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Academic year: 2022

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auf eine Fläche wirkende Kraft

von

Katharina Traxler

schriftlicher Teil der Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz Institut für Bildende Kunst

Abteilung Textil.Kunst.Design

Betreuung Unterschrift A. Univ.-Prof. Mag.art. Gilbert Bretterbauer

Datum der Approbation 22. Jänner 2020

Linz, Jänner 2020

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INHALT

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Einleitung Metapher und Mimesis Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung 1 Kleidung als Referenz auf den Menschen und seinen Körper Kleidung als künstlerisches Material Materialität vs Sinnbild 2 Bildkomposition und Rahmen Bild und Objekt Objekt und Raum – Das Objekt in seiner Gesamtheit 3 5

6

11

19

19

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abstract

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„Das Wesen der Metapher besteht darin, daß wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw.

eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können.“

(Lakoff/Johnson 2007, S 13)

Indem wir Ähnlichkeiten konstruieren, können wir die Welt um uns herum besser wahrnehmen und verstehen. Das Generieren von Ähnlichkeitsbeziehungen und Analogien entspricht dem analogen Denken. Dieses wiederum ist ausschlaggebend für das Sprechen und Denken in Metaphern. Aber auch in der Kunst spielt die metaphorische Bezugnahme eine große Bedeutung.

In meiner Werkserie “auf eine Fläche wirkende Kraft“ dient mir die Auseinandersetzung mit der Metapher “unter Druck stehen“

als Grundlage und Inspiration. In diesem schriftlichen Teil werden Ähnlichkeitsbeziehungen in der Metapher, als auch in meiner künstlerischen Arbeit aufgezeigt und untersucht.

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“Unter Druck stehen“ oder sich “unter Druck gesetzt fühlen“ sind gängige Formulierungen in unserem Sprachgebrauch. Sie um- schreiben ein emotionales Gefühl, das sich früher oder später auf körperliche und psychische Zustände auswirken kann und zu Stress führt. Atemprobleme, Verspannungen, Tinnitus, Schwindel oder Herzrhythmusstörungen können die Folge sein. Man trennt zwischen dem Druck von äußeren Bedingungen und dem, den man sich selbst macht. Druck kann von anderen Menschen, wie zum Beispiel dem Partner oder dem Vorgesetzten ausgehen oder man fühlt sich in einer speziellen Situation unter Druck gesetzt. Andere wiederum stehen unter Druck, weil sie gesellschaftlichen Normen und Zwängen nicht gerecht werden können oder wollen und sich in ein System “gepresst” fühlen. Zeitweise spricht man sogar von einer ganzen Gesellschaft unter Druck. Was den einen unter Druck setzt und im schlimmsten Fall zu psychischen und körperlichen Auswirkungen führt, kann für den anderen gar kein Problem sein.

Im Gegenteil können manche Situationen, in denen man unter Druck steht, sogar ungeahnte positive Eigenschaften in einem Men- schen hervorrufen und den Fokus von einem Problem hin zu einer Lösung verschieben.

In meiner Werkserie “auf eine Fläche wirkende Kraft“ setze ich mich mit der eben beschriebenen Metapher “unter Druck stehen“

auseinander. Sie dient mir als Grundlage und Inspiration für meine künstlerische Arbeit.

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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In dem Buch „Leben in Metaphern“ von George Lakoff und Mark Johnson wird eine Metapher folgendermaßen beschrieben:

„Das Wesen der Metapher besteht darin, daß wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw.

eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können.“1

In der Physik wird “Druck“ als eine auf eine Fläche wirkende Kraft beschrieben. Wir benutzen in dieser Metapher also einen physika- lischen Vorgang, um ein emotionales Gefühl, dass sich auch körperlich auswirken kann, bildhaft zu beschreiben.

Stehen wir unter Druck, so fühlen wir uns wie durch eine Kraft zusammengedrückt oder sogar eher “gepresst”. Die Muskeln ver- spannen sich und die Körperhaltung verändert sich. Bei manchen Menschen können Atemprobleme auftreten, da sie einen Druck auf der Brust verspüren.

Möchte man die Metaphern “unter Druck stehen“ oder “sich unter Druck gesetzt fühlen“ noch näher beschreiben, so könnte man sie laut Lakoff und Johnson wohl dem Konzept der Orientierungs- metapher2 zuordnen. Diese ist ein metaphorisches Konzept, das so benannt ist, weil es mit der Orientierung im Raum zu tun hat:

oben-unten, innen-außen, vorne-hinten, usw.

