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Archiv "Nationale Cholesterin-Initiative" (26.04.1990)

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Ein Strategie-Papier zur Erkennung und Behandlung von Hyperlipidämien

eit dem 1. Oktober 89 hat jeder Versicherte in der Bundesrepublik Deutsch- land (BRD), der das 35.

Lebensjahr vollendet hat, laut Paragraph 25 des Sozialgesetz- buches V (Gesundheitsreformge- setz) alle zwei Jahre Anspruch auf eine Gesundheitsuntersuchung, die auch Risikofaktoren von Herz/Kreis- lauferkrankungen, unter anderem ei- ne Bestimmung des Cholesterins, umfaßt. Ein solches Angebot ist im Hinblick auf die hohe Morbidität und Mortalität der koronaren Herz- krankheit (KHK) in der BRD drin- gend erforderlich. Es muß aufgrund heutiger wissenschaftlicher Erkennt- nisse angenommen werden, daß die hohe, seit Jahren nahezu unverän- derte Herzinfarktrate in der Bevöl- kerung der Bundesrepublik Deutsch- land in einem unmittelbaren Zusam- menhang mit einer unzureichenden Beeinflussung von Herzinfarktrisiko- faktoren, insbesondere zu hoher Cholesterinwerte im Blut, steht.

Die Verbesserung des Gesund- heitsverhaltens in der Bevölkerung sowie die möglichst frühzeitige Er- kennung gefährdeter Personen und deren richtige Behandlung nehmen deshalb eine zentrale Rolle bei der Prävention der atherosklerotischen Gefäßkrankheiten und ihrer wesent- lichen Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere Durchblu- tungsstörungen) ein. Fettstoffwech- selstörungen sind dabei von zentra- ler Bedeutung für die koronare Herzkrankheit, insbesondere für den

AKTUELLE MEDI 1

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Nationale

Cholesterin-Initiative

Herzinfarkt. Ein Großteil der Hyperlipidämie-Patienten benötigt ärztliche Betreuung, um das KHK- Risiko wirkungsvoll zu senken.

Unter Berücksichtigung von Empfehlungen der European Athe- rosclerosis Society (EAS [1, 2]) und anderer Gesellschaften (3-5) wird hier eine Anleitung zur Erkennung und Behandlung von Fettstoffwech- selstörungen für die ärztliche Praxis gegeben. In einem Addendum wird zu verschiedenen Fragen der Präven- tion, Diagnostik und Therapie der Fettstoffwechselstörungen Stellung bezogen.

Prof. Gerd Assmann, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung, Ge- schäftsführender Direktor des In- stituts für Arteriosklerosefor- schung an der Universität Münster Prof. Aloys Berg, Mitglied der Sektion Rehabilitation und Be- hindertensport des Deutschen Sportärztebundes

Prof. Günter Breithardt, Mitglied der Kommission für Klinische Kardiologie der Deutschen Ge- sellschaft für Herz-Kreislauffor- schung

Prof. Ulrich Gleichmann, Vorsit- zender der Kommission für Klini- sche Kardiologie der Deutschen Gesellschaft für Herz-Kreislauf- forschung, Stellvertretender Vor- sitzender der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruk- kes, Vorsitzender des Wissen- schaftlichen Beirates der Deut- schen Herz-Kreislauf-Präventi- onsstudie

Prof. Max Halhuber, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Herz- stiftung

Prof. Ulrich Keil, Vorstandsmit- glied der Deutschen Liga zur Be- kämpfung des hohen Blutdruckes,

I. Die volkswirtschaft- liche Bedeutung der KHK in der

Bundesrepublik

Krankheiten des Herz/Kreislauf- systems sind weiterhin die häufigste Todesursache in den industrialisier- ten Ländern. Im Jahre 1987 verstar- ben in der Bundesrepublik Deutsch- land 149 422 Männer und 193 247 Frauen an Krankheiten des Kreis- laufsystems (6), das sind 46 Prozent aller verstorbenen Männer und 53 Prozent der Frauen. Darin ent- Vorsitzender des Nationalen Blutdruckprogramms (NBP), Vi- zepräsident der Deutschen Ge- sellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)

Prof. Kurt Kochsiek, Vorsitzen- der der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

Prof. Jürgen Kruse-Jarres, Präsi- dent der Deutschen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin Prof. Paul Lichtlen, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Ge- sellschaft für Herz-Kreislauffor- schung

Prof. Günter Schlierf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Prof. Peter Schwandt, Vorsitzen- der der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoff- wechselstörungen und ihren Fol- geerkrankungen (DGFF) Lipid- Liga e. V. —

Prof. Hermann Weidemann, Vor- standsmitglied der Deutschen Ar- beitsgemeinschaft für kardiologi- sche Präventionund Rehabilitation Prof. Hermann Wisser, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie

A-1358 (38) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

(2)

30-39 40-49

Alter (Jahre) 25-29

Tabelle 2: Prävalenz erhöhter Cholesterinwerte in der Deutschen Herz/- Kreislauf-Präventionsstudie, Nationaler Untersuchungssurvey 1984-86 (n = 4796)

Cholesterin 200-249 mg/dl Männer

Frauen

Cholesterin 250-299 mg/dl Männer

Frauen

Cholesterin 300 mg/dl Männer

Frauen

39% 43% 44%

36% 41% 49%

10% 20% 29% 31% 30%

10% 13% 18% 37% 46%

1% 5% 9% 9% 12%

3% 2% 6% 20% 20%

50-59 60-69

44%

I

39%

36% 27%

Cholesterin 200 mg/dl Männer

Frauen

50% 68% 82% 84% 81%

49% 56% 73% 93% 93%

halten sind 71 270 Männer (22 Pro- zent) und 65 619 Frauen (18 Pro- zent), die an einer ischämischen Herzkrankheit verstarben. Während bei Frauen vor allem im höheren Al- ter die Krankheiten des Kreislaufsy- stems als Todesursache in den Vor- dergrund treten, sind sie bei Män- nern bereits in mittleren Lebensjah- ren (45-65 Jahre) mit 27 878 Fällen

= 37 Prozent die wichtigste Todes- ursache. Darin enthalten sind 17 002 koronare Todesfälle (23 Prozent).

