daß die Textvorlage längere Zeit zur Verfügung steht und der Übersetzungstext nach einem ersten Entwurf überarbeitetet werden kann. (Stolze 2001, 15)

Mit anderen Worten ist der lineare bzw. einmalige Zugang zum Text charakteristisch für das Dolmetschen, dagegen besteht beim Übersetzen die Möglichkeit des multiplen Zuganges zum Ausgangs- und Zieltext (vgl. Prunč 2007, 14). Die Anforderungen an die Übersetzer- und Dolmetscherkompetenz unterscheiden sich daher beträchtlich

1 Beispielswese wird bei Risku (1998) translatorische Kompetenz benutzt, bei Göpferich (2008)

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1. Einleitung

unterschiedlich. In der Lehr- und Lernpraxis lassen sich Übersetzen und Dolmetschen getrennt behandeln. Mit der konsequenten Unterscheidung bezieht sich die Übersetzungswissenschaft in der vorliegenden Arbeit ebenfalls auf das Übersetzen, denn die Dolmetscherwissenschaft ist ein eigenständiger Forschungsbereich (vgl.

Stolze 2001, 15). Auf dieser Basis werden die Begriffe Übersetzungskompetenz und Übersetzerkompetenz differenziert dargelegt (vgl. Kapitel 3).

1.2 Einordnung und Zielsetzung

Mit der Etablierung der Übersetzungswissenschaft als eigenständige Disziplin gewinnt auch die Entwicklung der Übersetzungsdidaktik an Bedeutung. Traditionell wird die Übersetzungsdidaktik in dem Bereich der angewandten Übersetzungswissenschaft eingeordnet (vgl. z.B. Koller 1992, Reiß 2000, Salevsky 2002, Hansen-Schirra 2013).

Die Aufgabe der Übersetzungsdidaktik besteht darin, die theoretische und methodische Grundorientierung für den Übersetzungsunterricht zu liefern (vgl. Wilss 1992, 57). Im Vergleich zu anderen Disziplinen befindet sich die wissenschaftliche Forschung der Übersetzungsdidaktik noch in den Anfängen; Vermittlung und Erwerb der Übersetzungskompetenz stehen dabei im Mittelpunkt. Dabei gehören die Fragen, wie die Übersetzungskompetenz im Unterricht zu vermitteln und zu fördern ist, welche übersetzungsdidaktischen Steuerungsmöglichkeiten vorhanden, aber auch welche Steuerungsgrenzen zu beachten sind, seit längerer Zeit zu den Kerngebieten der angewandten Übersetzungswissenschaft bzw. der Übersetzungsdidaktik (vgl. ebd., 56).

Als wesentliches, strategisches Element des Unterrichts hat das Lehrmaterial bzw. die didaktische Qualität des Lehrmaterials einen großen Einfluss auf den Erfolg des Lehr- Lern-Prozesses (vgl. Helmke 2003, 43; Bloemen 2011, 1) und wird daher als Kernthema der Fachdidaktik bezeichnet. Zu diesem Lehrmaterial gehören vor allem Lehrbücher, aber auch die darin eingebetteten Aufgaben. Lehrbuchverlage bzw.

Lehrbuchautorinnen und -autoren orientieren sich gewöhnlich an den Bildungsstandards und den Lehrplänen, in denen Kompetenzorientierung im Mittelpunkt steht. Dabei spielen Aufgaben in den Lehrbüchern vom didaktischen Blickwinkel her eine signifikante Rolle, weil sie dazu beitragen können, dass die Lernenden die erwünschten Lernziele oder Kompetenzen, die vom jeweiligen Lehrplan gesetzt werden, erreichen bzw. erfüllen. Daher lassen sich die Lehrbücher und

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1. Einleitung

Lernaufgaben in Verbindung mit der Kompetenzvermittlung darstellen. Hierauf basiert der Forschungsansatz der vorliegenden Arbeit.

Aufgaben prägen in herausragender Weise das institutionalisierte Lernen in unserer Gesellschaft. Über Aufgaben wird der Unterricht geplant, realisiert, gesteuert, evaluiert und reflektiert. Durch Fortschritte in diesem Bereich ist eine Neubewertung von Unterrichtseffekten zu erwarten (vgl. Maier/Kleinknecht et al. 2010a, 35). Bei der Kategorisierung der Aufgabenstellungen ist primär zwischen Lern- und Leistungsaufgaben zu unterscheiden (Köster/Lindauer 2008, 152). Leistungsaufgaben dienen der Überprüfung von Wissen und Können, um diesen Lernstand letztendlich einer Bewertung zugänglich zu machen. Dagegen verankern sich Lernaufgaben in einer Lernsituation und lösen Lernhandlungen und Lerntätigkeiten aus, die zur Förderung einzelner fachspezifischer Kompetenz beitragen und häufig mit einem Produkt abgeschlossen werden (vgl. Heuer 2012, 104f.).

Zahlreiche Untersuchungen über fachdidaktische Studien zu theoretischen und empirischen Aufgaben zur Bewertung der Aufgabenqualität liegen z.B. in der Mathematik (z.B. Büchter/Leuders 2005), in der Naturwissenschaft (z.B. Neumann et al. 2007), im fremdsprachlichen (z.B. Weskamp 2003) und geschichtlichen (z.B.

Waldis 2013) Bereich sowie im wirtschaftlichen Bereich (z.B. Arndt 2013; Bloemen 2011) bereits vor. Im Bereich der Allgemeindidaktik sind ebenfalls neue Ansätze über fächerübergreifende Systeme zur Aufgabenanalyse (z.B. Blömeke et al. (2006) und Maier/Kleinknecht et al. (2010a; 2010b) erkennbar.

Im Gegensatz dazu sind Untersuchungen zu Aufgaben bzw. Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern innerhalb der Übersetzungsdidaktik bisher eher selten (z.B.

Siepmann 1996; Nord 2011) zu finden; im Besonderen gilt dies für die chinesisch- deutschen Übersetzungslehrbücher. Um die Übersetzungskompetenz der Studierenden effizienter zu fördern und die didaktischen Wirkungen der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern zu verstärken, geht die vorliegende Arbeit deswegen auf das Potential bzw. kognitive Leistungspotential der Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz ein. Ziel der vorliegenden Arbeit ist zu untersuchen, ob die Übersetzungsaufgaben einen Beitrag zur Vermittlung der Übersetzungskompetenz leisten können. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung

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1. Einleitung

findet eine umfassende qualitative und quantitative Analyse von Übersetzungsaufgaben in den ausgewählten Lehrbüchern statt.

1.3 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit

In Anlehnung an das Forschungsziel stellt sich zunächst die Frage, woran sich die Analyse des objektiven Potentials von den Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz orientieren soll. Prinzipiell besteht der theoretische Rahmen im Kern aus den zwei Teilen der Entwicklung eines didaktischen Übersetzungskompetenzmodells und eines Kategoriensystems. Auf der Basis des Übersetzungskompetenzmodells, die durch eine theoretisch-deduktive Methode postuliert wird, werden die übersetzungsdidaktischen Überlegungen und die allgemeindidaktischen Erkenntnisse über die Aufgabenanalyse integriert und ein Kategoriensystem zur Übersetzungsaufgabenanalyse entwickelt. Die zweite zentrale Forschungsfrage besteht darin, wie und in welchem Umfang die Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben in den chinesisch-deutschen Lehrbüchern zur Übersetzungs- kompetenz beiträgt. Um diese Frage zu beantworten, wird eine empirische Untersuchung durchgeführt. Als methodisches Instrumentarium bietet sich die Aufgabenanalyse an. Dafür werden 297 Aufgaben aus fünf ausgewählten deutsch- chinesischen Übersetzungslehrbüchern mithilfe dieses Kategoriensystems analysiert und bewertet.

In Kapitel 2 erfolgen zunächst allgemeine theoretische Analysen zu Übersetzungs- lehrbüchern und Übersetzungsaufgaben, um die beiden Begriffe genau zu bestimmen.

