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Archiv "Anti-Angiogenese als neues Konzept zur Therapie ungehemmter Neovaskularisation" (12.12.1990)

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DEUTSCHES

ARZTEBLATT

KURZBERICHT

Anti-Angiogenese als neues Konzept zur Therapie

ungehemmter Neovaskularisation

Lothar Schweigerer

A

ngiogenese, die Neubildung von Blutgefäßen, ist drama- tisch und ausgeprägt während der Embryogenese. Sie ist selten im Erwachsenenalter und zu beobach- ten während der Korpus-Luteum- Entwicklung, während des Plazen- tarwachstums und der Wundheilung.

Die Angiogenese unterliegt einer strikten Kontrolle durch den Orga- nismus, die bei einigen Krankheiten zusammenbricht (1). Neue Kapilla- ren, am falschen Ort gebildet und persistierend, führen zur Erblindung bei der diabetischen Retinopathie oder bei der retrolentalen Fibropla- sie, zur Zerstörung von Gelenkknor- pel bei der rheumatoiden Arthritis und zu intestinalen Blutungen und ab dominellen Adhäsionen. Der Ophthalmologe sieht Angiogenese in Form der Abstoßungsreaktion nach Korneatransplantationen, und der Dermatologe sieht sie während der Psoriasis. Eine der eindrucksvollsten Manifestationen der Angiogenese sieht man in der Umgebung solider Tumoren. Der Radiologe entdeckt den Brustkrebs im Frühstadium nicht etwa, weil er den Tumor sieht, sondern dessen Neovaskularisation.

Auch der Gynäkologe bemerkt ein In-situ-Karzinom der Zervix erst auf- grund seiner Neovaskularisation.

Die Angiogenese wird in norma- len und neoplastischen Geweben ausgelöst über sogenannte Angioge- nese-Faktoren. Zu diesen gehören der Plättchen-abgeleitete Endothel- zell-Wachstumsfaktor (PC-ECGF) (2) und der Gefäßendothelzell- Wachstumsfaktor (VEGF) (3), bei- des spezifische Endothelzell-Wachs- tumsfaktoren, die auch in vivo angio- gen wirken. Am besten bekannt und charakterisiert, aber auch breiter im Zielzell-Spektrum sind die derzeit acht Mitglieder der großen Familie der Fibroblasten-Wachstumsfakto- ren (FGFs) (4). Alle FGFs sind ein-

kettige Peptide mit Molekularge- wichten zwischen etwa 5000 bis 45 000 Dalton. In normalen Gewe- ben unterliegt ihre Aktivität einer außerodentlich engen Kontrolle, sie ist aber in vielen neoplastischen Ge- weben außer Kraft gesetzt (5). Es re- sultiert eine enorm rasche Prolifera- tionsrate der Endothelzellen in neo- plastischen Gewebe. Sie ist um den Faktor 10 bis 1000 größer als in nor- malen Geweben (6). Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit einer ge- zielten therapeutischen Hemmung der im Tumorgewebe proliferieren- den Kapillarendothelzellen. Kürzlich durchgeführte Untersuchungen zum Wirkmechanismus vor allem der FGFs heben Ansätze zur Entwick- lung geeigneter Konzepte aufgezeigt.

Es wurden Substanzen mit anti- angiogener Wirkung identifiziert, darunter die sogenannten angiostati- schen Steroide (7). Sie sind natürli- cherweise im Blut und Urin enthal- ten. Am stärksten wirksam und frei von mineralo- und glukokortikoider Eigenwirkung ist Tetrahydrocortisol, ein normaler Metabolit des Korti- sons. Die gleichzeitige Applikation von ß-Cyclodextrin-Tetradekasulfat führt zu einer 100fachen Steigerung der anti-angiogenen Wirkung (8).

Offenbar führen beide Substanzen zu einer Auflösung von Strukturen der Basalmembran, hauptsächlich im Bereich proliferierender Endothel- zellen (8).