Im Jahre 1980 (neuere Angaben sind nicht verfügbar) gingen in der BRD 173 000 Erwerbstätigkeitsjahre durch Mortalität und Morbidität der koronaren Herzkrankheit verloren (7). Die Kosten der ischämischen Herzkrankheiten betrugen 1980 in der BRD 7,5 Milliarden DM (7).

Während in den USA im Zeit- raum von 1970 bis 1985 bei 30- bis 69jährigen Männern und Frauen ein Rückgang der altersstandardisierten Mortalität durch ischämische Herz- krankheiten von jeweils 48 Prozent zu beobachten ist (8), ist die entspre- chende Mortalität in der Bundesre- publik Deutschland in diesem Zeit- raum „nur" um etwa 10 Prozent ge- fallen. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß das Ausgangsniveau in den USA deutlich höher lag als in der BRD. Trotz der erheblich stär- keren Reduktion der KHK-Mortali- tät in den USA liegt derzeit die al- tersstandardisierte KHK-Mortalität in den USA bei 30- bis 69jährigen

Männern mit 235 pro 100 000 Perso- nen über den Zahlen in der Bundes- republik Deutschland mit 204 (8);

die entsprechenden Werte für Frau- en betragen 80 in den USA und 52 in der BRD (8).

Bei den vorzeitigen Rentenge- währungen wegen Berufs- oder Er- werbsunfähigkeit hatten die Krank- heiten des Kreislaufsystems im Jahre 1986 einen Anteil von 32 Prozent bei den Männern und von 23 Prozent bei den Frauen und standen damit an er- ster Stelle, der Anteil der ischämi- schen Herzkrankheiten betrug 12 Prozent bei Männern und 5 Prozent bei Frauen (9).

II. Prävalenz der Hyperlipidärnie in der Bundesrepublik

Die Prävalenz von Lipidstoff- wechselstörungen ist sehr stark al- tersabhängig. In jüngeren Jahren tritt sie bei Männern häufiger auf als bei Frauen, nach dem 50. Lebensjahr ist es umgekehrt.

In dem Nationalen Untersu- chungssurvey der Deutschen Herz/

Kreislauf-Präventionsstudie (DHP) 1984-1986 wurden in Abhängigkeit vom Alter die in Tabelle 1 und 2 dar- gestellten Cholesterinkonzentratio- nen gefunden (10).

Damit weisen mehr als 80 Pro- zent der über 40jährigen Männer Cholesterinwerte über 200 mg/dl auf, davon sogar die Hälfte über 250 mg/

dl. In dem zweiten Survey 1987/88 la- gen die Werte geringfügig höher, es war nicht zum erwarteten säkularen Trend mit Abfall der Werte gekom- men.

Insgesamt stimmen die in der Bundesrepublik Deutschland erho- benen Daten zur Häufigkeit erhöh- ter Cholesterinwerte gut überein. In der Bayerischen Cholesterin-Aktion (BCÄ [11]) und im ersten MONICA (Monitoring of Trends and Determi- nants in Cardiovascular Diseases) Survey in der Region Augsburg (12) wurden vergleichbare Cholesterin- konzentrationen gemessen. Im Un- terschied dazu lagen die bei 6400 Männern im Alter von 40 bis 59 Jah- ren in der Göttinger Risiko-, Inzi- denz- und Prävalenz-Studie (GRIPS [13]) und 1bei 20 000 Berufstätigen beiderlei Geschlechts im Alter von 17 bis 65 Jahren gemessenen Werte in der Prospektiven Cardiovaskulä- ren Münster-Studie (PROCAM [14]) in den jeweiligen Altersgrup- pen um etwa 10 Prozent niedriger.

Im Gegensatz zur DHP, zu MONI- CA und zur BCA wurden bei GRIPS und PROCAM nur arbeitsfähige, sich subjektiv weitgehend gesund fühlende und zum Zeitpunkt der Un- tersuchung nüchterne (12 Stunden nach der letzten Mahlzeit) Personen in die Untersuchung einbezogen.

Die dominierende Rolle des LDL-Cholesterins als kausaler Risi- 17jEktor der KHK ist unstrittig (15).

Deshalb ist sowohl in den Empfeh- Tabelle 1: Gesamtcholesterin in der Deutschen Herz/Kreislauf-Präventi- onsstudie, Nationaler Untersuchungssurvey 1984-86 (n = 4796), Mittel- werte (mg/dl)

Alter (Jahre) 25-29 30-39 40-49 50-59 60-69

Männer 202 222 241 242 245

Frauen 204 210 225 260 1 266

Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990 (41) A-1361

(3)

Tabelle 3: Prävalenz der Hypertonie in der Deutschen Herz/Kreislauf-Prä- ventionsstudie, Nationaler Untersuchungssurvey 1984-86 (n -- 4796) Alter (Jahre) 25-29 30-39 40-49 50-59 60-69 Männer

Frauen

15%

5%

23%

13%

30%

22%

31%

27%

5%

1%

lungen der European Atherosclero- sis Society (1, 2) als auch in den ame- rikanischen Empfehlungen (3, 4) das Ziel der Intervention nach dem LDL-Cholesterin ausgerichtet: ein Wert von unter 155 mg/dl sollte an- gestrebt werden. Nach diesem Grenzwert wiesen in der PROCAM- Studie bei den Männern jeder dritte 36- bis 45jährige und mehr als 40 Prozent der über 45jährigen erhöhte LDL-Cholesterinwerte auf. Bei den Frauen lag die Prävalenz bei 20 Pro- zent der 36- bis 45jährigen und stieg in den beiden nächsten Altersdeka- den auf 45 Prozent beziehungsweise 62 Prozent an (14). In der DHP konnte LDL-Cholesterin nicht be- rechnet werden, da die Probanden nicht nüchtern waren.

