lung zu fördern. Ihre körperliche und menschliche Seinsweise ist jeweils eine verschiedene, die göttliche Seinsweise, d.h. der Heilige Geist, ist immer die¬
selbe und von Gott gespeist.
Aus dieser Auffassung heraus ergibt sich eine grundlegende Toleranz des
Bahä'f-Glaubens gegenüber allen anderen Religionen.
Kurzbibliographie :
'Abdu'l-Bahä: Al-Nür al-abhä ff mufäwa^t 'Abdu'l-Bahä: guftigü bar sar-i nahär. Leiden/
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Übers, (dt.): Brief an Forel. Hofheim-Langenhain 1975.
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Übers, (dt.): Das Buch der Gewißheit, Kitäb-i l'qän. 1. Aufl. Frankfurt am Main 1958. 2.
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ders.: Lawli Madi'nat al-Tawtii'd. In: Mä'ida-yi äsamänf. Hrsg. von 'Abdu'l-^lami'd ISräq Häwan'. Tihrän 1972-3, IV, 313-329.
ders.: Munta^abäU' az äiär-i hadrat-i Bahä'u'Uäh. Hofheim- Langenhain 1980.
Übers, (engl.): Shoghi Effendi: Gleanings from the Writings of Bahä'u'Uäh. 2nd ed.
Wilmeue 1952.
Übers, (dt.): Ährenlese, eine Auswahl aus den Schriften Bahä'u'llähs, zusammengestellt und ins Englische übertragen von Shoghi Effendi. 3. Aufl. 1980.
VERFASSUNGSRECHTLICHE PROBLEME
DER MUSLIMISCHEN GLAUBENSGEMEINSCHAFTEN
IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Von Helga Walter, Sommerach
In der Bundesrepublik Deutschland leben zur Zeit etwa 1 ,8 Millionen Mus¬
lims, ganz überwiegend Ausländer - so derzeit ca. 1,5 Milhonen Türken. Un¬
gefähr 20% von ihnen sind organisiert in 20-25 teilsweise nur regional tätigen
religiösen Gemeinschaften. Die Probleme, die sich ergeben, wenn Menschen eines anderen Kulturkreises sich in einer hochtechnisierten Industrienation
zurechtfinden müssen, sind hinreichend bekannt. Im folgenden sollen einige
Fragen angeschnitten werden, die sich nicht mit dem Integrationsproblem
befassen, sondem mit der Tatsache, daß eine Religion, die mit ihren Vor¬
schriften alle Bereiche des menschlichen Lebens regelt, innerhalb einer
staatlichen Ordnung gelebt und praktiziert wird, die ihrerseits den Anspmch
erhebt, den Rechtsunterworfenen verbindliche Verhaltensmaßregeln zu geben.
Konflikte sind unausweichlich.
Das Problem ist keineswegs neu. In einigen Muslimischen Staaten, bei¬
spielsweise der Türkei, Ägypten und Persien, trat es unter umgekehrtem Vor¬
zeichen auf, als nämlich diese ursprünglich theokratisch verfaßten Staats¬
gebilde Verfassungen nach westlichem Muster erhielten, mit einer - zumindest
formellen - Trennung von Kirche und Staat.
Zuerst soll das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Bonner Gmnd¬
gesetz von 1949 behandelt werden, und die Konflikte, die entstehen, wenn sich
staatiicher und religiöser Regelungsanspmch überschneiden. Einfacher ausge¬
drückt: müssen sich die muslimischen Glaubensgemeinschaften bei ihrer Tätig¬
keit entgegen dem islamischen Gesetz auf rein religiöse Funktionen be¬
schränken?
Eng hiermit zusammenhängend soll anschließend darauf eingegangen
werden, welche Konflikte für den einzelnen Muslim entstehen, wenn religiöse Gebräuche gegen einfaches staatiiches Recht verstoßen, und ob und inwieweit
das Grandrecht der Religionsausübungsfreiheit durch einfaches Gesetz einge¬
schränkt werden kann.
