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Archiv "Angiogenese und Anti-Angiogenese" (12.11.1993)

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Angiogenese und Anti-Angiogenese

Karl H. Plate

Das Sprossen von Blutgefäßen aus bereits bestehenden Kapillaren (An- giogenese) ist ein physiologischer Vorgang, der vor allem während der Embryonalentwicklung, aber auch bei der Menstruation eine bedeutende Rolle spielt. Obwohl die Neubildung von Blutgefäßen im erwachsenen Or- ganismus sehr gering ist, können un- ter bestimmten pathologischen Be- dingungen Blutgefäßzellen aktiviert werden: In einem komplizierten Pro- zeß, der von Endothelzellen 'initiiert wird, lösen diese die sie umgebende Basalmembran auf (Proteolyse), wandern in Richtung eines angioge- nen Reizes (Chemotaxis), beginnen mit der Zellteilung (Endothelzellpro- liferation) und formieren letztlich ein neues, funktionsfähiges Blutgefäß (Lumen-Bildung). Dieser Vorgang spielt bei einer ganzen Reihe von Er- krankungen eine pothophysiologisch dominante Rolle. Die genaue Kennt- nis der einzelnen Vorgänge, die im erkrankten Organismus zu einer Neubildung von Blutgefäßen führen, eröffnet die Möglichkeit zu grundle- gend neuen Therapieansätzen.

Klinikum der Philipps-Universität Marburg Abteilung Neuropathologie (Leiter: Prof.

Dr. med. Hans-Dieter Mennel) und Max- Planck-Institut für physiologische und klini- sche Forschung (W. G. Kerckhoff-lnstitut) Bad Nauheim (Direktor: Prof. Dr. rer. nat.

Werner Risau)

D

ie Vaskularisierung von Ge- weben und Organen ist ein streng kontrollierter Vor- gang, der während der Em- bryonalentwicklung stattfindet. Das Gehirn beispielsweise wird während der Embryonalentwicklung durch Einsprossen von Gefäßen, die sich zunächst an der Hirnoberfläche in Form eines primitiven perineuralen Gefäßplexus gebildet haben, vaskula- risiert. Dabei invadieren von der Ge- hirnoberfläche aus Endothelzellen aktiv das Neuroektoderm und spros- sen in unterschiedlicher Eindringtie- fe parallel zum ursprünglichen Ge- fäßplexus aus (1). Dieser Vorgang wird offenbar streng kontrolliert, da der angiogene Prozeß nur während der Embryonalentwicklung stattfin- det. Im adulten Gehirn findet hinge- gen unter normalen Bedingungen keine Angiogenese mehr statt (27).

Dies bedeutet jedoch nicht, daß Endothelzellen postmitotisch sind.

Unter bestimmten Bedingungen, wie zum Beispiel nach einem Hirninfarkt oder bei Wachstum eines intrazere- bralen Tumors, wird das Blutgefäß- wachstum erneut stimuliert (7). Man kann daher auch von „ruhendem"

Endothel sprechen, das durch patho- logische Prozesse „aktiviert" werden kann. Bei der Suche nach Faktoren, die Angiogenese regulieren, wurden eine Reihe von Peptiden mit mitoge- ner oder chemotaktischer Wirkung auf Endothelzellen isoliert und cha- rakterisiert. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Wachstums- faktoren, die als „Angiogenese-Fak- toren" bezeichnet werden (6).

Angiogenese-Faktoren Zur engeren Gruppe der Angio- genese-Faktoren gehören Polypep- tid-Wachstumsfaktoren, die in vitro auf Endothelzellen mitogen wirken oder in vivo (im Kornea-Test oder im Chorionallantoismembran-Test) an- giogen wirken (Tabelle 2). Zu den prominentesten Vertretern dieser

Gruppe gehören Mitglieder der Fi- broblast en-Wachstumsfaktor-Familie (fibroblast growth factors, FGFs), insbesondere das azidische und das basische FGF.