Erhöhte Triglyzeride ( 200 mg/

dl) wurden bei 20 Prozent der männ- lichen und bei 5 Prozent der weib- lichen Teilnehmer (über 35 Jahre) der PROCAM-Studie gefunden, er- niedrigte HDL-Cholesterinkonzen- trationen — unabhängig vom Alter — bei 15 Prozent der Männer (< 35 mg/dl) und bei 20 Prozent der Frau- en (< 45 mg/dl). Auf die zunehmen- de Bedeutung der Lipidproblematik schon im Kindesalter kann in diesem Zusammenhang nur hingewiesen werden.

III. Prävalenz anderer Risikofaktoren in der Bundesrepublik

Neben Fettstoffwechselstörun- gen sind Zigarettenrauchen und er- höhte Blutdruckwerte die Hauptrisi- kofaktoren für die koronare Herz- krankheit. DHP, GRIPS und PRO- CAM ergaben ähnliche Prävalenzda- ten für erhöhte Blutdruckwerte in al- len Altersklassen, während die MO- NICA-Augsburg-Prävalenzdaten in den oberen Altersgruppen niedriger waren. Der Anteil der Raucher in der DHP-Studie lag etwa 5 Prozent höher als in den anderen Studien.

Nach den Ergebnissen der DHP rauchen etwa 50 Prozent der männ- lichen und 40 Prozent der weiblichen 25- bis 39jährigen Bundesbürger. Die Prävalenz nimmt in den folgenden Altersdekaden (40 bis 49 Jahre, 50 bis 59 Jahre und 60 bis 69 Jahre) in

beiden Geschlechtern deutlich ab (Männer: 39 Prozent, 37 Prozent, 31 Prozent; Frauen: 24 Prozent, 18 Pro- zent, 14 Prozent).

Gemäß den Kriterien der WHO (systolischer Blutdruck 160 mm Hg und/oder diastolischer Blutdruck 95 mm Hg) ist auch die Hyperto- nie in der Bundesrepublik weit ver- breitet (Tabelle 3).

IV. Die Hypercholeste- rinämie und sonstige Dyslipidämien im Rahmen der multifaktoriellen Genese der KHK

Für die Reduzierung von Risiko- faktoren werden von der European Atherosclerosis Society (1, 2) in Übereinstimmung mit anderen Fachgesellschaften (USA [3, 4],

Schweiz [5]) zwei Strategien vorge- schlagen. Die Bevölkerungsstrategie basiert auf der Erkenntnis, daß die KHK größtenteils als Folge eines ho- hen Bevölkerungsanteils mit mäßig ausgeprägten Risikofaktoren anzu- sehen ist. Diese Strategie ist auf eine Minderung des KHK-Risikos in der Gesamtpopulation ausgerichtet, ihr Ziel ist es, das Gesundheitsverhalten in der gesamten Bevölkerung zu ver- bessern. Rauchen, Übergewicht, un- ausgewogene Ernährung und kör- perliche Inaktivität sind so verbrei- tet, daß es unbedingt einer Massen- aufklärung bedarf, um die große Zahl betroffener Personen zu errei- chen. Bei der überwiegenden Zahl der Bürger sind Fettstoffwechselstö- rungen durch Faktoren der Lebens- weise, insbesondere eine fett- und cholesterinreiche Ernährung bedingt und werden erst im Erwachsenenal- ter manifest. Mittel- und langfristig muß der „altersbedingte" Anstieg

des Cholesterinspiegels durch eine fettarme Ernährung in der Gesamt- bevölkerung verhindert werden. Nur so wird die derzeit drängende Pro- blematik der Hypercholesterinämie unter Kontrolle zu bringen sein.

Die Individual- oder Hochrisiko- Strate ie soll durch breitgestreute

mische und laborchemische Tests diejenige Minderheit ermitteln, die ein besonders hohes KHK-Risiko aufweist. Bei solchen Personen rei- chen die moderaten Änderungen des Gesundheitsverhaltens, wie sie Teil der Bevölkerungsstrategie sind, häu- fig nicht aus.

Cholesterinwerte über 180 mg/dl vor dem 30. Lebensjahr und über 200 mg/dl nach dem 30. Lebensjahr be- dürfen der ärztlichen Aufmerksam- keit (1-4). Die Bewertung erhöhter Cholesterinspiegel ist abhängig vom sonstigen Risikofaktorenprofil und der Höhe des LDL-Cholesterins (siehe Übersichtsschema). Mäßiggra-

dige Erhöhungen des LDL-Choleste- rins (155-200 mg/dl) sind in der Re- gel durch Ernährungsumstellung (fettarme, cholesterinarme, ballast- stoffreiche Ernährung) erfolgreich zu behandeln, deutliche Erhöhungen des LDL-Cholesterins (> 200 mg/dl) erfordern sehr oft eine zusätzliche medikamentöse Therapie.

Die Behandlung erhöhter Cho- lesterinwerte setzt die Bestimmung anderer Risikofaktoren sowie eine sorgfältige Anamnese und umfassen- de klinische Untersuchung voraus.

Cholesterinwerte sollten, ähnlich wie Blutdruckwerte, bei Arztbesuchen (nicht nur beim Spezialisten) gemes- sen werden. Jeder Arzt sollte den Cholesterinwert seines Patienten kennen. Die Cholesterinbestimmung ist vom 36. Lebensjahr an bei Män- nern und Frauen ein integraler Be- standteil der Gesundheitsvorsor- geuntersuchung (§ 25 des Sozialge- setzbuches V).

A-1362 (42) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

(4)

keine weitere Cholesterin- untersuchung notwendig.

Wichtig:

Kontrolluntersuchung nach dem 35. Lebensjahr alle 2 Jahre***

Genaue Aufschlüsselung des Cholesterin- wertes erforderlich! (Nüchternbestimmung)

Trifft eines der folgenden Untersuchungsergebnisse zu?

- LDL-Cholesterin über 155 mg/dl - HDL-Cholesterin unter 35 mg/dI - Triglyzeride über 200 mg/dl

nein

Strategie zur Diagnostik und Therapie der Hypercholesterinämie* 1

Ist der Cholesterinwert höher als 200 rng/dl?

nein

Der Cholesterinwert liegt zwischen 200 und 250 mg/dl

Der Cholesterinwert liegt über

250 mg/dI

Liegen zwei oder mehr der folgenden Faktoren vor?

