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Morgenländisch oder abendländisch? Forschungen
nach gewissen Spielausdrücken, Von
E. Himly.
Wemi man die Prage nach dem etwaigen morgenländischen
Ursprnnge von Spielen anfwirft, so muss das Schachspiel selbst¬
verständlich davon ausgeschlossen sein, da sein indischer Urspmng
so gut wie feststeht. Es ist auch nicht sowohl dieses, als das
Kartenspiel, dessentwegen ich hier diese Prage aufwerfen möchte.
Es kann sich also nur nm den zweiten Theil der Ueberschrift
handeln, wenn ich hier im Anschlüsse an frühere Forschnngen zu¬
erst wieder auf das Schachspiel zurückkomme. In meinem vor
Kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Aufsatze nämlich (Bd. XLI,
S. 461 „Anmerkungen in Beziehung auf das Schach- und andere
Brettspiele") hatte ich meine Bekehmng von der Ansicht zugestanden,
als ob dieses Spiel auch möglicherweise ans Kambodscha stammen
könnte, und bin nun im Stande, so zu sagen von Ort und Stelle
ans den Nachweis des vorderindischen Ursprunges des Weiteren zn
unterstützen. Damals konnte ich (S. 470) den Sanskritnamen Na¬
tura n g a nur bis Birma weiter nach Osten verfolgen ; seit ich aber
vor Kurzem Gelegenheit hatte , mich einiger von Kambodscha und
seiner Sprache handelnden Werke zu bedienen, habe ich mich über¬
zeugt, dass auch dort Namen und Sache nachzuweisen sind. So
sagt Aymonier in seinem dictionnaire khm6r (S. 181) unter trang
in Beziehung auf den Ausdmck chhöeu träng, in welchem
chhöeu sonst = „Holz" wUre, dass er aus öadorang verderbt sei ;
leng chhöeu trang ist= „Schach spielen", kedä chhöeu
trang (mit kedä „Brett") = „Schachbrett", känn chhöeu trang
„Schachfiguren" (käun „Sohn", inM our a's „vocabulaire cambodgien'
geschrieben cön, womit das annamische kon kö in meinem oben
angeführten Aufsatze S. 470 zu vergleichen). Die Schreibweise leng
für „spielen" findet sich in Janneau's manuel pratique de la langne
cambodgienne S. 107 auch in Beziehung auf eine Reihe anderer
Spiele von theilweise chinesischem Ursprnnge vneder und erinnert
noch mehi: als die von Moura angenommene Schreibweise ling an
416 Himly, Morgenländisch oder abendländisch?
das siamische 1 S n von gleicher Bedentnng ; so hat Janneau 16 n g
biör jouer aux dominos", Aymonier spricht hingegen das r nicht
aus und hat b i 6 „cauris , coquillages , dominos' , was entschieden
auf das siamische bia „Muschel, Bauer im Schachspiel" und Ign
bia „Würfelspiel" (bei Moura, a. a. 0. „ cartes") hinweist.
Meura sagt in seinem „royaume du Cambodge" (I, S. 391):
„Fast alle Beamte spielen Schach. Wie man sieht, ist dieses ein
„in der Welt weit verbreitetes Spiel, da es in Europa sehr bekannt
„ist und man es in Indien, Thibet, in der Mongolei, in Indo-China,
„Annam nnd China spielt. Das kambodschische Schachbrett ist
„dem unsrigen ähnlich; es ist ein in 64 Felder getheiltes Brett.
„Jeder Spieler hat 8 Stücke (pifeces = „Offiziere") und 8 Banern.
„Die „Stücke" sind: 1 König, 1 Königin, 2 Springer,
„2 Feldherren in Gestalt von Thürmen(!) nnd endlich
„2 Böte anstatt zweier Läufer. Die 8 anderen Stücke sind ein-
„fach Bauem, welche die Khmfer mit dem Namen „Fische"(!) be-
„zeichnen. Das Spiel besteht darin, dass man den Gegner hindert,
„dem sdach („König") Schach zu bieten, und wird beinah wie in
JEnropa gespielt". Der gewöhnliche Ausdruck für „Fisch" ist trey;
das wahrscheinlich anf das sanskritische matsya zurückzuführende
michha ist weniger im Gebrauch. Leider giebt Moura nur sdach
als Stücknamen an. Das „Boot" findet sich im siamischen rüa u. s. w.
wieder. Sie könnten an Lanka und das Bamäyana (wie auch die
Fische?) erinnern, wie auch die „Thürme" an die ratha („Wagen")
genannten Bauten des Ceylon gegenüberliegenden Theiles von Indien,
und mit ihrer Bedeutung als „Feldherren" an die mubäriz (ratha
1) curms 2) heros. Bopp gl.) im Schähnämfeh erinnem, während
die „Königin" schwerlich wörtlich zu nehmen sein dürfte. Bekannt¬
lich sind es namentlich Auftritte aus dem Rämäyana, welche die
Bildhanerwerke von Angkor Vat darstellen; und wenn auch die
von Moura gehörte Ueberlieferung, dass der die nach ihm späteren
Buddha-Bauten begrenzende Hof zu Schachspielen gedient habe,
späterer Zeit entstammen mag, so hat doch diese indische Helden¬
dichtung sich zu tief in Kambodscha eingebürgert, nm nicht hier
einen tieferen Zusammenhang zu vermuthen '). Andererseits ist die
dortige Vermischung der Buddhalehre mit dem Brahmathnm zn
gross , um etwaige Beziehungen zu dem auch hier verbreiteten
weltbürgerlichen Mährchenkreise auszuschliessen. Unter den unter
anderm Namen anch in Annam verbreiteten Erzählungen und
Schwänken des Thmenh Tschei, einer Art hinterindischem Eulen-
1) Vgl. Räma auf einem vom Vogel Garudha gezogenen Wagen, den
Namen roka für den Habn im kambodschiscben Zwölfjahrekreise, dem gegen¬
über wieder roka „Boot" und ruch maurisch = Wagen. Man könnte auch an die sUdindische Fischerkaste denken. Im Mandschu ist nisi ha „Fisch" = Spielkarte. Die englischen fishes = Spielmarken sind wohl aus franz. fiches entstanden? Man vergleiche auch malaiisch kiya „Spielkarte", kiya-kiya
„Art Fisch".
Himly, Morgenländisch oder abendländisch t
Spiegel, kommt eine ganze Reihe von Räthselfragen vor, vfelche
chinesische Gesandte dem Könige von Kambodscha vorzulegen
kommen und deren Gewinn die Lehnsherrlichkeit über das unter¬
liegende Land sein soll (s. Aymonier, Textes khmßrs S. 20—30 der
französischen Bearbeitung). Ich wurde beim Durchlesen sofort an
die Räthselfragen am Hofe des Chosru NnSirwän im Schähnämeh
erinnert, fand aber eine Anspielung auf das Schachspiel nnr an
einer andem Stelle dieser Erzählungen wieder, wo Thmenh Tschei,
der den Befehl erhalten hat, seinem königlichen Herm mit einem
Pferde in den Wald zu folgen, kein Pferd hat auftreiben können und
mit einem Pferde oder Springer des Schachspieles in der Hand
nach langem Warten erscheint, nach Enlenspiegel-Art sich auf die
wörtliche Auffassung des Befehles bemfend. Wie nach dem Schäh¬
nämeh ein Austausch des Schachspieles und des Nerd zwischen
Persien nnd China, so findet in diesen Erzählungen ein solcher anf
andere Weise durch Thmfenh Tschei statt, welcher die Nudeln nach
China und die Papierdrachen von dort nach seiner Heimath in
Kambodscha bringt. Vielleicht wird man später doch noch unter
diesen Räthselfragen das Schachspiel finden, da es sich hier vor
der Hand nnr um mündliche Ueberliefemngen nnd zwar ^vielleicht
nur eines Erzählers handelt. Schon die Geschichte der Swei
(519—618) berichtet von einem schon vom Grossvater her mäch¬
tigen K§atriya-Könige von Kambodscha Namens T§i-to-ssg-na (Dscht-
tas6na?) und seinem Sohne I-Sö-na (vgl. 1 9 an a -Varman mit der
Jahreszahl 626 bei Aymonier, Exc. et Reconnaissances VIII, S. 277),
von dem Götzen Po-to-li (Parvati) mit seinen Menschenopfern, der
Verbreitnng der Buddhalehre und der des Tao (Dschaina's?) nebst
der Gesandtschaft, die im Jahre 617 nach China ging, unter Lin-I
(dem spätem Tschampa) aber, dass dort die Einwohner Bnddhisten
seien nnd mit Indien gleiche Schrift besässen, unter mehrfacher Er¬
wähnung von Brahmäcarya (fan-tschi) und des (sonst südindischen)
Gebrauches der Beisetzung (der Asche) in goldenen Gefässen. Zum
Ueberfluss fehlt auch der S u - k o genannte Zucker nicht im dama¬
ligen Kambodscha, dessen Name ja gleichfalls aus Südindien stammt.
Wenn wir also nicht auf Buddhaghosha zurückgehen wollen, so
bleibt uns als wahrscheinliche Zeit der Einführang des Mährchen¬
kreises immer noch die hierin vielgeschäftige Zeit Nuschirwän's
übrig.
Nachdem ich mich schon lange vergeblich abgemüht hatte,
einigermassen verlässliche Anzeichen für den morgenländiscben Ur¬
spmng der Spielkarten au&nfinden, sind mir nnnmehr aus Spanien
unwiderlegliche Beweise gegen den französischen Urspmng und für
das frühere Auftreten derselben im östlichen Spanien durch Brunet
y Bellet's Werk ,lo joch de naibs, 'naips 6 cartas" (Barce¬
lona 1886) bekannt geworden. S. 90 dieses Werkes ist nach Segura's
,Costnms de Catelnnya" (Jochs Florals de Barcelona de 1885 p. 247)
nnter dem Jahre 1303 vom Verkaufe des Rechtes der tafnreria,
Bd. XLIU. 27
418 Hindy, Morgerdändisch oder abendländisch?
d. h. des Bechtes der Verbreitung der dort aufgezählten Spiele die
Rede, worunter rescha und viralla als Namen solcher vorkommen.