Diese Raumorientierungen sind dem Umstand geschuldet, dass der menschliche Körper geformt ist, wie er nun mal ist und wie er in seiner physischen Umgebung funktioniert. Metaphorische Orien- tierungen haben somit die Grundlage in unserer physischen und kulturellen Erfahrung und sind daher nicht willkürlich.3

Lakoff und Johnson führen in ihrem Buch zahlreiche Beispiele von Orientierungsmetaphern an und analysieren diese auf ihre

physischen Grundlagen. Es ist dabei auffällig, dass alle Metaphern

1 Lakoff/Johnson 2007, S 13 2 Lakoff/Johnson 2007, S 22 3 Vgl. Lakoff/Johnson 2007, S 22

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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mit dem räumlichen Bezug nach “oben“ positive Gefühle beschrei- ben, während es bei jenen mit dem räumlichen Bezug nach “unten“

negative Gefühle sind. Ein Beispiel dafür wäre:

„ich fühle mich heute obenauf“ im Gegensatz zu „ich verfiel in eine tiefe Depression“ oder „meine Stimmung sank“.

Als physische Grundlage führen die beiden Autoren an, dass eine gebeugte Körperhaltung eher mit Traurigkeit und Depression ein- hergeht, während eine aufrechte Körperhaltung mit einem heiteren Gemütszustand korrespondiert.4 Auch die Metapher

“unter Druck stehen“ orientiert sich im räumlichen Bezug nach

“unten” und ist in unserer Kultur negativ konnotiert.

Durch das Konzept der Orientierungsmetapher ist aber nur ein begrenzter Aspekt der zu untersuchenden Metapher “unter Druck stehen“ erfasst. Da diese Metapher auch ein Gefühl umschreibt, erscheint mir in diesem Hinblick auch das Konzept der

ontologischen Metapher5 als zutreffend. Ontologische Metaphern machen Phänomene wie Ereignisse, Emotionen oder Ideen greif- barer, indem sie ihnen Eigenschaften zusprechen. Wenn wir

solchen Phänomenen künstliche Grenzen setzen, sie also durch eine Oberfläche begrenzen und somit sprachlich zu physischen Objekten machen, können wir sie leichter verstehen – sie werden als Entitäten kategorisiert.6

Als ein Beispiel wird von Lakoff und Johnson in diesem Sinne die Metapher „Die Seele ist ein zerbrechliches Objekt“7 angeführt.

Diese Metapher erlaubt uns über psychische Stärke zu sprechen.

Als weiterführendes Beispiel nennen die beiden die Metapher

„er ist unter dem Druck durchgeknallt“8, die ich durch „er ist unter dem Druck zerbrochen“ ersetzen möchte.

4 Vgl. Lakoff/Johnson 2007, S 23

5 Lakoff/Johnson 2007, S 35 6 Vgl. Lakoff/Johnson 2007, S 35 7 Lakoff/Johnson 2007, S 38 8 Lakoff/Johnson 2007, S 39

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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Die Gefäß-Metapher ist als Konzept der ontologischen Metapher zuzuordnen und wird von den beiden Autoren folgendermaßen beschrieben:

„Wir sind Wesen mit einer Physis, wir haben äußere Begrenz- ungen und sind durch die Hautoberfläche von der übrigen Welt getrennt; wir erfahren die übrige Welt als etwas, das uns äußerlich ist. Jeder Mensch ist ein Gefäß mit einer begrenzenden Oberfläche und einer Innen-außen-Orientierung. Wir projizieren unsere eigene Innen-außen-Orientierung auf andere physische Objekte, die durch Oberflächen begrenzt sind. Folglich betrachten wir diese Objekte auch als Gefäße mit einer Innenseite und einer Außenseite.“9

Die Metapher „die Seele ist ein zerbrechliches Objekt“ ist in unserem Kulturkreis weit verbreitet.10 Generell kann man be-

haupten, dass Metaphern sehr stark vom Denken und Handeln der Kultur, in der man sich befindet, geprägt sind.