Abschließend möchte ich noch kurz auf die Frage der Anerkennung mus¬
limischer Glaubensgemeinschaften als Körperschaften desöffentUchen Rechts
eingehen.
1. Gmndlage der staatskirchenrechtiichen Ordnung in der Bundesrepublik
Deutschland sind die Atikel 4 Abs. 1 u. 2 GG, in welchen das Gmndrecht der
Religionsfreiheit stamiert wird, und Art. 140 des GG in Verbindung mit den Art.
136,137,138,139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung von 1919, die in das
Gmndgesetz aufgenonnmen wurden. Wichtig für das Verhältnis der Religions¬
gemeinschaften zum Staat ist insbesondere Art. 137 WRV.
Man kann das Verhältnis des Staates zu den Religionsgesellschaften oder -
Gemeinschaften - die Ausdrücke werden ohne relevanten Unterschied ge¬
braucht - danach in drei Schlagwörtem zusammenfassen:
a. Trennung von Staat und Kirche, ausgedrückt im Verbot der Staatskirche,
b. Neutralitätspflicht des Staates gegenüber den verschiedenen Religions¬
gemeinschaften,
c. Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften.
Zu a. Das Verbot einer Staatskirche untersagt es, „staatskirchliche Rechts¬
formen" - wie das Bundesverfassungsgericht sich ausdrückt' - also eine orga¬
nisatorische Einheit zwischen dem Staat und einer bestimmten privilegierten
Küche bei tatsächlicher Vorherrschaft des Staates, einzuführen. Das Verbot
bedeutet jedoch keine völlige und vor allem keine feindselige Trennung von
Religionsgemeinschaften und Staat, vielmehr werden den Religionsgemein¬
schaften gewisse materielle Grundlagen und die Freiheit ihres Wirkens ver¬
bürgt, dessen Bedeutung der Staat anerkennt. Das Trennungsprinzip bedeutet
die wechselseitige Unabhängigkeit. Die Kirchen sind gegenüber dem Staat
eigenständig. Die Rechtssphären beider Insdtutionen sind - mehr oder weniger
- scharf gegeneinander abgegrenzt. In ihrem eigenen Bereich arbeiten die
Religionsgemeinschaften mit dem Staat auf der Ebene prinzipieller Gleichheit
zusammen. Die andere Seite des Trennungsprinzips ist die, daß die Kirchen in
ihrem Bereich dem Staat auch nicht unterworfen sind^.
Zu b. Aus Art. 137 Abs. V WRV ergibt sich für den Staat das Gebot welt¬
anschaulicher Neutralität. Er hat den Grundsatz der Parität zu wahren, wonach
alle Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften gleich
behandelt werden sollen. Das ergibt sich nur bedingt aus dem allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 GG, der aber zur Auslegung der KirchenartUcel he¬
ranzuziehen ist. Dennoch ist der Staat nicht gehindert, Differenzierungen bei
der Behandlung der einzelnen Religionsgemeinschaften vorzunehmen, „die
durch tatsächliche Verschiedenheiten der einzelnen Gemeinschaften bedingt
und nicht sachfremd sind"'. So hat der Staat in Gesetzgebung, Rechtsprechung
und Verwaltung Rücksicht zu nehmen auf die gewachsene Tradition der großen
Kirchen und ihre Bedeutung innerhalb der Bevölkerung. Ein Schlagwort, mit
dem Jura-Studenten den Gleichheitssatz verstehen lernen, drückt dies so aus:
„Gleiches soll gleich. Ungleiches ungleich behandelt werden"".
Zu c. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften erstreckt
sich auf „ihre" Angelegenheiten. Was ihre Angelegenheiten sind, ist alles, was nicht staatiiche Angelegenheit ist, also: Feststellung und Verkündung der Leh¬
re; Gestaltung des Kultus; Verfassung und Organisation einschließlich der
Ämterverleihung; kirchliches Dienstrecht; Rechte und Pflichten der Mitglie¬
der; materielle Voraussetzungen des Ein- und Austritts; Ausbildung der Geistli¬
chen und Regelung ihrer Rechtsverhältnise; Vermögensverwaltung; karitative
Tätigkeit'.