Hierzu ist nach S. 88 zur Erläuterung ein Spielverbot von 1585
zu vergleichen, welches sich in den ,Constitncions de Catalunya'
(lib. IX, tit. XVI § 4) findet: ,Y tambe statuim y ordenam que
entre lo joch de cartas önayps sia perpetuament prohibit lo
joch de la cartilla, "y lo de la gresca y de la dobladilla ö
qnaranti sots las mateixas penas*. Naip es ist der jetzt seit Jahr¬
hunderten gewöhnliche Ausdmck für Karten in Spanien, vir all a
scheint das gleichbedeutende b a r a j a zu sein , da diesem in Kata¬
lonien baralla entspricht. Nach einer Anmerkung des Verf. ent¬
sprechen bar all a und gresca dem kastilischen rina „Streit'*).
Ebenda ist ein Verbot ans Ibiza aus dem 14. Jahrhundert erwähnt,
dnrch welches die „casas de joch deGrescay Tafureria' verboten
wurden. Daran sehliessen sich verschiedene im städtischen Archiv
von Barcelona aufbewahrte Verbote von gresca und riff a (vgl.
Alfons: rifa) aus den Jahren 1310-13, 1318—19, 1321—22,
1338—39, 1357—58, das der gresta aus dem Archive des König¬
reichs Aragonien von 1391, der naips von 1378—1399 *), in welche
Zeit (1379) die angebliche Einfühmng der naib aus dem Lande
der Saracenen nach Viterbo nnd die bis dahin erste aUgemein als
sicher anerkannte Nachricht über Spielkarten aus Frankreich (1393)
fallen, andererseits aber auch laut S. 138 a. a. 0. ein Inventar des
Nicolas Sarmona von 1380, worin ein „ludus de nayps qui sunt
44 pecie' erwähnt ist (S. 135 ist auch von einem Spielverbot von
1382 die Rede, in dem es sich schon um unverkennbare Karten
— -naib, nayp oder nahip — handelt). Bisher hatten die Einen
gerade den Ausdruck näib für arabisch und Spanien für das Land
der Einführung nach Europa gehalten, während die Anderen an
das Kartenverbot Johann's 1. von Kastilien 1387 nicht glauben
wollten, weil dasselbe zwar in der Gesetzsammlung von 1640, aber
nicht in denen von 1508 und 1545 vorkomme. Mochten die Karten
nun damals erlaubt oder ganz ausgerottet in Kastilien sein , die
vielen Nachweise aus Katalonien stellen auch jenes Verbot als nicht
unwahrscheinlich hin. Ebenso sieht man ein französisches Spiel¬
verbot von 1369, welches keine Karten erwähnt, als Beweis für
das Nichtvorhandensein an, da erst 1397 ein solches mit Erwähnung
derselben folgte. In diese Zeit föllt der Feldzug des Bertrand du
Guesclin in Spanien (—1369), von dessen auch nach Barcelona
gekommenen Heerschaaren der Verf. nach Taylor's Vorgange für
1) Vgl. gresca, brisca und dergl. Ausdrücke mit arab. öjj rizq
„Glücksfall", frz. risque, span, rie sgo, ital. risico, port, risco (auoh
„Spielmarke") und lat. rixa, womit eine Verwechselung möglich wäre.
2) S. 62 ist von einem Valencianischen Dichter die Rede, dessen Werke in den 1474 in Valencia gedruckten „Troves" vorkommen, welcher nahi per
„Karteumacher" gewesen sei.
Himly, Morgerdändisch oder abendländisckf 4^9
möglich hält, dass sie die Karten nach Frankreich gebracht hätten.
Anch ans dem Jahre 1476 findet sich ein Spielverbot, in dem die
Nehips genannt werden, woneben S. III aus einem dem Archive
des Notars Jaume Thos angehörigen Inventar von 1460 ,jochs de
Nayps plans, y altres jochs moreschs" erwähnt werden.
Obwohl Brunet y Bellett fttr möglich hält (S. 223 a. a. 0.), dass
naip mit dem katalonischen noy, nap = viimog zusammenhänge ')
und das Kartenspiel überhanpt eine in Katalonien gemachte Er¬
findung sei, scheint mir doch diese Aufführung „einfacher nayps
nnd anderer manrischer Spiele" in der genannten ürkunde von
1460, also einer Zeit , wo die Maurenherrschaft in Granada noch
fortdauerte, zn dentlich für den maurischen Urspmng der nayps
genannten Karten zu sprechen , während sich von einer Ableitung
des Namens aus dem Morgenlande doch auch noch reden lässt. Es
geht uns nicht so mit den Karten, wie mit dem Schachspiel, von
dem Name wie Sache sich unverkennbar in Europa erhalten haben;
das entschieden morgenländiscbe Pufifspiel hat seinen europäischen
Namen täwla nach Asien zurückgetragen, gerade wie das uralte
griechische xvßog „Würfel" dem persischen J-^ als ^apt(oi') hat
weichen müssen. So dürfen wir uns anch nicht wundem , wenn
europäische Karten und ihr europäischer Name bis weit in das
Morgeoländ getragen werden, dass wir qar^iäs, qirtäs für „Papier", tXcl^ k ä g h i d für „Papier" nnd „Spielkarte" im Morgenlande wieder¬
finden, welche beide Ausdrücke doch das arabische w a r a q „Blatt"
„Papier", „Karte" nicht haben verdrängen können, ja dass sich in
Japan noch aus der Zeit des alten portugiesischen Einflusses ein
ursprünglich portugiesisches Kartenspiel mit dem Namen karnta
erhalten hat mit auf alle Kartenspiele angewandter allgemeiner Be¬
deutung ^). Dazu kommt , dass in Europa gerade die Verfolgung
dieses Spieles zur Ursache geworden ist, dass uns iminer wieder
in alten Einbänden versteckte, Jahrhunderte alte Karten auftauchen,
während doch sonst kaum ein derartiger Gegenstand so sehr der
baldigen Vernichtung ausgesetzt ist. — Die gewöhnlichen Ab-
1) Es ist liier die bekannte Stelle aus Morelli's Crönica von 1393 nach Halespini's „Storia fiorentina" (d. h. in den späteren Ausgaben nach Brunet, manuel du libraire?) angeführt, welche von den naibi als einem Kinderspiele handelt: „non giuocare a zara, ne ad altro giuoco di dadi; fa de'giuochi che usano fanciulli agli aliosi, alla trottola, a ferri, a naibi, a coderdoni e simili".
Hit dieser Stelle war die Jahreszahl 1392, welche die Reebnung flir 3 Karten¬
spiele Karl's VI. von Frankreich trug, beinah erreicht, allein man stiess sich an dem „Kinderspiel" (giuoco che usano fanciulli) , als ob die Karten niclit noch heutzutage so gebraucht würden ! In Tommaseo-Bellini's dizionario della lingua italiana, Torino 1869, heisst es unter naibi Salvin, Not. Fier. 393 Col. 2, ne' capitoli antichi d'una compagnia di notte . . . si leggono queste parole: II nostro fratello non gitti dadi e non tocchi naibi.
2) Fuda ist wohl das eigentUch dem chinesischen phai entsprechende Wort, aber gerade in obiger Bedeutung weit weniger gebränchlich.
420 Himly, Morgenländiach oder abendländisch?
leitrtagen des spanischen naipes sind die von >_XjU näfb „Stell- G
Vertreter" und von nah! „Weissager". Ohne mit dem Verf.
des „Joch de Naibs" den „träumerischen" Morgenländern wegen
ihres Glaubens an ein blindes Schicksal alle Neigung zur Wabr¬
sagekunst abzusprechen, wogegen doch so viele Thatsachen sprechen,
sehe ich nicht ein, warnm gerade nur die Karten zu der Ehre der
Benennung „Weissager" gekommen sein sollten, namentlich aber
scheint mir in der entschiedenen Länge der ersten Sübe des Wortes
ein Hindemiss zu liegen. Was näib anbelangt, so ist dieses Wort
als Bezeichnung einer Würde (vielleicht mit theUweiser Verdrängung
des einheimischen nayak) namentlich in Indien gäng nnd gäbe ge¬
worden ; allein bei den besonders in Chatto's Kartenwerke ausführ¬
lich besprochenen indischen Kartenspielen kommt kein solcher Aus¬
dmck vor. Nach Hyde wurde die Eins auf den Würfeln bei den
Türken näib genannt (kiöpek „Hund" erinnert an xvwv), und
es liegt die Annahme nahe, dass demnach später dieselbe Zahl bei
den Karten ebenso benannt wurde; dabei sei noch erwähnt, dass
nach Hyde bei den Armeniern der Ausdmck „tächavur, seil. j_y>-Lj tägivar, seu Tägjür, Coronatus, nempe Rex" (lies thagavor), also das takfür der Türken die „Sechs" bezeichnete, was an obige tafu¬
reria und tafur , tahur ') „Spieler, Betrüger" erinnern könnte (auch
der Mandschu-Ausdruck taba im Knöchelspiel lässt sich durch das
türkische taba, taban bis zum taba spanischer Wörterbücher
verfolgen) '^). SoUte obige Lesart nahip die richtige sein, so könnte dieses an arab. nähib „Räuber" (vgl. latmnculus, pers. duzd beim
Würfelspiel [Hyde S. 147]) u. s. w. erinnern'). Wie das spanische
aaar (franz. hasard) mittels des arabischen al (mit Ausfall des 1
vor dem Sonnenbuchstaben) aus dem persischen zär „Würfel" zu
1) Vgl. mongol. daghuriyaxu nachmachen, engl, trick, franz. tricher, mal.
taruhan „Spieleinsatz", span, trocar tauschen, truhan Gaukler u. s. w.