- männliches Geschlecht - Zigarettenrauchen - Hypertonie - Diabetes

- Herzinfarkt in der Familie - Herzbeschwerden - orale Antikonzeptiva

- jugendliches Alter

keine weitere Cholesterin- untersuchung nötig.

Ernährungsberatung.

Kontrolluntersuchung nach dem 35. Lebensjahr

alle 2 Jahre***

Siehe mäßiggradige Hypercholesterinämie

- lipidsenkende Diät - Behandlung beglei-

tender Risikofaktoren - Nachkontrolle nach

dem 35. Lebensjahr alle 2 Jahre***

(siehe mäßiggradige Hypercholesterinämie)

- lipidsenkende Diät - Behandlung beglei-

tender Risikofaktoren - Abhängig voh Serum-

cholesterin und -tri- glyzeriden Zuordnung zu Therapiegruppe gemäß Kapitel Vl.

* Einzelheiten und Erläuterungen siehe Kapitel V - IX

*" gesicherter Herzinfarkt, pathologische Koronarangiographie, Zustand nach Bypass-Operation oder nach Koronardilatation

"*" beiJüngeren ist eine Kontrolluntersuchung alle 5 Jahre wünschenswert

Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990 (43) A-1363

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mg/dl mmol/1 mg/dl mmo1/1 Tabelle 4: Zielwerte

ohne weiteren ausge- prägten Risikofaktor

mit einem weiteren ausgeprägen Risiko- faktor oder mehrfa- chen Risikofaktoren

LDL-Cholesterin Serumcholesterin Serumtriglyzeride

155 200-215

200

4 5,2-5,7

2,3

135 200 200

3,5 5,2 2,3 Wegen der multifaktoriellen Ge-

nese der KHK erlaubt eine isolierte Betrachtung des Cholesterins bezie- hungsweise des LDL-Cholesterins keine umfassende Risikobeurtei- lung: Es sollten auch die Triglyzerid- werte und das HDL-Cholesterin be- kannt sein; Diabetes mellitus und Hypertonie sind oft mit Fettstoff- wechselstörungen und hohem Koro- narrisiko vergesellschaftet; Überge- wicht und Alkoholkonsum sind wich- tige Begleitkomponenten. Von gro- ßer Bedeutung sind weiterhin das Geschlecht und das Vorliegen ei- ner atherosklerotischen Erkrankung (insbesondere der KHK) oder einer entsprechenden familiären Belas- tung. Diese Überlegungen sind Grundlage des Übersichtsschemas

„Strategie zur Diagnostik und The- rapie der Hypercholesterinämie"

(siehe Ubersichtsschema).

Eine einfache Klassifizierung der Fettstoffwechselstörungen unter Berücksichtigung der verschiedenen klinischen Aspekte (siehe Kapitel VI) basiert auf der gleichzeitigen Be- stimmung von Cholesterin und Tri- glyzeriden. Die Behandlung der Hy- percholesterinämie und sonstiger Dyslipidämien bedarf der konse- quenten Korrektur aller beeinfluß- baren Risikofaktoren: Ubergewicht, Rauchen, Hypertonie, Diabetes mel- litus, körperliche Inaktivität.

Folgende häufiger vorkommen- de Ursachen für sekundäre Hyperli- pidämien sind bekannt und sollten, falls möglich, behandelt werden:

Hypercholesterinämie: Hypothyreo- se, chronische Niereninsuffizienz oder nephrotisches Syndrom, Chole- stase, Dysgammaglobulinämien, an- drogene Steroide.

Beeinflußbare Risikofaktoren Bluthochdruck

Zigarettenrauchen Diabetes mellitus Übergewicht

niedrige HDL-Cholesterinspie- gel

orale Antikonzeptiva

Andere Faktoren (nicht beein- flußbar, jedoch für Behand- lungsziele wichtig)

Familienanamnese von KHK bzw. peripheren Gefäßerkran- kungen

Patientenanamnese einer KHK männliches Geschlecht

jugendliches Alter

In Abhängigkeit vom Fehlen oder Vorliegen solcher zusätzlicher Risikofaktoren sind die therapeuti- schen Zielwerte in Tabelle 4 formu- liert. Sofern besonders hohe HDL- Cholesterinwerte gemessen werden, sind die Zielwerte für Gesamtchole- sterin und LDL-Cholesterin unter Umständen höher anzusetzen.

VI. Die Therapie- gruppen (primäre Prävention)

Die folgenden Empfehlungen lehnen sich eng an die Aufteilung der Hyperlipidämien gemäß der Eu- ropean Atherosclerosis Society (1, 2) und die dafür ausgesprochenen Be- handlungskonzepte an. Das thera- peutische Vorgehen ist abhängig von verschiedenen Grenzwerten und der Gesamtrisikobewertung, wobei zu- nächst mögliche Ursachen für eine sekundäre Hyperlipidämie ausge-

schlossen werden sollten. Alle be- gleitenden Risikofaktoren müssen, soweit möglich, gemindert oder aus- geschaltet werden. Je nach Ausprä- gung der Fettstoffwechselstörung sollte bei Behandlung nach zwei bis sechs Monaten eine Nachkontrolle erfolgen.

Eine mäßiggradige Hyperchole- sterinämie (Cholesterin 200-250 mg/

dl, Triglyzeride < 200 mg/dl) erfor- dert häufig keine therapeutische Maßnahme, insbesondere wenn der Quotient Cholesterin/HDL-Chole- sterin < 4 beträgt. Liegt der Quo- tient zwischen 4 und 5 und ist kein weiterer Risikofaktor (siehe Kapitel V.) bekannt, ist gegebenenfalls ei- ne Gewichtskorrektur, körperliche Mehraktivität und eine fettreduzier- te Ernährung anzuraten. Wenn der Quotient > 5 ist, so sollte die diäteti- sche Beratung verstärkt werden. Nur bei den am stärksten gefährdeten Patienten (mit besonders hohen Quotienten) ist bereits frühzeitig der Einsatz von Medikamenten zu erwä- gen. Grundsätzlich sollte, sofern ein ausgeprägter oder mehrere weitere Risikofaktoren vorliegen oder sofern bereits eine KHK nachweisbar ist (siehe Kapitel VII.), eine intensivere Betreuung erfolgen.

