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Referat über die Transcriptionsfrage.
Von Albert Socin.
Wie au.s dem ProtocoUarischen Bericht über die General¬
versammlung zu Bonn (ZDMG. 47, XXIII ff.) ersichtlich ist, wurde
damals auf meinen Antrag hin eine Commission gewählt, die über
die Regelung der Transcriptionsfrage Bericht erstatten sollte. Da
die in meinem Brief an Prym auseinandergesetzten Gründe, welche
mich zu der Stellung des Antrags bewogen, in dem genannten
Bericht nicht wiedergegeben sind , so muss ich mir erlauben , hier
etwas weiter auszuholen und die Veranlassung zu jenem Schritte
in kurzen Worten darzulegen.
Es ist im Grunde höchst gleichgiltig, in welcher Weise die
semitischen Lautzeichen umschrieben werden, ob griechische Buch¬
staben, Zusätze wie h oder Striche und Punkte zur Unterscheidung
. . ^
der Laute , welche unsere Sprache nicht besitzt , gewählt werden.
Im Allgemeinen hat sich jedoch in unserer Zeitschrift früh ein
bestimmtes System, das auf dem letztgenannten Princip beruhte,
herausgebildet, so dass von einem Transcriptionsalphabet der DMG.
in der That seit langer Zeit gesprochen werden konnte. Die Haupt¬
sache war dabei die einheitliche Durchführung dieser Transcription ;
wenn der eine ^ mit kh oder k'^, der andere mit q, der dritte
mit k bezeichnete, so lag die Gefahr nahe, dass wie z. B. in Ritter's
Asien dieselben Namen im Register an verschiedenen Stellen auf¬
geführt wurden. Aus diesem Grunde musste die Redaetion oder
wenigstens der Corrector, wie dies in jeder anderen Zeitschrift
geschieht , dafür sorgen , dass das adoptirte System durchgeführt
werde. Es ist wohl keine Indiscretion , wenn hier berichtet wird,
dass diese Durchführung in den letzten Jahi-en häufig mit grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte; bisweilen bestand der Autor
eines Artikels bei der zweiten Correctur hartnäckig auf seiner
Transcriptionsmethode, woraus der Casse der Gesellschaft bedeutende
Satzkosten erwuchsen. Alle diese Gi'ünde bewogen mieh , den er¬
wähnten Antrag zu stellen.
Es handelt sich hierbei zunächst und wesentlich um Schrift¬
transcription. Bei der Umschreibung der Laute moderner
1 i
Socin, Referat Uber die Transcriptionsfrage. 181
Dialecte wird wohl dem Belieben des Einzelnen ein grösserer Spiel¬
raum belassen werden müssen ; da mag schliesslich jeder die Zeichen
wählen, welche ihm am besten zusagen, obwohl auch hier ein ge¬
wisser Anschluss an unser System erwünscht wäre. Auch gieng
der Antrag zunächst nur auf bestimmte Regelung der Transcription
der semitischen Sprachen, wobei freilich auch das Neupersische
und Türkische in Erwägung zu ziehen waren. Der Antrag wurde
von der Generalversammlung dahin erweitert, dass auch das Sanskrit
mit berücksichtigt werden sollte ; dazu wurde Bühler gewählt.
Ich wurde zum Vertrauensmann für die semitischen Sprachen be¬
stimmt und ausserdem uns Windisch als drittes Mitglied der
Commission beigesellt.
Eine Verständigung zwischen Indogermanisten und Semitisten
schien freilich von vornherein ausgeschlossen. Nachdem ich erfahi-en
hatte , dass die Sanskritisten ihre Vorschläge mehr oder weniger
festgestellt hatten, war ich im Begriffe, auch die für das semitische
Alphabet, gänzlich auf der Basis des bisber Gebräuchlichen, auf¬
zustellen. Ende April 1894 erhielt ich jedoch einen Brief von
Rhys Davids, der mich benachrichtigte, dass die Asiatische Gesell¬
schaft in London eben mit der Transcriptionsfrage beschäftigt sei,
und den Wunsch ausdrückte, dass wir uns bei dieser Gelegenheit
einigen möchten. Die Polge der sich daran knüpfenden Cor¬
respondenz mit dem genannten Herrn , sowie mit Colonel Plunkett
und Barbier de Meynard war, dass wir die Entscheidung der Frage
bis zum Genfer Orientalistencongress vertagten ; vgl. darüber den
ProtocoUarischen Bericht der Generalversammlung zu Basel in
ZDMG. 48, XXIII.