2) S. auch bei Engelmann und Dozy, gloss, des mots espagnols et portu- o >
gais diriv^s de l'Arabe, unter azar (basard) dans l'arabe \nilgaire
(Bocthor), — wozu auch das bei Vullers merkwürdigerweise fehlende persische jtj zär „Würfel" zu vergleichen , — die nach Covarrubias angeführte Stelle (azar) „es uno de 4 puntas que tienen los dados y es el desdichado que los Latinos Haman canis y ellos azar el punto; los demas son chuque, carru, taba". Carru ist nach Dozy verdruckt für carne = ^.^Ji qarn „Horn" (Ge¬
stalt der betreffenden Seite des Knöchels wie ein lateinisches S), chuque, 3
chuca = iJü „hohle Seite"? eigentlich: „Spalte". Für taba passt wohl am besten die Ableitung aus dem türkischen taban „Sohle", mongol. tabak mit Kürzung der Endung oder Rückkehr zu dem einfacheren Wortstamme.
3) Vgl. hindust. cor cards won at the end of a deal bei Chatto = cor .Diebstahl".
3 1
Himly, Morgenländiach oder ahendländiachf 421
erklären ist, könnte man hier auch umgekehrt an das arabische
näfbab „Missgeschick' denken (?). Bei einer etwaigen Ableitung von
anälb „Zähne' (Mehrzahl von näb) wäre an Elfenbein, Karten
(Dominosteine?) von Elfenbein zu denken (Defrömery im J. As.
V. sferie, t. XIX, S. 90 f leitet das spanische marfil von näb ftl
ab). Auch die Chinesen sagen einfach ya „Zahn' für „Elfenbein',
und ebenso wurde auch thschi „Backenzahn' früher für „Würfel'
gebraucht. — Neben naipe ist der im Spanischen sehr gewöhnliche
Ausdruck baraja zu erwähnen, der das „Spiel" bedeutet und seiner¬
seits mit barajar „mischen" zusammenhängt »). Das spanische bara- 6
jado „bunt" möchte ich mit dem arabischen „bunte Flecken
> ,c£
bei Pferden", ijij! Schecke zusammenbringen. Das Portugiesische
hat zwar baralho, baralha, baralhar für die entsprechenden spani¬
schen Ausdrücke und giebt sonst das arabische ^ durch x wieder,
allein anderseits entsprechen sich wieder spanisches j und portu¬
giesisches lh. — Wie ich es neben der frühen Verbreitung des
Spieles durch die Mauren in Spanien sehr wohl für möglich halte,
dass andere durch die Araber vermittelte Quellen nach Italien
führen, möchte ich hier das alte Spiel der minchiate in Florenz
erwähnen ; wie nämlich das persische meng die verschiedenen Be¬
deutungen „Verfahren, Betrug, Würfelspiel, Würfelspieler, Spielhaus"
und die Nebenbildung m e n g i y ä hat, so stehen dem genannten min¬
chiate die Ausdrücke minchionare „zum Besten haben", minchione
u. s. w. zur Seite. Ich sehe in Giov. Romani's Sinonimi italiani I,
S. 251 unter den Ausdrücken für „Schenke" u. s. w. bisca, lat.
taberna aleatoria, mit der Anmerkung versehen, dass man des Wortes
Ursprung nicht kenne und dass man im Französischen dafür brelan
— bekanntlich einen Kartenausdruck — gebrauche. Es ist wohl
nicht unwahrscheinlich , dass ursprünglich mit Glasflüssen (Mosaik)
nnd Fliesen ausgestattete Bade- und Spielhäuser damit gemeint
waren, und dass das persische beseg mit bisca zusammenhängt,
welches ein solches Haus bezeichnet (s. auch Vullers unter minä,
dem nrsprünglichen Ausdruck für die berühmten persisch-maurischen Fliesen, die azulejos der Alhambra).
Ist es an und für sich nicht unwahrscheinlich, dass man in
Europa das arabische waraq „Papier, Spielkarte' trotz des ueuen
Stoffes und der neuen Anwendung auf die Karten durch das alte
griechisch-lateinische charta (mit Spanien als Ausnahme s.o.) wieder¬
gab, so bietet sich uns weiter östlich in dem persischen Ausdmcke für Spielkarten i>a,<.>U5 gendschlfeh ein neues Räthsel. Ich glaube irgendwo eine Ableitung desselben aus dem chinesischen K a n - 1 § o n -
1) Vgl. ital. sbaragliare, sbarattare und das alte Würfelbrettspiel sbaraja bei Hyde, nerdiludium p. 40 nach Cardanus (1550).
1^212 Himly, Morgenländisch oder abendländisehf
phai d. h. „Karten von Kantschou* in der Provinz Kan-Su gelesen
zu haben. Das wftre soweit ganz gnt, wenn diese Annahme dnreh
irgend welche Thatsachen unterstützt würde. Denn, um für den
einigennassen persischen Klang zn sorgen, hätte das unpersische
ou allenfaUs einem I, das phai (p'ai) einem mehr an persische Wort¬
endungen erinnernden feh haben weichen müssen, während ander¬
seits g en ^ i an das Eigenschaftswort von G e n g e h (Name der alten Münzstätte) oder geng „Schatz" erinnert (vgl. armenisch gantsa-
pah Schatzmeister oder Schatzeinlage?). Die Anspielungen könnten
sogar noch weiter gehen , da in dortiger Gegend die Anfertigung
mongolisch - chinesischen Papiergeldes mittels Kupferplatten oder
Holzdruckes uns zur Mongolenzeit schon in verhältnissmässige Nähe
gerückt zu sein scheint '). Eine gute Abbildung noch vorhandenen
älteren chinesischen Papiergeldes giebt Ynle's Ausgabe des Marco
Polo, fireüich erst aus der Zeit der Ming, da die der Mongolenzeit
oder gar noch früheren Jahrhunderten angehörigen Stücke wohl
alle vernichtet sein werden. Auffallend sind hier die in ihrer An¬
ordnnng ganz an die s o oder Geldstränge des nordchinesischen
Kartenspieles erinnernden bildUchen Darstellungen des Geldes.
Freilich hat schon Chardin bei seinem Aufenthalte in Persien die
dem Lande eigenthümlichen Spielkarten aufgefunden ^) , und ich
habe selber solche gesehen, die mich von der auch sonst bekannten
Thatsache überzeugten, dass die Perser unbedenkhch menschliche
BUdnisse zu verwenden pflegen; allein diese Karten stimmen heut¬
zutage nicht mit den chinesischen überein , ein ümstand , der uns
jedoch von weiteren Forschungen nicht abzuschrecken braucht, —
weisen doch auch unsere europäischen Spielkarten von Altersher
viele Abweichungen auf. — Als einzelnes Wort ist das chinesische
Wort phai „Schild , Platte, Schein, Vollmacht, Spielkarte" ') weit
nach Westen gedrungen. Mit dem nordchinesischen Zusätze -tze
scheint es sich im persischen b^L» päizeh „Vollmacht" erhalten zu haben, in welcher Bedeutung ihm kaghidi zer „Gold-Schein" (chines.
kin phai) entspricht, da die angesehensten Vollmachten der Mongo¬
lenkaiser goldene Schildchen waren (auch das persisch-arab. berät ist sinnverwandt). Auch das ungarische paizs „Schild" nnd polnische
1) Zur Zeit, wo icb dieses schrieb, war mir unbekannt, dass unter dem grossen Fayyum-Fund sich auch Papiergeld aus der Mitte des 12. Jahrhunderts befinde. Wie das Papier und der Holzdruck wird auch das Papiergeld aus China über Turkistan zu den Türkon und Arabern gekommen sein.
2) Chardin, voyages en Perse HI, S. 451. Er spricht von 90 Karten in 8 Farben. Es können wohl nur 96 sein. Mir liegen vor 3 Könige auf grünem Gruude, 4 Tänzerinnen auf rothem, 4 Mütter mit Kind auf gelbem, 4 Reiter im Kampfe mit Löwen auf schwarzem, 4 europäisch gekleidete Jäger auf gol¬
denem Gruude, augenscheinlich aus einem Spiele.
3) Das türkische pai „Theil" scheint aus einem andern chiuesischen phai mit anderer Bedeutung entstanden , der hindustanische Münzausdruck pai ent¬
spricht dem cliinesischen pai hundert. Echt chinesisch ist das hierhergehörige birmanischo hpai „Spielkarte".
Hindy, Morgerdändisch oder abendläruHsehf 423
paiz' dgl. möchte ich hierher rechnen. Wie die Mongolen wenigstens hentzutage ein anderes Wort : k ü s ö för die wenigstens för sie doch
angenscheinlich chinesische Erfindung — die Spielkarten nämlich —
gebrauchen'), so könnte sich in derBedeutung allerdings im Persischen
das Wort phai, wie oben angedeutet, abgekürzt ingenglfeh mit
der Beifögung gengi wegen der Aehnlichkeit der Schatzscheine
erhalten haben, während sonst phai theils durch kaghid, theils durch
qartäs ersetzt wurde. Ueber die Schatzscheine giebt Vnllers nnter
ihrem echt chinesischen Namen £ao S. 557 seines persischen Wörter¬
buches nach dem Burhäni Qäthi'u nnd FeriSteh (bei Quatremfere
Not. et extr. XIV, 1. p. 503) Auskunft, wonach es länglich-vier¬
eckige Papierstücke waren, die einer der Nachfolger Dschingis-Khän's
unter seinem Namen anfertigen liess und die Einwohner von Ader-
baidschan und Tebris nicht annehmen wollten (nach Quatremfere's
Quelle waren es Kaiser von China gewesen, was hier auf dasselbe
hinausläuft). Hierher gehört auch die Stelle, welche Vullers unter
J_ ,r S. 584 nach dem Wörterbuche des Behär anfühi-t: ^J>^JoJi .pecuniae chartaceae fabricatio" jLil JjCio j^jjiiy iS ct^w«.>)l«r
jyJiMt \Syi,Mtji iuou j OJ^iX) qLj "^^-f^^j^
,Es ist ein Verfahren, wobei man ein Papier mit dem Bilde von
,Edlen oder Abbäsiden zuschneidet nnd den Segen darüber spricht,
, worauf es sofort zu gemünztem Gelde wird". Bildnisse der Kaiser
tragen die chinesischen Schatzscheine nicht, und es scheint sich
hier um eine persische Neuerung zu handeln, die sich den Spott
des betreffenden Schriftstellers zugezogen hat.