Weitere Faktoren, zunächst auf- grund anderer Eigenschaften ent- deckt, konnten als anti-angiogene Substanzen identifiziert werden, da- runter der Tumor-Nekrose-Faktor a (TNF a) (9) und Interferon a. Wenig ist bekannt über den anti-angioge- nen Wirkmechanismus von TNF a.

Dagegen sind die anti-angiogenen Wirkungen von Interferon a besser untersucht. Beeindruckend ist des- sen Therapieerfolg bei einem pädia- trischen Patienten mit pulmonaler kapillärer Hämangiomatose (10).

Das Hämangiom, ein gutartiger, pädiatrischer Tumor, ist häufig und bildet sich meist spontan zurück. Sy- stemische Formen wie die pulmona- le, kapilläre Hämangiomatose berei- ten aber in Einzelfällen wegen ihrer Progression und Therapieresistenz Probleme. Darin ähneln sie dem Prozeß der Tumor-Angiogenese. Zu- künftige Untersuchungen — auch mit neuartigen anti-angiogenen Substan- zen (11) — werden zeigen, ob die Hemmung der Angiogenese als Er- gänzung zur herkömmlichen Chemo- therapie die Therapie solider Tu- moren verbessern kann.

Literatur

1. Folkman, J.; Klagsbrun, M.: Angiogenic fac- tors. Science 235 (1987) 442-447

2. Ishikawa, F.; Miyazono, K.; Hellmann, U. et al.: Identification of an angiogenic activity and the cloning and expression of platelet- derived endothelial cell growth factor. Na- ture 338 (1989) 557-562

3. Leung, D. W.; Cachianes, G.; Kuang, W.-J., et al.: Vascular endothelial growth factor is a secreted angiogenic mitogen. Science 246 (1989) 1306-1309

4. Klagsbrun, M.: The fibroblast growth factor family: Structural and biological properties.

Progr. Growth Factor Res. 1 (1990) 207-235 5. Schweigerer, L.: Fibroblasten-Wachstums-

faktor, Onkogene, Tumor-Angiogenese — Neues zur Tumor-Neovaskularisation.

Dtsch. Ärztbl. 85 (1988) 1611-1614 6. Denekamp, J.: Does physiological hypoxia

matter in cancer therapy? In: The Biological Basis of Radiotherapy, editet by Steel, Adams and Peckham. Amsterdam: Elsevier Science Publishers (1983) p. 139-155 7. Folkman, J: Ingber, D. E.: Angiostatic stero-

ids. Method of discovery and mechanism of action. Ann. Surgery 206 (1987) 374-383 8. Folkman, J.; Weisz., P. B.; Joullie, M. M. et

al.: Control of angiogenesis with synthetic heparin substitutes. Science 243 (1989) 1490-1493

9. Schweigerer, L.; Malerstein, B.: Gospodaro- wicz, D.: Tumor necrosis factor inhibits the proliferation of cultured capillary endo- thelial cells. Biochem. Biophys. Res. Com- mun. 143 (1987) 997-1004

10. White, C. W.; Sondheimer, H. M.; Crouch, E. C. et al.: Treatment of pulmonary heman- giomatosis with recombinant interferon al- pha-2a. N. Engl. J. Med. 320 (1989) 1197-1200

11. Tanaka, N. G.; Sakamoto, N.; Inoue, K. et al.: Antitumor effects of an antiangiogenic polysaccharide from an Arthrobacter spec- ies with or without a steroid. Cancer Res. 49 (1989) 6727-6730

Anschrift des Verfassers

Dr. med. Lothar Schweigerer Sektion Onkologie-Immunologie Universitäts-Kinderklinik

Im Neuenheimer Feld 150 6900 Heidelberg

A-4050 (72) Dt. Ärztebl. 87, Heft 50, 13. Dezember 1990

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