In der That wurde das Thema der Transcriptionsfrage auf
die Tractanden des Congresses gesetzt und sofort in der ersten
Sitzung eine Commission gewählt; für die semitischen Sprachen
wurden Barbier de Meynard, de Goeje, Plunkett und der Schreiber
dieser Zeilen gewählt.
Der Rapport de la Commission de Transcription , welcher in
den Actes du X Congrfes international des Orientalistes session de
Genfeve erscheinen wird, liegt bereits gedruckt (bei Brill in Leiden) vor.
Bei einer internationalen Commission sind Compromisse selbst¬
verständlich. Was festgesetzt wurde , sind zunächst Wünsche und
Vorschläge ; wenn die verschiedenen Gesellschaften alle auf dieselben eingiengen, wäre die Einheit, die dadurch erzielt wäre, allerdings
eine höchst erfreuliche und die Wissenschaft fördemde. Auch die
Commission für das Transcriptionsalphabet der semitischen Sprachen beschloss, vollständig unabhängig von der für die indogermanischen Sprachen bestimmten vorzugehen. Die hauptsächlichsten Abweichungen
von unserem bisherigen System würden darin bestehen, 1) dass alle
diakritischen Zeichen einheitlich unter die betr. Consonanten gesetzt
werden sollen, 2) und dass für consonantisches y angewendet
wird. Einen Haupterfolg hat dagegen die deutsche Methode bei
182 Socin, Referat über die Transcriptionsfrage.
der Darstellung der Vocale zu verzeichnen. Wir lassen nun die
vierzehn Artikel, in welche die Vorschläge zerfallen, folgen:
1. — o< — ^Ä- — c> d — ^ r — — —
uo s — ..J f — 'Ji q — ,£k — .^1-— — o ~
3> h — ■ <J p.
2. Für wird j empfohlen, doch dj gestattet.
(i.
3. Für d; doch ist 2 in Indien gestattet.
4. Für t ; für Ja z. Dies um das in Indien befolgte
Princip zu wahren ; anderswo würden t und z genügen.
5. Für als Consonant y (als Concession an die Engländer
und Franzosen).
6. t im Beginn eines Wortes bleibt unbezeichnet; in der
Mitte oder am Ende eines Wortes wird durch ' wiedergegeben.
7. p ' über der Zeile.
S. Cj i — ^ h — 3 (l — Jii s — ^ — j z — ^ c;
doch sollen th kh dh sh gh zh ch gestattet sein.
In Indien sollen s für , z für ö gestattet sein.
9. ^ als Consonant w.
10. ^ im Persischen, Hindustani und Türkischen g. — In
türkischen Büchem , die für Anfänger bestimmt sind , soll k an¬
gewendet werden, wenn ^ als y gesprochen wird.
11. Türkisches Js' ii.
12. Die Hindi- und Puschtu-Zeichen o oder t;^ t — ö oder
od — j oder ^ r — g tv — ^ g — ^ « — ^ ksh.
13. Das j des Artikels ^^! soll stets mit ^ umschrieben werden.
14. Vocale JL a, i, _'_ u; \J- ä, *, ü. eundo
(für i nnd ü) können in den Sprachen angewendet werden, in denen
dies nöthig erachtet wird ; ebenso werden ü und ö in türkischen,
e und ö in indischen Dialekten angewendet. — Die sogenannten
o - o -
Diphthonge ^ — und ^ — sollen durch ay und aw wiedergegeben
werden.