Was die mnden indischen Karten anlangt, wiU ich hier gleich
auf Chatto's vorzügliches Werk: , Facts and speculations on the
origin and history of playing cards" verweisen , dem anch Brunet
y Bellett die ersten 8 Abbildungen in seinem joch de naibs" ent¬
nommen hat (die nächsten 6 sind chinesisch und bei Chatto, Breit¬
kopf u. A. zu finden , die übrigen theils in verschiedenen Werken,
theils bisher gar nicht veröflfentlicht). Während früher die Einen
das Spiel zunächst aus Spanien ableiteten , um ihm sodann einen
maurischen Ursprung zuzuerkennen, worauf ihnen entgegnet wurde,
1) Vgl. rumfinisch: cosn (Hehrzahl cosi) Trumph, griechisch xcä^t (xootovt), auch türkisch koz, aber russisch kozyr, poln. kozera, wobei das erste mit seiner sonstigen Bedeutung „Helmschirm" an den Ausdruck kryt' ..decken, stechen im Kartenspiel" erinnert. Das Rumänische hat auch ein Wort naiba für „Teufel"; wenn indess auch Brunet y liellett in seinem ,Joch de naibs" die Wanderungen der Zigeuner im Ganzen zu spät setzt, so hat er doch Recht, wenn er bei ibrer Ankunft in Spanien die Karten als schön vorhanden betrachtet. Die Rumänen gebrauchen übrigens den gewöhnlichen Ausdruck carte, ebenso wie die Russen karta u.s.w. Bei den Polen ist fUr „Trumph"
noch swii^tka, für Trumph macben swiecie „heiligen", swieci,'Bie „Trumph sein" zu bemerken.
3 1 «
424 Himly, Morgerdändisch oder abendländisch?
dass gerade dort sich erst spät geschichtliche Nachweise fänden, —
die Anderen aus ItaUen gleichfalls mit Hinweis auf arabischen Ur¬
sprung, noch Andere, — die bis zum Erscheinen des „joch de naibs'
schienen Sieger bleiben zu sollen, — aus Frankreich, trat Chatto
für den indischen Ursprung ein. So schön man sich indess mit
Hülfe der indischen Karten einige Züge des Spieles mag zurecht¬
legen können — (haben sie doch so unwahrscheinliche Dinge nicht,
wie unsere doch gewiss nicht ursprüngUche Farbe der Herzen) —,
ein geschichtlicher Nachweis höheren Alters war hier nicht zu finden,
und gerade solche Nachweise konnte Brunet y Bellett in FüUe
bringen '). Letzterer betrachtet die sogenannten Tarokkarten als
eine zu der nicht ursprüngUchen Kartenlegekunst benutzte Neuerung
und die 48 spanischen, d. h. die Zählkarten 1—9 und die Bilder
des Königs, des Rosses und des Buben (rey, cab all, sota), als die
ursprünglichen; nur im Katalonischen findet er die richtige Er¬
klärung für sota, unser ,Unter'. .Jeder Leser wird ihm Recht
geben, wenn er Chatto's Ableitung des Namens „cartas' aus einem wiU¬
kürlich gebildeten angeblich indischen chahar-taj oder chahar-tas
jVierblatt' verwirft (Shakespeare, hindust. diet, täj Krone, name
of a suit in cards ; täs cards , game at cards. Blatt ist dagegen
pät). Auch das indische Vierschach der „vier Könige' Caturrägi
vermag des Verfassers Ansicht von dem nichtindischen Ursprünge
des Kartenspieles nicht zn ändem, — und in der That genügt ja
das wirkliche Vorhandensein von Schachkarten in China nicht, die
Ei-findung der Karten überhaupt zu erklären. — Eine auffaUende
Uebereinstimmung indess ist dem Verf aufgefallen, ohne dass er —
wie sonst wohl geschehen — eine üebertragung des europäischen
Kartenspiels nach Asien behauptet. Er nimmt mit Chatto an, dass
das aus 10 Farben bestehende Spiel den Nebenzweck der Belehrung
verfolgt habe und dass das aus 8 Farben bestehende das eigent¬
liche Spiel sei; in diesem finden sich je 4 für das Spiel bei
Tage oder bei Nacht mit Sonne oder Mond an der Spitze den
Vorrang vor einander behauptende Farben, und bei Nacht, wo also
der Mond den Vorrang hat , gilt auch die umgekehrte Reihenfolge
der Zählkarten von 10 bis 1, wie im spanischen tresillo. Dass
diese 4 Farben dieselbe Anzahl Blätter (48) haben, wie das spanische Spiel, hebt der Verf nicht hervor ; ihm scheint die Nichterwähnung in Sanskritwerken, ja der voUständige Mangel eines Sanskrit-Namens
gegen den indischen ürsprung zu sprechen, ebenso das geringe Alter
der noch vorhandenen indischen Karten und die Verwickeltheit des
Sjiieles. Merün (Origines des Cartes ä jouer 1869, vgl. Brauet y
1) Ich habe Brunet y Bellett's Werk „Joch de naibs" von Herrn J. B.
Nejedly in Wien zugeschickt erhalten, einem eifrigen Kenner und Sammler von Spielkarten und Werken darüber. Wegen der Wichtigkeit desselben für die ganze Frage nach dem Ursprünge des Spieles scheint es mir sehr der .Mühe Werth, näher auf die darin enthaltenen Erörterungen einzugehen, indem ich die möglichen morgenländischen Zusammenhänge gebührend hervorzuheben suche.
3 1 *
Himly, Morgenländisch oder abendländisch t 425
Bellett a. a. 0. S. 38 und van der Linde, Gesch. des Schachspiels II,
S. 379), der die Erfindung für eine itahenische hält, scheint um¬
gekehrt die Einführung aus Europa nach Indien vpahrscheinlicher,
und van der Linde (S. 381 a. a. 0.) erwähnt nach dem schon
1494 gestorbenen Galeotti, dass schon damals die Umkehrung des
Werthes bei den Zählkarten gebräuchhch war. Ein geschichtlicher
Nachweis für den morgenländischen Ursprung ist also anf diese
Weise nicht zu führen, wenn auch Brunet y Bellett's Bemerkung,
dass seit dem Untergange des Römerreiches bis Ende des 15. Jahr¬
hunderts Europa fast ohne Verkehr mit Indien gewesen sei und
dass unmittelbare und dauernde Bezielmngen zwischen den beiden
Ländergebieten erst seit 1494, also 120 Jahre nacb dem Karten¬
verbote des Stadtraths von Barcelona, stattgefunden hätten, nur
eben auf den unmittelbaren Verkehr bezogen werden darf, da ein
mittelbarer durch Araber, Syrer und Venetianer vor dieser Zeit
doch nicht abzuleugnen ist. Man muss immer im Auge behalten,
dass in einer Urkunde des Jahres 1460 das Kartenspiel noch ein
maurisches Spiel genannt wurde, was allerdings für Indien ins¬
besondere an und für sich nichts beweist. — Unter IV S. 40 lf
handelt der Verf. von den chinesischen Karten und ihrer angeblich
1120 stattgefundenen Erfindung (Ab. Remusat I. A. 1822), welche,
wie der Verf nach S. Birch mit Recht sagt, im Cöng-tze-thnng
erwähnt ist; also handelt es sich zunächst um eine frühestens aus
dem 17. Jahrhundert stammende Bemerkung. Das Ööng-tze-thung
der Könighchen Bibliothek in Berlin ist sogar nach Schott's Ver¬
zeichniss der Bücher derselben ein noch späteres Machwerk. Nach
dem Kang-Hi-Wörterbuche, wo sich die Stelle angeführt findet,
handelt es sich jedoch hier um y a ■ p h a i „Elfenbein-Schilde", d. h.
Domino , welchen Umstand man gänzlich übersehen hatte. Erst
Schlegel in seiner Abhandlung „Chinesische Bräuche und Spiele
in Europa" bezieht die angebliche Erfindung auf das Domino - Spiel
(S. 18 f.), führt aber eine andere, mir unbekannte, Quelle (Tschu-
sse-yin-kao) an. Nach Leber's und Taylor's Annahme (history of
playing cards p. 22) sollten die Karten damals erst ans Indien
nach China gekommen sein. Nachdem der Verf. die Glaubwürdig¬
keit einer so späten Quelle verworfen hat, geht er zu einer kurzen
Beschreibung der wirklichen t s i - p h a i oder „Papier-Karten" über.
S. 42f. ist zunächst von den thsien-wan-tsi-phai die Rede, auf
deneu er Schnüre von Körnern, Muscheln oder Münzen zu erkennen
glaubt, in denen er, wenn dasjenige, was auf diesen Karten, den oros
der spanischen ähnele, einen Beweis sieht, dass die Karten nicht in
China erfunden sein könnten, wo man noch immer nur Kupfer¬
münzen gebrauche. Ich bezweifle, dass oros so ausschliesslich als
Goldmünzen zu verstehen ist, wie ja die Italiener dafür den all¬
gemeinen Ausdmck d a n a r i gebrauchen ; es genügt, dass es sich bei
den chinesischen so um Geldstränge handelt, und ich möchte auch
iu der andem Kartenfarbe der ping („Kuchen"), welche unseren
426 Himly, Morgetdäitdisch oder abendländisch?
jEauten' (carreaux) ähnelt, nnr Geldstücke sehen, da dasselbe Lant¬
zeichen mit dem Begrififzeichen für „Gold* an der Seite einst eine
alte platte Gold- , später «ne Silbermünze bezeichnet. — Die. nach
Chatte erwähnten tien-phai „Tüpfel- oder pnnctirten Karten'
erinnem mit ihren Namen an die jetzigen Dominosteine, mit denen
sie eine entschiedene Verwandtschaft haben, wenn anch die Zahlen,
welche „Himmel', „Erde' u. s. w. bezeichnen, nicht dieselben sind.