Dabei werden zunächst der aktuelle Forschungsgegenstand und die bisherigen Forschungsergebnisse zu Übersetzungslehrbüchern zusammenfassend dargestellt und bewertet. Daran schließen sich die Erörterung der Rolle der Lernaufgaben und der Klassifikation der Aufgaben in den Übersetzungslehrbüchern an. Dies erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Übersetzungswissenschaft die Lehrbuchforschung und Aufgabenanalyse bisher nur am Rande behandelt und nie systematisch betrachtete.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Begriffen Übersetzerkompetenz und Übersetzungs- prozess, um daraus die theoretische Grundlage für die Erstellung des Übersetzungskompetenzmodells und Entwicklung des Kategoriensystems abzuleiten.

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1. Einleitung

Neben den grundsätzlichen Prämissen der Kompetenzdiskussion unterscheiden sich in Kapitel 3.1 Übersetzerkompetenz und Übersetzungskompetenz aus der handlungstheoretischen Perspektive. Basierend darauf erfolgt die Modellierung der Übersetzerkompetenz, die hier als Summe der Übersetzungskompetenz und Berufsqualifikationen dargestellt wird. Anschließend wird der Übersetzungsprozess als kognitiver Prozess beschrieben (Kapitel 3.2). Davon ausgehend werden die Bedeutung des Wissens und kognitive Anforderungen an den Übersetzungsprozess abgeleitet.

Daran knüpft das Zirkelschema des Übersetzungsprozesses nach Nord (2010) an, das aufzeigt, an welcher Stelle des Übersetzungsprozesses welche Fähigkeiten bzw.

Wissensarten vom Übersetzer verlangt werden und wie die unterschiedlichen Kenntnisse im Kopf des Übersetzers verarbeitet werden (vgl. ebd., 105).

Um die Inhalte der Übersetzungskompetenz bzw. die Kompetenzdimensionen der Aufgabenanalyse zu bestimmen, wird in Kapitel 4 ein Übersetzungskompetenzmodell für die weiteren didaktischen Überlegungen (z.B. für die Analyse der in den Lehrbüchern eingebetteten Übersetzungsaufgaben) erstellt. Auf Basis der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Modellen der Übersetzungskompetenz wird ein Modellvergleich durchgeführt. In Anlehnung an die entscheidenden Komponenten des Übersetzungsprozesses (vgl. Kapitel 3.2) werden die vier Teilkompetenzen, und zwar die Sprach-, Kultur-, Sach- und Methodenkompetenz als grundlegende Bestandteile des Übersetzungskompetenzmodells dargestellt und interpretiert.

Kapitel 5 fokussiert die Darstellung und Konzeption des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse. Unter Berücksichtigung des allgemeindidaktischen Kategorien- systems zur Aufgabenanalyse und der übersetzungsdidaktischen Materialauswahl lassen sich drei Hauptdimensionen für die Aufgabenpotentialanalyse hinsichtlich des Kompetenzaufbaus erstellen. Diese bestehen in der Themenauswahl, den Wissensarten und den kognitiven Anforderungen. In der Verbindung mit den Kompetenz- dimensionen in Kapitel 4 wurde ein zweidimensionales Kategoriensystem mit 23 Kategorien bzw. 42 Kriterien entwickelt. Um den Interpretationsraum von Kriterien zu verringern und die Validität sowie Objektivität zu erhöhen, wird jedes Kriterium in diesem Kapitel mit Beispielen präzisiert.

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1. Einleitung

Kapitel 6 greift die Erkenntnisse aus den vorherigen Kapiteln auf und widmet sich der Analyse der Übersetzungsaufgaben. Neben einem Überblick über empirische Hypothesen und Forschungsfragen sowie grundsätzlichen Überlegungen zur inhaltsanalytischen Vorgehensweise werden die ausgewählten Übersetzungslehrbücher zunächst vorgestellt und deren Auswahl begründet, um die Rahmenbedingungen für die Aufgabenanalyse festzulegen. Zugleich wird der Koeffizient „Cohens Kappa“ als ein Indikator für die Reliabilität des Kategoriensystems berechnet, um die Anwendbarkeit des Kategoriensystems nachzuweisen. In Kapitel 6.5 werden zuerst Analyseergebnisse mit exemplarischen Übersetzungsaufgaben aus den fünf Lehrbüchern präsentiert und anschließend die Analyseergebnisse je nach Kompetenz- dimensionen zusammengefasst. Anhand der empirischen Untersuchungsergebnisse werden die Modifizierungsvorschläge zum Kategoriensystem aufgestellt.

Auf Basis der theoretischen und empirischen Untersuchungen werden in Kapitel 7 zuerst sechs Thesen zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben erstellt. Im Rahmen der Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben werden dann deren Einsatz mithilfe eines Ablaufmodells bzw. eines Arbeitsplans der Übersetzungsaufgaben im Unterricht dargestellt, damit ihr Potential hinsichtlich der Förderung des Kompetenzzuwachses ausgeschöpft werden kann. Zudem werden Empfehlungen zur Progression der Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern bzw. im Unterricht vorgelegt, wobei die Rolle der Lehrperson im Unterricht fokussiert wird.

Abschließend unterzieht Kapitel 8 die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit einer kritischen Gesamtreflexion und endet mit einem offenen Ausblick auf den zukünftigen Forschungsbedarf.

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

In der Forschung wie in der Praxis wird den Übersetzungslehrbüchern und den darin eingebetteten Aufgaben offenbar nur unzureichend Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl nahezu alle Aspekte der Unterrichtseinführung, -durchführung und -evaluation letztendlich in Aufgaben gebündelt und mit Hilfe von Lehrbüchern organisiert werden (vgl. Gerdsmeier 2004; Meyer 2003; Bloemen 2011).

Für deutsche Muttersprachler fehlt bis heute ein deutsch-chinesisches Übersetzungslehrbuch bzw. ein kurstragendes Übersetzungslehrbuch. Zudem dürften die Gründe hierfür ökonomischer Art sein, wie Siepmann (1996) erklärte:

Zu unterschiedlich sind die Curricula, zu gering die Zahl der Ausbildungsstätten, Lehrer und Übersetzerstudenten in den jeweiligen Sachfächern. als dass sich genug Käufer für ein kurstragendes Lehrbuch finden würden. Rechnen würde sich ein solches Lehrwerk allenfalls, wenn es die größere Gruppe der neusprachlichen Philologen ebenfalls ansprechen könnte (Siepmann 1996, 26).

In China profitiert die Germanistik von dem Boom der wirtschaftlichen Kooperation und des kulturellen Austauschs der letzten Jahre. So existieren mittlerweile zwar verschiedene deutsch-chinesische Übersetzungslehrbücher, deren Optimierung und Verbesserung jedoch dringend gebraucht wird. Die Forschung dazu wird leider aus unterschiedlichen Gründen, z.B. aufgrund der unzureichenden Entwicklung der Fremdsprachendidaktik, noch nicht entfaltet.

In diesem Kapitel wird vor allem die Definition des Begriffs Übersetzungslehrbuch thematisiert. Anschließend soll ein Überblick über die Ergebnisse der Lehrbuch- forschung im Bereich der Übersetzungsdidaktik, z.B. die Funktionen und die Anforderungen an die Lehrbücher, gegeben werden. Weiterführend lässt sich von der Klassifikation der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern ausgehend der Forschungsgegenstand „Übersetzungsaufgaben“ definieren und vorstellen.

2.1 Zu den Übersetzungslehrbüchern

Lehrbücher stellen eine wichtige Quelle der Unterrichtsplanung und -durchführung dar und nehmen daher in den meisten Formen des Fremdsprachenunterrichts eine zentrale Stellung ein. Während in der Fremdsprachendidaktik und anderen Disziplinen schon seit längerer Zeit eine rege Diskussion bezüglich der Optimierung von Lehrbüchern

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

herrscht, wird „das Übersetzungslehrbuch mit Recht als ein Stiefkind der übersetzungsdidaktischen Überlegungen“ angesehen (Siepmann 1996, 24). Die Entwicklung der Lehrbuchforschung im Bereich der Übersetzungswissenschaft und Übersetzungsdidaktik wird im Allgemeinen als äußerst schleppend bezeichnet. Nur wenige Beiträge sind hierzu in der Literatur zu finden, u.a. von König (1987), Siepmann (1996) und Nord (2011).