Eine Vielzahl von Wirkungen hat bFGF auf unterschiedliche Zell- typen (zum Beispiel einen mitogenen Effekt auf eine große Zahl mesen- chymaler Zellen). Obwohl bFGF der Wachstumsfaktor mit der stärksten mitogenen Aktivität auf Endothelzel- len in vitro ist, ist die Rolle von bFGF beim Blutgefäßwachstum in vivo noch ungeklärt. Der basische Fibro- blasten-Wachstumsfaktor wird von einigen Autoren als potentieller An- giogenese-Faktor während der Em- bryonalentwicklung, während des Tumorwachstums und als therapeuti- sche Substanz bei Wundheilungsstö- rungen (durch Stimulation der An- giogenese) angesehen (14, 25).

Platelet-derived growth factor (PDGF) ist ebenfalls ein Wachstums- faktor mit einer großen Breite an Ef- fektorzellen. PDGF kann auch An- giogenese stimulieren (26). Eine Rol- le von PDGF bei der pathologischen Vaskularisierung von Geweben wur- de postuliert, weil der Rezeptor für PDGF hauptsächlich auf Blutgefä- ßen in pathologischen Geweben, nicht jedoch auf Blutgefäßen im nor- malen Gewebe zu finden ist (22).

Diese Befunde wurden übereinstim- mend bei unterschiedlichen Erkran- kungen wie rheumathoider Arthritis (24), Karzinoiden (9) und Gliomen (11) erhoben, so daß offenbar ein Mechanismus, wie Blutgefäße unter pathologischen Bedingungen „akti- viert" werden, in der Präsentation des PDGF-Rezeptors auf der Zell- oberfläche besteht. Diese aktivierten Endothelzellen können dann durch PDGF, welches sie selbst produzie- ren können, stimuliert werden.

Ein weiterer angiogener Wachs- tumsfaktor ist der vascular endotheli- al growth factor/vascular permeabili- ty factor (VEGF/VPF). In der Na- mensgebung kommt zum Ausdruck, daß dieses Peptid neben einer mito-

(2)

INHIBITION DER ANGIOGENESE

Chemotaxis 'Lumen Formation' 0

Sekretion angiogener Wachstumsfaktoren Induktion von Wachstumsfaktor-Rezeptoren

0 00 00 0 0 0 0 Tumor- und/oder

Entzündungszellen Aktivierte Blutgefässzellen

Proteolyse Endothelzellproliferation

Tabelle 1: Auswahl verschiedener Er- krankungen, bei denen die Neubildung von Blutgefäßen pathophysiologisch ei- ne wichtige Rolle spielt. Im amerikani- schen Sprachgebrauch werden diese Er- krankungen als „angiogenesis depen- dent diseases" bezeichnet (17).

Arthropathien

Diabetische Retinopathien Glaukom

Korneaverletzungen Retrolentale Fibroplasie Wundheilungsstörungen Gefäßmißbildungen Hämangiome Solide Tumoren

bei um einen Faktor handelt, der ge- nerell Hypoxie-abhängige Angioge- nese vermittelt und damit für viele Gefäßneubildungen, die im Rahmen

Tabelle 2: Auswahl von Polypeptiden, die in vitro Endothelzellwachstum fördern und/oder in vivo Angiogenese stimulieren. TGF-13 und TNF hemmen das Endothelzellwachstum in vi- tro, wirken in vivo aber angiogen. Neben diesen relativ gut charakterisierten Wachstumsfak- toren existieren noch weitere Faktoren, für die eine stimulierende Wirkung auf Endothelzel- len in vitro postuliert wird (6, 15, 25)

Fibroblasten-Wachstumsfaktoren Blutplättchen-Wachstumsfaktor Transforming growth factor-(3 Tumor-Nekrose-Faktor

Vaskulärer Endothelwachstums- faktor/

Vaskulärer Permeabilitätsfaktor

(fibroblast growth factors, FGFs) (platelet-derived growth factor, PDGF)

(TGF-(3)

(Tumor necrosis factor, TNF) (Vascular endothelial growth fac- tor/vascular permeability factor, VEGF/VPF)

MEDIZIN AKTUELL

Abbildung 1: Tumor- und/oder Entzündungszellen können angiogene Faktoren sezernieren, die Blut- gefäßzellen stimulieren. Es kommt dabei zur Pro- liferation von Endothelzellen, ein Prozeß, der bei bestimmten Erkrankungen pathophysiologisch ei- ne zentrale Rolle einnimmt („angiogenesis depen- dent diseases", Tabelle 1). Therapeutische Kon- zepte, um in diesen Erkrankungen gezielt das Endothelzellwachstum zu inhibieren (Anti-Angio- genese), sehen unter anderem vor, die Produktion von angiogenen Faktoren (Tabelle 2) zu hemmen und/oder die Interaktion des angiogenen Faktors mit seinem Oberflächenrezeptor (auf der Blutge- fäßzelle) zu behindern (siehe Tabelle 3). Es gibt auch Prozesse, in denen ein verstärktes Blutgefäß- wachstum wünschenswert ist (zum Beispiel bei Wundheilungsstörungen). Hier könnte die Appli- kation angiogener Faktoren therapeutisch sinnvoll sein.

genen Wirkung auf Endothelzellen auch die Gefäßpermeabilität erhö- hen kann. Dies ist insofern interes- sant, als bei verschiedenen Erkran- kungen, die mit einer Neovaskulari- sierung einhergehen, es zu erhöhter Durchlässigkeit der Gefäße mit kon- sekutiver Odembildung im Gewebe kommt. Charakteristische Beispiele dafür sind proliferative Retinopa- thien und solide Tumoren. Es ist da- her verlockend, einen Faktor, der für beide Alterationen verantwortlich sein könnte, als potentiellen Auslö- ser anzunehmen. In der Tat wurde gezeigt, daß VEGF/VPF in menschli- chen Gliomen signifikant vermehrt ist und daß der Rezeptor für VEGF/

VPF auf den Blutgefäßen innerhalb des Tumors, nicht jedoch in Gefäßen im umgebenden normalen Gewebe vorhanden ist (23). Da VEGF/VPF durch Hypoxie induzierbar ist, spricht vieles dafür, daß es sich hier-

eines hypoxischen Geschehens statt- finden (Myokardinfarkt, Hirninfarkt, Tumorgewebsnekrosen etc.), verant- wortlich ist (28).

Anti-Angiogenese als therapeutisches Konzept (8)

Seit mehr als zwanzig Jahren wird durch Judah Folkman am Chil- dren's Hospital in Boston postuliert, daß Erkrankungen, bei denen Neo- vaskularisierung pathophysiologisch eine prominente Rolle spielt, durch Inhibitoren der Angiogenese thera- piert werden können. Als wesentli- che Beispiele werden dabei eine Rei- he von Augenerkrankungen, bei de- nen durch Gefäßproliferation in Re- tina, Glaskörper, Iris oder Kornea die Sehfähigkeit gefährdet wird, so- wie das Wachstum von soliden Tu- moren angeführt (Tabelle 1). Bei die- sem wurde gezeigt, daß nach der In- itialphase eines avaskulären Wachs- tums der Tumor vaskularisiert wer- den muß, um zu expandieren, und daß durch Angiogenese Tumorpro- gression und Metastasierung geför- dert werden (7). Beim Mamma-Kar- zinom wurde nachgewiesen, daß der Grad der Vaskularisierung ein zuver- lässiges Maß für die Invasivität und das Metastasierungspotential des Tu- mors darstellt (31). Das Therapie- Konzept der Anti-Angiogenese sieht dementsprechend vor, das Blutgefäß- wachstum bei solchen Prozessen, bei denen die Neovaskularisierung

(3)

Substanzen mit ungeklärtem

Wirkungsmechanismus

Angiostatische Steroide (4) Antibiotika (zum Beispiel Eponemycin, 19)

Antimykotika (zum Beispiel Fumagillin, 13, 20)

Alpha-Interferon (5) Penicillamin (3) Abbildung 2: Glioblastoma multiforme ist der

häufigste und bösartigste primäre intrakranielle Tumor des Menschen.

Computertomographische Aufnahme, b und c postmortale Gehirnschnitte eines parieto- occipital lokalisierten Glioblastoms

d In der Mikrophotographie eines histologischen Schnittes sind die sogenannten „Glomerulum-arti- gen Endothelzellproliferate" deutlich zu erkennen.

In morphometrischen Untersuchungen wurde ge- zeigt, daß Glioblastome zu den am besten vasku- larisierten Tumoren im Menschen gehören (2).

pathophysiologisch wichtig ist (soge- nannte „angiogenesis dependent dis- eases"), oder bei malignen Tumoren, für die keine andere wirkungsvolle Therapie bekannt ist (zum Beispiel Glioblastoma multiforme, mediane Überlebenszeit weniger als ein Jahr nach Diagnosestellung! Abbildung 2), spezifisch durch sogenannte „Angio- genese-Inhibitoren" zu hemmen.

Angiogenese-Inhibitoren Es existiert inzwischen eine Rei- he von Substanzen, die inhibitorisch

Tabelle 3: Auswahl antiangiogener Substanzen (inklusive einiger experimenteller Ansätze)

Substanzen mit postuliertem Wirkungsmechanismus

(weitgehend experimentell)

Rezeptor-Antagonisten

zum Beispiel Suramin (10, 21, 30) Antisense Oligonukleotide

monoklonale Antikörper mit/ohne Toxin

Antagonisten für angiogene Faktoren monoklonale Antikörper (12, 15, 29) Antisense Oligonukleotide (15)

Metalloproteinase-Inhibitoren (18)

Ein Teil der Substanzen scheidet für eine klinische Anwendung aufgrund uner- wünschter Wirkungen aus (zum Beispiel Penicillamin). Einige Substanzen, wie zum Beispiel Alpha-Interferon (22) und Fumagillin-Derivate (13), befinden sich hingegen in den USA in klinischer Erprobung. Eine detaillierte Ubersicht über Angiogenese-Inhibitoren findet sich bei Moses, M. A. und Langer, R., Bio- technology 9:630-634, 1991 (17), und bei Folkman, J., Biological Therapy of Cancer, Philadelphia 1991, 743-753 (8).

(4)

MEDIZIN AKTUELL

Abbildung 3: Nachweis des Platelet-derived growth factor receptor-ß (PDGFR-ß) in pathologi- schen Gefäßen innerhalb eines malignen Glioms.

a und b Doppel-Immunfluoreszens für von Wille- brand-Faktor (a) und PDGFR-13 (b). c und d In si- tu Hybridisierung mit einer 35S-markierten cRNA für PDGFR-ß. Die messenger RNA für PDGFR-I3 (c, d) und das Proteinprodukt (FITC-markiert, da- her grün in b) sind überwiegend in Blutgefäßen, jedoch kaum in Tumorzellen nachweisbar. In a und b ist gezeigt, daß PDGFR-ß und von Wille- brand-Faktor (ein Endothelzell-Marker) in den gleichen Zellen vorkommen (von Willebrand-Fak- tor wurde durch Rhodamin detektiert, daher rote Farbe in a). PDGFR-ß wird nur in aktiviertem, nicht jedoch in normalem („ruhendem") Gehirn- endothel exprimiert (22).

auf das Endothelzellenwachstum in vitro wirken oder Angiogenese in vi- vo hemmen (17). Während ein Teil dieser Substanzen empirisch gefun- den wurde, wurde ein weiterer Teil bei Versuchen charakterisiert, aus avaskulären Geweben wie Knorpel oder Kornea einen Inhibitor des Blutgefäßwachstums zu isolieren.

Diese zunächst vielversprechenden Experimente werden jedoch dadurch

behindert, daß nur unzureichende Mengen gereinigter Substanz zur Verfügung stehen, um in systemati- schen Untersuchungen die antiangio- gene Wirkung im Tiermodell in vivo zu prüfen. Daneben existieren eine Reihe weiterer, zum Teil gut charak- terisierter Substanzen mit antiangio- gener Wirkung wie zum Beispiel Ste- roide, bestimmte Antibiotika und Antimykotika. In der Regel herrscht jedoch Unklarheit über deren Wir- kungsmechanismus. Einige dieser Substanzen (zum Beispiel Fumagil- lin-Derivate, alpha-Interferon) wer- den zur Zeit in den USA in klini- schen Phase-I-Studien auf ihre Wirk- samkeit und Verträglichkeit bei aus- gewählten Erkrankungen (beispiels- weise Kaposi-Sarkom, kindliche Kor- tikosteroid-resistente Hämangiome) geprüft.

Neuere Therapieansätze zielen darauf ab, spezifisch die Interaktion zwischen pathologischem Gewebe- verband und Blutgefäßzellen zu stö- ren. Voraussetzung dazu ist jedoch eine genaue Analyse, welche Fakto-

ren bei der physiologischen und pa- thologischen Angiogenese zu wel- chem Zeitpunkt spezifische Funktio- nen ausüben. Ein therapeutischer Ansatzpunkt ist dabei die Inhibie- rung der Invasivität von Blutgefäß- zellen durch sogenannte Metallopro- teinase-Inhibitoren (18). Grundlage dieses therapeutischen Ansatzes ist der Befund, daß eine Voraussetzung für invasives Wachstum von „akti- vierten" Endothelzellen die Produk- tion proteolytischer Enzyme, unter anderem von Metalloproteinasen, ist.

Durch deren Wirkung werden extra- zelluläre Matrixproteine, wie zum Beispiel Kollagen, abgebaut. Bei- spielsweise kann durch Inhibition von Plasmin durch Trasylol verhin- dert werden, daß Blutgefäßzellen in ein Fibringel einsprossen (16). In weiteren therapeutischen Ansätzen macht man sich das zunehmende Wissen über die spezifische Interak- tion zwischen erkranktem Gewebe und Blutgefäßzelle zunutze, um spe- zifisch den angiogenen Prozeß zu in- hibieren. Grundlegende Prozesse, in

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die therapeutisch interveniert wer- den kann, stellen

1. die Synthese und Freisetzung eines angiogenen Peptids,

2. der Transport des Peptids zur Blutgefäßzelle,

3. die Interaktion des Peptids mit seinem Rezeptor auf der Blutge- fäßzelle sowie

4. die Präsentation des Wachs- tumsfaktorrezeptors auf der Blutge- fäßzelle dar.

Die detaillierte Kenntnis der ein- zelnen Wachstumsfaktoren und ihrer Rezeptoren eröffnet dann die Mög- lichkeit, den angiogenen Prozeß spezi- fisch zu inhibieren. Hier ist sowohl ein Einsatz monospezifischer Antikörper als auch die Applikation sogenannter

„antisense" Oligonukleotide denkbar.

Antisense Oligonukleotide sind in der Lage, die komplementäre „sense"

Messenger-RNA (welche zum Bei- spiel für einen „angiogenen" Faktor

kodiert), zu blockieren. Wichtige Voraussetzung für eine nebenwir- kungsarme Therapie ist, daß die Wir- kung auf das pathologische Gewebe beschränkt bleibt. Verheißungsvolle Ansätze ergeben sich dabei vor allem durch Untersuchungen, die gezeigt haben, daß bestimmte Rezeptoren nur auf pathologischen Blutgefäßen, nicht jedoch auf Blutgefäßen im nor- malen Gewebe vorhanden sind (22, 23). Aufgrund dieser Befunde sind theoretisch allenfalls geringe Neben- wirkungen zu erwarten (beispielswei- se bei der Blockade eines Rezeptors, der spezifisch auf pathologischem Endothel exprimiert wird). Gemein- same Anstrengungen von Wissen- schaftlern, Klinikern und pharma- zeutischer Industrie zur Erzeugung und in vivo experimentellen Testung der entsprechenden Substanzen sind notwendig, bevor klinische Studien in Betracht gezogen werden können.

Deutsches Ärzteblatt

90 (1993) A 1 -2987-2995 [Heft 45]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Karl H. Plate

Klinikum der Philipps-Universität Zentrum Pathologie

Abteilung Neuropathologie Baldingerstraße 1

35043 Marburg und

Max-Planck-Institut für physiologi- sche und klinische Forschung (W. G. Kerckhoff-Institut)

Abteilung Molekulare Zellbiologie Parkstraße 1

61231 Bad Nauheim

Vitamin-K-Prophylaxe bei Neugeborenen und Krebserkrankungen bei Kindern

Das Risiko für bösartige kindli- che Tumorerkrankungen erhöht sich durch die intramuskuläre Injektion von Vitamin K nach der Geburt nicht. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung der Abteilung für öf- fentliches Gesundheitswesen und Epidemiologie des schwedischen Ge- sundheitsministeriums und der Uni- versitäten in Lund und Linköping.

Die Wissenschaftler stellten mit einer Befragung aller Geburtenklini- ken fest, auf welche Weise bei reifen Neugeborenen in den Jahren von 1973 bis 1989 nach einer unproble- matischen Geburt die Vitamin-K- Prophylaxe durchgeführt wurde. In dieser Zeit gab es 1 384 424 Gebur- ten, von denen 1 085 654 in Kranken- häusern stattfanden, in denen Vit- amin K intramuskulär gespritzt wur- de. 272 080 Kinder kamen dagegen in Kliniken zur Welt, in denen sie Vit- amin-K-Tropfen oral erhielten. Die Forscher verknüpften dann zwei Da- tenbanken, um herauszufinden, ob die intramuskuläre Vitamin-K-Gabe gehäuft bei kindlichen Tumorpatien- ten stattgefunden hatte. Mit Hilfe

der individuellen persönlichen Iden- tifikationsnummer, die jeder Ein- wohner Schwedens kurz nach der Geburt erhält, verglichen sie die Da- ten des Medizinischen Geburtenregi- sters mit dem schwedischen Krebsre- gister. Alle bösartigen kindlichen Tu- morerkrankungen wurden in die Stu- die einbezogen, wenn sie mehr als 30 Tage nach der Geburt diagnostiziert wurden.

Um herauszufinden, ob die Krankenhäuser die angegebenen Routinemethoden der Vitamin-K- Gabe auch tatsächlich so durchge- führt hatten, wurden bei einer Stich- probe von 396 Kindern die Akten aus dem Kreißsaal eingesehen. Darunter waren 196 krebskranke Kinder und 200 gesunde Kontrollen. Bei 25 Pro- zent der Kinder, die Vitamin K oral bekommen haben sollten, und 55 Prozent derjenigen mit intramuskulä- rer Gabe fehlte in der Akte die ge- suchte Information. War die Art der Vitamin-K-Prophylaxe notiert, stimmte sie jedoch zu 92 Prozent mit der Routinemethode der Klinik überein. Im Vergleich zeigte sich

schließlich, daß die Anzahl der auf- getretenen Krebsfälle bei Kindern, die Vitamin K intramuskulär erhal- ten hatten, sich nicht von der Krebs- rate der Kinder unterschied, denen das Vitamin in Tropfenform gegeben wurde. Das Risiko war für alle kindli- chen bösartigen Tumoren und auch für Leukämien ausgeglichen und un- abhängig von der Art der Vitamin-K- Prophylaxe.

Die Ergebnisse dieser Studie stehen daher im Gegensatz zu denen der britischen Forscher, die in zwei Fall-Kontroll-Studien mit insgesamt 228 krebskranken Kindern und 657 gesunden Kontrollen ein erhöhtes Tumorrisiko bei intramuskulärer In- jektion von Vitamin K nach der Ge- burt festgestellt hatten. Gründe für die gegensätzlichen Ergebnisse könn- ten nach Ansicht der Autoren die un- terschiedlichen Studienregionen oder Differenzen in der Studienpla- nung sein. silk

Ekelund, H., 0. Finnström, J Gumar- skog, B. Käll6n, Y. Larsson: Administra- tion of vitamin K to newborn infants and childkood cancer. British Medical Jour- nal 307 (1993) 89-92

Bengt Källen, Department of Embryo- logy, University of Lund, Biskopsgatan 7, S-233 62 Lund, Schweden

Referenzen

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