Der Ansdmck shen „ventoll' „Fächer' ist überhaupt ein Zahl-
ausdmck für flache Gegenstände. Bmnet y Bellett giebt Chatto
Recht, wenn er sagt, dass, wenn auch die Figuren in einigen der
Spiele einige Beziehung zu den „unsrigen' zu haben schienen, die
chinesischen Karten bei der grossen Verschiedenheit von letzteren
ein geringes Licht anf ihre Beziehungen zu denen anderer Länder
werfen. Es ist ausserdem Chatto's Verdienst, darauf aufmerksam
gemacht zu haben, dass unter den noch erhaltenen ältesten Karten
gerade solche sind, die augenscheinlich mit Schablonen angefertigt
sind, also auf eine Weise, die in Europa lange vor dem Auftreten
der Holzschnitte bekannt war. Sonst wäre es gerade das letztere,
welches wegen des Alters des Holzdrnckes in China für die Er¬
findung der Karten in China sprechen würde. In Abschnitt V,
S. 46 ff. sucht Brunet y Bellett die Ansicht Taylors (History of
Playing Cards p. 4) zu widerlegen, dass die augenscheinlich indischen ürsprung verrathenden Spielkarten, d. h. die sogen. Tarokkarten,
durch Vermittelung der Zigeuner aus Indien nach Europa gebracht
seien. Auf die Zigeuner lässt sich der Verf. an einer schon er¬
wähnten andern Stelle ein. Er weist zunächst den behaupteten
Zweck des der Gottheit geweihten Gebrauches zurück, dessen ür-
spmng man sogar im alten Aegypten hat finden wollen (Conrt de
Gebelin) , und beruft sich auf seine durch eine grosse Sammlung
bildlicher Darstellungen aus Indien unterstützte Kenntniss des Gegen¬
standes, wenn er weder in den ältesten bekannten Karten, noch in
den von Taylor beigebrachten Stücken etwas Morgenländisches oder
gar Indisches finden will. Desgleichen weist er die Beziehung auf
das Schachspiel zurück, ebenso Avie das Zusammentreffen des Bildes
des „Todes' mit der Zahl 13, welches auch nach Taylor morgen¬
ländischen ürsprungs sein soll. Die Schwerter, Schellen und Münzen
hält der Verf. eher für abendländisch, die Sehellen für eine deutsche,
aus den oros erst entstandene Neuemng, die runden Münzen aber
gerade für das Morgenland weniger bezeichnend, da sie gerade dort
im Alterthum meistens nicht diese Gestalt gehabt hätten. Hierbei
wird er die chinesischen stillschweigend ausgenommen haben; aber
anch hier wieder spricht er China den frühem Gebrauch von Gold¬
münzen ab, y/ie wir oben sahen, mit ünrecbt. Wegen der Glocken
oder Schellen fügt er nur beiläufig, — da er ja deren ürsprüng¬
lichkeit im Kartenspiele nicht anerkennt, — hinzu, dass sie nicht
erst aus Campanien stammen, woher ihr Name (campanas) kommt,
sondern sich schon auf altassyriscben Denkmälem finden, nnd ver-
Himly, Morgenländisch oder abendländisehf 427
weist anf sein Werk .Egipte, Assyria y Babilonia' (Barcelona, Ver-
daguer y Parera). In der Abtbeilung VT, S. 52 £F. sucht der Verf.
die französischen Ansprüche auf die Erfindung zurückzuweisen.
Man habe einen einfachen Maler für den Erfinder gehalten, welcher
ein zur Unterhaltung des geisteskranken Karl VI. bestimmtes Karten¬
spiel malte. Uebrigens macht der Verfasser zunächst nnr Menestrier
für die Verwechselung verantwortlich, bei dem die erwähnte SteUe
vorkommt. In der Abhandlnng über „Schach im Kartenspiel', die
van der Linde's Geschichte des Schachspiels angehängt ist, erwähnt
dieser die betreffende Stelle vom Jahre 1392 als erstes verlässliches
Zeugniss für das Vorhandensein des Spieles, ohne aber den Ver¬
fertiger zugleich für den Erfinder zn halten. Bei Gelegenheit des
Ausdmckes gringomneur, den er nach Barrois (,616ments Carlo-
vingiens, Unguistiques et littöraires' p. 265) durch „fabricant de
grangons' erklärt („grangium certus tesserarum Indus' Du Cange,
supi. V. II) nni grangons durch dominos, erwähnt der Verf. eines
Erlasses des Stadtrathes von Barcelona aus den Jahren 1445 — 58,
demzufolge eine Art t a u 1 e s nur an gewissen SteUen anf der Erde
ohne Brett (t a u 1 e r s) gespielt werden soUte, was nach ihm möglicher
Weise auf Domino hinweisen könnte. Die Spanier, so schliesst der
Verf., haben trotz des grösseren Anspmches auf das Recht des Er¬
finders denselben nie erhoben trotz der vielen Umstände, welche
auf den Gedanken bringen können, dass sie, wenn sie nicht die
eigentlichen Erfinder der Karten sind, das Spiel mit denselben er¬
funden und ihnen die sinnbildhchen Zeichen nnd bezeichnenden
BUder (figuras representativas) gegeben haben, welche sie Anfangs
hatten und in Spanien während fünf oder sechs Jahrhunderten un¬
verändert bewahrt haben nnd mit geringer Abweichung in der
Zeichnung noch bewahren. Diese „gegründete Vermuthung' will
der Verf im Folgenden prüfen , indem er mit VII, S. 58 ff. zuerst
den Namen naipes als ursprünglichen in Betracht zieht und mit
VIII, S. 67 £f. die angebhche Einführung durch die Zigeuner als
Mittel zum Wahrsagen. Indem ich mich für Beides auf das schon
oben Gesagte beziehe und mich auf einige schon allgemein und so
auch vom Verf. als irrig anerkannte Deutungen nicht weiter ein¬
lasse, will ich hervorheben, dass derselbe denNamen tar occhi, cartes
tarotfees als dem englischen, von Chatto gebrauchten, stenciled
(mit Schablonen gefertigt) gleichbedeutend betrachtet und von der An¬
sicht ausgeht, dass die älteren Karten theils für grosse Herren gemalt,
wie die für Karl VI. von Frankreich angefertigten und die 1401
in dem Verzeichniss des Zapila, eines Kaufmanns in Barcelona, als
gemalte und vergoldete erwähnten, theils mit Schablonen angefertigt
wurden. Die Unterscheidung zwischen Tarok- und Zählkarten
scheint dem Verf eine Neuemng, ebenso die Hinzufügung der Dame
(„Königin', reyna, queen) und der 10. S. 78 ff. unter IX bekennt
er sich hinsichthch des dem Francesco Fibbia zugeschriebenen Ta-
rocchino nicht zu Duchesne's Ansicht, dass es sich um eine be-
428 Himly, Morgenländiach oder abendländisch?
sondere Spielweise handle, sondem zu der Chatto's, dass Fibbia das
„wenig sitthche' Tarok (tarota) anf dem alten Spiele der vier
Farben, oros u. s. w., begründet habe. Trotz der grossen Ent¬
wickelung der Kartenmacherei in Italien vor 1450 fänden sich
keine tarocchi aus dieser Zeit , die sich zum Spielen eigneten,
während sich verschiedene Schablonen- oder Holzdmckkarten znm
gewöhnUchen Gebrauche erhalten vorfänden, die n.cht später als
das genannte Jahr fielen. Hieraus, aus andern Anzeichen und den
vorhandenen Beispielen der alten Tarokkarten entnimmt der Verf.,
dass die Tarokkarten , d. h. die Wahrsagekarten , von grösserem
Umfange und von den gewöhnlichen verschieden waren. Diese
Unterscheidung finde sich in Katalonien in dem fraglichen Zeit¬
räume, denn, während das Inventar des Zapila von 1401 und das
von D. Pere de Queralt von 1408 von einem Spiele grosser Karten
(,un joch de naibs grans') sprächen, wären in dem des Jaume Thos
von 1460 die Ausdrücke „jochs de nayp plans" und „altres jochs mo¬
reschs" („schlichte Karten" und „andere maurische Spiele") erhalten.
In einer Anmerkung fragt der Verf , ob diese maurischen Spiele
Kartenspiele gewesen seien und ob sie in solchem Falle die Tarok-
kaiien oder „grossen Karten" oder das ursprüngliche Spiel gewesen
seien, welches den jetzigen zu Gmnde gelegen hätte; in der fol¬
genden Anmerkung ist nach einem italienischen Wörterbuche die
Erklämng für tarocchi als eine Art sehr dicker oder grosser (grossas)
Karten angeführt. Nach einem japanischen Kartenspiele portugie¬
sischen Urspmngs , welches ich besitze , zu urtheilen , müssten die
damaligen Karten der Art klein gewesen sein, wenn sie die Japaner
nicht verkleinert haben sollten. S. 82 flF. unter X ist ausführlicher
von der Zigeunerfrage die Rede. Nach dem Ilibre de algunes
coses asanyalades succeides en Barcelona y altres parts (fol. 72 der
Handschrift, Jahreszahl 1583) heisst es: dij ous a IX de jung
M. CCCC. XLVII entraven en la present ciutat un duch e un compte
ab gran multitut de Egipcians e bomyans gent trista e de mala
farga e matianse molts en endevinar algunes ventures de les gents
(„Donnerstag den 9. Jimi 1447 kamen in diese Stadt" — d. h.