Bei der deutlichen Hyperchole- sterinämie (Cholesterin 250-300 mg/

dl, Triglyzeride < 200 mg/dl) sollte ebenfalls zunächst das Gewicht nor- malisiert werden und eine diäteti- sche Beratung erfolgen. Wird das Behandlungsziel (siehe Kapitel V.) nicht erreicht, ist die diätetische Be- ratung zu intensivieren. Wenn der Patient trotz längerer Austestung auf die Diättherapie unzureichend an- spricht, sollte der Einsatz von Medi- kamenten erwogen werden, insbe- Hypertriglyzeridämie: Adipositas,

Alkoholabusus, unbehandelter Dia- betes mellitus, Thiazide, einige 13-Blocker.

V. Behandlungsziele

Das therapeutische Ziel und die Intensität der Behandlung von Fett- stoffwechselstörungen sind abhängig von der Anwesenheit zusätzlicher Risikofaktoren:

A-1366 (46) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

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sondere wenn weitere Risikofakto- ren vorliegen. Insbesondere in dieser Patientengruppe ist dem Quotienten Cholesterin/HDL-Cholesterin be- sondere Beachtung zu schenken. Bei der Auswahl der Medikamente muß berücksichtigt werden, ob die Erhö- hung des Quotienten durch erhöhte Cholesterinwerte und/oder ernied- rigte HDL-Cholesterinwerte verur- sacht wird.

Bei Patienten mit extremer Hypercholesterinämie (Cholesterin

> 300 mg/dl, Triglyzeride < 200 mg/dl) besteht ein besonders hohes KHK-Risiko. Oftmals liegt eine fa- miliär genetische Disposition (zum Beispiel familiäre Hypercholesterin- ämie) vor. In der Regel kann das Be- handlungsziel trotz Befolgung der Ernährungsempfehlungen nicht er- reicht werden, so daß eine medika- mentöse Therapie frühzeitig einge- leitet werden sollte. Eventuell ist die Überweisung an eine Spezialklinik anzuraten.

Eine mäßiggradige Hypertrigly- zeridämie (Cholesterin < 200 mg/dl, Triglyzeride 200-500 mg/dl) ist bis- lang nicht als kausale Ursache der Atherosklerose gesichert. Sofern je- doch gleichzeitig niedrige HDL-Cho- lesterinspiegel (< 35 mg/dl) gemes- sen werden (zum Beispiel häufig bei Diabetes mellitus, siehe Kapitel VII b), muß wegen der möglichen Atherogenität dieser Stoffwechsel- störung eine konsequente Betreuung mit dem Ziel der Erniedrigung der Triglyzeridwerte und der Erhöhung der HDL-Cholesterinwerte erfolgen.

Körperliche Mehraktivität mit Aus- dauercharakter ist in solchen Fällen besonders dringlich anzuraten. Sehr häufig ist eine Hypertriglyzeridämie sekundär. Die Behandlung der zu- grunde liegenden Ursachen (Über- gewicht, Alkohol, schlecht eingestell- ter Diabetes mellitus) ist die Metho- de der Wahl.

Bei ausgeprägter Hypertriglyze- ridämie (> 500 mg/dl), insbesondere wenn Werte > 1000 mg/dl gemessen werden, besteht die Gefahr einer Pankreatitis; um dieses Risiko zu mindern, ist eine fettarme Spezial- diät erforderlich.

Weist ein Patient gleichzeitig ei- ne mäßiggradige oder deutliche Hy- percholesterinämie und Hypertrigly-

zeridämie (Cholesterin 200-300 mg/

dl, Triglyzeride 200-500 mg/dl) auf, kann eine familiär-kombinierte Hy- perlipidämie vorliegen (siehe Kapi- tel VIII.). Einzelne Familienangehö- rige können „nur" eine isolierte Hy- percholesterinämie oder Hypertri- glyzeridämie aufweisen. Diese fami- liäre Fettstoffwechselstörung ist trotz häufig nur mäßig erhöhter Li- pidwerte mit einem besonders hohen KHK-Risiko verbunden. In der Re- gel behandelt man zunächst die Hypertriglyzeridämie (Gewichtsnor- malisierung, striktes Alkoholverbot), dann die Hypercholesterinämie (sie- he dort).

Bei Patienten mit Chylomikron- ämie-Syndrom ist eine genaue Dia- gnose der primären Fettstoffwech- selstörung zu stellen (siehe Kapitel VIII.). Dazu ist die Uberweisung an einen Spezialisten zu erwägen. Für das Chylomikronämie-Syndrom gibt es keine befriedigende medikamen- töse Therapie. Die Behandlung er- folgt hier mittels einer extrem fettar- men Kost.

VII a. Fettstoffwechsel- störungen bei doku- mentierter koronarer Herzkrankheit

(sekundäre Prävention)

Patienten mit dokumentierter KHK (gesicherter Herzinfarkt, pa- thologische Koronarangiographie, Zustand nach Bypass-Operation oder nach Koronardilatation) müs- sen besonders intensiv ärztlich be- treut werden. In diesen Fällen muß angenommen werden, daß auch nur mäßig erhöhte Cholesterinwerte an der Entstehung der KHK einen ent- scheidenden Anteil haben. Es gilt deswegen, einerseits durch optimale Beeinflussung der Risikofaktoren — insbesondere der Cholesterinwerte — eine schnelle Progression zu verhin- dern, wie sie auch im Bereich von Bypassvenen beobachtet wird.

Andererseits zeigen verschiede- ne neuere Untersuchungen, daß durch starke Absenkung der Chole- sterinwerte eine Regression der KHK, teilweise mit verbesserter Per- fusion, erreicht werden kann (16).

