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6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 85

6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse

6.4.1 Darstellung der Ergebnisse in den fünf Lehrbüchern

6.4.1.5 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Gui

6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben

Wang (2013, 205)

SK KK SaK MK

ThA 15 24

WA

HW 1 2 3 4 16 17 18 25 26 31 32 33

ÜW 5 6 7 8 9 34 35 36 37

MW 10 11 19 20 27 28 38 39

KA

RA 12 21 29 40

TA 13 22 30 41

KP 14 23 42

Tab. 25: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 17

Bemerkenswerterweise sind in diesem Lehrbuch Hinweise und Übersetzungsaufträge in den Aufgabenstellungen, die sich auf verschiedene Aspekte beziehen, z.B. den Auftraggeber, die Rezipienten des ZT, Übersetzungszwecke, Übersetzungsmethoden bzw. –strategien. Dadurch lässt sich nicht nur Hintergrundwissen, sondern auch Übertragungswissen in der Methodendimension, wie in obigen Beispielen erläutert, gut entwickeln. Zudem sind Textsorten in diesem Lehrbuch genauso umfangreich wie in der Realität.

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Abb. 14: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Gui (n=125)

Unter den zehn Übersetzungsaufgaben (8 %), die auf die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit abzielen, finden sich neun Textübersetzungen und eine Satzübersetzung. Beispielhaft steht eine folgende Textübersetzung (Aufgabe 18).

Aufgabe 18: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Gui 2009, 360) Der Euro kommt

Der Euro kommt, aber er kommt nicht auf einen Schlag. Es dauert bis zum 1. Januar 2002, bis Sie die neue gemeinsame Währung auch in Ihrem Portemonnaie haben werden. Solang gilt: Bargeld bleibt die D-Mark. In den kommenden drei Jahren kann, muss aber nicht jeder mit dem Euro arbeiten. Der Euro startet 1999 endgültig mit Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien. Das Euro-Parlament billigte die Währungsunion, mit den ersten elf Ländern. Auch die Wechselkurse der Währungen untereinander wurden festgelegt.

Nicht in der Anfangsphase der Europäischen Währungsunion (EWU), aber nach einer gewissen Zeit dürfte der Euro dem US-Dollar als internationale Reserve- und Anlagewährung Konkurrenz machen. Langfristig seien Kapitalumschichtungen aus dem Dollar in den Euro in Höhe von 1 Bill. $ eine realistische Größenordnung. Diese Ansicht vertritt die Dresdener Bank in einem Beitrag zum Thema „Wie stark wird der Euro?“ Die EU könne sich in der Wirtschaftsleistung und im Außenhandel folglich durchaus mit den USA messen. Der Euro steigere Liquidität, Tiefe und Effizienz der

125

64 19

125 100%

51%15.20%

100%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

120%

0 50 100 150

SK KK SaK MK

Entwicklung der Teilkompetenzen (GUI(2009))

Zahl Prozent

Teilkompetenz (GQY)

Übersetzungsaufgabe Zahl Prozent

SK 125 100 %

KK 64 51 %

SaK 19 15,2 %

MK 125 100 %

ÜK 10 8 %

6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben

europäischen Geld- und Finanzmärkte. Nach einer gewissen Zeit dürfte die europäische Währung daher eine wichtige Rolle im Weltwährungssystem spielen.

Gegenwärtig dominiere an den Weltfinanzmärkten der Dollar. Rund zwei Drittel der offiziellen Devisenreserven der Zentralbanken würden in Dollar gehalten. Der Anteil der europäischen Währungen sein in den letzten drei Jahren auf 21 % zurückgegangen.

Der Euro werde für den Dollar anfangs also allenfalls ein „Juniorpartner“ sein, schreibt die Dresdener Bank. Dies entspreche aber nicht den Relationen der Wirtschaft. 1996 sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU höher gewesen als das der USA. Die elf voraussichtlichen Teilnehmerländer erreichten zusammen – je nach Wechselkurs – 80 bis 90 % der US-BIP. Beim Vergleich der Welthandelsanteile hätten die EU-Länder sogar einen Vorsprung. Sie exportieren etwa 20 % aller Waren weltweit, die USA rund 15 %.

Analyse: In dieser Aufgabe geht es um den Euro bzw. die Währung und die Wirtschaft.