„Barcelona — „ein Herzog und ein Graf mit einer grossen Menge
„Aegypter und Bomyans, ein trauriges Volk und von schlechter
„Schmiede" (farga = arab. farq „secta"?) „und es gaben sich viele
„mit Wahrsagen für die Leute ab"?) Die Ueberschrift spricht nur
von Bomyans (Egipcians ist = span, gitanos, engl, gipsies), worin
Brunet Bohemis („Böhmen", Bohfemiens) sieht, während der Ausdmck anflPallend an die Stadt Bämyän in Baktrien erinnert. Hieran schliesst
der Verf. die erwähnten urkundlichen Nachweise des viel früheren
Vorhandenseins des Spieles in Katalonien. Er bedarf dazu eigent¬
lich nicht der S. 96 ff. unter XI erwähnten und , wie er meint,
wegen Verlustes des Urtextes angezweifelten Verbote von 1332 und
1387 in Kastilien. S. 100 flf. unter XII sucht er den Einwurf zu
widerlegen , die Spanier des Mittelalters hätten nicht den nöthigen
Hindy, Morgenländisch oder abendländisch?
Gewerbfleiss besessen, dass sie vor Italien bätten Karten anfertigen können (Duchesne, observations sur les cartes ä jouer). Er beklagt,
dass man zu sehr die Geschichte KastiUens mit der von ganz
Spanien verwechsele, und fiihrt die alte Macht des aragonischen
Königreiches, die ,taula de comuns deposits" und das Handels¬
gesetzbuch an, aus dem alle anderen Völker die ihrigen geschöpft
hätten. Femer erwähnt er neben hervorragenden Bauten seiner
Heimath des Umstandes, dass die ältesten Abhandlungen über
Schach spanische und die ältesten spanischen gedmckten Bücher
mit Aufgaben versehene Abhandlungen über Schach seien, dass
König Jaume I. im 13. Jahrhundert Geschichtschreiber gewesen
sei zu einer Zeit, wo viele königliche Zeitgenossen kaum hätten
schreiben können, dass Ramon Muntaner mitten unter den Schrecken
des Krieges 1326 eine Chronik schrieb, dass 1375 in Paris für
König Karl V. ein katalanischer Atlas neuerer Art abgeschrieben
wurde. Doch es würde zu weit führen, wollte ich Alles wieder¬
holen, was der Verf. über das Schicksal der verschiedenen kata¬
lanischen Land- oder Seekarten damahger Zeit sagt, sowie über
andere Grossthaten seiner Landsleute von damals. Genug, sein
Gedankengang ist der, dass sie mehr geleistet hätten, als Spiel¬
karten verfertigen. Des Steingutes, der nach MaUorca von den
Italienem so genannten Majolica, erwähnt er nicht, — obgleich
dieses eben auch ein Landeserzeugniss von augenscheinlich maurischem
Ursprünge ist. S. 108 ff. kommt der Verf. zu der Folgerung, dass
die Karten, wenn fremden Ursprungs, nnr von Süden durch die
Araber gekommen sein könnten; allein der Ausdmck, von dem
naibs gekommen sein könnte , sei ihnen in der Bedeutung fremd
(nach Niebuhr erwähnt er la'b el Kam er)'), auch enthielten sich
strenge Sunniten wenigstens der Glücksspiele, ja der Schachfiguren
als Bildnisse. Die Mährchen der 1001 Nacht erwähnten der Karten
nicht; aUerdings schienen die besten und schlüpfrigsten (verts) in
den landläufigen Ausgaben zu fehlen. Es sei dieses (nämUch, dass
die betreffenden Karten maurischen Urspmnges seien ?), was das
erwähnte Inventar sagen woUe, wenn es „nayps plans y altres jochs
moreschs" erwähne. Es könnten keine Wahrsagekarten sein (naibs
grans), weil diese noch mehr Bilder enthielten. Andererseits sei
es zweifelhaft, dass letztere die ursprünglichen seien. „SoUte aUen-
„falls das ursprüngliche Kartenspiel nach Art des chinesischen eins mit
„verschiedenfarbigen Tüpfeln gewesen sein, und sollten die Spanier
„diese Karten umgebildet haben, indem sie ihnen die Gestalt gaben,
„welche sie bewahrt haben, seit man genaue Aufzeichnungen über
„sie hat? Die Antwort ist schwierig". — Es scheint mir in der
That, dass der Verf. hier auf den richtigen Gedanken gekommen
ist, da sich nirgend, wie in China, die Uebergänge aus den Würfel-
1) ^.4Ä!t ^_A.jtJ gewöhnlich qimär, qumär, welches Glücksspiele im Allgemeinen bedeutet.
430 Himly, Morgealändisch oder abendländischt
äugen und die spätere Hinzufügung der sehr verschiedenen Bilder
so von selber zu bieten scheinen. S. 116 unter XIV wirft der
Verf. die Prage auf, ob dieses ursprüngliche Spiel wirklich ein
Spiel der Mauren gewesen sei, oder ob man seinen Ursprung in
einer Zeit zn snchen habe, wo das Papier noch nicht erfunden ge¬
wesen sei, auf welchen Stoff sich der Name cartes beziehe, den
man den Karten in Fra.ikreich gegeben habe, wo carte so viel wie
«Pappe" bedeutet. Dieses scheint an und für sich viel für sich zu
haben; allein anderseits kommt der Ausdmck schon früh in Italien
vor und war vielleicht nur Uebersetzung des arabischen waraq
„Papier, Karte", während das arabische Premdwort qirtäs eher vom
portugiesischen und katalanischen cartas abzuleiten ist (oder vom
griech. j^ägxrig mit Umstellung aus qar tis?). Im ganzen Abend¬
lande und westhchen Asien ist der Gebrauch der Pappe ziemlich
ausschliesslich; Chardin will zwar in Persien hölzerne Karten ge¬
funden haben, allein auch bei indischen Karten wollte man diesen
Stoff bemerkt haben, und die Inder (wie auch die Chinesen bei
anderen Gegenständen) verstehen die Pappe so dicht nüt Firniss zu
überziehen, dass man leicht getäuscht wird. Der Art sind anch
die persischen Karten, die ich gesehen habe. Eine Ausnahme sind
die bei Brauet fig. 30—41 abgebildeten von Leder im Museo Na¬
cional in Madrid; ihr Urspmng ist nnbekannt, — indessen ist von
solchen bei Brauet die Bede, welche bei einer besonderen Gelegen¬
heit spanische Krieger in Amerika verfertigt bätten. In China stehen
zwar die Karten 6i-phai als „Papier-Schilder" den kn-phai
„Knochen-Schüdern" oder Dominos gegenüber; es werden jedoch
beide auch aus Bambus gefertigt. Der Verf. schliesst hieran seine
Vermuthnng, dass die alten tesserae, — nach ihm Täfelchen
(fitxas 6 tauletas) von Knochen, Elfenbein, Holz u. s. w. ,
Anlass zur Anfertigung der Pappkarten gegeben haben möchten.
Ich habe zwar in unseren Museen noch keine derartigen tesserae
gesehen; allein der sonstige Gebrauch des Wortes für Marken, Täfel¬
chen und Scheine („Karten") lässt auf eine langwürfige Gestalt
sehliessen, wie die indischen Würfel noch haben.
S. 120 ff. unter XV verspricht der Veif., ohne gerade beweisen
zu woUen, dass die Karten eine spanische oder katalonische Er¬
findung seien, einige Bemerknngen zur Sache vorzubringen. Es
toden sich, sagt er, ausserhalb Spaniens keine sicheren Angaben
über die Karten, die über das letzte Viertel des 14. Jahrhunderts
hinausgingen, während in den Archiven von Barcelona Urkunden
vorhanden seien, die für die öffentliche Ausübung des Spieles zu
Anfang desselben Jahrhunderts zeugten, wo das Königreich Ara¬
gonien seine grösste Macht erreicht hätte und katalanische Schiffe
siegreich die Balken (barras) von Aragonien nnd das katalanische
Bälkchen (barretina) über das ganze Mittelmeer getragen hätten
(Anspielung auf das Landeswappen). Die Karten trügen den Stempel
des Mittelalters; König, Reiter (caball) und Bube (sota) seien von
Hindy, Morgenländisch oder abendländisehf 431
Anfang an mit der damaligen Tracht dargestellt, die sie noch be¬
wahrten. Die Tier Stände, dargestellt durch die Farben „Gold¬
stücke' oros, .Kelche' copas, .Schwerter' esp asas nnd .Stöcke'
bastos, seien abendländisch. Nur in den oros könnte man eine
Aehnlichkeit mit den indischen 6akra finden, dem .Rade der Ge¬
rechtigkeit' des Buddha; aber zur Zeit der Erfindung sei der
Buddhadienst schon seit Jahrhunderten dem des Brahma, Siva nnd
Wischnu gewichen, und trotz der Avatars der indischen 10-Farben-
Karte, die er gegen die gewöhnliche 8-Farben-Karte gehalten für
eine Neuemng hält, hätten sich in den europäischen Karten keine
Anklänge an dergleichen erhalten. Immer abgesehen von dem
frühen nachweislichen Vorhandensein in Spanien kann man fi-eUich
auch umgekehrt sagen, — wenn man überhaupt an einen Zusammen¬
hang glaubt, — die Uebertragung aus Europa nach Indien sei ans
denselben Gründen unwahrscheinlich, um so mehr, da König und
Wesir echt morgenländisch und die Hinzufügung weiterer Bilder
wahrscheinlicher als ihre Weglassung sei Ein Hauptgrund für
die Annahme morgenländischen Urspmnges bleibt immer der, dass
man in Spanien selber noch lange vor Vertreibung der Mauren das
Kartenspiel als ein maurisches ansah. Ueber die Wahrscheinlichkeit
des Vorhandenseins einer Art den Karten ähnlicher Spielzeichen in
China zu einer Zeit, die weit über die hier bisher in Betracht ge¬
kommene hinausgeht, sehe man weiter unten. Sehr triftig ist, was
der Verf , wenn auch nicht als Erster , für das frühere Alter der
spanischen Bezeichnungen den französischen gegenüber anführt, dass
die französischen piques in England noch immer spades, in
Dänemark .Spader' genannt werden (über sota s. o.). S. 136
sagt der Verf., es würde nicht wunderbar sein, wenn das Spiel der
.vier Könige", mit dem Eduard I. von England 1278 spielte, das
Kartenspiel sein sollte, welches seine Gattin Eleonore von Castilien
ihn gelehrt hätte, wenn man für sicher annähme, dass das Spiel
gresca, welches 1301 so verbreitet gewesen sei, dass der Stadtrath von Barcelona es verboten hätte, ein Kartenspiel gewesen sein sollte.