Folgende Maßnahmen sind deswe- gen zu empfehlen:

> Die Patienten sollten ihre Lipid- werte (Cholesterin, Triglyzeride, HDL- und LDL-Cholesterin) ken- nen, die Werte müssen häufiger (mindestens zwei- bis viermal/Jahr) kontrolliert werden, dabei möglichst Eintragung in einen Lipid-Paß. Nach Eintritt eines Herzinfarktes sollte Blut für die Bestimmung der Blutfet- te innerhalb von acht Stunden abge- nommen werden, um repräsentative Werte für den Zeitraum vor dem In- farkt zu erhalten. Bei späteren Blut- abnahmen sind für mehrere Wochen die Blutfettwerte so verändert, daß verläßliche Aussagen zur Frage, ob eine und welche Fettstoffwechselstö- rung vorliegt, oftmals nicht möglich sind.

> Die anzustrebenden Grenzwerte sollten für das Gesamtcholesterin unter 200 mg/dl liegen, für LDL un- ter 135 mg/dl und für HDL über 35 mg/dl.

> Die diätetische Therapie sollte sehr konsequent durchgeführt wer- den. Dies bedeutet für einen Teil der Patienten eine Absenkung der Ge- samtfettkalorien von 30 Prozent auf 20 Prozent oder weniger, sowie eine Reduktion der Cholesterinaufnahme auf 150 mg/Tag.

> Frühzeitiger als sonst — bei Cho- lesterinwerten über 250 mg/dl unter Umständen gleichzeitig mit der di- ätetischen Therapie — sollte zur Er- reichung der genannen Ziele eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Eine möglichst schnelle Cholesterinsenkung soll eine Pro- gression der Erkrankung, wie sie im- mer wieder koronarangiographisch auch innerhalb weniger Monate zu beobachten ist, verhindern. Eine möglichst tiefe Absenkung erhöht die Chance einer partiellen Reduk- tion der Koronarstenosen. Die diäte- tische Therapie benötigt, wie auch bei allen anderen Patienten, längere Zeiträume der Optimierung. Wenn sie effektiv ist, kann unter Umstän- den die Medikation reduziert wer- den.

> Noch konsequenter als in der pri- mären Prävention müssen die übri- gen beeinflußbaren Risikofaktoren behandelt oder ausgeschaltet wer- den.

A-1368 (48) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

(7)

350-460

300-600

270-350 190-300

300-450

190-270

< 200 Tendinöse Xanthome (Fingerextensor, Achillessehnen), Ar- cus corneae, Xanthe- lasmen, Aortensteno- se

Tuberöse Xanthome (Ellenbogen), Hand- flächen-, tendinöse Xanthome

Arcus corneae, Xan- thelasmen

Eruptive Xanthome (Gesäß, Ellenbogen), Lipaemia retinalis, Hepatosplenomegalie Eruptive Xanthome (Gesäß, Ellenbogen), Lipaemia retinalis, Hepatosplenomegalie 450-1500

Familiäre Hyper- + + + cholesterinämie

Remnant (Typ III) + + + Hyperlipidämie

Familiäre kombinier- + + te Hyperlipidämie

Familiäre Hyper- triglyzeridämie

Chylomikronämie- Syndrom

HDL-Hyperchol est e- rinämie - (z. B.>100 mg/dl) (Keine Be- handlung indiziert)

250— 500 350-750

> 1000

< 200 Pankreati-

tis-Risiko

Cholesterin (mg/dl)

Triglyzeride (mg/dl)

Symptome (falls vorhanden) KHK-

Risiko

+- D Bei Kindern der Patienten sollte

ein Cholesterin-Screening erfolgen, um frühzeitig eine mögliche geneti- sche Belastung zu entdecken. Das Screening kann auf Ehepartner aus- gedehnt werden; die „familiäre"

Compliance für die Einhaltung einer gesundheitsfördernden Kost („Di- ät") kann dadurch günstig beeinflußt werden.

VII b. Fettstoffwechsel- störungen bei Diabetes mellitus und bei

arterieller Hypertonie

Diabetiker weisen ein 1,5- bis 3fach erhöhtes KHK-Risiko auf, das wahrscheinlich zumindest teilweise durch Dyslipoproteinämie bedingt ist.

Beim nicht-insulinpflichtigen Diabetiker ist die häufigste Form die Hypertriglyzeridämie, oft vergesell- schaftet mit einem niedrigen HDL- Cholesterin. Für LDL-Cholesterin wurden in einigen Studien normale, in anderen Studien erhöhte Werte gefunden. Alle diese Lipoprotein- anomalien können zu einem erhöh- ten Risiko für die KHK und periphe- re Gefäßkrankheiten beitragen. Der Hypertriglyzeridämie kommt nach neueren Untersuchungen bei Patien- ten mit Diabetes eine stärkere Be- deutung als unabhängiger Risikofak- tor zu.

In vielen Fällen normalisieren sich die Veränderungen der Lipide/

Lipoproteine bei einer wirksamen Behandlung der Hyperglykämie.

Hält die Dyslipoproteinämie trotz zufriedenstellender Complian- ce an, so ist von einer gleichzeitigen primären Fettstoffwechselstörung auszugehen.

In der Praxis sind folgende Maß- nahmen zu empfehlen:

> Bei Diabetikern sollen Choleste- rin, Triglyzeride und HDL-Choleste- rin in 3- bis 6monatigen Abständen kontrolliert werden (Lipid-Paß).

> Die anzustrebenden Grenzwerte liegen für Gesamtcholesterin und für die Triglyzeride unter 200 mg/dl und für HDL-Cholesterin über 35 mg/dl.

In anderen Empfehlungen werden sogar für Triglyzeride Werte unter

> Einschränkend muß daran erin- nert werden, daß die Prognose bei fortgeschrittener KHK wesentlich auch von der linksventrikulären Funktion abhängig ist. Bei bedeut- sam eingeschränkter Ejektionsfrakti- on (< 25 Prozent) kann auch von ei- ner effektiven Lipidsenkung nur ein geringer Effekt auf die Prognose der Erkrankung erwartet werden.

150 mg/dl und für HDL-Cholesterin über 40 mg/dl vorgeschlagen (17).