Basierend auf der Auffassung von König (1987) hatte Siepmann (1996, 24) ausgeführt:

„das Übersetzungslehrbuch ist ein schriftlicher Lehrtext, dessen Aufgabe in der Vermittlung von übersetzerischer Kompetenz bzw. übersetzerischen Teilkompetenzen sowie Sprachkompetenz nach didaktischen und methodischen Prinzipien besteht“.

Nach Nord (vgl. 2011, 246) soll ein Übersetzungslehrbuch dazu dienen, eine Übersetzungskompetenz auszubilden, welche die Adressaten in die Lage versetzt, Ausgangstexte in einer bestimmten Weise und zu einem bestimmten Zweck in die Zielsprache bzw. Zielkultur zu überführen. Dazu gehören (1) die Vermittlung theoretischer Grundlagen, (2) die Vermittlung von Methodenwissen bzw.

Übersetzungstechniken und (3) die Breitstellung von Übungsmaterial (vgl. ebd.).

Die Übereinstimmung zwischen den beiden oben genannten Definitionen liegt darin, dass die Vermittlung und Entwicklung der Übersetzungskompetenz als Hauptaufgabe bzw. Zweck der Lehrbücher immer im Mittelpunkt stehen, wie Nord im Folgenden dargestellt:

Die Übersetzung von Texten eines Übersetzungslehrbuches ist kein „Wert an sich“, sondern ein Mittel zum Zweck, mit jedem übersetzten Text muss die translatorische Kompetenz des Lernenden gezielt erweitert werden. (Nord 2011, 248)

Um diesen Anspruch umzusetzen, sollen zunächst die Vermittlung theoretischer Grundlagen und die Vermittlung von Theorie- und Methodenwissen in den Übersetzungslehrbüchern analysiert werden. Lehrbücher sollen klar definierte, theoretisch-methodische Grundlagen liefern, die jedoch nicht zu abstrakt sein dürfen, sondern als anwendbare und angewandte Theorie für die Bearbeitung des Übungsmaterials bezeichnet werden (vgl. Nord 2011, 248). In den Übersetzungslehrbüchern (z.B. Wang (2013), Zhang (2014), Gui (2009)) folgen die Übungsmaterialien und Lernaufgaben immer der Vermittlung der einschlägigen Übersetzungstheorien und -techniken. Bei der Ausgangstextanalyse werden z.B. im

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

Lehrbuch von Wang (2013) die textinternen Faktoren (z.B. Thematik, Textinhalt, Textaufbau, Lexik Syntax) und die textexternen Faktoren (z.B. Textproduzent, Intention, Empfänger, Medium, Ort, Zeit) als theoretisch-methodische Grundlage vorgestellt und erläutert. So können die Studierenden bei der Aufgabenbearbeitung den richtigen Zugang zur Analyse des Ausgangstextes erwerben. Tatsächlich stellt die Integration von theoretischem und methodischem Wissen in der praktischen Umsetzung eine besondere Herausforderung dar und ist vonnöten, „denn ohne die theoretische Verankerung ist eine erfolgreiche translatorische Praxis nur der Intuition oder dem Zufall überlassen – und dies zu verhindern ist die Aufgabe einer erfolgreichen und modernen Translationsdidaktik“ (Hansen-Schirra 2013, 278). Viele führende Wissenschaftler betonen die Notwendigkeit, Übersetzungstheorien einzubeziehen und zu vermitteln (vgl. Hönig/Kußmaul 1984, 133; Reiß 1986, 3). Der Übersetzungs- unterricht und die Übersetzungsdidaktik ohne eine ihn untermauernde, handlungs- leitende Theorie sind unsystematisch, unökonomisch, ja gar unmöglich (vgl. Siepmann 1996, 9).

Außerdem spielen Übungsmaterialien eine entscheidende Rolle, indem sie auf drei Aspekte fokussieren: die Informationen über die Originalsituationen der zu übersetzenden Texte bzw. Aufgaben, ausgangs- und zielsprachliche Parallel- und Vergleichstexte sowie Musterübersetzungen und Übersetzungsvarianten. Nord (vgl.

2011, 249) zufolge sind solche Texte unübersetzbar, über deren Originalsituation keine (expliziten oder aus der Präsentation erschließbaren) Informationen vorliegen.

Übereinstimmend damit behauptete Kautz (2000), dass ein Text als Grundlage einer Übersetzungsübung geeignet sei, wenn er als „Text – in – Situation“ erkennbar ist, also mit Quellenangabe und in Originalform präsentiert wird (vgl. Kautz 2000, 148).

Die Einbettung eines Textes in eine Kommunikationssituation beeinflusst den gesamten Übersetzungsprozess. Es ist deshalb unabdingbar, mindestens die Quelle des Ausgangstextes anzugeben. Ideal ist die Präsentation in der Originalgehalt (als Kopie). Wenn z.B. ein Comic-Strip übersetzt wird, wo die Sprechblasen zielsprachlich ausgefüllt werden müssen, ist dies unerlässlich. (Kautz 2000, 148) In der Praxis werden Parallel- und Vergleichstexte oft als Mittel zur Verringerung des Schwierigkeitsgrades von Übersetzungsaufgaben angewandt, denn die Studierenden können sich durch Parallel- und Vergleichstexte Textsortenwissen und Redewendungen des Originaltextes aneignen. Die ausgangs- und zielsprachlichen

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

Parallel- und Vergleichstexte sind daher aus der funktionalen Perspektive unerlässlich.

Als Bewertungskriterien muss das Lehrbuch nicht unbedingt Musterübersetzungen und Übersetzungsvarianten enthalten (siehe Kapitel 7.3). Aber wenn Musterübersetzungen oder mögliche Varianten zur Verfügung gestellt werden, müssen sie Angaben mit sich mitbringen. Musterübersetzungen oder mögliche Varianten sollten mit Blick auf die zum Übersetzungsauftrag zugehörigen Anforderungen kommentiert und begründet werden, da sie ansonsten didaktisch wertlos sind (vgl. Nord 2011, 258). In diesem Sinn zielt das Übersetzungslehrbuch auf eine Anleitung zum sachgerechten Gebrauch der Übersetzungshilfsmittel ab und dient weiterhin zur selbstständigen Bewältigung von Übersetzungsproblemen außerhalb der Lehrbuchsituation (vgl. Nord 2011, 248ff.).

Weiterhin kommt der Zielgruppe bzw. den Adressaten von Lehrbüchern eine signifikante Bedeutung zu. Nord konstatiert, dass „ein Übersetzungslehrbuch ausdrücklich an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet und an dessen Zielsetzung orientiert sein soll“ (Nord 2011, 250). Für Anfänger sollen sowohl die Vermittlung der Übersetzungstheorie und -technik als auch die Auswahl der Aufgabenmaterialien anders als für die Fortgeschrittenen gestaltet sein. Der Schwierigkeitsgrad der Übersetzungsaufgaben soll an das Vorwissen und an die Praxiserfahrungen der Adressaten anknüpfen. Die Übersetzung eines klassischen Gedichtes würde beispielsweise Anfänger überfordern und erzeugt daher bei denen ja eher Frust als Lust am Lernen.

Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der oben dargestellten Lehrbuchforschung in der Übersetzungswissenschaft sollen im Folgenden erste Anhaltspunkte für die Untersuchung der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern gewonnen werden.