Man sei darauf verfaUen, dieses Spiel Bduard's I. Chaturanga oder
.Vierschach" (scachs jugats per quatre personas) zu nennen, welches
(d. h. Schach = scachs?) man damals in CastUien gespielt hätte,
wie man aus einer Tafel des libro de los juegos sähe, von der er,
der Verf., in seiner Abhandlung über den Urspmng des Schachspiels
eine NachbUdung mit Erläutemngen geben würde (s. v. d. Linde
nnd Alfons). Dunkler ist, was er S. 137 ff. über das 1300 in Eng¬
land geübte creag sagt, welches er mit obigem gresca (brisca,
— vgl. Rabelais „ä la griesche") vergleicht, ebenso mit einem mit 44 Karten später ebenda geübten Spiele g 1 e e k. Er zweifelt jedoch,
1) Der König der Farbe semsir trägt ein Schwert in der Rechten nnd einen Schild in der Linken, welcher letztere mit seinen vier Kreisen ein wenig an das portugiesische Wappen erinnert.
432 Himly, Morgenländisch. oder abendländisch?
ob das „ludus de nayps qni snnt 44 pecie' in dem Inventar des
Sarmona von 1380 voUständig gewesen sei (fehlte vielleicht noch
der sota?). Unter den Bedentnngen von naipes will ich hier die
portugiesische hinzufügen als einer der vier Farben. S. 141 ff. unter
XVII wiederholt der Verf seine Ansicht, dass die ursprüngUchen
Karten mit Schablonen angefertigt seien, wie die noch vorhandenen
Stücke darthun (v. o. und Chatto); die ersten in Deutschland ver¬
fertigten seien mit einem ursprüngUch italienischen oder franzö¬
sischen Namen „Karten' genannt imd nicht „Briefe', wie Heineken
behauptet hätte, um den deutschen Anspruch auf die Erfindung
damit zu stützen. Der Ausdruck „Formschneider' finde sich erst
nach 1449 in Nürnberg, und nach den neuesten Entdeckungen in
Aegypten („den Archiven von El Jaymu') ') sei der Holzschnitt schon
Anfangs des 7. Jahrhunderts bekannt gewesen [China hat bekannt¬
lich einen noch älteren Anspruch wenigstens auf diese Erfindung!].
Wegen des Holzplattendmckes in Europa und der Guttenberg-
Coster-Frage hätte diesen Abschnitt van der Linde's „Guttenberg'
wohl beeinflussen können, dessen „Schachstndien" wenigstens in
Spanien doch nicht unbekannt sein können? „Als man den Holz-
„dmck erfand, wandten ihn die Deutschen sogleich in grossem Mass-
,stabe auf die Kartenverfertigung an, indem sie grosse Mengen über
„ganz Europa sandten, und damals war es, wo man anfing, den
„Unterschied zwischen Cartes, Karten und Tarots oder Tarotes zu
„machen'. Der Verf. gründet seine Behauptung darauf, dass die
Franzosen nicht allein die Wahrsagekarten Tarotes nannten, sondern
auch diejenigen , welche die spanischen Kennzeichen oros , copas,
espasas (kastUisch espadas) und bastos bewahrten , während sie die
mit den Zeichen coeur, pique, can-eau, tröfle und den deutschen
„ScheUen' (coscabeUs), „Herzen' (cors), „Eicheln" (glans) und „Laub'
(fnUas) cartas nannten. Das von ihm nach Taylor erwähnte „Tesore
Espanolo(?) Genöve 1661' ist mir unbekannt; dort soll der Aus¬
druck malillo als 9 der oros im Spiele der Tarauts oder Cartas
erklärt sein, worin der Verf. eine Uebereinstimmung damit sieht,
dass im Maliila-Spiel zu Vieren, wie auch in der „barrotada' oder
maliUa zu Dreien, die 9 die Hauptkarte der als Trumph (trumfo)
dienenden Farbe ist.
S: 146 ff. unter XVIII spricht der Verf von den für Vornehme
gemalten Karten, welche nicht die zum aUgemeinen Gebrauche
dienenden hätten sein können, was erkläre, dass Eduard I. und
Leonor von CastUien obige Karten hätten gebrauchen können, ohne
dass bis 1464 die Karten sich als solche in England in Urkunden
erwähnt fänden (vgl. den Ausdmck court cards?). Wie die Fran¬
zosen 1375 die katalanischen, mit BUdern versehenen (figurats), ge¬
malten und vergoldeten Landkarten (atlas geografichs) nachgeahmt
hätten, fragt er, ob sie etwa auch die Kunst, Karten zu malen und
1) Lies Fayyflm?
Hindy, Morgenländisch oder abendländisehf 433
zu vergolden, von dort empfangen hätten (1393 Gringonneur) , da
sich unter dem Jahre 1401 das ,joch de nayps grans pintats e
daurats tots, ab cubertes negres" des Zapila erwähnt finde Ich
kann nur auf eine blosse Möglichkeit anspielen, wenn ich hier noch
einmal die den chinesischen phai entsprechenden ^- iXi.\S erwähne
und das mir sonst dunkle ^^L, S. 124 bei VuUers, dem das
O'-^ i3Sj )') improba" entspricht, womit v_*.JLi und
D'cbj" „chartae" Hyde, Ma'adanne Melekh zu vergleichen. — Der
Verf. wendet sich hier gegen den Einwand der Nichterwähnung,
das argumentum e silentio („evidencia negativa"), der Pipozzi's An¬
fiihrung bei Breitkopf für das Vorhandensein von Karten in Italien
1299 dnrch Gegenüberhaltung von Petrarca's „remediis utriusque
fortunae" widerlegen solle, während die Gegner der Ansicht vom
spanischen Ursprünge die betreffende Stelle der „Statuten des Orden de la Banda" (gegründet von Alfons XI. von Castilien) für spätere
Einschiebung hielten. Ebenso hält er das Bild eines Kartenspiels
in der Handschrift des „Roman du roi Meliadus" mit Singer für
beweiskräftig (Brit. Mus. Addit. M. M. 12, 228, fol. 313); man
gebe der Handschrift das Alter 1330—50, und auf den Karten
seien deutlich 2 und 4 der oros und 2 der bastos kenntlich (nach
Singer erschienen die Karten in den Jahrbüchern der Provence
1361, und der Bube oder sota soll tuchim geheissen haben). Der
Verf giebt 150 ff. Taylor Unrecht, wenn er in den oros die indischen
£akra wiederfinde, — die er ausserdem nicht als Zeichen des
Wischnu, sondern nnr als solches der Buddhalehrer anerkennt (!) —,
da nur einige Spiele wie die portugiesischen von 1693 diese Ge¬
stalt hätten und die Portugiesen etwa auf den Einfall hätten kommen
können, hierin die indischen Karten nachzuahmen. Uebrigens hält
er für möglich, dass gerade die Portugiesen die Karten nach Indien
eingeführt hätten. Er würde in diesem Gedanken gewiss noch mehr
bestärkt sein, wenn er gewusst hätte, dass die Einführung ihrer
Kartenart in Japau ganz zweifellos ist; und dennoch scheint die
besondere Art der indischen Spiele gerade seiner Annahme zu
widersprechen'). — Was der Verf im Abschnitt XIX S. 153 ff.
über die gungeefab bei Chatto sagt, bezieht sich wieder nur auf
die indischen Karten; sju^il:i ist der allgemeine Ausdruck für
Karten im Persischen. Chardin sagt: „II y a des cartes parmi le
„mßme peuple , qu' Us appellent g a nj a p h 6. EUes sont de bois,
„fort bien peintes. Le jeu est de quatre - vingt-dix cartes avec
„huit couleurs. Iis y jouent fort lourdement et sans invention.
„Iis ont encore le totum, les dös, le jeu de boule, la paume, la
„fossette; mais U n'y a pas un homme en cent qui y joue; et
„encore n'est-ce que parmi le plus bas peuple. Dans le cafö, on
„vous donne ä jouer au tric-trac, et ä un jeu de coquilles que les
t) 8. jedoch oben die Anmerkung wegen des 8chwerterkönigs.
Bd. XLIII. 9S
434 Himly, Morgenländiach oder ahendländiachf
.Tutos ont fort en usage; et ces jeux ont 6te portös d'Europe en
.Perse par les Armöniens*. Ans dem oben erwähnten neueren
persischen Kartenspiele sieht man, wie wenig man aus der Gegen¬
wart auf die Vergangenheit sehliessen kann; denn Chardin spricht
als Augenzenge vom 17. Jahrhundert, und das oben erwähnte neuere
Spiel enthält einen Jäger mit einer der Gegenwart ganz ent¬
sprechenden grünen europäischen Uniform. Der Stoff der Karten
ist wie bei den indischen starke gefimisste Pappe, die Gestalt aber
nicht rund wie bei diesen, sondem ein Rechteck von etwa 6 cm.
Höhe und 4»/g cm. Breite. Aus den einzelnen vierfach wiederholten
Bildern lässt sich auf eine Gesammtanzahl von 96 (wie bei den
indischen von 8 Farben) sehliessen. Die vierfache Wiederholung
erinnert an die chinesischen Karten, ebenso das .plumpe Spiel'.