1> Auf eine konsequente Einhal- tung der Diabetesdiät (siehe Kapitel IXa) soll beim dyslipidämischen Dia- betiker besonderer Wert gelegt wer- den. Dies gilt speziell für einen ho- hen Anteil an pflanzlichen Ballast- stoffen aus Gemüse und für ver- gleichsweise wenig gesättigte Fett- säuren.

> Hält die Dyslipoproteinämie trotz konsequenter antidiabetischer Therapie an, so ist eine lipidregulie- rende Medikation angezeigt. Dabei ist ein möglicher (positiver oder ne- gativer) Einfluß auf die Diabetes- Einstellung zu beachten.

Auch bei Patienten mit arteriel- ler Hypertonie sollte neben der Blut- druckmessung regelmäßig die Be- stimmung von Cholesterin, Trigly- zeriden und HDL-Cholesterin erfol- gen. Aus zahlreichen epidemiologi- schen Studien ist bekannt,

> daß das Risiko der KHK bezie- hungsweise des akuten Koronarto- des beim Hypertoniker durch gleich- zeitige Hypercholesterinämie we- sentlich erhöht wird,

> daß eine effektive medikamentö- se Blutdrucksenkung bei fortgesetz- tem Zigarettenkonsum (18) bezie- hungsweise unbehandelter Hyper- cholesterinämie (19) das Risiko ko- ronarer Komplikationen wesentlich weniger absenkt.

> daß bei Hypertonie die gemischte Fettstoffwechselstörung (zum Bei- spiel familiäre kombinierte Hyperli- pidämie), nicht selten verbunden mit niedrigem HDL-Cholesterin, ein häufiges Problem darstellt.

Bei der Auswahl blutdrucksen- kender Medikamente ist darauf zu achten, daß Substanzklassen sich in unterschiedlicher Weise auf den Li- pidstatus auswirken.

VDI. Charakteristika primärer (familiär-genetischer) Hy- perlipidämien

Verschiedene Formen primärer Hyperlipidämien zeigen charakteristische klinische Befunde:

Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990 (49) A-1369

(8)

Notiz für den Arzt 1990/1

Senkung des Cholesterinspiegels senkt nicht die Mortalität

Zur Zeit wird uns glauben gemacht, daß der Grenzwert für das Serum-Choleste- rin bei 200 mg/dl liege und mit cholesterinsenkenden Therapien unzählige Menschenleben zu retten seien. Lipidsenkende Diätformen und Pharmaka seien die Mittel der Wahl.

Dazu schreiben Professor Georges Fülgraff, ehemaliger Präsident des Bundes- gesundheitsamtes in Berlin, und Professor Klaus Quiring, Geschäftsführer der Transparenzkommission beim Bundesgesundheitsamt, in ihrem neuen Buch

„Arzneitherapie, was gibt es Neues?":

„Die mittlere Cholesterinkonzentration im Plasma beträgt in der bundesdeutschen Bevölkerung 230 mg/dl. Mit einem solchen Befund wäre zum Beispiel ein 40jähriger Mann allein aufgrund seines Geschlechts und seines (relativ) jugendlichen Alters bereits mit einem ausgeprägten Risikofaktor ausgestattet . . .

. . . seine Cholesterinkonzentration ist um 60 mg/dl niedriger als der mittlere Ausgangswert in der Helsinki-Studie, und die in der Helsinki- Studie erreichte mittlere Absenkung der Cholesterinkonzentration auf 245 mg/dl ist immer noch 15 mg/dl höher als der Ausgangswert unseres Patienten . . .

Dieses Beispiel zeigt, daß die Europäische Arteriosklerose-Gesellschaft ganz offensichtlich einer an sich harmlosen akademischen Lust am Spekulieren und Extrapolieren erlegen ist. Die Folgen sind weniger harmlos: Ganze Bevölkerungsgruppen werden durchuntersucht, viele

„Scheinkranke" erzeugt und mit Mitteln behandelt, die ihrerseits auch nicht völlig harmlos sind. Und da auch die Laienpresse den notwendigen Wirbel erzeugt hat, kommen „gesundheitsbewußte" Bürger zu ihrem Arzt mit dem Anliegen, doch bitte ihren Cholesterinspiegel zu senken . . ." (1) Wenn (mäßig) erhöhte Cholesterinwerte keine Krankheit sind, dann kann man mit ihrer Senkung auch nicht gesünder werden. Die Ergebnisse der Langzeit- Cholesterinstudien lassen offen, ob eine Cholesterinsenkung per se schädlich ist oder ob Nebenwirkungen der Therapie zu der erhöhten Zahl der Todesfälle geführt hat. Genutzt hat die Cholesterinsenkung jedenfalls nicht.

Todesfälle in Langzeit-Cholesterinstudien (2)

Studie Patienten-Jahre Todesfälle in der Todesfälle in der Behandlungsgruppe Kontrollgruppe

Niacin 559 500 237 233

LRC 1 330 000 68 71

Helsinki 1 000 000 45 42

WHO 2 500 000 162 127

MRFIT 4 480 000 265 260

Total 9 869 500 777 733

(9)

Diese frustrierenden Ergebnisse werden damit entschuldigt, daß die Versuchs- anordnungen nu'r auf die Verifizierung der Herztodesfälle ausgerichtet gewesen seien oder anders ausgedrückt: Man fand ein Ergebnis, das man gar nicht gesucht hatte, und weil man es nicht gesucht hatte, so gibt es das Ergebnis auch nicht.

Der Kardiologe und Epidemiologe Michael F. Oliver, der selbst die WHO-Lang- zeit-Cholesterinstudie geleitet hatte, schreibt dazu:

„Es existieren keine Daten, die erlauben würden, bei Menschen ohne ausgeprägte Hypercholesterinämie den Nutzen einer Cholesterinsenkung abzuschätzen . . .

Die häufigen Behauptungen, daß man Tausende von Menschenleben retten könne, wenn der Cholesterinspiegel gesenkt würde, sind unbewie- sen . . .