2.2 Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern

Lernaufgaben in den Lehrbüchern gelten als zentrales Instrument des Unterrichts sowohl in der allgemeinen Didaktik und Fachdidaktik als auch in der Unterrichtsforschung und der Lehr-Lern-Forschung, worauf zahlreiche Arbeiten hinweisen (z.B. Büchter/Leuders 2005; Bremerich-Vos 2008; Köster 2004). Anhand von offensichtlichen Vorteilen, wie beispielsweise kürzeren Planungs- und Durchführungszeiten oder geringeren Materialaufwand, gewinnen die Lernaufgaben als Lernumgebung immer mehr an Bedeutung (vgl. Müller 2010, 86). Forschung mit

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

Blick auf die Aufgaben ergeben sich aus verschiedenen Perspektiven, z.B. im Hinblick auf Aufgabenstellungen und Aufgabenauswahl bzw. den Einsatz der Aufgaben im Unterricht sowie die Qualitätsbewertung der Aufgaben.

Momentan ist eine deutliche Tendenz in unterschiedlichen Bereichen der Fachdidaktik zu erkennen, den Blick auf die Rolle bzw. Funktionen der Aufgaben zu intensivieren (z.B. Brüggemann 2016; Keller/Reintjes 2016). Beispielsweise erlangen die Lernenden durch Lernaufgaben viele Gelegenheiten zum intensiven Lernen, d.h. „Neues zu lernen, Wissenslücken zu schließen oder unklar Gebliebenes besser zu verstehen“ (Weinert 1999, 33). Nach Steiner (2010, 69) wirken Lernaufgaben als Katalysator, d.h. durch spezifische Aufgabenarten oder Aufgabenstellungen können bestimmte Teilprozesse des Lernens ermöglicht, erleichtert, intensiviert, beschleunigt oder nachhaltig verfügbar und zugänglich gemacht werden. Leisen (2010, 60) zufolge ist eine Lernaufgabe „eine Lernumgebung zur Kompetenzentwicklung und steuert den Lernprozess durch eine Folge von gestuften Aufgabenstellungen mit entsprechenden Lernmaterialien“.

Wie oben dargestellt, beschränken sich jedoch bisherige Untersuchungen zu Lernaufgaben in Übersetzungslehrbüchern im Wesentlichen auf die Übungsmaterialien (vgl. Kapitel 2.1) und Arbeitsformen der Aufgaben im Unterricht (vgl. Nord 2010).

Weiteren Überlegungen und Diskussionen zum Beitrag von Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz wurde bisher keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt, was auf die wenigen Arbeiten zur Lehrbuchforschung im Bereich der Übersetzungswissenschaft zurückzuführen sein könnte. Daher sind weitergehende Untersuchungen zu den Lernaufgaben bzw. den Übersetzungsaufgaben in Lehrbüchern dringend notwendig.

Bei Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern wird im Allgemeinen zwischen Denkfragen und Übersetzungsaufgaben unterschieden. Denkfragen werden in Form von „Was-Fragen“ oder „Wie-Fragen“ formuliert und zielen auf die Wiederholung des theoretisch-methodischen Wissens bzw. die Ablösung der Reflexion und das Nachdenken über das im Unterricht erworbene Wissen ab. Bsp.: „Wozu dienen Wörterbücher im Übersetzungsprozess?“ (Wang 2013, 24).

In den Übersetzungsaufgaben geht es darum, die angegebenen Materialien, die als Ausgangs- oder Originalmaterial bezeichnet werden, in eine andere Sprache zu übersetzen. Bei der Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben werden die Lernenden

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

somit zur selbstständigen Bewältigung der behandelten Übersetzungsprobleme mithilfe des vorhandenen Wissens angeleitet.

In der vorliegenden Arbeit werden die Übersetzungsaufgaben primär in Wort-, Satz- und Textübersetzungen unterteilt. Textübersetzungen können ferner in produktive und vergleichende Übersetzungsaufgaben untergliedert werden. Die produktiven Übersetzungsaufgaben zielen auf die Erstellung des Zielproduktes bzw. die Übersetzung des Ausgangsmaterial (inklusive Wörter, Sätze und Texte) ab.

Vergleichende Aufgaben sind dagegen auf verschiedene Weise vorstellbar: (1) Paralleltextvergleiche: Vergleich von thematischen und situativ gleichgearteten Texten (z. B. Rezensionen, Nachrufe, Resolutionen, Enzyklopädie-Artikel) zur Aufdeckung von Unterschieden in Vertextungskonventionen (vgl. Göpferich 1998, 184); Bsp.:

„Vergleichen Sie die folgenden chinesischen und deutschen Einladungen und markieren Sie bitte die unterschiedlichen Textsortenkonventionen.“ (Wang 2013, 33) (2) Übersetzungsvergleiche: Vergleich eines Ausgangstextes mit einem oder mit mehreren veröffentlichten Übersetzungen; Bsp.: „Vergleichen Sie bitte den Ausgangs- und Zieltext und beachten Sie bitte die Übersetzung der unterstrichenen Wörter.“ (Wang 2013, 37; Siepmann 1996, 115). Dabei sind zunächst das vergleichende Bewusstsein zwischen dem Ausgangstext und dem Zieltext hervorzuheben, deren Unterschiede (inkl. Umwandlung des Satzbaus, sprachlich- stilistische Merkmale und Textkonventionen usw.) herauszuarbeiten und schließlich die Reflexion des Übersetzers auf die Übersetzung anzuregen (vgl. Wilss 1992, 58).

Bei der Analyse von Übersetzungsaufgaben fällt ferner auf, dass diese teilweise mit zusätzlichen Hinweisen und Anforderungen versehen sind. Es bietet sich daher an, Übersetzungsaufgaben hinsichtlich des Vorhandenseins bzw. Nichtvorhandenseins von zusätzlichen Informationen zu gliedern:

(1) Übersetzungsaufgaben mit Hinweisen und Übersetzungsaufträgen

Bsp.: „Übersetzen Sie den folgenden Text mithilfe des Hintergrundtextes und des Paralleltextes. Beachten Sie dabei die Fettschriften“ (Wang 2013, 37). Oder

„Übersetzen Sie im Auftrag des Notariats Beijing den Führerschein für einen Chinesen, der später in Deutschland arbeiten will“ (Wang 2013, 319);

(2) Übersetzungsaufgaben ohne Hinweise und Übersetzungsaufträge

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2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben

Bsp.: „Textübersetzungsübungen vom Deutschen ins Chinesische“ (Qian 2016, 355).

Vorhandene Hinweise helfen den Lernenden bereits vor Aufgabenbearbeitung, sich zu Wissensarten bzw. Teilkompetenzen Gedanken zu machen. Bezüglich des kognitiven Aktivierungspotentials birgt eine Aufgabenstellung mit Hinweisen die Möglichkeit, einen gezielten und aktiven Suchprozess nach dem benötigten Wissen in Gang zu setzen. Zudem werden die Aufträge im Übersetzungsprozess von den Übersetzungs- didaktikern (z.B. Nord 2011, Kautz 2000) insgesamt als hoch bewertet. Aus übersetzungsdidaktischer Sicht spielen solche Übersetzungsaufträge eine bedeutende Rolle, die die für das Übersetzen wichtigen Informationen umfassen und eine Voraussetzung der übersetzungsrelevanten Textanalyse sind. Zudem sind die zum Übersetzungsauftrag zugehörigen Anforderungen für die Analyse und die Begründung der Musterlösung bedeutend und nach Nord (2011, 258) didaktisch vonnöten (vgl. Kap.

2.1.).

Mithilfe dieser Klassifikation der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern wird der Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit „Übersetzungsaufgaben“ definiert und kategorisiert. Im folgenden Kapitel wird jedoch zunächst auf die Übersetzerkompetenz und den Übersetzungsprozess eingegangen.

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

In der Übersetzungsdidaktik werden Kompetenzorientierung und Prozessorientierung seit langem von vielen Experten (z.B. Massey 2005; Siever 2010; Nord 2011; Stolze 2015 usw.) als Leitlinien angesehen. Es besteht in der Übersetzungsdidaktik Einverständnis darüber, „dass es das Ziel der Ausbildung von Übersetzern ist, den Studierenden das zu vermitteln, was man gemeinhin als Übersetzungskompetenz bezeichnet“ (Wilss 1992, 56). „Die Definition der Kompetenzen und deren Einordnung in den Übersetzungsprozess sind sowohl für die theoretische Übersetzungswissenschaft, als auch für die angewandte Übersetzungswissenschaft und die übersetzerische Praxis von Bedeutung“ (Hansen-Schirra 2013, 261).

In diesem Kapitel wird zunächst die Definition des Kompetenzbegriffs in der Erziehungswissenschaft dargelegt. Davon ausgehend wird die Übersetzerkompetenz als eine professionelle Handlungskompetenz operationalisiert. Anschließend erfolgt eine fachdidaktische Darstellung zur Übersetzungsprozessforschung anhand der Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft. Basierend darauf wird ein Einblick über den Übersetzungsprozess und die im diesem Prozess involvierten Faktoren bzw.

Wissensarten gegeben, die für die kompetenz- und prozessorientierte Übersetzungs- didaktik bedeutend sind.

3.1 Übersetzerkompetenz

Mit der Aktualisierung der Übersetzungstechnologie in den letzten Jahren befindet sich Übersetzen als ein Berufsbild im rapiden Wandel. Von einem kompetenten Übersetzer werden nicht nur Professionswissen und Fähigkeiten, sondern auch die vom Markt geforderten Berufsqualifikationen erwartet. Alle diese Faktoren (inkl.

Professionswissen, Fähigkeiten und die Berufsqualifikationen) werden in der vorliegenden Arbeit als Übersetzerkompetenz bezeichnet, die im Folgenden von der Definition des Kompetenzbegriffs ausgehend modelliert wird.

3.1.1 Kompetenzbegriff

Kompetenz als einer der meistdiskutierten Begriffe der Sprach-, Sozial- und Erziehungswissenschaft ist in den vergangenen Jahren sehr populär und beliebt geworden. In den meisten Fällen werden der Begriff und dessen Modell aber

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

domänenspezifisch definiert. Dazu haben Klieme und Hartig (2007, 14) erklärt: „Wer den Begriff nutzt, stellt damit heraus, dass er Fähigkeiten und Bereitschaften (a) im Blick auf konkrete Situationen und Aufgaben betrachtet und zugleich (b) ihre Anwendbarkeit in einer Vielzahl solcher Situationen und Aufgaben unterstellt“. Daher kann es ein endgültiges Kompetenzverständnis bzw. eine abschließende Kompetenzdefinition noch nicht geben (vgl. Erpenbeck et al. 2017, XII). In diesem Kapitel werden die sozialwissenschaftlichen bzw. erziehungswissenschaftlichen Wurzeln des Kompetenzbegriffs als theoretische Grundlage für das Definieren der Übersetzer- bzw. Übersetzungskompetenz (vgl. Kap. 3.1.2) vorgestellt.

Begriffsgeschichtlich begann die Popularität des Ausdrucks Kompetenz mit Chomsky (1969) in der Sprachwissenschaft. Er stellt den Begriff Kompetenz als „die Kenntnis des Sprecher-Hörers von seiner Sprache“ dar und stellt den Begriff Performanz als

„aktuellen Gebrauch der Sprache in konkreten Situationen“ dagegen (Chomsky 1969, 14). Die Kompetenz wird als eine angeborene, latente Fähigkeit aufgefasst und bezieht sich auf das situationsunabhängige kognitive System (vgl. Bach 2013, 17). In der Wirklichkeit kann die Sprach-Kompetenz eben nicht direkt durch Performanz widerspiegelt werden, weil die Performanz häufig durch außerlinguistische Faktoren beeinflusst wird (vgl. Dresselhaus 1979, 145). Beispielsweise zeigen sich bei Performanz bzw. natürlicher Rede stets zahlreiche falsche Ansätze, wie z. B.

Abweichungen von Regeln und Abänderungen der Strategie mitten im Sprechen (vgl.

Chomsky 1969, 14).

Im Unterschied zu Chomsky bezeichnet White (1959) Kompetenz in der Motivationspsychologie als „an organism’s capacity to interact effectively with its environment“ (White 1959, 297). „Er meint, dass die Kompetenz nicht angeboren ist, sondern durch wirkungsvolle Interaktion eines Individuums mit seiner Umwelt erworben werden kann“ (Klieme/Harig 2007, 16). In seinem Aufsatz wird die Kompetenz als eine Motivation angesehen, so dass die Faktoren Erlernbarkeit und Umweltbezogenheit durch die Unterstreichung der effektiven Interaktionen des Individuums mit der Umwelt große Bedeutung gewinnen.

Wenn Kompetenzen innere Voraussetzungen des selbstorganisierten Handelns einer Person sind, stellt sich die Frage nach der Beobachtbarkeit von Kompetenzen. In der Psychologie hat sich wohl McClelland (1973) als Erster um eine Aufklärung bemüht.

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Offensichtlich sind Kompetenzen nur anhand der tatsächlichen Performanz aufzuklären.

„Wir schreiben dem physisch und geistig selbstorganisiert Handelnden auf Grund bestimmter, beobachtbarer Handlungsweisen bestimmte Dispositionen als Kompetenzen zu“ (Erpenbeck et al. 2017, XVI). Bei ihm stellen Kompetenzen Voraussetzungen für spezifische Tätigkeiten dar, „wobei er selbst keine genauere konzeptuelle oder theoretische Klärung des Begriffs vornimmt“ (Klieme/Hartig 2007, 17).

Eine Gemeinsamkeit in den beiden Ansätzen von White (1959) und McClelland (1973) liegt in dem unmittelbaren Bezug der Kompetenz zu den konkreten Handlungen (vgl.

Bach 2013). Daraus folgt, dass Kompetenzen in der psychologischen Tradition als erlernbare und kontextspezifische Leistungsdisposition verstanden werden, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen (vgl.

Klieme/Hartig 2007, 17).

Die heute von den meisten Kompetenzforschern zugrunde gelegte definitorische Einteilung in Selbstkompetenz, Sachkompetenz und Sozialkompetenz ist auf Heinrich Roth (1971), einen pädagogischen Anthropologen, zurückzuführen. Er definiert Selbstkompetenz als Fähigkeit, für sich selbst verantwortlich handeln zu können, und Sachkompetenz als Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- und handlungsfähig und damit zuständig sein zu können. Und Sozialkompetenz als Fähigkeit für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- oder Sozialbereiche urteils- und handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können (vgl. Roth 1971, 180;

Erpenbeck et al. 2017).

Diese Einteilung leistet große Beiträge zur jüngeren Kompetenzuntersuchung und eine Grundlage für die Kompetenzentwicklung und –förderung. Weinert (2001) stimmt mit dieser Auffassung überein und stellt die weitverbreitete Kompetenzdefinition auf:

Dabei versteht man unter Kompetenzen, die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (Weinert 2001, 27)

Auffällig ist, dass in dieser Definition die Kompetenz in zwei Fähigkeiten, und zwar kognitive und motivationale Fähigkeiten, unterteilt wird. Weinert schlägt diesbezüglich

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

vor, in einem empirischen Untersuchungsdesign kognitive und motivationale Tendenzen getrennt zu erfassen, weil nur so ihre Wechselwirkung analytisch dargestellt werden kann (vgl. Klieme/Leutner 2006, 880; Klieme/Hartig, 2007, 18). Daher definiert Weinert (1999; 2001) den Begriff „Kompetenzen“ als „professionelle Handlungskompetenz“, die einerseits aus kognitiven Kompetenzen bzw.

Professionswissen und andererseits aus Überzeugungen und Werthaltungen, motivationalen Orientierungen sowie selbstregulativen Fähigkeiten bestehen (vgl.

Bach 2013, 25). Das stimmt mit der Kompetenzdefinition der handlungsorientierten Übersetzungstheorie überein, die die handlungstheoretischen Begriffe auf den übersetzungstheoretischen Objektbereich überführt und das Übersetzen als professionelles Handeln bzw. Expertenhandeln versteht (vgl. Holz-Mänttäri 1984, 86).

Vor allem durch die handlungsorientierten Übersetzungstheorien von Holz-Mänttäri (1984) und Vermeer (1986b, Reiß/Vermeer 1984) existiert ein theoretischer Rahmen, der eine Grundlage für die Bewältigung der Komplexität übersetzerischer Handlung bietet. Dieser erweitert den Blick vom dominanten Charakteristikum des Sprachwechsels zu Strukturen und Funktionen des Übersetzens als kulturellen Transfers (Vermeer 1986a), cross-cultural event (Snell-Hornby 1988, 39), als Expertentätigkeit, translatorisches Handeln und Ermöglichung transkultureller Kommunikation. (Risku 1998, 14, zitierte nach Holz-Mänttäri 1984)

Nach der handlungsorientierten Übersetzungstheorie wird Übersetzen als „eine zielgerichtete Handlung“ (Nord 1993, 9) und „professionelle Tätigkeit“ (Fleischmann 1999, 60) und weiterhin die Übersetzerkompetenz als professionelle Handlungs- kompetenz aufgefasst. Zahlreiche übersetzungswissenschaftliche Forschungen (vgl.

Krings 1992; Lörscher 1991; Kußmaul 1995) weisen darauf hin, dass die Übersetzer- bzw. Übersetzungskompetenz keine angeborene, sondern eine erworbene Fähigkeit ist.

Die bilinguale Kompetenz ist somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Entwicklung der Übersetzer- bzw. Übersetzungskompetenz2 (vgl.

Presas 2007, 362f.).

2 Beim Ursprung der Übersetzungskompetenz geht es am Anfang um zwei entgegensetzten Positionen:

Auf der einen Seite wird die Annahme vertreten, dass sich die Übersetzungskompetenz gleichsam automatisch aus bzw. mit der bilingualen Kompetenz entwickelt; auf der anderen Seite wird die Annahme vertreten, dass es sich bei der bilingualen Kompetenz und der Übersetzungskompetenz um

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

3.1.2 Professionelle Handlungskompetenz

Die Untersuchung von Kiraly (2007) zeigt, dass einige in der Berufspraxis auftauchende Schwächen und Schwierigkeiten für Absolventen im Bereich der Übersetzungswissenschaft sicherlich mit mangelnder übersetzungsspezifischer Kompetenz zusammenhängen. Andere hingegen lassen sich auf allgemeinere Faktoren zurückführen: Es mangelt offensichtlich an beruflichen Fähigkeiten, die nicht direkt mit der Sprachenvermittlung in Verbindung stehen (vgl. Kiraly 2007, 192f.). Weinerts Definition der professionellen Handlungskompetenz kann so in die Definition der Übersetzerkompetenz überführt werden. In Anlehnung daran wird die Übersetzerkompetenz in diesem Beitrag als professionelle Handlungskompetenz in Übersetzungskompetenz und Berufsqualifikationen (inkl. soziale Kompetenz und personale Kompetenz) unterteilt (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Professionelle Übersetzerkompetenz

Die Übersetzungskompetenz wird als übersetzungsspezifische kognitive Leistungs- disposition bezeichnet, die sich einerseits auf konkrete Übersetzungssituationen und Anforderungen des Arbeitsauftrags beziehen und andererseits erlernbar sind und durch Training oder andere äußere Interventionen beeinflusst sowie durch langjährige Praxis möglicherweise zur Expertise ausgebaut werden können (vgl. Klieme/Leutner, 2006;

Klieme/Hartig, 2007). Die Modellierung der Übersetzungskompetenz wird in Kapitel 4 vertiefend erläutert.

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Als Berufsqualifikationen lassen sich die mit der Übersetzungskompetenz verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten auffassen, die für erfolgreiche und verantwortungsvolle Problemlösungen in variablen Situationen bedeutend sind. Als Handlungsträger gewinnen Übersetzer, der ggf. sogar zum Ko- Autor avanciert, heutzutage größere Spielräume und zugleich wird deren Stellung stark aufgewertet (vgl. Siever 2010, 151).

Wer vom Übersetzer eine kreative Ko-Autorschaft erwartet, der muss ihm auch die

„Freiheit zu selbstbewusstem intentionsadäquatem Handeln“ gewähren und ihn zur

„Übernahme von Verantwortung für das eigene translatorische Handeln“ auffordern, so wie Vermeer dies auch explizit tut. (Vermeer 2002, 140)

Aufgrund seiner Kompetenz als Experte für Kulturvermittlung und als gleichberechtigter Handlungspartner hat der Übersetzer das Recht und die Pflicht, Entscheidungen selbst zu treffen und Verantwortung für sein Produkt bzw. sein eigenes Übersetzungshandeln zu übernehmen (vgl. Siever 2010, 162f.). Zudem verändern sich die Übersetzungsmärkte in den letzten Jahrzehnten sehr stark durch die Software- und Internetangebote. Daher sind Übersetzer gezwungen, viel effektiver im Team zu arbeiten und dabei Ansprüchen gerecht zu werden, die weit über ihre traditionellen, sprachbezogenen Aufgaben hinausgehen (vgl. Kiraly 2007, 191). Vor diesem Hintergrund gewinnen die personalen und sozialen Kompetenzen als Berufsqualifikationen immer größere Bedeutung. Dazu stellt Kiraly (2007) dar:

Die seit eh und je verfolgte konventionelle didaktische Herangehensweise, in der sich alles auf den Ausbilder konzentriert, scheint die Einführung von Neuerungen zu verhindern, die eine parallele Vermittlung von persönlicher und sozialer Kompetenz neben der translatorischen Kompetenz ermöglichen könnten (Kiraly 2007, 196).

Die Entwicklung und Förderung der personalen und sozialen Kompetenzen bzw. die kompetenzorientierte Übersetzerausbildung sollen von einer genauen Definition und den tiefgehenden Verständnissen ausgehen, die im Folgenden ausführlich erläutert werden.

Personale Kompetenzen werden als die Dispositionen einer Person bezeichnet, reflexiv selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich selbst einzuschätzen, produktive Einstellungen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder zu entwickeln, eigene Begabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich im Rahmen der Arbeit und außerhalb davon kreativ zu entwickeln und zu lernen (vgl. Erpenbeck et al. 2017, XXV).

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Aus der übersetzungswissenschaftlichen Sicht hat PACTE-Gruppe (2007) die persönlichen Eigenschaften als Wissensdurst, Genauigkeit, Kritikfähigkeit, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Realitätssinn beim Einschätzen der eigenen Fähigkeiten, Motivation, usw. bezeichnet. Auch Kiraly (vgl. 2007, 194) hat die personale Kompetenz des Übersetzers erwähnt und erläutert, dass die persönliche Kompetenz auf persönlichen, individuellen Fertigkeiten und Kenntnissen des Übersetzers (inkl.

Selbstständigkeit, Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung, Qualitätskontrolle und professionellem Verantwortungsbewusstsein) aufbaut. Ferner hat Göpferich (vgl.

2008, 156) in ihrem Werk auch die psychophysische Disposition des Übersetzers angesprochen, die Ehrgeiz, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Selbstbewusstsein usw.

umfasst.

Der Vergleich der verschiedenen Definitionen zeigt deutlich Überlappungen. Personale Kompetenz deutet hier vor allem auf Verantwortungsbewusstsein bzw. berufliche Selbstverantwortung hin. Übersetzen ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, da die Zielgruppe bzw. die Adressaten des Zieltextes in der Regel die Ausgangssprache nicht beherrschen. Obwohl Fehler möglicherweise nicht sofort identifiziert werden können, sind Missverständnisse, möglicherweise sogar Konflikte nicht ausgeschlossen. Daher muss der Übersetzer stets mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein arbeiten.

Ferner müssen sich Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein im diesem Prozess ebenfalls entwickeln. Nicht zuletzt können der Wissensdurst und der Ehrgeiz den Übersetzer ermutigen, durch die kontinuierliche Weiterbildung eigenes Wissen zu erneuern und seine eigenen Kompetenzen zu erweitern. Hinzu kommen die Motivation und Reflexion, die jeweils am Anfang und am Ende des Übersetzungsprozesses eine herausragende Rolle spielen.

Während personale Kompetenz sich im Wesentlichen auf den einzelnen Übersetzer bezieht, zielt soziale Kompetenz in erster Linie auf den zwischenmenschlichen Umgang ab. Insofern beinhaltet soziale Kompetenz hauptsächlich Etikette, Kommunikation und Teamwork (vgl. Kiraly 2007, 195).

Erpenbeck et al. (2017, XXV) definieren sozial-kommunikative Kompetenzen als die Dispositionen, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten und neue Pläne, Aufgaben und Zielen zu entwickeln.

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Im Vergleich zur personalen Kompetenz bezieht sich soziale Kompetenz auf Fähigkeiten der Kommunikation, Kooperation und Interaktion mit anderen. Unter sozialer Kompetenz ist das Verhalten zu verstehen, in Kooperation mit anderen eine gestellte Aufgabe verantwortungsvoll zu lösen. Ist an einem Lösungsprozess – auch nur zeitweise – mehr als eine Person beteiligt, brauchen die Handelnden Fähigkeiten, die der Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, der Kooperationsfähigkeit oder auch der Führungsfähigkeit zuzuordnen sind (vgl. Kreisler et al. 2012, 89).

Hinsichtlich der sozialen Kompetenz stimmen die meisten Autoren weitgehend überein.

Es geht dabei vorwiegend um Teamwork, das die Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, die Kooperationsfähigkeit und die Führungsfähigkeit beinhaltet. Zudem muss der Übersetzer nicht nur in der Gruppe, sondern auch diplomatisch mit Auftraggebern und Kunden verhandeln können. Der Übersetzer soll also lernen, sich professionell und entsprechend der Berufsetikette zu verhalten (vgl.

Kiraly 2007, 195).

3.2 Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht

Zwischen den 1960er und 1980er Jahren hat sich die Übersetzungswissenschaft als eigenständige Wissenschaftsdisziplin aus der Linguistik und spezifischen übersetzungstheoretischen Paradigmen heraus entwickelt (vgl. Siever 2010, 17;

Schreiber 2006, 31). Seit etwa Mitte der 1980er Jahre begünstigte der Aufschwung der Kognitionswissenschaften die Übernahme kognitionswissenschaftlicher Erkenntnisse in den übersetzungswissenschaftlichen Diskurs. Dadurch rückte der mentale Prozess im Kopf des Übersetzers immer stärker ins Zentrum des Interesses. Die Rezeption des Ausgangstextes und die Konzeption des Zieltextes beziehen sich seither stärker auf die mentalen Prozesse im Kopf des Übersetzers (vgl. Siever 2010, 173). Seitdem orientiert sich das Forschungsinteresse im Bereich der Übersetzungswissenschaft nicht mehr ausschließlich an den Zieltexten und deren Qualität, sondern auch am Weg, den der jeweilige Übersetzer hierzu einschlägt (vgl. Krings 2005, 344). Anders gesagt tritt die Prozessorientierung statt die Produktorientierung in den Vordergrund.

In der modernen Übersetzungswissenschaft ist eine Entwicklung, nicht unähnlich der Erkenntnistheorie, zu beobachten: Während es traditionell um die Erkenntnisprodukte (bzw. Übersetzungen) und ihre „Richtigkeit“ oder „Wahrheit“ an sich ging, wird nun zunehmend deren Entstehungsprozess und Funktion (Snell-

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Hornby 1991, 17) thematisiert. (Risku 1998, 21)

Zu den ersten Arbeiten, die die kognitiven Prozesse beim Übersetzen untersuchten, gehören Krings (1986), König (1987) und Lörscher (1991), die von einem fremdsprachendidaktischen Zugriff auf das Thema ausgingen. Danach findet die prozessorientierte Forschung des Übersetzens ab Mitte der 1990er Jahre ihren Niederschlag in genuin kognitionstheoretisch orientierten Untersuchungen (z.B.

Kupsch-Losereit 1996; Risku 1998, Göpferich 2008 und Nord 2010) an professionellen und semiprofessionellen Übersetzern (vgl. Siever 2010, 171f.).

3.2.1 Übersetzungsprozess als kognitiver Prozess

Gegenstand der Translationsprozessforschung sind alle Prozesse, die zu Translationsprodukten führen. Die Prozesse können in zwei Grobkategorien eingeteilt werden: (1) „Translationsprozesse im Sinne von organisatorischen Abläufen (Workflows) und Kooperationen“ sowie (2) „Translationsprozesse im Sinne von mentalen Prozessen“ (Göpferich 2008, 1).

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf mentalen Prozessen beim Übersetzen (im Gegensatz zum Dolmetschen). Die beim Übersetzen in ihrem Kopf ablaufenden mentalen Prozesse können Übersetzern selbst bewusst sein oder auch unbewusst bleiben. (Göpferich 2008,1)

Auf der Basis, dass Übersetzungskompetenz als kognitive Disposition aufgefasst wird (vgl. Kapitel 3.1.1), verstehen sich in diesem Beitrag alle bewussten und unbewussten mentalen Prozesse im Übersetzungsvorgang als kognitive Prozesse. Hier ist es aber wichtig hervorzuheben, dass die Bedeutung der organisatorischen Abläufe nicht zu unterschätzen ist, die die mentalen Prozesse als Arbeitsbedingungen beeinflussen, auch wenn sich diese Arbeit mit den mentalen Prozessen beschäftigt.

„In den Kognitionswissenschaften bezeichnet der Begriff „Kognition“ alle perzeptiven, assoziativen, analytischen, produktiven und kreativen geistigen Prozesse“ (Siever 2010, 174). In der Übersetzungswissenschaft gehören vornehmlich die Verstehensprozesse und die Wortbildungs- bzw. Reverbalisierungsprozesse zu den mentalen Prozessen (vgl.

Siever 2010, 173). Gemeinsam ist den kognitionstheoretischen Übersetzungstheorien, dass sie „einen Zusammenhang von Textverstehen und übersetzerischen Entscheidungen“ unterstellen (Kupsch-Losereit 1996, 217). Nach Kupsch-Losereit

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

(1993, 215) stellt sich der Übersetzungsprozess als zweiphasiger Prozess dar, bei dem

„Sinnkonstruktion in der Verstehensphase und Sinngebung in der Übersetzungsphase [...] untrennbar verbunden“ sind. Anders gesagt, sollen sowohl die Rezeption des Ausgangstextes als auch die Produktion des Zieltextes als kognitive Prozesse im Übersetzungsvorgang berücksichtigt werden.

In der traditionell produktorientierten Übersetzungsdidaktik orientiert sich der Unterricht aber nur am Zieltext. Die Studierenden werden zuerst aufgefordert, Aufgaben bzw. Übungen in den Übersetzungslehrbüchern anzufertigen. Durch den Lehrenden werden die Produkte bzw. die Übersetzungen nach bestimmten Kriterien aus der linguistischen Perspektive im Unterricht bewertet. Die produktorientierte Übersetzungsdidaktik bzw. der produktorientierte Übersetzungsunterricht lassen sich in mindestens zweifacher Hinsicht kritisieren. Zum einen werden die Lernenden und die in ihren Köpfen ablaufenden mentalen Prozesse in keiner Weise berücksichtigt.

Zum anderen ist eine produktorientierte Bewertung der Übersetzungsleistung demotivierend, da Erfolgserlebnisse größtenteils ausgeschlossen werden (vgl.

Siepmann 1996, 31). Darüber hinaus kann der produktorientierte Unterricht bei Lehrenden ebenso wie bei Studierenden Frust auslösen, denn „die Lehrenden klagen über das Missverhältnis zwischen Vorbereitungsaufwand und Lern- bzw. Lehreffekt und über alle Arten von Kompetenz- und Wissensdefiziten bei den Studierenden“ (Nord 1996, 313). Es ist folglich festzuhalten, dass der traditionell produktorientierte Unterricht der Komplexität des Translationsprozesses nicht gerecht werden kann.

Vor diesem Hintergrund wird der prozessorientierten Übersetzungsdidaktik eine große Bedeutung beigemessen. Nach Krings (2005, 344) kann die Übersetzungsprozess- forschung zum einen „wichtige Orientierungsmarken für ein effektives Lehren und Lernen von Übersetzungskompetenz“ liefern und trägt zum anderen dazu bei, die Komplexität des Übersetzens und damit die Notwendigkeit von Professionalität in Ausbildung und Berufspraxis nachzuweisen. Kußmaul und Hönig (vgl. 1998, 172) erläutern, dass das erfolgreiche Übersetzen besser gelernt werden kann, indem man sich eine Vorstellung davon macht, welche Faktoren an den relevanten Prozessen beteiligt und wie sie miteinander vernetzt sind. Dieses Feld wird im folgenden Kapitel thematisiert.

(32)

3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

3.2.2 Zirkelschema des Übersetzungsprozesses von C. Nord

Das Ziel der übersetzungswissenschaftlichen Forschung besteht darin, zum einen ein reales Modell des Übersetzungsprozesses zu gewinnen und zum anderen die Rolle der in diesem Prozess relevanten Faktoren aufzuzeigen. Insbesondere gilt es, die Rolle des translatorischen Wissens zu bestimmen (vgl. Presas 2007, 354). In Übereinstimmung damit ist es nach PACTE (2007, 328) notwendig herauszufinden, „wie die unterschiedlichen Kenntnisse im Kopf der Übersetzerin verarbeitet werden und welchen Einfluss sie auf den Übersetzungsprozess haben“.

Um diese Fragen zu beantworten, hat Nord (2010) ein Zirkelschema des Übersetzungsprozesses erstellt, in dem der Übersetzungsprozess auf der didaktischen Ebene einerseits ausführlich beschrieben wird und andererseits alle im Übersetzungsprozess involvierten translatorischen Wissensbereiche und deren Verbindungen miteinander dargestellt werden (siehe Abb. 2). Anhand dieses Zirkelschemas kann explizit nachvollzogen werden, an welcher Stelle des Übersetzungsprozesses welche Fähigkeiten bzw. Wissensarten vom Übersetzer verlangt und wie die unterschiedlichen Kenntnisse im Kopf des Übersetzers verarbeitet werden (vgl. Nord 2010, 105).

Abb. 2: Der Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht von C. Nord (Nord 2010, 109)

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Nach dieser Abbildung beginnt der Übersetzungsprozess mit der Interpretation des Übersetzungsauftrags unter Rückgriff auf das Praxiswissen. Neben dem Praxiswissen fließt Sach- und Fachwissen3 ebenfalls in die Interpretation des Auftrags ein, da manche Aufträge fachspezifisch sind. Anschließend werden Sprach- und Kulturwissen sowie Sach- und Fachwissen bei der Analyse des Ausgangstexts benötigt, denn das Sach- und Fachwissen gilt nicht nur für Fachtexte, denn auch in literarischen Texten können fachspezifische Gegenstände, Handlungen, Terminologie auftreten. Weil der Übersetzer nicht Experte in allen Bereichen sein kann, nehmen Recherchevorgänge einen besonderen Stellenwert; durch Recherchen können die Wissenslücken behoben werden. Basierend auf der Interpretation des Übersetzungsauftrags und der Ausgangstextanalyse lassen sich Strategien in der Verbindung mit Theorie- und Methodenwissen heranziehen, wobei Wissenslücken in der Ausgangssprache und - kultur sowie Zielsprache und -kultur wieder mithilfe von Recherchen gefüllt werden.

Zuletzt ist die Entwicklung des Zieltextes anzuführen, bei dem die Übersetzungsstrategie zur Anwendung kommt und die verschiedenen Wissensbereiche bzw. Fertigkeiten (z.B. Recherche und Analyse) integrativ eingesetzt werden (vgl.

Nord 2010, 106ff.).

Fähigkeiten Wissen Fertigkeiten

Analysefähigkeit Entscheidungsfähigkeit Kreativität

Urteilsfähigkeit

Sprach- und Kulturwissen Theorie- und

Methodenwissen Sach- und Fachwissen Praxiswissen

Auftragsanalyse Textanalyse in AS/AK Strategieentwurf

Textproduktion in ZS/ZK Recherche(n)

Tab. 1: Faktoren im Zirkelschema von C. Nord. (vgl. Nord 2010, 110)

In diesem Prozess führt Nord eine Untergliederung der Übersetzerkompetenz ein. Es sind Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten, die für die gelingende Übersetzung Voraussetzungen sind. So können Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten unterschiedlich erlernt und vermittelt werden (Tab. 1).

3 Dieses Sach- und Fachwissen ist nach Nord (2010) nicht universell oder kulturunabhängig, da sich die Perspektiven, aus der die beiden beteiligten Kulturen den Gegenstand betrachten, unterscheiden können

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3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess

Darunter bilden Sprachwissen, Kulturwissen, Sach- und Fachwissen, Theorie- und Methodenwissen sowie Praxiswissen die fünf grundlegenden Wissensarten des Übersetzungshandelns, die im Unterricht oder durch Fachliteratur vermittelt werden (vgl. Nord 1996, 316) und im Schema in grauen Kästen sichtbar gemacht werden.

Hierbei ist es sinnvoll, die Rolle des metasprachlichen Wissens sowohl im Hinblick auf die Fremdsprache als auch im Hinblick auf die Grundsprache in die Betrachtung einbezogen werden. Insofern wird die Ausbildung eines übersetzungsorientierten Sprachbewusstseins hervorgehoben, „das erst die ziel- und funktionsgerechte Verwendung der Sprachkenntnisse im Übersetzungsvorgang ermöglicht“ (Nord 1996, 319).

Die Fertigkeiten, die „im Sinne von Techniken verstanden“ sind und „durch ein geeignetes Training weitgehend internalisiert werden können“ (Nord 1996, 316), umfassen Auftragsanalyse, Ausgangstextanalyse, Strategieentwurf, Zieltextproduktion und Recherchieren in entsprechenden Kästchen mit einem fetten Rand.

Nicht zuletzt zählen Analysefähigkeit für den Vergleich zwischen dem Übersetzungsauftrag und AT, Entscheidungsfähigkeit für die Auswahl der Übersetzungsstrategie, Kreativität für die Umsetzung der Entscheidung und Urteilsfähigkeit bei der Qualitätssicherung zu den Fähigkeiten, „die durch gezielte Übungen weiterentwickelt werden“ (Nord 1996, 316).

Durch diese Untergliederung wird die Übersetzerkompetenz unter verschiedenen Aspekten betrachtet und dargestellt, was die Komplexität der Übersetzerkompetenz bzw. des Übersetzungsprozesses aufzeigt und zugleich einen Beitrag zur Vermittlung der Übersetzerkompetenz im Unterricht leistet. Ein Nachteil des Zirkelschemas ist, dass sich die erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten und die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten nicht unterscheiden. Anders gesagt, werden die Übersetzungskompetenz und die Berufsqualifikationen (vgl. Kap. 3.2.1) in diesem Modell nicht separat behandelt. So kann z.B. das Praxiswissen als subjektive Erfahrung nicht unmittelbar im Unterricht vermittelt werden, was auch nicht durch Recherche erworben werden kann. Dieses Wissen kann nur in der Praxis allmählich gesammelt werden, da die didaktische Situation sich trotz aller Bemühungen um Realitätsnähe grundsätzlich von einer professionellen Situation unterscheidet. Insofern müssen sich das Praxiswissen und

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