Auch das .totum' findet sich in China, von anderen allgemein ver¬
breiteten Spielen zu geschweigen. Ueber das Trictrac (Nerd) habe
ich in dieser Zeitschrift schon anderweit gesprochen, — ganz ab¬
gesehen vom Schähnämeh. Es ist übrigens Schade, dass Chardin
sich nicht auf die Spiele der Armenier weiter einlässt. Was die
coquilles oder .Muscheln' in diesem Zusammenhange betrifft, so
erinnern sie mich an das indische patisl, welches mit Muscheln
statt der Würfel gespielt wird (vgl. fcaupar, fiausar und Nerd) —
Ueber Duguesclin (XX S. 155 ff) verweise ich auf Obiges. Ich
möchte nur hier, da von dem Pariser Verbote die Rede ist, welches
den treballadors 1397 das Spiel mit pilota, daus, cartas y bitUas
(Ball, Würfeln, Karten und Kegeln — die französischen Ausdrücke
fehlen mir leider!) an Werktagen verbietet, über die trebejos
(spanisch), trebelhos (portugiesisch) einige Worte sagen, deren
Namen augenscheinlich mit treballadors (menestrals? fügt Bmnet
y Bellett in Klammem hinzu = .Handwerker") zusammenhängt.
Obwohl spanisch trebejar mit trabajar wechselt, ist doch trabajo
(franz. travail, ital. travaglio) von trabaculum, trebejo aber wohl
besser von tribulus (tribellus) abzuleiten. Die tribuU {rgißokoi)
sind eigenthch dreieckige Grundnüsse, deren Gestalt in Eisen nach¬
geahmt wurde, der feindlichen Reiterei Hindernisse in den Weg zu
legen, woher wohl die Verwechselung mit trabaculum. Weiter
scheint es auf die spitzen Brettsteine angewandt zu sein, wie sie
sich über Europa und Asien verbreitet und anscheinend zu unseren
neueren deutschen Schachfiguren Anlass gegeben haben. Man sieht
sie in ihrer einfachsten Gestalt auf Abbildungen chinesischer Puff¬
spiele (Swang-liu), als Kegel (s. o. bitllas) bei Alfonso wenigstens
in der Gestalt der noch eine Kugel tragenden peones und als
Brikker in dem .lappischen' Brettspiel, welches von der Lasa
in Kopenhagen sah nach van der Linde's Schachstudien, als spitze
Steine zum Hinlegen im japanischen, als dagobaartige Kegel im
siämischen Schach, als ältestes Beispiel aber, welches den peones
des Alfonso entspricht, sind die ägyptischen Brettsteine zu erwähnen
s. Pierret diet, d'archöologie egyptienne unter damier). Der Name
Hindy, Morgenländisch odei' abendländischt
trebejos wurde allgemein für solcbe Brettsteine gebrancht. — Dass
Brunet die Vermuthung der Einführung spanischer Karten in Frank¬
reich nicht aus der Luft geschöpft hat, sieht man aus den seinem
Werke beigegebenen Fig. 19, 20, 21, 22, welche die spanischen espa¬
das, copas und merkwürdiger Weise etwas an die slawischen bubny
(„Trommeln" = Schellen, Rauten) erinnerndes, nebenbei aber die
französischen Lilien aufweisen; die Tracht von Fig. 20 (sota de
copas) ist die des 15. Jahrhunderts, ebenso die von Fig. 21 (rey de
espadas), Fig. 19 mit dem Lilienwappen ist 4 de espadas, Fig. 23
(bubny, wie mir scheint, aber ein caballo mit der ünterschrift
Carmen) gehört nach dem Verf. zu einem anderen Spiele, hat auch
einen weissen Rücken, während die anderen Lilien zeigen. D. Marian
AquUö y Fuster fand die vier Karten im Deckel einer Handschrift
aus Toulouse. Nach dem Verf. vertauschten die Franzosen die
spanischen oros, espadas, copas und bastos mit ihren carreaux, coeurs,
piques und trfefles am Ende des 15. Jahrhunderts, was auch zu den
Deutungen der Bilder anf Karl VII. und seinen Hof passt. Die
Sitte, den Namen des Verfertigers auf einer der Karten zu nennen,
ging nach dem anderen Alterthumsforschern darin folgenden Verf.
deijenigen voraus, Namen von Heldenrollen auf die Bilderkarten zu
setzen (Alexandre, Charlemagne, Roland u. s. w.). S. 163 unter
XXI bekennt der Verf, wie Andere vor ihm, seinen Unglauben an
die Echtheit des van Eyck zugeschriebenen Bildes, welches eine
Kartenschlägerin und Philipp den Guten von Burgund darstellen
soll, da Letzterer 1467 (zwanzig Jahre nach van Eyck) gestorben
sei und die Trachten des Bildes solche aus der Zeit Kari's VIII.
von Frankreich seien. Die in der Bibliothfeque Nationale in Paris
befindlichen , welche Duchesne und Leber dem Gringonneur , bezw.
der Zeit Kari's VI , ersterer freilich unter Vorbehalt , zuschreiben,
wären nach Chatto eher von der Hand eines italienischen Künstlers
und nach Zeichnung und Tracht nicht älter als 1425 (Brunet y
Bellett S. 164). — Die folgenden Abschnitte des ,Joch de Naibs"
XXII — XXV, S. 166—187 haben es mit der Wahrsagekunst und
allerlei Erzählungen zu thun, S. 189 ff. unter XXVI mit den Karten,
die anderen Nebenzwecken, der Belehrung oder als Spottbilder
dienen. Die ersteren verheissen im Ganzen wenig Aufschluss über
die Geschichte des Spieles und sollen bald Wappenkunde, bald Erd¬
kunde, bald Geschichte, bald Mehreres zugleich lehren ; wie der Verf.
sagt, waren sie (in Europa) nie sehr verbreitet, in Japan allerdings
dienen sie z. B. dazu , englisch zu lehren , was aber wohl auch als
blosse Rechtfertigung für das eigentlich verbotene Spiel aufgefasst
wird, femer finden sich Sprichwörter und die hiyaku nin issiu oder
„Hundert-Männer-Gedichte", die aber von Jugend auf gelernt und
als bekannt vorausgesetzt werden , also dem Spiele als solchem
untergeordnet sind. Als Spottbilder könnte man die nordchinesischen
thsien-wan-phai auffassen, da sie, wie gesagt, Aehnlichkeit mit dem
Papiergelde haben und die Bilder der Thsien wan („Zehntausende")
436 Himly, Morgenländisch oder abendländisch?
Rtluber aus einem Eomane darstellen. Abschnitt XXVII, S. 196 flf.
beginnt mit der Prage der Zeit der ersten Verfertigung von Karten¬
spielen in Spanien nnd besonders in Barcelona. Von dem Valencia¬
nischen Dichter, der ein Kartenmacher (nayper) war, ist bereits die
Rede gewesen. In Paris und London habe man viel die spanischen
Karten nachgeahmt, um sie unverzollt nach dem spanischen Amerika
auszuführen mit der Bezeichnung „de la real fäbrica de Madrid
para las ludias", doch habe man namentlich katalanische nach¬
geahmt, die dort noch die geschätztesten wären. Im folgenden Ab¬
schnitt XXVIII bis S. 214 wendet sich der Verf gegen die Ansicht
Merlin's , das Spiel sei in Italien aus dem sog. „Kinderspiel" der
Naibi entstanden; indessen genügt wohl zur Widerlegung das oben
schon Gesagte. Des Verfassers Ansicht (XXIX S. 215 £f.) über die
Ungeeignetheit des träumerischen Morgenlandes zu einer solchen
Erfindung ist auch schon erwähnt worden. Er fasst S. 218 f seine
Ansicht über die Entstehung des Spieles noch einmal in die kurzen
Worte zusammen, dass die Katalanen im 12. oder 13. Jahrhundert
die Karten erfunden, oder ein altes Spiel mit den Tesserae in solche
verwandelt hätten. Hier schliesst eigentlich das Werk mit der
Unterschrift: Caldetas 22. October 1885. Bald darauf nach Bar¬
celona zurückgekehrt, fügte der Verf indess den Abschnitt XXX
S. 220 flf. hinzu, den er beginnt mit der frohen Botschaft, dass er
in Erinnerung einer von dem Alter der Karten handelnden Stelle
des Don Quijote in der Ausgabe des D. Diego Clemencin blätternd
dort (parte II tomo V, Madrid. E. Aguado 1836 p. 4—6) in den
Worten des Herausgebers seine Meinung in Beziehung auf den
katalanischen Ursprung der Karten und die Umwandlung eines alten
Würfel- (daus) oder tessera- Spieles bestätigt gefunden habe. Bei
Cervantes handelt es sich um die Worte „paciencia y barajar" („Ge¬
duld und die Karten mischen!"), die dem Durandarte in den Mund
gelegt werden , als er am Ende einer langen Kede des Montesinos
erwacht. Es heisst dort weiter: „Und diesen Grund und diese
„Redeweise konnte er nicht während seiner Verzauberung erlernen,
„sondern als er in Frankreich noch nicht verzaubert war und zur
„Zeit des erwähnten Kaisers Kari's des Grossen. Und diese Be-
„gründung kommt mir ganz angemessen für das andre Buch, welches
„ich im Begriffe bin zu verfassen, welches eine „Ergänzung des
„Virgilius Polidoms in der Erfindung der Alterthümer" ist; und
„ich glaube, dass er in dem seinigen nicht daran dachte, die der
„Karten hineinzusetzen, wie ich sie nun hineinsetzen werde, was
„von grosser Wichtigkeit sein wird , um so mehr als ich einen so
„emsten und wahrhaftigen Verfasser anführe , wie es der Herr
„Durandarte ist". Man sieht, dass Cervantes, dem man auch hier
den Spötter ansieht, ganz anderer Meinung gewesen sein muss.
Bei seiner langen Gefangenschaft in Algier könnte er vielleicht Ge¬
legenheit gehabt haben, die dortigen Einwohner das Spiel ausüben
zu sehen ; ich glaube aber kaum , dass er es irgendwo erwähnt.