Ursula Brandstätter meint dazu: „Die über metaphorische Bezug- nahmen erzeugten Ähnlichkeitsbeziehungen sind zum Teil Produkt gesellschaftlicher Konventionen (…), andererseits lassen meta- phorische Beziehungen immer auch viel Spielraum für individuelle und subjektive Deutungen zu, denn metaphorisches Denken ist weniger reguliert als kausales Denken.“11

Es stellt sich immer mehr heraus, dass das Denken in Analogien die Grundlage für eine Metapher bildet. Analoges Denken bedeutet, dass zwei Dinge aufgrund ihrer Ähnlichkeiten miteinander in Beziehung gebracht werden. Elemente des analogen Denkens kön- nen visueller, akustischer oder auch haptischer Natur sein, es ist nicht auf Sprache angewiesen, auch wenn Ergebnisse des Denk- prozesses im Nachhinein oft verbalisiert werden. Es kann demnach

9 Lakoff/Johnson 2007, S 39 10 Vgl. Lakoff/Johnson 2007, S 39 11 Brandstätter 2008, S 32

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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jede sinnliche Qualität einer Erfahrung Ausgangspunkt eines verknüpfenden Denkprozesses sein.12 Im Gegensatz zum kausalen Denken ist analoges Denken stärker in der Sinnlichkeit der

Anschauung und Erfahrung verankert und lässt mehr Raum für subjektive und individuelle Bezüge. Zudem sind auch unbewusste und emotionale Anteile stärker in die Denkprozesse einbezogen, als sie es beim kausalen Denkens sind. Obwohl das Denken in Ähnlichkeiten in den letzten drei Jahrhunderten in den Wissen- schaften zugunsten des Denken in empirischen Kausalitäten zurück- gedrängt wurde, blieb es in der Kunst bis heute eines der leitenden Prinzipien.13

Ursula Brandstätter schreibt in ihrer theoretischen Abhandlung

„Grundfragen der Ästhetik“: „Die Künste schaffen Wirklichkeiten parallel zu den nicht-ästhetischen Wirklichkeiten. Einerseits bilden sie damit Wirklichkeiten für sich, andererseits aber nehmen die ästhetischen Wirklichkeiten auf die nicht-ästhetischen Bezug.

Die Formen der Bezugnahme sind äußerst vielfältig“14 – eine ist die metaphorische Form der Bezugnahme.

In diesem Zusammenhang weist Brandstätter darauf hin, dass auch der Kunsttheoretiker Arthur C. Danto auf den metaphorischen Charakter von Kunstwerken Bezug nimmt, wenn er schreibt, dass

„die Struktur der Kunstwerke die Struktur der Metapher ist oder ihr sehr nahe kommt.“15 Laut Brandstätter meint er damit, „dass wir den Gehalt eines Kunstwerkes, seine „aboutness“16, immer in Beziehung zu den kunstinternen Darstellungsrelationen setzen, dass wir also zwischen der Darstellungsform und dem Darstellungsinhalt metaphorische Ähnlichkeiten aufspüren.“17

12 Vgl. Brandstätter 2008, S 22 13 Vgl. Brandstätter 2008, S 24 14 Brandstätter 2008, S 25 15 Danto 1999, S 264 16 Danto 1999, S 135 17 Brandstätter 2008, S 30

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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Ein weiteres Konzept, das mit dem Denken in Analogien verknüpft ist, ist jenes der Mimesis. Der Begriff der Mimesis entspringt einer langen Tradition des philosophischen Nachdenkens. Sie spielt in vielen Bereichen des menschlichen Vorstellens und Handelns, Denkens, Sprechens, Schreibens und Lesens eine entscheidende Rolle.18 In ihrer Wortbedeutung steht die Mimesis zum einen für Nachahmung oder das Sich-ähnlich-Machen und zum anderen aber auch für darstellen und ausdrücken. In der Neuzeit wird der Begriff der Mimesis in der Tradition Platos oft im Zusammenhang von Kunst als Nachahmung der Natur verwendet. Aber je nachdem in welchem ästhetischen, philosophischen oder sozialen Kontext der Begriff verwendet wird, verändert sich die Bedeutung der Mimesis.19

Für mich und meine Arbeit ist eher der Begriff der Mimesis im Zusammenhang eines mimetischen Weltzugangs interessant, wie er in der Erkenntnistheorie diskutiert wird. Über den Erkenntnis- charakter von Kunst sowohl aus erkenntnistheoretischer, wie auch aus ästhetischer Perspektive schreibt Ursula Brandstätter, die ich auch schon zitiert habe, in ihrem Buch „Erkenntnis durch Kunst“.