Aus linguistischer Sicht wird sprachliches Hintergrundwissen und Übertragungswissen in Bezug auf die Wortartwechsel, auf die Umwandlung des Satzbaus und auf den Aufbau der Zieltextkohärenz gefordert. Der erste Satz mit einer Redensart „auf einen Schlag“, die nicht wörtlich ins Chinesische übersetzt werden kann, verlangt daher eine kreative sprachliche Leistung von den Studierenden. Obwohl methodisches Hintergrundwissen in der Aufgabenstellung nicht gefordert wird, soll das methodische Übertragungswissen beim Studierenden bewusst oder unbewusst zur Anwendung kommen. Das Übersetzen der Institutionen, z.B. „Europäischen Währungsunion (EWU)“, „die Zentralbank“, setzt eine entsprechende Kulturkompetenz bei der Aufgabenbearbeitung voraus, was bei den Studierenden zur Reflexion ihrer eigenen Kulturkompetenz führt. Zudem wird fachliches Sachwissen durch einige fachliche Termini und deren Abkürzungen adressiert, z.B. „internationale Reserve- und Anlagewährung“, „Devisenreserven“ und „Bruttoinlandsprodukt (BIP)“. Die konkreten Analyseergebnisse sind in Tabelle 26 zusammengefasst.

6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben

1. Gui (2009, 360) – Der Euro kommt

SK KK SaK MK

ThA 15 24

WA

HW 1 2 3 4 16 17 18 25 26 31 32 33

ÜW 5 6 7 8 9 34 35 36 37

MW 10 11 19 20 27 28 38 39

KA

RA 12 21 29 40

TA 13 22 30 41

KP 14 23 42

Tab. 26: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 18

Satzübersetzung ist die Hauptart der Übersetzungsaufgaben im Lehrbuch von Gui und beträgt 61,6 %. Im Folgenden wird eine Satzübersetzung (Aufgabe 19) beispielhaft angeführt, die den Fokus auf Sprach-, Methoden- und Kulturkompetenz legt.

Aufgabe 19: Übersetzen Sie die folgenden Sätze. (Gui 2009, 69) 1. Er ist unser Bruder, unser Fleisch und Blut.

2. „Man steht immer mit einem Bein im Grab.“

3. Schon vor einer Woche hat die Ochsentour zwischen dem amtierenden Bundeskanzler und dem Bundeskanzlerkandidaten Stoiber begonnen.

4. „Liebe Mutter, ich kann Sie das Schicksal, das ich für mich bestimme, nicht teilen lassen.“

5. Nur im Osten der Republik gibt es Stacheldraht, überall sonst sind unsere Grenzen offen für Wanderer und grün für Schmuggler.

Analyse: Aus sprachlicher und methodischer Sicht ist diese Aufgabe nicht kompliziert.

Es werden auch keine großen Ansprüche an die Sachkompetenz gestellt. Ein Bezug auf die Metaphern in dieser Aufgabe lässt sich leicht finden. Als Produkte der kreativen Verletzung semantischer Regeln des Sprachsystems sind Metaphern zutiefst kulturspezifisch verankert (vgl. Schäffner 1998, 281). Beispielsweise ist „Fleisch und Blut“ im ersten Satz als Metapher für Bruder nicht üblich im chinesischen Sprachsystem. Um die Schockwirkung im Chinesischen zu erhalten bzw. emotionale Aspekte mit zu berücksichtigen, besteht die Möglichkeit, diese Formulierung durch eine gängige Formulierung bzw. ein vergleichbares Bild im Chinesischen „骨肉 (gǔ

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roù)26“ zu ersetzen. In einem anderen Fall, der sog. „die Ochsentour“ (die Metapher im dritten Satz), ist leider kein vergleichbares Bild im Chinesischen zu finden; d.h. die mit diesem Wort in der deutschen Sprache verbundenen semantischen Assoziationen sind im chinesischen Sprachsystem nicht reproduzierbar. Es ist deswegen zu empfehlen, den Sinn durch einen nichtmetaphorischen Ausdruck „艰 难 的 旅 程 (jiān nán de lǔ chéng)“ (auf Deutsch: mühevolle Reise) widerzugeben. Bei derartigen Aufgaben müssen die Studierenden Veränderungen gegenüber dem Ausgangstext vornehmen und damit etwas Neues schaffen, um die kulturspezifischen Übersetzungsprobleme anpassend zu lösen. Dadurch wird die kulturelle Kreativität erfordert. Die konkreten Analyseergebnisse finden sich in Tabelle 27.

Gui (2009, 69) – 徳译汉

SK KK SaK MK

ThA 15 24

WA

HW 1 2 3 4 16 17 18 25 26 31 32 33

ÜW 5 6 7 8 9 34 35 36 37

MW 10 11 19 20 27 28 38 39

KA

RA 12 21 29 40

TA 13 22 30 41

KP 14 23 42

Tab. 27: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 19

Unter den 19 Übersetzungsaufgaben (15,2 %), die auf die Vermittlung der Sachkompetenz abzielen, befinden sich 14 Textübersetzungen und fünf Satz-übersetzungen. Im Folgenden wird eine Aufgabe (Aufgabe 20) angeführt, bei deren Übersetzung fachliches Wissen bzw. Sachkompetenz einen wichtigen Stellenwert hat.