1 BVerfGE 19, 206/216.
2 Maunz-Dürig-Herzog, Kommentar z. Grundgesetz, 6. Auflage Rz. 5 f. zu Art 137 WRV.
3 BVerfGE 19, 8; 19, 134.
4 BVerfGE 19, 1/8; 19,129/134.
5 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 9 f. zu Art 137 WRV.
Neben den rein staatlichen und rein kirchlichen Angelegenbeiten gibt es
noch sog. gemeinsame Angelegenheiten, bei denen Staat und Religionsge¬
meinschaften zusammenwirken: es sind u.a. Anstalts- und Militärseelsorge,
Religionsunterricht an öffenüichen Schulen, Erhebung der Kirchensteuer und
das Bestattungswesen*.
Im Rahmen ihres Selbstbesümmungsrechts sind die Religionsgemein¬
schaften befugt, zur Regelung ihrer Angelegenheiten Recht zu setzen, also Ver¬
haltensmaßregeln mit verbindlicher Wirkung für ihre Mitglieder zu geben'.
Eine bedeutsame Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts macht Abs.
III des Art. 137 WRV, der besagt, daß die Religionsgemeinschaften ihre Ange¬
legenheiten innerhalb der für alle geltenden Gesetze zu regeln haben. Die
Bedeutung dieser Klausel ist umsüitten. Eindeutig ist, daß, soweit allgemeine staatiiche Gesetze weltiiche Rechtsfragen behandeln, wie schuldrechtiiche Be¬
ziehungen, Eigentumsverhältnisse etc., die Rehgionsgemeinschaften nicht au¬
ßerhalb dieser Gesetze stehen*.
In Betracht kommen insbesondere strafrechtliche Gesetze, Ordnungs-, Si-
cherheits-, Verkehrs-, Bau- und Gesundheitsvorschriften, die den Zweck ha¬
ben, Störungen der Rechtsordnung zu verhindern'.
Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland also ein Verhältnis des Staa¬
tes zu den Religionsgemeinschaften auf der Eijene grundsätzlicher Gleicht)e-
rechtigung, wobei die zu regelnden Angelegenheiten klar voneinander abge¬
grenzt sind. Die Gemeinschaften können autonom regeln die Lehre, den Kultus
und die innere Organisation, im übrigen ist der Staat zuständig'". Bei Über¬
griffen auf staatliches Gebiet muß die Gemeinschaft mit Sanktionen rechnen,
die bis zum Verbot führen können. Entgegen einer häufig geäußerten Ansicht
schließt das nicht aus, daß die Gemeinschaften sich mit allgemeinen politischen
Fragen im staatlichen Bereich beschäftigen und dazu öffentlich Stellung
nehmen. (Beispielsweise die Erklärungen zur Ost-Politik der EKD)".
Das - relativ - unproblematische Verhälmis von christlicher Kirche - oder besser „christiicher Kirchen" - zum Staat ist das Ergebnis einer tausendjäh¬
rigen Entwicklung. Im chrisdichen Abendland standen sich - im Gegensatz
zum Islam - von Beginn an zwei Machtträger - Kaiser und Papst - gegenüber, und durch das ganze Mittelalter zieht sich die Auseinandersetzung um geistliche
und weltliche Machtansprüche. Das Ergebnis war die Trennung von „tem-
poralia" und „spiritualia" im Wormser Konkordat von 1122 und die Lehre von
6 ebd.
7 BVerwG, NJW 63,1169; Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 17 zu Art. 137 WRV.
8 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 19 zu Art. 140 GG; Grundmann, Bay.VerwBl. 62,34; Maunz, Bay.VerwBl. 68, 3; Mikat, Gmndrechte lV/1, 178.
9 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 22 zu Art. 137 WRV.
10 BVerf'GE 18, 385/386.
11 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 55 zu Art. 140 GG.
den zwei Schwertern -dem geisthchen und dem weltlichen -, gestützt auf Lucas Kap. 22 Vers 38. Der Ausgleich zwischen Kirche und Staat war schon zu Beginn
der Reformation erzielt und fand letzüich seinen endgültigen Niederschlag in
den Weimarer Kirchenartikeln.
Dieser staatlichen Ordnung tritt nun eine Religion gegenüber, der aus ihrer
Tradition die Trennung von staatlichem und religiösem Bereich unbekannt ist:
Der Islam. Die islamischen Glaubens- und Verhaltensregeln erfassen alle
Bereiche des Lebens, auch den nach unserem Verständnis rein rechtlichen Teil.
Regelungsbereiche, die nach unserem Staats- und Religionsverständnis allein
Angelegenheit des Staates sind, sind für den Muslim religiöse Vorschriften,
„Heiliges Recht" und Ausdruck des göttlichen Willens.
Kollidieren diese ,/eligiösen" Rechtsvorschriften nun mit unserem staat¬
lichen Gesetz, so hat nach unserem Staats- und Verfassungsverständnis das
staatliche Gesetz den Vorrang, befiehlt die Befolgung seiner Vorschriften und erklärt eventuelle Akte der religiösen Gemeinschaft zur Durchsetzung der Reli¬
gionsvorschrift für nichtig. Die Religionsgemeinschaft hat nicht „ihre" Angele¬
genheit geregelt, sondem die des Partners, des Staates, und das ist ihr verboten.
Rechtssetzungs- und Exekutivakte, welche die Sphäre des Staates tangie¬
ren, darf die Gemeinschaft nicht vomehmen.
Die mushmischen Glaubensgemeinschaften in der Bundesrepublik
Deutschland müssen sich also damit abfinden, daß wesentliche Bestandteile ihres religiösen Selbstverständnisses hier nicht verwirklicht werden können.
Ergänzend ist noch anzumerken, daß die Konkurrenz zwischen staatlichem
und kirchlichem Machtanspmch, soweit diese Termini überhaupt anwendbar
sind, in den islamischen Staaten erst mit der Entstehung islamischer National¬
staaten und der Übemahme abendländischer Völker- und staatsrechtlicher Prin¬
zipien Ende des letzten und zu Beginn dieses Jahrhunderts überhaupt zum
Problem wurde. Der Konflikt wurde in jüngster Zeit akut in den „Re-lslami- siemngsbewegungen", die z.B. im Iran wieder zu einer theokratischen Verfas¬
sung geführt haben, und in Ägypten dazu, daß im Mai des Jahres 85 das
Parlament beschloß, Gesetzesbestimmungen, die der Scharia widersprechen, nach und nach abzuschaffen (vgl. Die Zeit, Nr. 20, 10.5.85, S. 8).
2. Probleme für den einzelnen Muslim - aber auch für die deutschen Be¬
hörden - können auftreten, wenn eine islamische Verhaltensvorschrift gegen
deutsches Recht verstößt. Davon sind keineswegs nur Muslims betroffen. Ich
erinnere an die Zeugen Jehovas und die Fundamentalchristen, die jeglichen
Wehrdienst ablehnen und für ihre Überzeugung ins Gefängnis gingen.
Der Koran gebietet z.B. -mit den bekannten Ausnahmen -, nur Fleisch von
geschächteten Tieren zu verzehren. Schächten ist das Schlachten von Tieren
ohne vorherige Betäubung zum Zwecke des Ausblutens. Auf der anderen Seite
verbietet §4 des deutschen Tierschutzgesetzes die Tömng von Wiriaeltieren
ohne vorhergehende Betäubung, und stellt Zuwiderhandlungen unter Strafe.
Das Schächten ist für den Muslim eine kultische Handlung - denken Sie
besonders an das Tieropfer -, also eine Form der Religionsausübung und hier¬
über sagt Art 4 Abs n GG:
Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
Das einfache Gesetz, das das Schächten verbietet, scheint hier dem Grund¬
gesetz zu widersprechen. Innerhalb seiner Schranken ist es jedoch verfas¬
sungskonform. Nach dem Wortlaut des Grundrechts sind keine Schranken ge¬
setzt. Daß es jedoch nicht schrankenlos gilt und jede Form der Religions¬
ausübung geschützt wird, dürfte klar sein. Eine Grundrechtsschranke läßt sich
auch nicht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. IH WRW entneh¬
men, wonach die Religionsgesellschaften ihre Angelegenheiten innerhalb des
für alle geltenden Gesetzes regeln, denn diese Vorschrift gilt nur für die Re- ligionsgemeinschaften, nicht jedoch für das individuelle - nur die Rechte der
einzelnen Person schützende - Grundrecht des Art. 4 GG'^.
Bei den schrankenlosen Gmndrechtsgarantien definiert man die tatsächlich
vorhandenen Schranken - in der Begründung verschieden, im Ergebnis gleich
- damit, daß - um mit dem Bundesverfassungsgericht zu sprechen - die Gren¬
zen dieses Grundrechts der ungestörten Religionsausübung durch kollidie¬
rende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete
Rechtswerte mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr
geschützte Wertordnung liestimmt werden. Derartige verfassungsrechtliche Grundsätze könnten hier der christlich-abendländische Grundsatz sein, daß der
Kreatur keine vermeidbaren Qualen zugefügt werden sollen; (Jedoch - nach §
9 Tierschutzgesetz ist es erlaubt, Experimente mit lebenden Tieren ohne
Betäubung vorzunehmen! !!) eventuell der Schutz der Menschenwürde oder das
„Sittengesetz"".
- In diesem Zusammenhang ist interessant, daß im Jahre 1982 das Bay¬
erische Innenmmisterium ein Gutachten der Geistlichen Zentrale des Islams an
der Universität Kairo einholte, über die Frage, ob das Schächten eine religiöse Notwendigkeit sei. Kairo erklärte, es sei mit der islamischen Glaubenslehre vereinbar, Schafe vor dem Entblutungsschnitt mit Elektroschock zu betäuben.
„Wenn der elektrische Strom nur zu einer Betäubung des Tieres führt, dieses
sofort geschlachtet wü-d und von ihm Blut herausfließt, ist der Verzehr des
Fleisches erlaubt". -
3. Zum Abschluß möchte ich noch auf ein Thema eingehen, das - um den
Titel eines Aufsatzes zu zitieren'" - unter dem Schlagwort „Religion im Hin-
12 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 19 ff. zu Art. 137 WRV.
13 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 111 ff. zu Art. 4 GG mwN.
14 Im Namen Allahs, Hrsg. A. Buchholz u. M. Geiling, 1979, S. 129 ff.
terhof ' Schlagzeilen gemacht hat. Gemeint ist die Anerkennung muslimischer
Glaubensgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Art. 137 Abs. V WRV sieht vor, daß Religionsgesellschaften, die noch nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, auf Antrag der Körperschafts¬
status verliehen wird, „wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer
Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten".
Was hat es nun mit der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen
Rechts auf sich?
Gemäß Art. 137 Abs. IV WRV erwerben Religionsgesellschaften die
Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts,
d.h. sie werden nach Vereinsrecht gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch be¬
handelt - Verein ist, im weitesten Sinne gemeint, nicht nur der Sport- und Tra¬
ditionsverein, sondem auch die weltanschauliche Gemeinschaft -.
Als sog. „Idealverein", d.h. „eingetragener Verein", sind denn auch fast alle
muslimischen Glaubensgemeinschaften hier organisiert. Die Rechte und
Pflichten nach dem Gmndgesetz stehen den Gemeinschaften - abgesehen von
einigen noch zu erwähnenden Sonderrechten - unabhängig von ihrem even-
tueUen Status als Körperschaften des öffendichen Rechts zu.
Körperschaften des öffentlichen Rechts „sind solche Vereinigungen mit
öffentlich-rechüichem Rechtscharakter, die zur Erfüllung von gemeinsamen
Aufgaben mitgliedschaftlich organisiert sind und ein Sozialgebilde als Substrat dieser Rechtsgestalt haben"". Sie nehmen in der Regel im Rahmen der sog.
mittelbaren Staatsverwaltung staadiche Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln
unter Aufsicht des Staates wahr, wie z.B. die Rechtsanwalts- und Ärztekam-
mem und die Öffentlichen Krankenkassen. Dies gilt jedoch nicht für die
kirchlichen Körperschaften. Sie nehmen keine staathchen Aufgaben wahr, ihr
Körperschaftsstatus bedeutet lediglich die staatliche Anerkennung ihres
Rechtscharakters und die Berücksichtigung ihres Wirkens im öffentlichen
Raum sowie eine gegenständlich beschränkte staadiche Rechtsaufsicht. Auf
jeden Fall wirken sie im öffentlich-rechtlichen Bereich.
Mit dem Körperschaftsstatus sind gewisse Privilegien verbunden, wie das
Recht der Steuererhebung, die Organisationsgewalt und die Dienstherreneigen¬
schaft sowie verschiedene Vorzugsrechte im Bau- und Sozialrecht.
Die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts werden einer Reli¬
gionsgemeinschaft auf Antrag von einer Landesregiemng - die Statusver¬
leihung ist nach dem Gmndgesetz Ländersache - verliehen, wenn die Gemein¬
schaft nach Art. 137 Abs. V WRV „durch ihre Verfassung und die Zahl der
Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet". Darüber hinaus wird noch organi¬
satorische Selbständigkeit der Gemeinschaft gefordert, was ausschließt, daß
Einflußnahmen auf die autonome Rechtssetzung und Organisation von
15 Maunz-Dürig-Herzog, Rz. 25 zu Art 137 WRV.
außerhalb, insbesondere aus dem Ausland, möglich sind. Hier spielt die tür¬
kische Religionsbehörde „Diyanet Isleri Baskanligi" eine Rolle, die eine Art
„Kirchenregiment" über die türkisch-muslimischen Gemeinden in der Bundes¬
republik führt, indem sie beispielsweise die „Imame" zu den einzelnen Ge¬
meinden sendet'*.
Eine derartige Einflußnahme auf die inneren Angelegenheiten von außer¬
halb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes ist mit der partnerschaftHchen
Stellung einer deutschen Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber dem
Staat „Bundesrepublik Deutschland" unvereinbar.
Bislang sind Anträge mushmiseher Religionsgemeinschaften auf Anerken¬
nung als Körperschaften des öffentlichen Rechts an der - angebhch - „man¬
gelnden Gewähr der Dauer", wie die Verfassung sie fordert, gescheitert. Es wird von Seiten der Behörden argumentiert, daß die Mitglieder der Gemeinschaften
ganz überwiegend Ausländer sind, deren Verbleib in der Bundesrepublik
Deutschland zeitlich begrenzt ist, und daß infolgedessen auch eine dauerhafte Organisation nicht gewährleistet ist. Im übrigen wird auf die weitgehende Zer¬
splitterung der Gemeinschaften verwiesen.
Bemerkenswert erscheint, daß die muslimischen Glaubensgemeinschaften, die den Antrag auf Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft gestellt haben, in erheblichem Ausmaße Abstriche an ihrem rehgiösen Selbstverständ¬
nis vorgenommen haben. Nach dem oben über das Staatskirchenrecht der
Bundesrepublik Deutschland Gesagten müssen die Gemeinschaften bei der
Antragstellung auch in ihren Satzungen, die einzureichen sind, erklären, daß sie
die staatskirchenrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland mit all
ihren Beschränkungen anerkennen.
Einer der Gründe für das Streben nach dem Status der öffentlich-rechdi- chen Körperschaft dürfte neben dem berechtigten Wunsch nach Gleichstellung mit den in Deutschland traditionell großen Kirchen auch ein ganz außerhalb der
verfassungsrechüichen und religiösen Problematik liegender sein, nämlich das
Ziel der Integration der ausländischen Muslims in die deutsche Gesellschaft.
Das wurde expressis verbis ausgesprochen in dem Antrag der Süleymancüik-
Bewegung vom 1. März 1979 auf Anerkennung als öffentlich-rechtliche
Körperschaft. Derartige Integrationsbemühungen und auch die öffentlich-
rechüiche Anerkennung werden jedoch aufs entschiedenste von den mus¬
limischen Fundamentalisten als „Verrat am Islam" abgelehnt".
16 Blumenwitz, Aufenthaltsgenehmigung f. Imame in Deutschland. Cibedo-Texte Nr. 35,15.
Sept. 85.
17 Im Namen Allahs, S. 131.
ZUR BILDUNG DER VERBALSTÄMME
IN DEN ÄGYPTISCH-ARABISCHEN DIALEKTEN:
DER n. UND DER HI. STAMM.
Von Manfred Woidich, Amsterdam.
In dem vor einiger Zeit erschienenen Dialektatlas von Ägypten (Behnstedt-
Woidich (1985)) sind eine Reihe interessanter Karten zu allen Gebieten der
Grammatik und des Lexikons des Ägyptisch-Arabischen enthalten. Zu den
wichdgsten Karten auf dem Gebiet der Morphologie zählen hierbei diejenigen zur Bildung der Verbalstämme (Nr. 226-261), zeigen sie doch, daß in Ägypten
eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Bildung derselben zu fmden ist. Hier
sollen nun diese kurz beschrieben und dann ihre Verteilung auf die Dialeküand- schaften des Niltals und des Nildeltas näher betrachtet werden. Dabei soll auch die Frage diskutiert werden, ob die dialektgeographische Verteilung etwas über
die historische Entwicklung aussagen kann. Ausgegangen wird bei der Klassi¬
fizierung der Systeme vom II. Stanmi, der, wie sich zeigt, einen Angelpunkt darstellt, von dem aus sich eine Reihe weiterer Fakten ableiten lassen.
Welche Kriterien werden herangezogen, um die Bildung des II. Stammes zu
beschreiben? Es sind deren zwei, einerseits die AUomorphie der Flexions¬
basen, und zwar deren Art überhaupt, sowie die Zahl der Allomorphe, und an¬
dererseits die Implikationen, die sich aus der Art der AUomorphie ergeben. Was
die AUomorphie betrifft, so stellen wir dazu die folgenden Fragen: Gibt es
Allomorphe, die sich dadurch voneinander unterscheiden, daß die Endsilbe der
Flexionsbasis ein lad-, bez. ein Hl enthält? Wenn ja, hat diese Alternation eine
morphologische Konditionierung, d.h. dient sie dazu ein Perfektallomorph von
einem Imperfektallomorph zu unterscheiden? Gibt es eine andere Konditio¬
nierung? Erstreckt sich die AUomorphie auch auf die erste Silbe der Flexions¬
basis, so daß sich mehr als zwei Allomorphe ergeben? Was die Implikationen betrifft, so lautet hier die Frage: In wie weit lassen sich, die Kennmis der Formen
des II. Stammes vorausgesetzt, die Formen anderer Verbalstämme vorher¬
sagen?
BeQ"achten wir unser Dialektmaterial aus Ägypten (s. Tabelle) und teilen es gemäß den obigen Fragen ein. Wenn wir die Formen des III. Stainmes gleich mit
berücksichtigen, kommen wir zu den folgenden sechs Gmppen von Dialekten
(s. Karte):
A: kallam - yikallim, also zwei Allomorphe mit der Altemation la,i) in der End¬
silbe, und zwar laj beim Perfekt und /// beim Imperfekt. Die beiden
Allomorphe sind morphologisch konditioniert. Dies impliziert beim III.
Stamm seine ebensolche AUomorphie mit morphologischer Konditionie-