So meint sie, dass der mimetische Zugang zur Welt als Grund- lage des Zeigens und des analogen Denkens gesehen werden kann und führt weiter aus: „In der Mimesis versuchen wir uns der Welt anzuähneln, uns ihr ähnlich zu machen. Dieser Prozess der Anähnelung mündet in Prozesse des Zeigens (…). Das Zeigen wiederum ist der Ausgangspunkt für analoges Denken, das Ähn- lichkeiten bewusst zu erfassen versucht. Mimetisches Verstehen, Zeigen und analoges Denken können also als Glieder in einem Prozess betrachtet werden, der die Welt über die Idee der

Ähnlichkeit zu erfassen versucht.“20

18 Vgl. Gebauer 1999, S 9 19 Vgl. Brandstätter 2013, S 33 20 Brandstätter 2013, S 39

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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An dieser Stelle möchte ich wieder auf meine künstlerische Arbeit zurückkommen.

Durch das Zusammenpressen von Kleidungsstücken zwischen zwei Plexiglasplatten wird eine tatsächliche physische Kraft dargestellt, die die Emotion “sich unter Druck gesetzt zu fühlen“ versinnbildli- chen soll. Ich spüre, angelehnt an Arthur C. Danto, metaphorische Ähnlichkeiten auf, die ich durch die Darstellungsform dem Darstel- lungsinhalt anpasse. Zudem stelle ich, im Sinne eines “mimetischen Weltzuganges“, einen Bezug zur Wirklichkeit her, indem ich

Ähnlichkeit zu einem realen physischen Vorgang konstruiere. Durch das Pressen wirkt eine physische Kraft auf eine Fläche, in diesem Fall die Oberfläche der gepressten Kleidungsstücke, und erzeugt somit Druck. Die Plexiglasplatten werden durch Schrauben zusam- mengehalten und gewährleisten daher eine dauerhafte Pressung.

Der Druck und seine physische Auswirkung werden demnach konserviert. Die Plexiglasplatten fungieren als unverzichtbarer, aktiver Teil des physischen Aktes des Pressens und folglich der Darstellung des physikalischen Drucks, aber auch als “Schaukasten“

bzw. “Leinwand“ und Teil des künstlerischen Objektes gleicher- maßen. Das somit entstandene Objekt wird in einer weiteren Ebene nochmals in eine amorphe “soft sculpture“, die in einer abstrakten Weise durch ihre Form und Farbigkeit körperliche Bezüge herstellt, gepresst.

Zusammenfassend versuche ich in meiner Arbeit also eine Metapher aus der Verbalsprache künstlerisch darzustellen.

Die Auseinandersetzung mit der metaphorischen Bezugnahme zur Wirklichkeit, sowie dem Denken in Ähnlichkeiten, sprich dem

“mimetischen Weltzugang“, inspirieren mich dabei ungemein.

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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Gleichzeitig mache ich mir bewusst, dass die Mimesis durch ein Doppeltes gekennzeichnet ist, wie Brandstätter schreibt: „Einerseits erzeugt sie Ähnlichkeiten und stellt damit intensive Beziehungen her, andererseits generiert sie Differenzen, denn die Ähnlichkeiten führen niemals zu Identität, sie verdoppelt die Wirklichkeit nicht, sondern sie nähern sich ihr lediglich an und lassen damit noch Spielraum für das Differente. Diese Spielräume werden in jeder ein- maligen ästhetischen Erfahrungen [sic!] neu generiert sie sind als offene Räume zu denken, die nicht eindeutig definier- und fassbar sind. Es bleibt ein Rest des Nicht-Verstehens. Das Nicht-Verstehen ist somit ein konstitutiver Bestandteil des Verstehens von Kunst.“21

21 Brandstätter 2013, S 69

Einleitung

Metapher und Mimesis

Druck und Pressen - Die künstlerische Umsetzung

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Wie nun schon mehrmals erwähnt beschreibt die Metapher “unter Druck stehen“ also einen Gefühlszustand, der sich sowohl

psychisch als auch physisch auswirken kann. Es wirkt somit im metaphorischen Sinn eine Kraft auf den menschlichen Körper ein.

Durch den zuvor beschriebenen Akt des Pressens, versinn-

bildliche ich diese imaginäre Kraft, die auf den Körper und die Psyche wirkt. Aber anstatt Druck auf einen realen Körper darzu- stellen, presse ich Kleidungsstücke zwischen zwei Plexiglasplatten.

Die Kleidungsstücke sollen in diesem Zusammenhang als Stell- vertreter des menschlichen Körpers bzw. des Menschens an sich fungieren. Kleidung wird primär aus dem Zweck hergestellt, den Körper zu umhüllen. Dafür wird sie, zumindest in unserer west- lichen Kultur, der Körperform angepasst. Kleidung nimmt daher immer Bezug auf einen menschlichen Körper und erscheint mir deswegen als Material für meine künstlerische Intention äußerst passend. Das Denken in Analogien kommt demnach auch bei der Materialauswahl zum Tragen.

Laut Gabriele Mentges nimmt das Textile im Kontext der materiel- len Kulturen in der Kulturanthropologie eine eigene Stellung ein, denn das textile Element ist das mit dem menschlichen Körper am stärksten verbundene, und verweist damit immer auf den Akteur.22 In ihrem Text „Für eine Kulturanthropologie des Textilen“ stellt Mentges zudem weiter fest, dass das Textile den Menschen ein- kleidet und ihm sinnliche Erfahrungen mit der äußeren Objektwelt und dem äußeren Erfahrungsraum vermittelt. Das Kleidungsstück wird zum zentralen Gegenstand von kultureller und sozialer

Identitätsbildung, sowie sozialer Repräsentation und Egokonstruk- tion. Kleidung als Objekt bewegt sich an der Schnittstelle zwischen einer konkret-materiellen und einer geistig-symbolischen Ebene.23

22 Vgl. Mentges 2005, S 21 23 Vgl. Mentges 2005, S 21-22

Kleidung als Referenz auf den Menschen und seinen Körper Kleidung als künstlerisches Material

Materialität vs Sinnbild

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Kleidung ist aber auch ein Objekt besonderer Art, „insofern sie un- mittelbar und allgegenwärtig mit dem Körper, d.h. mit dem Subjekt verbunden ist. Sie „verschmilzt“ mit ihm.“24 Natürlich ist in diesem Kontext auch zu beachten, dass das Kleidungskonzept, besonders das westliche, ein ambivalentes Spannungsfeld in sich birgt.

Denn einerseits fördert es individuelle Identitätkonstruktionen, aber anderseits sind in dem „Kleidungskörperbild“25, wie es Mentges nennt, bereits Normen, Werte und Gestaltungsvorgaben einge- schrieben. Diese körperlich-symbolischen Vorgaben können das Selbst wiederum einschränken und in vorgefertigte Lebensentwürfe zwingen. Außerdem ist das durch die Kleidung geschaffene Körper- bild oft aufs engste mit einer Geschlechterkonstruktion verbunden, auch wenn diesem Zustand in der Gegenwart vermehrt durch das bewusste Entwerfen von „Unisex“-Mode entgegengesteuert wird.26

So bin ich mir diesem Spannungsfeld in Bezug auf Kleidung zwar bewusst, aber für meine Auswahl der zu pressenden Kleidungsstücke spielt es keine große Rolle. Da ich in meiner künstlerischen

Auseinandersetzung nicht eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe oder ein bestimmtes Geschlecht “unter Druck“ darstellen möchte, sondern vielmehr die Metapher des Gefühls bzw. des Phänomens

“unter Druck zu stehen“ als Ganzes beleuchte, möchte ich in meiner Auswahl nicht auf bestimmte Identitätskonstruktionen ein- gehen. Daher versuche ich die Benutzung von Kleidungsstücken, wie etwa “das kleine Schwarze“ oder den “Blaumann“, denen eine zu starke Zuschreibung vorausgeht, bewusst zu vermeiden.

24 Mentges 2005, S 22 25 Mentges 2005, S 26

26 Vgl. Mentges 2005, S 26-27

Kleidung als Referenz auf den Menschen und seinen Körper Kleidung als künstlerisches Material

Materialität vs Sinnbild

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Da aber jeder Mensch zu Kleidung einen Bezug hat, wird der Betrachter/die Betrachterin meiner Arbeit auch jedem ver-

wendeten Kleidungsstück eine individuelle Bedeutung beimessen, was ich als durchaus positiv empfinde. Es ergibt sich somit Raum für Diskursmöglichkeiten.

Als Künstlerin erlaube ich mir vielmehr, mein Material, sprich die Kleidungsstücke, intuitiv nach Farben, Haptik, Struktur, Abnütz- ungen oder Auffälligkeiten auszuwählen. Ich sammle gebrauchte Kleidungsstücke, die mir nach meinem subjektiven Empfinden als interessant erscheinen und mich in irgendeiner Art und Weise

“ansprechen“.

In einem weiteren Schritt erschaffe ich eine Bildkomposition,

indem ich zwei Kleidungsstücke aus meiner Sammlung, gemeinsam auf einem Blatt Papier, das mit einer farbigen Fläche bemalt ist, gezielt platziere und drapiere. Die Farbfläche hält sich sehr stark im Hintergrund und dient lediglich zur Unterstützung der Komposition.

Erst dieses Arrangement als Ganzes wird zwischen die Plexiglas- platten gepresst.

Mit diesem Schritt der Komposition und Kombination mit explizit künstlerischen Materialien, entferne ich das Kleidungsstück immer mehr der referentiellen Bezugnahme auf den menschlichen Körper.

Es wird dadurch zu einem autarken Material, das für sich selbst spricht. Eigenheiten und Besonderheiten des Materials, also die

“Materialeigenschaften“ an sich, können in Folge hervortreten und besser wahrgenommen werden. Es werden somit die eigentlichen Materialen, nämlich der Stoff und seine Textur, Nähte mit ihrem Garn, Knöpfe, usw. aus denen ein Kleidungsstück gefertigt ist, zum Vorschein gebracht.

Kleidung als Referenz auf den Menschen und seinen Körper Kleidung als künstlerisches Material

Materialität vs Sinnbild

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Der Aspekt, der hier zu tragen kommt, wurde in der Ästhetik schon oft diskutiert: Das Spannungsverhältnis zwischen Materialität und Sinnbild – künstlerisches Material verweist niemals nur auf etwas außerhalb des Kunstwerks, sondern spricht durch seine

Materialeigenschaften immer auch für sich selbst.

Ursula Brandstätter spricht von „der doppelten Existenzweise der Kunst“27 und schreibt dazu: „Während das „Sprechen“ des Kunst- werks seinen Zeichencharakter konstituiert (das Kunstwerk, sagt etwas aus, verweist auf etwas außerhalb seiner selbst), erschließen sich im Akt des „Zeigens“ seine primären sinnlichen und materialen Qualitäten.“28

27 Brandstätter 2008, S 74 28 Brandstätter 2008, S 76

Kleidung als Referenz auf den Menschen und seinen Körper Kleidung als künstlerisches Material

Materialität vs Sinnbild

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Indem ich nicht nur Kleidungsstücke alleine zwischen die Plexiglas- platten presse, sondern auch ein Blatt weißes Papier mit einer da- rauf gemalten farbigen Fläche, die als Hintergrund für die bewusst drapierten Kleidungsstücke dient, erschaffe ich im Grunde eine klassische Bildkomposition. Wie ich schon im ersten Teil dieser Arbeit hingewiesen habe, fungieren die Plexiglasplatten zum einen als unverzichtbarer, aktiver Teil des physischen Aktes des Pressens und dienen folglich der Darstellung des Drucks, sowie auch als

“Schaukasten“ oder “Leinwand“. Die Plexiglasplatten referenzieren somit, auch wegen ihrer Größe, die das eines klassischen Bild- formates ist, auf eine Bildrahmung hinter Glas. Gleichzeitig sind sie aber Teil des von mir gestalteten künstlerischen Objektes.

Ich schaffe demnach einen eigenen abgeschlossenen Raum, wenn man so will Rahmen oder “frame“, in dem das Kleidungsstück seiner, von mir zugewiesenen, Aufgabe des „Zeigens“ (dem Ver- weisen auf eine Bedeutung) nachkommen kann und gleichzeitig seine eigenen materiellen Eigenschaften präsentiert. Der Rahmen kann im Sinne eines Randes verstanden werden, der die äußerste Begrenzung einer geschnittenen geometrischen Oberfläche (z.B.

einer Leinwand) oder eine örtliche Begrenzung bildet. Der Frame hingegen ist im Sinne des Keilrahmens zu verstehen, auf dem die Leinwand aufgespannt wird, also ist er eigentlich ein Bildträger.29 Man könnte auch behaupten, dass dieses Objekt als Ganzes (die zusammengeschraubten Plexiglasplatten mit ihrem gepressten Inhalt) als Bildträger fungiert, der das metaphorische Bild des

“unter Druck Stehens“ trägt bzw. darstellt.

29 Vgl. Beyer 2008, S 24

Bildkomposition und Rahmen Bild und Objekt

Objekt und Raum – Das Objekt in seiner Gesamtheit

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Weiterführend erfährt das Objekt aus Plexiglas eine Erweiterung und Öffnung des Rahmens, indem es in eine “soft sculpture“, also in ein weiteres Objekt, gepresst wird. Das erste Objekt schafft demnach nicht nur einen eigenen Raum für Darstellung, sondern greift durch die “Vereinigung“ mit einem weiteren, diesmal eindeutig voluminösen Objekt, in den realen Raum über.

Die “soft sculpture“ wird durch eine amorphe Masse geformt, die trotz ihrer Abstraktheit wieder auf den menschlichen Körper ref- erenzieren soll. Unterstützt wird dies durch einen dünnen Stoff in hautähnlicher Farbe, der über die Masse drapiert ist. Dabei ist der Stoff zum Teil über die geformte Masse gespannt und teilweise fällt er frei von ihr herunter und schlägt dadurch Falten. Dies lässt Assoziationen zu gespannter und schlaffer oder faltiger Haut zu, was wiederum die metaphorische Bezugnahme zum menschlichen Körper weckt. Der hautfarbene Stoff umhüllt die amorphe Masse, so wie Kleidung den Körper umhüllt, und stellt damit nicht nur Bezüge zur Haut und zum Körper, sondern auch zur Kleidung, die zwischen die Plexiglasplatten gepresst sind, her. Die Arbeit konstruiert somit Ähnlichkeiten zur äußeren Wirklichkeit und verweist gleichermaßen auf sich selbst und bildet seine eigene Wirklichkeit.

„Es scheint zu den Besonderheiten von Kunstwerken zu gehören, dass sich ihr „Wesen“ nicht eindeutig begrifflich definieren und damit fixieren lässt. Wenn man versucht, Wesentliches der ästhetischen Erfahrung oder der Kunsterfahrung mit Worten zu beschreiben, bietet sich sehr oft die Denkfigur der Gleichzeitigkeit von Wider- sprüchlichem an: Kunst bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Sinnlichkeit und Geistigkeit, zwischen Emotionalität und Vernunft, zwischen Bewusstem und Unbewusstem, zwischen Sagbarem und Unsagbarem, zwischen Begrifflichkeit und Unbegrifflichkeit – und eben auch zwischen Zeichenhaftigkeit und Phänomenalität.“30

30 Brandstätter 2008, S 77

Bildkomposition und Rahmen Bild und Objekt

Objekt und Raum – Das Objekt in seiner Gesamtheit

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Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass beide Objekte (Plexi- glas und soft sculpture), die ich im Laufe dieser schriftlichen Arbeit beschrieben habe, als ein Ganzes zu sehen sind.

Nur sie gemeinsam bilden meine künstlerische Arbeit. Aber zur einfacheren Erklärung meiner Motive bei der Umsetzung, musste ich sie in der schriftlichen Arbeit in zwei Objekte trennen.

Bildkomposition und Rahmen Bild und Objekt

Objekt und Raum – Das Objekt in seiner Gesamtheit

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Literaturverzeichnis

Beyer, Vera: Rahmenbestimmungen. Funktion von Rahmen bei Goya, Velásqzez, van Eyck und Degas. München 2008

Brandstätter, Ursula: Grundfragen der Ästhetik. Bild - Musik - Sprache - Körper. Köln, Weimar, Wien 2008.

Brandstätter, Ursula: Erkenntnis durch Kunst. Theorie und Praxis der ästhetischen Transformation, Wien, Köln, Weimar 2013.

Mentges, Gabriele: Für eine Kulturanthropologie des Textilen. Einige Überlegungen. Textil - Körper - Mode. In: Mentges, Gabriele (Hg.): Kulturanthropologie des Textilen. Edition Ebers- bach, 2005

Gebauer, Gunter/Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur - Kunst - Gesellschaft. Reinbek bei Ham- burg, 1998.

Lakoff, George/Johnson, Mark: Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprach- bildern. Heidelberg 2007.

Abbildungen:

Probearbeiten zur Werkserie “auf eine Fläche wirkende Kraft”

Katharina Traxler 2019/2020

(24)

CC BY-NC-ND 3.0 AT

Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Österreich

Referenzen

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