Diese Vorschläge der Commission werden nun wohl noch der
nächsten Generalversammlung unserer Gesellsehaft vorgelegt werden
müssen. Unser Vorschlag würde dahin gehen, vom 51. Bande
unserer Zeitschrift an die neue internationale Transcription an-
Soein, Referat über die Transcriptionsfrage. 183
zunehmen , bis dahin aber möglichst genau die bisher beliebte
Transcription zu beobachten.
Einer gewissen Ergänzung bedürfen übrigens obige Vor¬
schläge noch hinsichtlich anderer semitischer Sprachen, speciell des
Hebräischen. Was die Vocale betrifft, so wäre wünschbar, dass
auch in diesen Sprachen alle Längen durch übergesetzten Strich (ä), nicht wie bisher vielfach geschah , durch ' {d) bezeichnet würden.
Die Chatefvocale des Hebräischen wären am besten durch über¬
gesetztes also ä, e, ö, das Schwa durch Setzung über die Zeile
(also wie z. B. in bariik) zu bezeichnen, die Aspiraten durch Bei¬
fügung von h. n und werden wohl einheitlich durch h (s. o.)
wiederzugeben sein. Andere Detailfragen, wie die des äthiopischen Alphabetes sind vorläufig ohne Belang.
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Anzeige.
The Astängahrdaya. A (Jompendium of the Hindu
Medicine composed by Vägbhata with the Commentary
of Arunadatta. By Anna Moresvar Kunte B.A.M. D.
Vemonstrator of Anatomy etc. 2. Ed. Bombay 1891.
gr. 80. 29. 588 pp.
Das Buch, das in stattlicher Ausgabe hier vorliegt, gehört zu
den verbreitetsten medizinischen Lehrbüchern Indiens. Von seinem
Verf. Vägbhata, Sohn des Sinhagupta und Enkel eines Vägbhata,
von dessen Stanimland und Epoche weiss man nichts. Der Vf.
hält ihn für einen Buddhisten und setzt ihn ins erste oder zweite
Jahrh. v. Chr. Udoy Chund Dutt in seiner Materia medica be¬
zeichnet das Werk als eine methodisch geordnete Compilation aus
Caraka und Susruta. Ich glaube er thut ihm damit unrecht;
Vägbhata , der sich übrigens mehr an Susruta hält , ist nicht so
unselbständig.
Von dieser Astängahrdayasamhitä d. i. der Zusammenfassung
des Hauptinhalts der acht Glieder der Medizin hat schon 1882
der bekannte Pandit Jibänand in Caleutta eine brauchbare Ausgabe
gedruckt. Die acht Glieder: Salya, Säläkyu u. s. w. sind wohl
die älteste Eintheilung der medizinischen Disciplinen; sie werden
z. B. in der Einleitung zu Susruta, Härita aufgezählt und definirt,
aber weder von diesen noch von Caraka in ihren Werken selbst
durchaus festgehalten.
Der beigegebene Commentar, mit kleiner Schrift zwischen
die Verse eingeschaltet , was für den Gebrauch bequem ist . führt
den Titel Sarvasundarä und hat zum Vf. Arunadatta den Sohn
des Mfgänkadatta. Es existirt ausserdem eine Erklärung von He¬
mädri (circa 1280 n. Chr.), welche den Titel Ajnirvedarasäyana
führt. Der Herausgeber ist wohl derselbe Gelehrte, welcher im
J. 1877 in Bombay eine Ausgabe des Caraka begonnen hatte, die
leider stecken geblieben ist. Ich glaube sagen zu können, dass die
vorliegende Arbeit correcter ist als jene . obschon es manches aus¬
zustellen giebt. Beispiele aus cap. 8 und 9 des Uttaram, die von
den Krankheiten des Augenlids handeln, mögen zeigen, wo es fehlt.
Ich besitze für dieses letzte Buch eine Handschrift aus Achmadabad vom Ende des 16. Jahrh. und die hiesige Universitätsbibliothek
hat ein Stück des Aninadatta in kascbmirischer Schrift.