Aufgabe 20: Übersetzen Sie die folgenden Sätze. (Gui 2009, 75)

1. Im Warmwalzwerk bewegen sich Eisenblöcke durch Walzen und ändern dabei ihre Form.

2. Sie müssen diese Walzen mehrmals passieren, um ihre endgültige Form zu erreichen.

26 „骨肉 (g

6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben

3. Je weniger Stiche, d.h. Durchgänge durch die Walzen, der Walzvorgang braucht, umso wirtschaftlicher lässt sich der Produktionsprozess durchführen.

4. Auch soll die Zeit zwischen zwei Stichen möglichst klein sein, deshalb müssen die Walzen nach dem Durchgang des Eisenblockes ihre neue Stellung in kürzer Zeit einnehmen, damit sich das Walzgut in umgekehrter Richtung ohne Zeitverlust durch die Walzen zurückbewegen lässt.

Analyse: Die vier Sätze sind nicht getrennt zu betrachten, sondern bilden einen kohärenten Text, in dem semantische Beziehungen bestehen. Im Bereich der Sachkompetenz werden zum einen fachliche Termini, wie z.B. Warmwalzwerk, Walzvorgang und Walzgut etc., und zum anderen prozedurales Wissen über den Walzvorgang für die Aufgabenbearbeitung vorausgesetzt. Anfänger, die nicht über das einschlägige Fachwissen verfügen, müssen sich zunächst das nötige Hintergrundwissen in diesem Fachbereich aneignen. Dies erfordert eine Reflexion über die Bedeutung des Fachwissens. Sprachlich beschränkt sich diese Aufgabe auf die Satzebene, obwohl die vier Sätze eigentlich einen zusammenhängenden kleinen Text bilden. Das Textsortenwissen und der Aufbau der Zieltextkohärenz werden nicht so stark gefordert.

Aus kognitiver Sicht handelt es sich hier um eine Transferaufgabe. Die vollständigen Analyseergebnisse finden sich in Tabelle 28.

Gui (2009, 75) – 徳译汉

SK KK SaK MK

ThA 15 24

WA

HW 1 2 3 4 16 17 18 25 26 31 32 33

ÜW 5 6 7 8 9 34 35 36 37

MW 10 11 19 20 27 28 38 39

KA

RA 12 21 29 40

TA 13 22 30 41

KP 14 23 42

Tab. 28: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 20

Nicht alle Aufgaben zielen auf die Entwicklung der Kultur- und Sachkompetenz.

Zahlreiche Aufgaben auf der Satzebene ermöglichen nur die Schulung des sprachlichen Wissens und dienen daher als interlinguale Übungen vielmehr dem Fremdsprachen-erwerb. Beispielhaft steht hier die nachfolgende Aufgabe 21.

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Aufgabe 21: Übersetzen Sie die folgenden Sätze. (Gui 2009, 98) 1. Jetzt spricht man viel vom Umweltschutz.

2. Man kommt aus allen Richtungen.

3. Bei dem Getöse versteht man sein eigenes Wort nicht.

4. Man soll nicht alles glauben, was die anderen erzählen.

5. Der Besuch des deutschen Außenministers in diesem Land verlief ohne ernsthafte Störungen, wenn man einmal von manchen Kommentaren der Presse dort absah.

Analyse: In dieser Aufgabe findet sich zuerst kein Bezug zu kulturellen und fachlichen Faktoren (siehe Tab. 29). Dadurch verringert sich die Aufgabenkomplexität. Die Methodenkompetenz lässt sich ebenfalls kaum fördern. Kognitiv soll das vorhandenen Wissen reproduziert und in die Übersetzungen der neuen Sätze transferiert werden.

Insofern ist diese Übersetzungsaufgabe für Anfänger geeignet.

Gui (2009, 98) – 徳译汉

SK KK SaK MK

ThA 15 24

WA

HW 1 2 3 4 16 17 18 25 26 31 32 33

ÜW 5 6 7 8 9 34 35 36 37

MW 10 11 19 20 27 28 38 39

KA

RA 12 21 29 40

TA 13 22 30 41

KP 14 23 42

Tab. 29: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 21

Satzübersetzungen, die sprachlich und methodisch nur wenige Kriterien aktivieren, d.h.

wenige Wissensbereiche in den beiden Dimensionen erfordern, machen den Hauptteil der Übersetzungsaufgaben (61,6 %) in diesem Lehrbuch aus. Insofern ist der Aufbau der Kultur- und Sachkompetenz mehr abhängig von den darin eingebetteten kulturspezifischen Ausdrücken/Begriffen (HW-16) sowie den Fachtermini (HW-25).

Obwohl die Musterlösungen mit Analysen und Kommentaren für einen Teil der Textübersetzungen (16 % der Aufgaben) angegeben werden, ist es nachteilhaft, dass keine Musterlösungen allen Satzübersetzungen und den 28 Textübersetzungsaufgaben (insgesamt 84 % der Aufgaben) beigefügt sind. Hinweise und Übersetzungsaufträge in

6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben