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Bachelor-Arbeit Ausbildungsgang Sozialarbeit Kurs TZ Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien

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Bachelor-Arbeit

Ausbildungsgang Sozialarbeit Kurs TZ 2012-2018

Simone von Arx

Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien

Handlungsoptionen für die Schulsozialarbeit

Diese Bachelor-Arbeit wurde im August 2018 eingereicht zur Erlangung des vom Fachhochschulrat der Hochschule Luzern ausgestellten Diploms für Sozialarbeit.

Diese Arbeit ist Eigentum der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie enthält die persönliche Stellungnahme des Autors/der Autorin bzw. der Autorinnen und Autoren.

Veröffentlichungen – auch auszugsweise – bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Leitung Bachelor.

Reg. Nr.:

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Vorwort der Schulleitung

Die Bachelor-Arbeit ist Bestandteil und Abschluss der beruflichen Ausbildung an der Hochschule Luzern, Soziale Arbeit. Mit dieser Arbeit zeigen die Studierenden, dass sie fähig sind, einer berufsrelevanten Fragestellung systematisch

nachzugehen, Antworten zu dieser Fragestellung zu erarbeiten und die eigenen Einsichten klar darzulegen. Das während der Ausbildung erworbene Wissen setzen sie so in Konsequenzen und Schlussfolgerungen für die eigene berufliche Praxis um.

Die Bachelor-Arbeit wird in Einzel- oder Gruppenarbeit parallel zum Unterricht im Zeitraum von zehn Monaten geschrieben. Gruppendynamische Aspekte,

Eigenverantwortung, Auseinandersetzung mit formalen und konkret-subjektiven Ansprüchen und Standpunkten sowie die Behauptung in stark belasteten

Situationen gehören also zum Kontext der Arbeit.

Von einer gefestigten Berufsidentität aus sind die neuen Fachleute fähig, soziale Probleme als ihren Gegenstand zu beurteilen und zu bewerten.

Sozialarbeiterisches Denken und Handeln ist vernetztes, ganzheitliches Denken und präzises, konkretes Handeln. Es ist daher nahe liegend, dass die

Diplomandinnen und Diplomanden ihre Themen von verschiedenen Seiten beleuchten und betrachten, den eigenen Standpunkt klären und Stellung beziehen sowie auf der Handlungsebene Lösungsvorschläge oder Postulate formulieren.

Ihre Bachelor-Arbeit ist somit ein wichtiger Fachbeitrag an die breite thematische Entwicklung der professionellen Sozialen Arbeit im Spannungsfeld von Praxis und Wissenschaft. In diesem Sinne wünschen wir, dass die zukünftigen

Sozialarbeiter/innen mit ihrem Beitrag auf fachliches Echo stossen und ihre Anregungen und Impulse von den Fachleuten aufgenommen werden.

Luzern, im Januar 2017

Hochschule Luzern, Soziale Arbeit Leitung Bachelor

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Abstract

In der Schweiz muss davon ausgegangen werden, dass durchschnittlich mindestens jedes zehnte Kind bzw. jeder zehnte Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie stammt. Die vorliegende Bachelor-Arbeit überprüft anhand einer Literaturrecherche, welchen Risiken Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ausgesetzt sind und welche Handlungsoptionen Schulsozialarbeitende in Form der Einzelberatung haben.

Die Analyse auf Basis von theoretischen Grundlagen zu den Risiko- und Schutzfaktoren, deren Wechselwirkungen sowie die Resilienzfaktoren hat ergeben, dass der Risikofaktor, aus einer alkoholbelasteten Familie zu stammen, in keinem kausalen Zusammenhang dazu steht, dass diese Kinder und Jugendlichen eine Verhaltensauffälligkeit zeigen. Dies ist auf verschiedene Resilienzfaktoren sowie die Veranlagung zurückzuführen. In Bezug auf das Selbstwertgefühl bestehen allerdings klare Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ein geringeres Selbstwertgefühl haben.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Selbstwertgefühl ausschlaggebend beeinflusst werden kann, wenn in der Kindheit viele negative Erlebnisse in Bezug auf die Erfahrungen mit den Eltern oder Erziehungsberechtigten gemacht werden.

Eine vertrauensvolle professionelle Beziehung zu einer aussenstehenden Bezugsperson und ein starkes Selbstwertgefühl sind bedeutsame Resilienzfaktoren für Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie. Um dies aufzubauen, stehen der Schulsozialarbeit konkrete Handlungsoptionen wie Radar, professionelle Beziehungsgestaltung anhand der Plananalyse und Erfahren und Stärken eigener Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung.

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei allen Personen bedanken, welche mich beim Verfassen dieser Bachelor-Arbeit unterstützt und motiviert haben. Der Dank geht insbesondere an meine beiden Kinder, Lionel und Laila, welche mich in dieser anspruchsvollen und lehrreichen Zeit immer wieder mit besonderen Momenten beschenkt haben und mir dadurch geholfen haben, mich von dieser Bachelor-Arbeit abzugrenzen aber auch zu reflektieren. Ich danke ebenfalls ganz herzlich meinem Partner, Beat, der mich immer wieder motivieren konnte.

Bea Raggi, die ihre fachlichen Inputs der Schulsozialarbeit immer wieder mit mir teilte, Anna Scrowder, die mich bei der Struktur dieser Arbeit immer wieder unterstützt hat und Grischa Rubinick, der mir beim Erstellen des Titelblatts half, danke ich ebenso herzlich.

Zudem danke ich den Dozierenden von der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, besonders Jan. G. Scheibe und Andreas Zürcher, für die fachlichen Inputs und die konstruktiven Fragen zu meinem Thema sowie Frau Ursula Leuthold für ihre professionelle Begleitung im Bachelorkolloquium. Darüber hinaus danke ich allen anderen Freunden und Bekannten für ihre Unterstützung, Motivation und die entgegengebrachte Geduld in dieser Zeit.

(7)

Inhaltsverzeichnis

Abstract ... IV Danksagung ... V Tabellenverzeichnis ... VIII

1 Einleitung ... 1

1.1 Ausgangslage und Ziel der Arbeit ... 1

1.2 Motivation ... 3

1.3 Abgrenzung ... 3

1.4 Fragestellungen ... 4

1.5 Zielgruppe und Berufsrelevanz ... 4

1.6 Aufbau der Arbeit... 5

2 Entwicklungstheorie ... 7

2.1 Entwicklungspsychologische Aspekte von Kindern ... 7

2.2 Entwicklungspsychologische Aspekte von Jugendlichen ... 8

3 Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten ... 9

3.1 Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV-TR... 9

3.2 ICD-10 International Classification of Diseases... 9

4 Theoretischer Hintergrund zum Thema Alkoholstörung ... 12

4.1 Begriffsdefinition Alkoholstörung nach ICD-10 ... 12

4.2 Alkohol und seine Effekte ... 13

4.3 Fakten und Zahlen zur Schweiz ... 13

5 Die Situation von Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien ... 14

5.1 Am Rande wahrgenommen: Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ... 14

5.2 Der familiäre Kontext in einer alkoholbelasteten Familie ... 14

6 Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie ... 19

6.1 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ... 19

6.2 Störung des Sozialverhaltens ... 20

6.3 Angststörungen ... 21

6.4 Depression ... 22

6.5 Beobachtungen von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie ... 23

7 Risiko- und Schutzfaktoren sowie Resilienz... 25

7.1 Risikofaktoren ... 25

7.1.1 Personenbezogene Risikofaktoren ... 25

7.1.2 Umweltbezogene Risikofaktoren ... 26

7.2 Schutzfaktoren ... 26

7.3 Wechselwirkung zwischen Risiko- und Schutzfaktoren ... 27

(8)

7.4 Resilienz ... 27

7.5 Das Challenge Modell ... 30

7.6 Risiko- und Schutzfaktoren sowie Resilienz im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien ... 31

8 Selbstwertgefühl ... 33

8.1 Definition Selbstwertgefühl ... 33

8.2 Selbstwertgefühl im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie ... 33

8.3 Stützpfeiler für ein gesundes Selbstwertgefühl... 34

9 Risiken für Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien (Antwort auf Frage 1) ... 36

10 Schulsozialarbeit ... 38

10.1 Definition Schulsozialarbeit ... 38

10.2 Historische Entwicklung der Schulsozialarbeit in der Schweiz ... 38

10.3 Aufgabenbereich der Schulsozialarbeit in der Schweiz ... 39

10.4 Methoden der Schulsozialarbeit ... 39

10.5 Zielgruppen und Ziel der Schulsozialarbeit ... 40

10.6 Rolle und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit ... 40

11 Beratung in der Schulsozialarbeit ... 42

11.1 Definition Beratung ... 42

11.2 Professionelle Beziehung gestalten auf Basis der Konsistenztheorie und mit Hilfe der Plananalyse ... 43

12 Handlungsoptionen für Schulsozialarbeitende in Form der Einzelberatung mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie (Antwort auf Frage 2) ... 47

12.1 Zentrale Elemente für die Schulsozialarbeit mit Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien ... 47

12.2 Konkrete Handlungsoptionen für die Schulsozialarbeit in der Einzelberatung mit Kindern aus alkoholbelasteten Familien ... 48

12.2.1 Vertrauensvolle professionelle Beziehungsgestaltung zum Kind ... 49

12.2.2 Selbstwertgefühl der Kinder stärken ... 50

12.2.3 Förderung der Resilienzen Einsicht, Unabhängigkeit, Initiative, Kreativität, Humor und Moral bei Kindern ... 50

12.3 Konkrete Handlungsoptionen für die Schulsozialarbeit in der Einzelberatung mit Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien ... 51

12.3.1 Vertrauensvolle professionelle Beziehungsgestaltung zum Jugendlichen ... 52

12.3.2 Selbstwertgefühl der Jugendlichen stärken ... 52

12.3.3 Förderung der Resilienzen Unabhängigkeit, Initiative, Kreativität, Humor und Moral bei Jugendlichen ... 53

12.4 Faktor Zeit ... 53

12.5 Mögliche Kontaktaufnahme zu den Eltern/Erziehungsberechtigen ... 54

13 Weiterführende Überlegungen und Fragen ... 55

(9)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die neun Hauptgruppen von psychischen Störungen nach ICD-10 ...10

Tabelle 2: Die sieben Resilienzen nach Wolin und Wolin ...31

Tabelle 3: Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung ...44

Tabelle 4: Bedürfnis nach Bindung ...45

Tabelle 5: Bedürfnis nach positivem Selbstwert ...45

Tabelle 6: Bedürfnis nach Wohlbefinden und angenehmen Erfahrungen ...46

(10)

1 Einleitung

Die Schulsozialarbeitenden sind öfters mit Kindern aus Familien mit Alkoholsucht konfrontiert. Diese Bachelor-Arbeit untersucht, ob die Alkoholsucht von Eltern einen Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen hat und wie bei einem allfälligen Zusammenhang unterstützend beraten werden kann.

In diesem ersten Kapitel werden die Ausgangslage, die Ziele und die Motivationsgründe diese Bachelor-Arbeit beschrieben sowie der Fokus abgegrenzt und die Fragestellungen ausgeführt. Es wird begründet, welche Berufsrelevanz die Bachelor-Arbeit für die Schulsozialarbeit hat.

1.1 Ausgangslage und Ziel der Arbeit

In der Schweiz leben nach konservativen Schätzungen der Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme SFA (2012) rund 100’000 Kinder und Jugendliche in Familien mit einem alkoholabhängigen Elternteil. Die Fachstelle stützt sich dabei auf die Zahlen von Vätern und Mütter, die deswegen in Behandlung sind (S. 3). Im Schuljahr 2016/2017 war die gesamte Schüleranzahl in der obligatorischen Schule in der Schweiz etwa 950'000 (Statista, ohne Datum). Somit muss davon ausgegangen werden, dass durchschnittlich jedes zehnte Kind bzw. jeder zehnte Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie stammt. Es ist zu vermuten, dass die Anzahl betroffener Kinder und Jugendlicher noch höher sein dürfte, da sich nicht alle alkoholabhängigen Eltern in eine Behandlung geben.

Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie bilden eine Risikogruppe in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten (sfa/ispa, 2007). Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien haben ein um 30 Prozent grösseres Risiko, eine Verhaltensauffälligkeit zu entwickeln als Kinder und Jugendliche, die nicht in einer alkoholbelasteten Familie aufwachsen (sucht Info Schweiz). Michael Klein (2017) beschreibt zudem, dass ein knappes Drittel dieser Kinder und Jugendlichen psychische Störungen sowie Auffälligkeiten der Persönlichkeit entwickelt (S. 2). Diana Moesgen (2010) erläutert, dass ein geringes Selbstwertgefühl bei Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie mehr auftritt als bei Jugendlichen aus einer nicht alkoholbelasteten Familie (S. 47).

(11)

Datum) geht davon aus, dass das Aufwachsen in einer alkoholbelasteten Familie nicht immer eine Verhaltensauffälligkeit zur Folge hat. In diesem Zusammenhang werden Risiko- und Schutzfaktoren betont, welche dies begünstigen oder aber verhindern.

In der Schweiz ist das Recht auf Grundschulbildung für Kinder und Jugendliche in der Bundesverfassung Art.19 geregelt, der besagt, dass Kinder und Jugendliche Anspruch auf ausreichend und unentgeltlichen Grundschulunterricht haben. Die Schulpflicht in der Schweiz beträgt in der Regel elf Jahre. Die konkreten Regeln des Schulbesuches sind weitgehend im kantonalen Schulgesetz, Verordnungen und Reglementen verankert (Peter Mösch Payot, 2010, S. 96).

Die Schulsozialarbeit ist in der Schule vertreten und soll gemäss Avenir Social folgendem Leitsatz folgen: "Die Schulsozialarbeit unterstützt und fördert die Befähigung der Kinder und Jugendlichen, eine für sie zufriedenstellende Lebensgestaltung zu erreichen" (Avenir Social und Schulsozialarbeiter Verband, 2010). Daraus ergibt sich ein Auftrag und eine Verantwortung für Schulsozialarbeitende in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie.

Die Schule ist der Ort, an dem Kinder aus verschiedenen Lebens- und Familienlagen zusammenkommen. Das bedeutet für die Kinder und Jugendlichen Chancen und Risiken zugleich. Als Chancen beschreibt Michael Klein (2017) soziale Lernerfahrungen, Selbstwertbestätigung durch gute Leistungen und soziale Anerkennung. Als Risiken führt er Ausgrenzungen und Stigmatisierungen auf (S. 3). Michael Klein unterstreicht in diesem Zusammenhang wie wichtig es ist, dass die Fachpersonen bezüglich dieser Risiken sensibel sind und Ressourcen erkennen, um adäquat und professionell zu handeln und die Kinder und Jugendlichen zu stärken und zu begleiten. Er erklärt, dass es essenziell ist, dass Fachpersonen, die im Umfeld von betroffenen Jugendlichen sind und arbeiten, die Hintergründe und die Verhaltensweisen erkennen können, damit sie den Jugendlichen langfristige Beziehungs- und Vertrauensangebote machen können (S.

2).

Im Rahmen dieser Arbeit werden die theoretischen Grundlagen zu Risiko- und Schutzfaktoren von Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien ausgeführt. Anschliessend werden auf deren Basis Erkenntnisse erörtert, welche Möglichkeiten sich der Schulsozialarbeit bezüglich der Einzelberatungen mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie bieten. Es wird aufgezeigt, wie Schulsozialarbeitende entsprechende Schüler/innen unterstützen und beraten können.

Desweitern soll ein offener Diskurs zum Thema Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien angeregt werden.

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1.2 Motivation

Während des Studiums der Sozialen Arbeit und dem Praktikum in der Schulsozialarbeit entwickelte sich bei mir ein grosses Interesse an Themen mit Kindern und Jugendlichen und ihren Lebenswelten. Durch den Besuch des Moduls "Kindesschutz" mit der Vertiefung "Psychisch kranke Eltern und ihre Kinder", wurde mir nochmals bewusst, welche Risiken die Alkoholabhängigkeit in der Familie für die Kinder und Jugendlichen mit sich bringen kann. Im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit bietet sich nun die Möglichkeit, sich vertieft damit auseinanderzusetzen.

Es macht mich persönlich betroffen, dass ich selber als Kind und Jugendliche in einer alkoholbelasteten Familie aufwuchs und die Schule, Freunde und Familie dieses Thema tabuisierte. Anhand von verschiedenen Gesprächen, die ich mit Freunden und Fachpersonen über die Jahre geführt habe, erkannte ich, dass es anderen Personen, die auch dieselben Erfahrungen gemacht haben, ähnlich erging in Bezug auf diese Tabuisierung. Das Umfeld dieser Kinder und Jugendlichen reagiert selten direkt auf die Situation. Auch ziehen sich viele Familien häufig von ihrem Freundeskreis zurück und die Kinder und Jugendlichen bleiben alleine in ihrer Not.

Wie in Kapitel 1.1 erläutert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass durchschnittlich jedes zehnte Kind bzw. jeder zehnte Jugendliche in einer Schweizer Schulklasse aus einer alkoholbelasteten Familie stammt. Diese Arbeit soll dazu beitragen mich für die kommende Berufszeit als Schulsozialarbeiterin zu stärken und mein Fachwissen zu erweitern.

1.3 Abgrenzung

Martin Zobel (2017) beschreibt, dass Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie später ein signifikant jüngeres Alter haben beim Erstkonsum von Alkohol und ein geringeres Alter haben beim Auftreten von Alkohol- und Drogenproblemen (S. 113). Im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit wird nicht weiter auf dieses Transmissionsrisiko der Alkoholabhängigkeit in der Familie eingegangen.

Sicherlich wäre es auch interessant zu beleuchten, ob Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien vermehrt dem Risiko ausgesetzt sind, von Misshandlung und häuslicher Gewalt betroffen zu sein. Dies zu untersuchen, würde jedoch den Rahmen dieser Bachelor-Arbeit sprengen. Auch wird nicht vertieft auf die Sucht der Eltern

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Mit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, welchen Risiken Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familien ausgesetzt sind und welche Risiko- und Schutzfaktoren sie haben. Diese Einzelarbeit zeigt zwar in einem ersten Teil Risiken und Schutzfaktoren von Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien auf, konzentriert sich dann aber explizit darauf, welche Möglichkeiten die Schulsozialarbeit durch Einzelberatungen mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie hat.

Selbstverständlich ist das Familiensystem bei alkoholbelasteten Familien nicht ausser Acht zu lassen und Handlungsoptionen für Fachpersonen mit systemischen Ansätzen diesbezüglich wären ebenfalls zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Arbeit wird dieser Themenbereich jedoch nicht bearbeitet. Im Kapitel 11 wird vertieft diskutiert, wieso die Einzelberatung als potentes Mittel zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien angesehen wird.

1.4 Fragestellungen

Wie oben ausgeführt, gibt es Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie eine Risikogruppe in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten, psychische Störungen und einem verminderten Selbstwertgefühl bilden. Die vorliegende Bachelor-Arbeit überprüft dies anhand vorhandener Literatur. Daraus abgeleitet soll folgende Fragestellung im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit beantwortet werden:

Welchen Risiken sind Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ausgesetzt (Frage 1)?

Da alle Kinder in der Schweiz einer obligatorischen Schulpflicht unterstehen, haben sie direkten Zugang zur Schulsozialarbeit, welche im Schulhaus vertreten ist. Hieraus ergibt sich die zweite Fragestellung dieser Bachelor-Arbeit:

Welche Handlungsoptionen haben Schulsozialarbeitende in Form der Einzelberatung mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie (Frage 2)?

1.5 Zielgruppe und Berufsrelevanz

Diese Arbeit richtet sich an die Sozialarbeitenden in den Schulen sowie andere Berufsgruppen oder Eltern, die mit Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien zu tun haben. Das erarbeitete Wissen soll der Sensibilisierung des Themas

"Alkohol in der Familie und die Situationen für Kinder und Jugendliche" aufzeigen. Das

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Thema Alkohol in Verbindung mit Sucht hat in der Schweiz keinen grossen Stellenwert und oft wird es auch nicht erkannt, da Alkohol in unserer Gesellschaft omnipräsent, legal, fast überall erhältlich und oft konsumiert wird. Es entsteht eine Tabuisierung. Wie erwähnt, muss davon ausgegangen werden, dass durchschnittlich in jeder Schulklasse ein Kind von Alkoholsucht in der Familie betroffen ist. Deshalb müssen Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie wahrgenommen werden. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang die möglichen devianten Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen, damit Kinder und Jugendliche Begleitung und Unterstützung erhalten.

1.6 Aufbau der Arbeit

Nach der Einleitung werden im zweiten Kapitel zentrale entwicklungspsychologische Aspekte von Kindern und Jugendlichen erläutert. Im dritten Kapitel wird erörtert, welches Klassifikationssystem für seelische Störungen und körperliche Auffälligkeiten in dieser Bachelor-Arbeit angewendet wird. Dies beinhaltet eine Beschreibung der drei diagnostischen Hauptgruppen, die für diese Bachelor-Arbeit zentral sind.

Im vierten Kapitel folgt ein kleiner Exkurs zum Hintergrund des Themas Alkohol. Das fünfte Kapitel führt aus, wie es für Kinder und Jugendliche sein kann, aus einer alkoholbelasteten Familie zu stammen und was für Bewältigungsstrategien sie entwickeln können.

In sechsten Kapitel wird auf mögliche Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie eingegangen und untersucht, ob sie verstärkt zu diesen Verhaltensstörungen neigen. Im siebten Kapitel wird auf die Risiko- und Schutzfaktoren sowie die Resilienz eingegangen. Dies beinhaltet eine Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Risiko- und Schutzfaktoren sowie die Erläuterung des Challenge Modells, welches die Resilienzfaktoren spezifisch bei Kindern aus suchtbelasteten Familien betrachtet. Zum Schluss zeigt dieses Kapitel auf, welche Risiko-, Schutz- und Resilienzfaktoren relevant sind für Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie. Da das Selbstwertgefühl ein zentraler solcher Faktor ist, folgt im achten Kapitel eine Ausführung darüber, ob Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ein geringeres Selbstwertgefühl haben als Kinder und Jugendliche aus einer nicht alkoholbelasteten Familie. Im neunten Kapitel wird anhand der gewonnenen Erkenntnisse die erste Frage dieser Bachelor-Arbeit (Welchen Risiken sind Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ausgesetzt?)

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Im zehnten Kapitel wir die Schulsozialarbeit vorgestellt und deren Aufgabenbereich, die Methoden, die Zielgruppen und Ziele sowie deren Rolle und Handlungsprinzipien erläutert. Im elften Kapitel wird auf die Beratung als Haupteinsatzgebiet in der Schulsozialarbeit eingegangen. Dies beinhaltet eine Erläuterung der Konsistenztheorie und der Plananalyse als Mittel für eine professionelle Beziehungsgestaltung im Rahmen der Beratungsarbeit.

Im zwölften Kapitel wird anhand der Erkenntnisse aus den zwei vorangegangen Kapiteln die zweite Frage dieser Bachelor-Arbeit (Welche Handlungsoptionen haben Schulsozialarbeitende in Form der Einzelberatung mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie?) beantwortet. Dies inkludiert insbesondere konkrete Handlungsoptionen bei der Beratung von Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie, welche die Schulsozialarbeit implementieren und konkretisieren kann. Als Abschluss dieser Bachelor-Arbeit werden im letzten Kapitel weiterführende Überlegungen bezüglich dieser Thematik angestellt.

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2 Entwicklungstheorie

Im Zentrum dieser Arbeit stehen Kinder und Jugendliche. Als Kinder werden im Rahmen dieser Arbeit Menschen im Schulalter von 7-12 Jahren bezeichnet. Der Begriff Jugendliche umschreibt Menschen in der Altersspanne zwischen 13-20 Jahren. Diese Definitionen beruhen auf den Ausführungen von Kitty Cassée (Kitty Cassée, 2010, S.

286-288).

Im Folgenden werden zentrale entwicklungspsychologische Aspekte von Kindern und Jugendlichen erläutert. Dies geschieht anhand der Theorien von Kitty Cassée, Anita Woolfolk und Remo H. Largo.

2.1 Entwicklungspsychologische Aspekte von Kindern

In der Lebensspanne von 7 bis 12 Jahren steht der Schuleintritt in der Schweiz an. In dieser Phase ist für die Kinder die Schule mit den dort handelnden Personen zentral.

Das Kind erwirbt zentrale Fähigkeiten für das spätere Leben (Cassée, 2010, S. 286).

Anita Woolfolk (2014) erklärt, dass die Herausforderung für ein Kind darin besteht, auf Anforderungen zu reagieren, damit es neue Fertigkeiten lernen kann. Schafft es dies nicht, kann es zur Entstehung von Minderwertigkeitsgefühlen kommen. Die Kinder verbringen viele Stunden am Tag in der Schule, wo sie sich diese Fertigkeiten aneignen und sie ausprobieren können und sollen. Sie müssen lernen, neuen fremden Erwachsenen zu vertrauen, selbständig in komplexen Situationen zu handeln und sich den Anforderungen der neuen Umgebung anzupassen. Wie Kinder mit diesen Aufgaben umgehen, trägt dazu bei, welche Erfahrungen von Erfolg und Misserfolg sie dabei machen. Diese Erfolge oder Misserfolge haben eine signifikante Bedeutung für die weitere Entwicklung ihrer Persönlichkeit (S. 92). Erleben die Kinder zu viele Misserfolge, ist davon auszugehen, dass dies zu gravierenden Selbstzweifeln führen kann.

Remo H. Largo (2017) erklärt, dass Kinder erleben müssen, was es heisst, wichtig und wertvoll zu sein, um ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Es ist demzufolge essenziell, dass Eltern oder vertraute Bezugspersonen es den Kindern ermöglichen, dass sie diese positive Erfahrung von Zuwendung und Akzeptanz machen können (S.

186).

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Folgende Entwicklungsaufgaben sind für das Kind von zentraler Bedeutung:

• Von und miteinander lernen, auch im Kontext Schule

• Anstrengungsbereitschaft

• Ausbau von sozialen Kompetenzen.

2.2 Entwicklungspsychologische Aspekte von Jugendlichen

Die Jugendphase beinhaltet gemäss Cassée (2010) viele Herausforderungen. Die meisten Jugendlichen bewältigen diese Aufgaben relativ gut. Unterstützend für die Jugendlichen wirkt, wenn der Fokus jeweils auf eine spezifische Entwicklungsaufgabe gelegt werden kann und nicht alle Aufgaben zeitgleich auf die Jugendlichen zukommen.

Die meisten Jugendlichen können hierbei auf Rückhalt durch die Familie oder die Schule zählen (S. 288).

Gelingt es einem Jugendlichen nicht, die anstehenden phasentypischen Herausforderungen positiv zu bewältigen, kann dies blockierend wirken. Nachfolgende und für spätere Lebensphasen typische Aufgaben können dann unter Umständen ebenfalls nicht konstruktiv bewältigt werden. Die erfolgreiche Bewältigung einer Entwicklungsaufgabe führt hingegen zu psychischem Wohlbefinden und gesellschaftlicher Akzeptanz.

Cassée (2010) erklärt, dass für Jugendliche in dieser Phase die emotionale Ablösung von den Eltern stattfindet. Dennoch bleiben die Eltern weiterhin wichtige Bezugspersonen (S. 291). Gleichzeitig nehmen Beziehungen zu Gleichaltrigen, z.B. der Clique im Jugendalter, immer mehr zu. Auch Largo (2017) unterstreicht, dass in Bezug auf das Selbstwertgefühl die Bestätigung von Gleichaltrigen an Einfluss gewinnt. Die Bezugspersonen aus der Kindheit verlieren an Bedeutung, Peers, Freunde oder andere Erwachsende werden immer wichtiger (S. 185-186). Folglich sind für Jugendliche die folgenden Entwicklungsaufgaben von zentraler Bedeutung:

• Erwerb von Kompetenzen zur Identitätsfindung

• Erwerb von Kompetenzen zur Loslösung von den Eltern.

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3 Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten

Im Folgenden werden zwei gängige Klassifikationssysteme für seelische Störungen und körperliche Auffälligkeiten erörtert. Anschliessend wird begründet, warum für diese Bachelor-Arbeit das eine System angewendet wird. Zum Schluss wird auf die drei diagnostischen Hauptgruppen, die für diese Bachelor-Arbeit zentral sind, eingegangen.

3.1 Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV-TR

Im Bereich der seelischen Störungen und der körperlichen Auffälligkeiten hat es sich durchgesetzt, Symptome und Auffälligkeiten unter Diagnosebegriffen zusammenzufassen.

Gemäss Manfred Döpfner (2012) stehen für die Klassifikation der psychischen Störungen, zwei verschiedene internationale Klassifikationssysteme zur Verfügung: Die internationale Klassifikation psychischer Störungen (International Classification of Diseases, ICD-10) und das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-IV-TR). Beide Klassifikationskonzepte unterscheiden sich in vielen Bereichen voneinander. Beide Klassifikationssysteme gewährleisten jedoch durch operationalisierte Diagnosekriterien die Beschreibung eines objektiven diagnostischen Verlaufs (S. 33).

Klaus Fröhlich-Gildhoff, Christoph Mischo und Armin Castello (2011) machen deutlich, dass die Diagnosebegriffe individuumsübergreifende Betrachtungen der Störung und Auffälligkeiten möglich machen. Diese können zur Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren aber auch zum Erkennen Unterstützungsmöglichkeiten bieten (S. 208).

3.2 ICD-10 International Classification of Diseases

Bei dieser Arbeit wird nur das Klassifikationssystem ICD-10 verwendet, denn das System wird, wenn es um Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend geht, in der Literatur am meisten verwendet. Es wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben und ist ein wichtiges, weltweit anerkanntes Diagnoseklassifikationssystem der Medizin. In diesem System werden Symptome zusammengefasst und Störungsbilder beschrieben.

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Fröhlich-Gildhoff, Mischo und Castello (2011) machen deutlich, dass dieses System den Vorteil einer internationalen Vergleichbarkeit bei der Diagnose. bietet. Das Klassifikationssystem macht keine Aussagen über die Therapien oder die Ursachen der beschriebenen Störung (S. 208).

Psychischen Störungen sind in der ICD-10 zu insgesamt neun Hauptgruppen zusammengefasst (siehe Tabelle 1):

Die neun Hauptgruppen von psychischen Störungen nach ICD-10

F0 Organische einschliesslich symptomatischer psychischer Störungen (z.B.

Demenz)

F1 Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanz (z.B. Alkoholsucht)

F2 Schizophrenie und wahnhafte Störungen (z.B. induzierte wahnhafte Störung)

F3 Affektive Störungen (z.B. depressive Episoden)

F4 Neurotische, Belastungs- und Anpassungsstörungen (z.B. Angststörungen) F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (z.B. Essstörungen) F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (z.B. Borderline)

F7 Intelligenzminderung

F8 Entwicklungsstörung (z.B. schulische Fertigkeiten)

F9 Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (z.B. Störung des Sozialverhaltens)

Tabelle 1: Die neun Hauptgruppen von psychischen Störungen nach ICD-10 (Quelle: ICD-Code, ohne Datum)

Im Rahmen der vorliegenden Bachelor-Arbeit wird auf die drei folgenden diagnostischen Hauptgruppen näher eingegangen:

F1 Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (z.B. Störung durch Alkohol)

Die Hauptgruppe "F1 Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen" beschreibt was eine Alkoholabhängigkeit ist. Für Fach- sowie Bezugspersonen ist dieses Wissen essenziell, damit die Kinder und Jugendlichen aus

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einer alkoholbelasteten Familie besser unterstützt und begleitet werden können. Kapitel 4 geht näher auf das Thema Alkoholsucht ein.

F3 Affektive Störungen (z.B. depressive Episoden)

Bei "F3 Affektive Störungen" werden die leichten, mittelgradigen und schweren depressiven Episoden unterschieden. Wie in der Ausganslage beschrieben, haben Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie ein erhöhtes Risiko an einer psychischen Störung zu erkranken. In Kapitel 6.4 wird differenziert darauf eingegangen.

F9 Verhalten und emotionale Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend Wie in der Ausgangslage beim Unterkapitel 1.1 erörtert wurde, haben Kinder und Jugendliche, die in einer alkoholbelasteten Familie aufwachsen, ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten. Wie erwähnt, ist die Störung des Sozialverhaltens eine der häufigsten Auffälligkeiten. Spezifische Verhaltensauffälligkeiten werden in Kapitel 3 vertieft erörtert.

(21)

4 Theoretischer Hintergrund zum Thema Alkoholstörung

In diesem Kapitel wird die Alkoholstörung entsprechend der gewählten Systematik ausgeführt. In einem zweiten Schritt wird auf Alkohol und seine Effekte eingegangen.

Zum Schluss wird die Aktualität der Thematik durch die Erläuterung von Zahlen und Fakten zur Schweiz aufgezeigt.

4.1 Begriffsdefinition Alkoholstörung nach ICD-10

Wie Moesgen (2010) erläutert, wird heutzutage in Bezug auf pathologischen Alkoholkonsum zwischen schädlichem Gebrauch von Alkohol, bei dem Alkohol meist in grösseren Mengen getrunken werden, und einer Alkoholabhängigkeit unterschieden.

Die Diagnose schädlicher Gebrauch nach ICD-10 (F10.1) umfasst in jedem Fall auch eine tatsächliche Schädigung der psychischen oder körperlichen Gesundheit, wie etwa eine Lebererkrankung. Das Konsumverhalten alleine bildet somit keine Grundlage für die Diagnose "schädlicher Gebrauch" (S. 14).

Bei einer Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 (F10.2) wird zwischen körperlicher und psychischer Abhängigkeit unterschieden. Markus Gastpar, Karl Mann und Hans Rommelspacher (1999) erklären, dass bei einer psychischen Abhängigkeit die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, bestimmte Situationen ohne Alkohol durchzustehen. Kommt eine körperliche Abhängigkeit hinzu, so treten bei fehlendem Alkoholkonsum körperliche Beschwerden auf. Für die Diagnose Alkoholabhängigkeit muss keine körperliche Abhängigkeit vorliegen. Zur Diagnose müssen nach ICD-10 mindestens drei der folgenden Kriterien vorkommen. Treffen diese zu, liegt in der Regel eine Alkoholabhängigkeit vor.

• Starker Wunsch oder Zwang Alkohol zu konsumieren

• Kontrollverlust

• Körperliches Entzugssyndrom

• Nachweis einer Toleranz

• Rückzug aus dem Sozialleben

• Entzugserscheinungen.

(22)

Zu den Diagnosekriterien der ICD-10 ist anzumerken, dass der schädliche Alkoholgebrauch und Alkoholabhängigkeit zwei voneinander unabhängige Phänomene sind (S. 70-82).

4.2 Alkohol und seine Effekte

Alkohol gehört wie auch andere Drogen zu den so genannten psychoaktiven Substanzen.

Der Unterschied zu den anderen Drogen ist, dass der Konsum und der Verkauf in der Schweiz legal sind. Das Gesetz in der Schweiz sieht beim Kauf von Bier und Wein oder Konsumation im Restaurant ein Mindestalter von 16 Jahren vor. Bei stärkerem Alkohol, wie z.B. Schnaps, gilt die Regelung ab 18 Jahren (Peter Mösch Payot, 2010, S. 98).

Der Begriff Alkohol lässt sich aus dem Arabischen herleiten und bedeutet so viel wie

"Das Feinste". Alkohol wird durch die Vergärung von Zucker aus unterschiedlichen Grundstoffen, wie z.B. Weintrauben, Früchten und Getreiden, gewonnen. Der Alkoholgehalt variiert je nach Getränk. Bei Alkohol handelt es sich um ein Nervengift, das in geringen Mengen in der Regel anregend und stimmungssteigernd wirkt. Es kann helfen die Kontakt- und Kommunikationsbereitschaft zu fördern. Jedoch kann es bei mittleren oder höheren Dosierungen schnell zu Aggression, Gereiztheit, Gewalt und emotionale Unzugänglichkeit führen. Wenn der Blutalkoholspiegel ansteigt, kann es aufgrund der dadurch bedingten Vergiftung schliesslich zu Störungen der Wahrnehmung, Koordinationsfähigkeit, Beeinträchtigung der Sprache und der Aufmerksamkeit führen.

Bei einem sehr hohen Promillegehalt kann es sogar zur Bewusstlosigkeit und zum Tod führen (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2018).

4.3 Fakten und Zahlen zur Schweiz

Der Alkohol ist in der Schweiz ein kulturell akzeptiertes Genuss- und Rauschmittel. Er kann zu allen möglichen Zeiten konsumiert und gekauft werden. Das Bundesamt für Gesundheit BAG, erklärt im Faktenblatt "Alkoholkonsum in der Schweiz im Jahr 2016", dass 85.9 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren Alkohol konsumierten. Gut die Hälfte der Bevölkerung trank mindestens einmal pro Woche Alkohol. Jede zehnte Person konsumierte jeden Tag Alkohol. Diese Daten beruhen auf Selbstangaben einer telefonischen Befragung (Bundesamt für Gesundheit, 2016).

(23)

5 Die Situation von Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien

In einem ersten Teil wird kurz erörtert, seit wann Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien im Rahmen von Forschung und Therapie wahrgenommen und erfasst werden. Danach wird auf die Situation in der Familie eingegangen. Zum Schluss werden die Rollenmodelle als Anpassungsstrategien von Kindern und Jugendlichen beschrieben.

5.1 Am Rande wahrgenommen: Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie

Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie wurden lange Zeit nur am Rande wahrgenommen. Ihre Situation wurde kaum erforscht. Seit Beginn der 80er Jahre sind sie als Gegenstand der wissenschaftlich psychologischen Forschung und klinischen Tätigkeit verstärkt in den Blickpunkt gerückt. Dies ist insbesondere auf die Arbeiten der amerikanischen Autorinnen Claudia Black (1988), Sharon Wegscheider (1988) und Janet Woititz (2003) sowie im deutschsprachigen Raum auf Ursula Lambrou (1990) zurück zu führen. Diese Autorinnen machten Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre durch ihre populärwissenschaftlichen Arbeiten zum ersten Mal öffentlich auf Kinder aus alkoholbelasteten Familie aufmerksam (Zobel, 2017, S. 13).

Das Thema Alkoholmissbrauch in der Familie scheint immer noch ein Tabuthema zu sein. Durch Forschung und wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema könnte eine Enttabuisierung eingeleitet werden und für die Kinder und Jugendlichen könnten hilfreiche Unterstützungen angeboten werden.

Wichtig hierbei ist auch, eine offene Sichtweise der Gesellschaft für die Kinder und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Situation. Zobel (2017) merkt an, dass die Stigmatisierung von Betroffenen mit alkoholbelasteten Eltern/Erziehungsberechtigten nicht zu neuen Lösungen führt, sondern herrschende Denkmuster verfestigt und die Entwicklung von zielführenden Konzepten lähmt (S. 54).

5.2 Der familiäre Kontext in einer alkoholbelasteten Familie

Zobel (2017) erörtert die Beziehung des trinkenden Elternteils zu seinen Kindern und Jugendlichen wie folgt: Meist zeigt das Elternteil kaum Interesse. Kinder und Jugendliche werden eher als störend wahrgenommen. Abhängig von der Höhe des Alkoholpegels

(24)

straft oder lobt der trinkende Elternteil die Kinder und Jugendlichen für das gleiche Verhalten. Meist werden keine klaren Grenzen gesetzt. Die Eltern leiten die Kinder und Jugendlichen nicht an und fördern sie nicht in ihren Kompetenzen.

Die Abhängigkeit von Alkohol verändert das tägliche Leben der Familie grundlegend.

Der Alkohol ist ein wichtiges und bestimmendes Element in der Familie, indem sich kein Mitglied der Familie dem Geschehen entziehen kann. Die Alkoholsucht kann die Beziehung und die Fürsorge für die Kinder und Jugendlichen stark beeinflussen. Oft führt dies zu Vernachlässigung, was auf einer physischen und emotionalen Ebene erfolgen kann. Meist wird der trinkende Elternteil als nicht verlässliche Bezugsperson wahrgenommen. Dies entsteht durch eine verzettelte Wahrnehmung ihrer Erziehungsrolle als Eltern sowie durch Versprechen, die der betroffene Elternteil nicht einlösen kann. Durch diese Erfahrungen in der Familie mit einem trinkenden Elternteil, entwickeln die Kinder und Jugendlichen ein geringeres Selbstwertgefühl als andere Kinder und Jugendliche aus nicht alkoholbelasteten Familien (S. 22-23).

Meist leiden die Kinder und Jugendlichen unter einer doppelten Tabuisierung. Alkohol stellt in diesen Familien meist ein Tabuthema dar. Die Eltern verbergen die Sucht oft und zeigen nach aussen das Bild der intakten Familie, das heisst die Kinder und Jugendlichen dürfen auch mit Bezugspersonen ausserhalb der Familie nicht offen über ihre Gefühle reden. Wenn sie es doch tun, haben sie Angst, illoyal zu sein. Diese Situation ist für die Kinder und Jugendlichen ausserordentlich schwierig, da meist niemand offen über diese Situation reden kann.

Die betroffenen Kinder und Jugendliche hoffen oft, die Situation zuhause ändern oder beeinflussen zu können. Wenn sie dann merken, dass sie keinen Einfluss nehmen können auf das Alkoholverhalten des Elternteils, erfahren sie meist eine Hilflosigkeit dieser Situation gegenüber (Suchtschweiz, Dezember 2007).

Damit sich die Kinder und Jugendlichen an die schwierige Situation zu Hause anpassen können und um das Gleichgewicht in der Familie wiederherzustellen, versuchen sie Bewältigungsstrategien für zu Hause in Form von verschiedenen Rollenmuster zu entwickeln. Rollenmodelle beschrieben haben Ackermann (1987), Black (1988), Jakob (1991), Lambrou (1990) und Wegscheider (1988).

Im Rahmen dieser Arbeit wird nur auf die Rollenmodelle von Wegscheider (1988) und Ackermann (1987) eingegangen. Das Modell von Wegscheider (1988) wird in der

(25)

so eine sinnvolle Ergänzung, da es auch der Tatsache gerecht wird, dass manche Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien sich trotz der Umstände gesund entwickeln können (Zobel, 2017, S. 27).

Die Autorin Wegscheider hat im Jahre 1988 das Anpassungsstreben von Kindern und Jugendlichen aus Suchtfamilien analysiert und in klassische Rollenmodelle überführt.

Diese werden nachfolgend beschrieben (ebd.).

Held

Der Held ist meist das älteste Kind. Es versucht durch überdurchschnittliche Leistungen zu gefallen. Es ist sehr selbständig und verantwortungsbewusst. Anerkennung ist ihm wichtig. Es ist schon sehr früh selbständig. Durch sein aktives Handeln schützt es sich vor negativen Gefühlen. Es will die Dinge selbständig machen und sich nicht auf andere verlassen. In der Tendenz sind die Helden Perfektionistinnen oder Perfektionisten und zeigen häufiger psychosomatische Probleme (ebd.).

Wichtig für Helden könnte sein, dass sie lernen, Verantwortung abzugeben und ihre eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und umzusetzen.

Sündenbock

Zobel (2017) merkt an, der Sündenbock ist meist das zweitgeborene Kind. Es hat die Tendenz zu rebellieren. Durch das intensive oppositionelle Verhalten erhält das Kind oder der Jugendliche eher negative Aufmerksamkeit. Sein Selbstwertgefühl ist eher niedrig. Zum Thema Selbstwertgefühl siehe auch Kapitel 8. Das abweichende Verhalten des Sündenbocks wird in der Familie zum Problem und überdeckt oft das ursprüngliche Problem der Alkoholstörung in der Familie (S. 30).

Für diese Kinder und Jugendlichen könnte es sehr wichtig sein, dass sie eine vertrauensvolle Beziehung zu einer erwachsenen Person aufbauen können, die ihnen Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen.

Verlorenes Kind

Zobel (2017) erklärt, dass das verlorene Kind oft das dritte Kind ist. Es zieht sich unter gegebenen Voraussetzungen in seine Welt zurück. Durch seinen Rückzug schützt sich das verlorene Kind vor unvorhersehbaren Reaktionen der Eltern. Es fällt nicht auf und eckt nicht an. Oft fühlt es sich einsam und bedeutungslos. Es hat Mühe mit der Kontaktaufnahme, ist oft unsicher und hilflos. Bei eintretenden Schwierigkeiten geht es

(26)

diesen aus dem Weg. Oft sind diese Kinder und Jugendlichen nicht entscheidungsfreudig (S. 30).

Für sie könnte Unterstützung in der Beziehungsgestaltung hilfreich sein.

Clown

Der Clown ist meist das jüngste Kind. Oft sind diese aufgeschlossen, lustig, unterhaltsam und kontaktfreudig. Durch ihre positiven Eigenschaften kommen sie schnell in Kontakt mit anderen Menschen und bekommen viel Aufmerksamkeit. Anzeichen von Hyperaktivität und Konzentrationsschwächen sind nicht selten. Der Clown ist gleichzeitig oft ängstlich, unreif und wenig belastbar. Für die Familie bringt es mit Humor Abwechslung in den Alltag (Zobel, 2017, S. 31).

Unterstützend für diese Kinder und Jugendliche könnte sein, dass sie lernen anderen Personen zu vertrauen und auch negative Gefühle zuzulassen.

Bei Ackermann (1987) gibt es noch eine fünfte Rolle, die des Unverletzten. Er ist der einzige Autor, der darauf hinweist, dass auch Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien durchaus eine gesunde Entwicklung durchleben können.

Die Plausibilität und Relevanz der Rollenmodelle von Wegscheider sind wissenschaftlich überprüft und bestätigt worden (Zobel, 2017, S. 30). Es ist somit davon auszugehen, dass die vier Typen als Kernkonstrukt verstanden werden können. Gleichzeitig ist jedoch auch kritisch anzumerken, dass dieses Modell nicht nur auf Kinder und Jugendliche von alkoholbelasteten Familien zutreffen kann. Auch solche, die nicht aus einer alkoholbelasteten Familie stammen, können unterschiedliche Rollen einnehmen, um Konkurrenz zu vermeiden oder sich auch abzugrenzen.

Zobel (2017) erklärt, dass die Rollenzuschreibung nicht nur negativ zu betrachten ist. In den verschiedenen Rollen können die Kinder und Jugendlichen auch wichtige Kompetenzen erlernen. So könnte sich der Held zu einem zuverlässigen Menschen entwickeln, der bereit ist Verantwortung zu übernehmen und Menschen zu führen. Der Sündenbock könnte seine Risikobereitschaft positiv einsetzen. Der Clown könnte seinen Humor und seine Begeisterungsfähigkeit im Umgang mit anderen Menschen nutzen.

Ressourcen und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen könnten so optimal genutzt werden (S. 32).

(27)

können, mit der Situation besser umzugehen. Dies geschieht einerseits damit sie sich den Gegebenheiten besser anpassen können oder um auch ein gewisses Mass an Aufmerksamkeit zu erhalten.

(28)

6 Verhaltensstörungen von Kindern und

Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie

In diesem Kapitel wird auf die Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie eingegangen. Zuerst wird die Hyperaktivität und Störung des Sozialverhaltens erläutert. Danach wird auf Angststörungen und Depressionen eingegangen. Zum Schluss wird aufgezeigt, ob Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien verstärkt zu diesen Auffälligkeiten neigen.

6.1 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

ICD-10 definiert Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als hyperkinetische Störung oder als einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung.

Diese Gruppe von Störungen ist charakterisiert durch einen Beginn vor dem siebten Altersjahr. Kennzeichnend sind Schwierigkeiten bei der Ausdauer für Beschäftigungen, die einen kognitiven Einsatz verlangen sowie die Schwierigkeit zwischen mehreren Tätigkeiten hin und her zu wechseln (Zobel, 2006, S. 37). Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass diese Symptome vermehrt im Unterricht in der Schule auftreten, da dieser Ausdauer in der Aufmerksamkeit verlangt.

Die Diagnosen nach ICD-10 werden durch bestimmte Symptomkriterien bestimmt (Manfred Döpfner und Tobias Banaschewski, 2012, S. 271-273):

Einfache Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung (F90.0)

Diese zeigt sich in Vergesslichkeit, leichter Ablenkbarkeit und schlechter Konzentration sowie einer Hyperaktivität in Form von extremem Bewegungsdrang, motorischer Unruhe und Ruhelosigkeit. Die Symptome müssen situationsübergreifend und beeinträchtigend sein.

Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1)

In diesem Fall sind sowohl die Kriterien für die Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens (F91) sowie die einfache Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung (F90.0) erfüllt.

(29)

Sonstige hyperkinetische Störung (F90.8)

Werden nicht alle Kriterien einer einfachen Aufmerksamkeit- und Aktivitätsstörung erfüllt, spricht man von einer sonstigen hyperkinetischen Störung.

Zusammenfassung Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung

Aufmerksamkeitsdefizitstörung und Hyperaktivität können sowohl gemeinsam als auch getrennt auftreten. Die beschriebenen Symptome treten in der frühen Kindheit auf und nicht nur in der Schule, sondern in verschiedenen Handlungskontexten. Diese Symptome können zu Problemen führen, sei dies beim Lernen oder beim Kontakt mit Gleichaltrigen.

6.2 Störung des Sozialverhaltens

Bei der Störung des Sozialverhaltens nach ICD-10, erklären Ulrike Petermann und Franz Petermann (2012), werden insbesondere vier verschiedene Typen der Störung des Sozialverhaltens unterschieden:

Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens (F91.0) Diese Störung manifestiert sich in einem extrem aggressiven Verhalten gegenüber anderen Familienmitgliedern. Vorkommen können auch tägliche Übergriffe auf Familienmitglieder. Dieses Verhalten äussert sich ausschliesslich im familiären Rahmen.

Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F91.1)

Diese Störung zeigt sich in einem auffälligen Verhalten in Bezug auf die Beziehungen zu Gleichaltrigen. Diese Kinder und Jugendlichen haben keine Freundschaften und dauerhafte Beziehungen. Dieses Verhalten führt zu Ablehnung durch das Umfeld und folglich oft zur sozialen Isolation.

Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen (F91.2)

Diese Kinder und Jugendlichen können dauerhafte Freundschaften aufbauen. Diese sind oft auf aggressive, dissoziale und delinquente Gleichaltrige bezogen. Das Verhältnis zu erwachsenen Autoritätspersonen kann negativ geprägt sein.

(30)

Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten (F91.3) Diese Störung äussert sich als ein andauerndes Muster von negativem, trotzigem oder sogar feindseligem Verhalten. Regeln oder Verbote können nicht eingehalten werden.

Es besteht eine geringe Frustrationstoleranz. Meist zeigt sich dieses Verhalten gegenüber Erwachsenen oder Gleichaltrigen (S. 295-297).

Zusammenfassung Störung des Sozialverhaltens

Bei einer Störung des Sozialverhaltens zeigt sich das Verhalten als schwerwiegender als gewöhnlicher kindischer Unfug oder jugendliche Aufmüpfigkeit. Beispiele dafür sind Tyrannei in einem aussergewöhnlichen Mass und ungewöhnliche häufige und schwere Wutausbrüche. Es kann davon ausgegangen werden, dass es bei den meisten Kindern und Jugendlichen manchmal vorkommen kann, dass sie lügen, stehlen oder aggressives Verhalten gegenüber anderen zeigen. Dies kann im Verlauf von ihrer Entwicklung vorkommen, ohne dass von einer schwerwiegenden Verhaltensstörung ausgegangen werden muss.

Bekommt man aber diese Verhaltensweisen nicht in den Griff, d.h. sie wiederholen sich oder manifestieren sich, wird von einer Störung des sozialen Verhaltens gesprochen (Nani Kail, 2007).

6.3 Angststörungen

Angst kann sich in unterschiedlichen Formen zeigen. Die Angst kann erlebt werden, sie kann körperlich zum Ausdruck gebracht werden oder äussert sich im Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Auch hier wird das System ICD-10 zur Strukturierung beigezogen. Ulrike Petermann und Lydia Suhr-Dachs (2012) erklären, es wird zwischen vier Angststörungen im Kindes- und Jugendalter unterschieden.

Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters (F93)

Diese Angststörung tritt im Kontext einer bevorstehenden oder eingetroffenen Trennung von einer wichtigen Bezugsperson auf. Bei Trennungsangst handelt es sich erst um eine Störung, wenn dieses Verhalten im Schulalter oder im Jugendalter auftritt (S. 353).

Phobische Störung des Kindesalters (F93.1)

(31)

Ängste auf Tiere, Höhen, Naturgewalten oder geschlossene Räume (Petermann und Suhr-Dachs, 2012, S. 369).

Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F93.2)

Kinder und Jugendliche, die unter sozialer Ängstlichkeit leiden, haben Angst vor fremden Personen. Für sie ist es nicht relevant, ob es sich dabei um Kinder, Jugendliche oder Erwachsene handelt (Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters, ohne Datum).

Generalisierte Angststörung des Kindesalters (F93.8)

Kindern und Jugendlichen, die unter einer generalisierten Angststörung leiden, machen sich übermässig und langfristig mehr als 6 Monate Sorgen über ein bestimmtes Thema, wie zum Beispiel, schlecht in der Schule zu sein, wenig Freunde zu haben oder im Sport zu versagen (Petermann und Suhr-Dachs, 2012, S. 356).

Zusammenfassung Angststörung

Auf Basis dieser Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass Kinder und Jugendliche mit einer Störung in sozialer Ängstlichkeit, sehr grosse Mühe haben, sich auf soziale Kontakte einzulassen oder an gesellschaftlichen Anlässen teilzunehmen.

Kinder und Jugendliche, die an einer generalisierten Angststörung leiden, sind meist Perfektionisten, weil sie Angst haben einen Fehler zu begehen. Dadurch sind sie eher selbstunsicher und brauchen oft starke Anerkennung von ihrem Gegenüber und Bestätigung, dass sie es richtig machen.

6.4 Depression

Zur Depression erklärt Zobel (2017), dass bei Kindern und Jugendlichen, die an einer Depression leiden, die gleichen Begrifflichkeiten nach ICD-10 verwendet werden, wie bei den Erwachsenen, weil davon ausgegangen werden kann, dass sie ähnliche Merkmale haben. Die ICD-10 unterscheidet verschiedene Formen depressiver Symptome.

Depressive Episode (F32)

Die depressive Episode tritt mit Antriebs-, Stimmungsschwankungen und Lustlosigkeit über mindestens zwei Wochen auf. Sie kann durch eine schwierige Lebenssituation ausgelöst werden oder auch anlagebedingt sein. Weiter müssen Symptome dazukommen, wie z.B. Schlafstörungen, wenig Selbstvertrauen, geringes

(32)

Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, Suizidgedanken und Unentschlossenheit (Gunter Groen und Franz Petermann, 2012, S. 441).

Rezidivierende depressive Störung (F33)

Bei der rezidivierenden depressiven Störung handelt es sich um eine wiederholte depressive Episode (F32), wie unmittelbar vorangehend beschrieben.

Anhaltende affektive Störung (F34)

Hierbei handelt es sich mehr um Stimmungsstörungen. Bei der anhaltenden affektiven Störung liegen weniger schwerwiegende Symptome vor, wie bei der rezidivierenden depressiven Störung und der depressiven Episode (Groen und Petermann, 2012, S.

442).

Zusammenfassung Depression

Bei der depressiveren Störung bei Kinder und Jugendlichen steht eine Affektänderung im Vordergrund. Diese kann sich zeigen, als eine erhöhte traurige, und gedrückte Stimmung über längere Zeit. Auch ist eine Veränderung der Motivation und des persönlichen Antriebs zu erkennen. Auch wenn sich depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen prinzipiell in der gleichen Weise äussern wie bei den Erwachsenen, muss das Alter und damit der Entwicklungsstand in Betracht gezogen werden.

6.5 Beobachtungen von Verhaltensauffälligkeiten bei

Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie

Wie in der Ausgangslage (Kapitel 1) erörtert wurde, haben Studien zu Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien darauf hingewiesen, dass diese ein Risiko haben für eigene psychische Störungen. Moesgen (2010) zeigte auf, dass gewisse Untersuchungen ein erhöhtes Vorkommen von Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität für Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie vorfanden.

Diese Befunde bestätigten sich jedoch nicht in allen Studien. Gewisse Studien, die mit Kindern und Jugendlichen aus einer alkoholbelasteten Familie durchgeführt wurden, ergaben, dass eine elterliche Alkoholbelastung nicht in direkter Verbindung zu einem höheren Risiko für ein ADHS steht. Es müssen weitere Faktoren, wie ein niedriger

(33)

haben ergeben, dass der einzige Risikofaktor für eine Aufmerksamkeitsstörung die elterliche Zurückweisung ist (S. 26).

Bei der Störung des Sozialverhaltens fanden Schuckti et al. (2000) bei einer Studie mit 162 Kindern aus alkoholbelasteten Familien und nicht alkoholbelasteten Familien heraus, dass kein direkter Zusammenhang besteht zwischen elterlichen Alkoholbelastungen und einer Störung des Sozialverhaltens bzw. einem oppositionellen Verhalten des Kindes.

Zum gleichen Ergebnis kam auch die Greifswalder Familienstudie (2004) welche auch darauf hindeutet, dass kein direkter Zusammenhang besteht zwischen elterlichen Alkoholproblemen und einer Störung des Sozialverhaltens. Was in der Studie von Barnow et al. (2004) erkannt wurde, ist, dass bestimmte Variablen, wie elterliche Zurückweisung oder väterliche antisoziale Persönlichkeitsstörung, in direktem Zusammenhang mit einem erhöhten Aufkommen von Aggressivität oder Delinquenz bei den Kindern führen kann (Moesgen, 2010, S. 28).

Bei den Verhaltensstörungen Angst und Depression wird in mehreren Studien von einem Zusammenhang zum alkoholbelasteten Elternhaus berichtet. Zobel (2017) macht deutlich, dass es auch hier schwierig ist, die Auffälligkeiten der Kinder spezifisch auf die alkoholbelastete Familiensituation zurückzuführen. Die starke Zerrüttung der Familie infolge der Alkoholsucht sowie zusätzliche psychologische Erkrankungen der Eltern können die Ursache für die psychische Störung bei Kindern sein (S. 41). Auch hier ist erkennbar, dass der Risikofaktor aus einer alkoholbelasteten Familie zu kommen, alleine kein erhöhtes Risiko für eine Angst oder Depressionserkrankung ist.

Wichtig hierbei ist es zu unterstreichen, dass nicht alle Kinder und Jugendliche, die aus einer alkoholbelasteten Familie stammen, eine Verhaltensstörung entwickeln und dass die Alkoholerkrankung alleine kein Indikator ist für das Auftreten von Verhaltensstörungen. Vielmehr kann aus der Studienlage geschlossen werden, dass Risiko- und Schutzfaktoren eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob gewisse Kinder und Jugendliche trotz grosser Belastungen psychisch gesund bleiben. Im folgenden Kapitel wird auf diese Faktoren eingegangen. Ausserdem wird das Phänomen der Resilienz beschrieben, welches die Eigenschaft umfasst, trotz einflussstarken Risiken im nahen Umfeld psychisch gesund zu bleiben.

(34)

7 Risiko- und Schutzfaktoren sowie Resilienz

In diesem Kapitel wird zuerst auf die Definition von Risiko- und Schutzfaktoren sowie der Resilienz eingegangen. In einem zweiten Schritt wird die Wechselwirkung zwischen Risiko- und Schutzfaktoren erläutert. Danach wird das Challenge Modell vorgestellt, welches die Resilienzfaktoren spezifisch bei Kindern aus suchtbelasteten Familien betrachtet. Im letzten Teil wird aufgezeigt, welche Risiken-, Schutz- und Resilienzfaktoren relevant sind für Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie.

7.1 Risikofaktoren

Fröhlich-Gildhoff, Mischo und Castello (2011) erörtern, das unter dem Begriff Risikofaktoren Faktoren verstanden werden, welche die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Störung erhöhen. Dies können sozioökonomische Faktoren sein, familiäre Belastungen wie Alkoholmissbrauch der Eltern, genetische Dispositionen oder chronische Krankheiten. Die Risikofaktoren müssen nicht immer unmittelbar mit einer psychischen Störung oder mit Entwicklungsrisiken verknüpft sein. Häufen sich die Risikofaktoren, so steigt die Wahrscheinlichkeit von Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen deutlich an. Es wird unterschieden zwischen personenbezogenen Risikofaktoren (auch interne Risikofaktoren genannt) und umgebungsbezogenen Risikofaktoren (auch externe Risikofaktoren genannt).

7.1.1 Personenbezogene Risikofaktoren

Unter personenbezogenen Risikofaktoren werden folgenden Faktoren verstanden:

• Primäre Faktoren: Solche, die das Kind von Geburt aufweist, z.B.

Geburtskomplikationen

• Sekundäre Faktoren: Erworben aus der Auseinandersetzung mit der Umwelt, z.B.

einer unsicheren Bindungsorganisation (S. 221-223).

Eng mit dem Konzept der Risikofaktoren verbunden ist der Begriff der Vulnerabilität. Für diese Faktoren wird der Begriff Vulnerabilitätsfaktoren zum Teil synonym verwendet. Der Begriff der Vulnerabilität beschreibt, wie stark die Entwicklung eines spezifischen Kindes ungünstig beeinflusst werden kann. Meist muss eine Vulnerabilität vorausgesetzt

(35)

Ob und wie stark sich die Risikofaktoren auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken, hängt eng mit der Entwicklungsphase des Kindes oder dem Jugendlichen zusammen. Es gibt Phasen in denen eine erhöhte Vulnerabilität besteht.

Solche Phasen gibt es bei Entwicklungsübergängen wie Eintritt in das Berufsleben, Einschulung oder durch körperliche Reifung und kognitiver Entwicklung gezeichnete Übergänge, wie z.B. die Pubertät.

7.1.2 Umweltbezogene Risikofaktoren

Franz Petermann und Franz Resch (2012) bezeichnen Risikofaktoren in der Umgebung als Stressoren. Dies können z.B. Alkohol-/Drogenmissbrauch der Eltern oder chronische familiäre Disharmonie sein (S. 60).

In einer Mannheimer Risikostudie (1999) wurde deutlich, dass sich Vulnerabilitätsfaktoren weniger stark auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken als Stressoren, welche häufiger zu schwierigen Entwicklungsverläufen führen können (Fröhlich-Gildhoff, Mischo und Castello, 2011, S. 222).

Nicht jeder Risikofaktor im Leben eines Kindes oder eines Jugendlichen führt automatisch zu einer Entwicklungsgefährdung. Entscheiden kann der Zeitpunkt des Auftretens eines Faktors sein. Eine enge Bindung zur Mutter kann für ein jüngeres Kind ein Schutzfaktor sein, für einen Jugendlichen kann diese enge Bindung einen Risikofaktor darstellen (Petermann und Resch, 2012, S. 62). Dies beruht auf der Basis der entwicklungstheoretischen Annahme, dass das Loslösen von den Eltern ein wichtiger Meilenstein für Jugendliche ist und entsprechend eine enge Bindung zur Mutter zu einem Entwicklungsrisiko für den Jugendlichen führen kann.

7.2 Schutzfaktoren

Fröhlich-Gildhoff, Mischo und Castello (2011) definieren Schutzfaktoren als Merkmale, die das Auftreten einer psychischen Störung oder einer nicht angepassten Entwicklung verhindern oder abmildern sowie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Entwicklung eher positiv verläuft (S. 224). Schutzfaktoren haben somit eine risikomildernde Funktion und werden als wichtige Ressource von Kindern und Jugendlichen angeschaut (S. 224).

Gemäss Petermann und Resch (2012) lassen sich die Schutzfaktoren wie die Risikofaktoren in personen- und umgebungsbezogene Faktoren unterteilen.

Personenbezogene Schutzfaktoren (auch interne Schutzfaktoren genannt) beinhalten angeborene Merkmale, wie zum Beispiel kognitive Fähigkeiten (Intelligenz), Vertrauen,

(36)

Temperament und Persönlichkeit, Fertigkeiten zur Selbstregulation und positive Zukunftsorientierung. Umgebungsbezogene Faktoren (auch externe Schutzfaktoren genannt) beziehen sich auf gewisse Merkmale der Familie (wie zum Beispiel familiären Zusammenhalt) und des weiteren sozialen Umfelds (wie zum Beispiel positive Freundschaftsbeziehungen) (S. 63).

7.3 Wechselwirkung zwischen Risiko- und Schutzfaktoren

Risiko- und Schutzfaktoren wirken in spezifischer Weise zusammen. Ein Schutzfaktor ist vor allem beim Vorliegen einer Gefährdung wirksam. Je mehr Schutzfaktoren vorhanden sind, desto höher ist die protektive Wirkung gegen Entwicklungsbeeinträchtigungen.

Einige Faktoren haben mehr Einfluss auf die Entwicklung als andere. Ein Faktor kann überdies nur als Schutzfaktor für einen bestimmten Risikofaktor bezeichnet werden, wenn er bereits vor dem Eintreten des Risikofaktors vorliegt. Denn nur wenn die Ressource der Kinder und Jugendlichen beim Eintreten der Belastung vorhanden ist, kann sich dadurch ein positiver Effekt entwickeln und der Belastung entgegenwirken (Petermann und Resch, 2011, S. 61).

In Betracht gezogen werden muss ausserdem, dass der Entwicklungsverlauf von Kindern und Jugendlichen von Phasen erhöhter Vulnerabilität beeinflusst werden kann.

Die Wechselwirkung zwischen Risiko- und Schutzfaktoren sowie Vulnerabilität und Resilienz sind entscheidend für den Entwicklungsverlauf.

7.4 Resilienz

Der Begriff Resilienz leitet sich vom englischen Wort "resilience" ab und bezeichnet allgemein eine psychische Widerstandsfähigkeit, häufig in Bezug auf Kinder. Emmy Werner (1994) war eine der Ersten, die diese Widerstandsfähigkeit in ihrer Längsschnittstudie auf Kauai (Hawaii, USA) untersucht hat. Sie hat während 40 Jahren die Entwicklung von knapp 700 Kindern beobachtet und erfasst. Ab der pränatalen Entwicklungsperiode wurde der Einfluss einer Vielzahl biologischer und psychosozialer Risikofaktoren, kritischer Lebensereignisse und schützender Faktoren in der Entwicklung dieser Kinder auf Kauai erfasst.

Bei etwa 30 Prozent der beobachteten Kinder bestand ein hohes Entwicklungsrisiko, weil sie in chronische Armut hineingeboren wurden und in Familien aufwuchsen, die durch elterliche psychische Krankheiten und dauerhafte Streitkonflikte belastet waren. Zwei

(37)

wurden strafffällig und hatten psychische Probleme. Das verbleibende Drittel der Kinder entwickelte sich zu leistungsfähigen, zuversichtlichen und empathischen Erwachsenen, obwohl sie als Kinder erheblichen Risiken ausgesetzt waren (Zentrum für Kinder- und Jugendforschung, ohne Datum).

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum manche Kinder sich unter unvorteilhaften Bedingungen erstaunlich positiv und kompetent entwickeln und andere nicht. Welche Faktoren sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung?

Corina Wustmann (2005) fasst auf Basis von Forschungsergebnissen von Emmy Werner, folgende personalen Resilienzfaktoren zusammen:

Kinderbezogene Faktoren

• Erstgeborenen Kind

• Positives Temperament (flexibel, aktiv, offen)

• Überdurchschnittliche Intelligenz

• Spezielle Talente und Interesse an Hobbies

Resilienzfaktoren (erworben)

• Positives Selbstkonzept

• Hohes Selbstwertgefühl

• Problemlöse und Kommunikationsfähigkeit

• Kognitive Kompetenzen

• Talente, Interessen, Hobbies

• Hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung

• Hohe soziale Kompetenz und damit verbunden die Fähigkeit, sich Unterstützung von anderen Menschen zu holen

• Kohärenzgefühl (positive Lebenseinstellung).

Ausserhalb des Kindes liegende Faktoren sind in der Familie oder innerhalb der sozialen Umgebung zu finden.

Schutzfaktoren innerhalb der Familien

• Stabile emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson

• Offenes, unterstützendes Erziehungsklima

• Familiärer Zusammenhalt

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