Es wird gern übersehen, daß ein nachweisbarer Vorteil einer cholesterin- senkenden Diät nicht existiert. Trotzdem ist die Meinung weit verbreitet, daß die Ernährung der Hauptpfeiler der Intervention sein solle . . ." (3) Fazit: Pauschale Ernährungsempfehlungen zur Senkung mäßig erhöhter Cholesterinwerte sind nicht begründet. Milch, Butter, Käse, Eier und Fleisch sind aufgrund ihrer hohen Dichte an essentiellen Nährstoffen weiterhin unverzichtbarer Bestandteil einer gesunden Ernährung.

(1) Fülgraff, G. und Quiring, K.: Arzneitherapie, was gibt es Neues?, Stuttgart 1989

(2) Brede, H. D.: Epidemiologischer Wetterbericht, Münch. med. Wschr. 131 (48): 26 (1989)

(3) Oliver, M. F.: Reducing Cholesterol does not reduce mortality. J. Amer. Coll. Card. 12: 814 — 817 (1988)

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(10)

200-300

++

Polygene, multi- faktorielle Hyper- cholesterinämie*

< 200 In der Regel weder Xanthome noch Xan- thelasmen, noch Ar- cus corneae nachweis- bar

Pankreati- tis-Risiko

Cholesterin (mg/dl)

Triglyzeride (mg/d1)

Symptome (falls vorhanden) KHK-

Risiko

* Erhöhte Cholesterinwerte sind nicht immer auf eine eindeutige monogenetische beziehungsweise diätetische Ursache zurückzuführen. Vielmehr interagieren defekte Gene und Sekundärfaktoren (z. B. falsche Ernährung, Medikamente) in komplexer Weise, so daß selbst Familienuntersuchun- gen keine eindeutige Diagnose zulassen. Diese Form der Hypercholesterinämie ist besonders häu- fig und wird im angelsächsischen Raum als „common hypercholesterolaemia" bezeichnet.

1

IX. Therapie

Die nachstehende Übersicht dient als eine Art Checkliste, deren einzelne Komponenten für jeden Pa- tienten überprüft werden sollten:

1. Ausschaltung aller zugrunde lie- genden Ursachen, sofern möglich.

2. Übergewicht: energiereduzierte lipidsenkende Diät bis zur Errei- chung des Zielgewichtes; Anleitung und Motivierung des Patienten; Ver- teilung schriftlicher Diätanleitungen.

3. Allgemeine lipidsenkende Diät (nicht bei Chylomikronämie-Syn- drom): Erfordert wiederholte Unter- weisung und Motivierung durch Arzt oder Diätassistentin zur Maximie- rung des Erfolges; Beratung und Verteilung schriftlicher Diätanlei- tungen; Den Patienten ist die Bedeu- tung erhöhter Lipidwerte zu ver- deutlichen.

Durch die Maßnahmen 1, 2 und 3 können bei den meisten Hyperlipidämie-Patienten die Zielwerte erreicht werden:

> Bei nahezu allen Patienten mit mäßiggradiger Hyperchole- sterinämie oder mit Hypertri- glyzeridämie,

> bei einer großen Mehrheit der Patienten mit deutlicher Hypercholesterinämie oder mit kombinierter Hyperlipidämie,

> bei einigen Patienten mit extremer Hyperlipidämie.

4. Korrektur aller begleitenden be- einflußbaren Risikofaktoren.

5. Medikamentöse Therapie:

Erst nachdem eine konsequente Diättherapie neun bis zwölf Monate durchgeführt wurde, sollten Medika- mente in Betracht gezogen werden.

Ausnahme: Bei den meisten Patien- ten mit familiärer Hypercholesterin- ämie und Remnant-Hyperlipidämie (Typ III), bei einem Teil mit familiä- rer kombinierter Hyperlipidämie und familiärer Hypertriglyzeridämie sowie bei Patienten mit dokumen- tierter KHK und Diabetikern mit Dyslipidämie ist eine medikamentö- se Therapie früher angezeigt.

Laufende Kontrolle, um Wir- kung und Nebenwirkungen zu über- prüfen. Auch bei medikamentös therapierten Patienten ist auf konse- quente Diät zu achten.

IX a. Grundsätze der fettreduzierten Ernährung

Eine fettreduzierte Ernährung (cholesterinarm, fettarm, ballast- stoffreich) kann ohne Schaden der gesamten Bevölkerung empfohlen werden. In der Regel ist eine fettre- duzierte Ernährung auch fettmodifi- ziert. Bei Hochrisikopatienten soll- ten die Empfehlungen besonders nachdrücklich ausgesprochen und

IX b. Wahl der lipidsen- kenden Medikamente

Die folgenden Aufzählungen von Therapieprinzipien bedeuten nicht (in Analogie zu den Empfeh- lungen der European Atherosclero- sis Society) eine qualitative Reihen- folge, sondern sind als echte Alter- nativen zu verstehen.

Mäßiggradige Hypercholesterin- ämie:

Medikamentöse Therapie sehr sel- ten angezeigt; falls für Patienten mit

deren Einhaltung kontrolliert wer- den. Die folgenden Grundsätze ei- ner gesunden Ernährung gelten auch für Hypertoniker und Diabetiker.

1. Verringerung der Gesamtfettzu- fuhr auf höchstens 30 Prozent der Nahrungsenergie:

—sparsame Verwendung von Spei- sefetten

—Einschränkung des Verzehrs fett- reicher, vor allem tierischer Lebens- mittel

—vermehrter Verzehr fettarmer Le- bensmittel

2. Verringerung des Anteils an ge- sättigten Fettsäuren auf höchstens 10 Prozent der Nahrungsenergie:

—ebenfalls erreichbar durch Ein- schränkung des Verzehrs tierischer Fette und fettreicher tierischer Le- bensmittel

3. Relativ gesteigerte Zufuhr an ein- fach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, jeweils bis zu 10 Prozent der Nahrungsenergie:

—Verwendung pflanzlicher Speise- fette und -öle

4. Steigerung des Verzehrs an kom- plexen Kohlenhydraten auf 55 bis 60 Prozent der Nahrungsenergie:

—vermehrter Verzehr pflanzlicher ballaststoffreicher Lebensmittel

—Aufnahme von 35 g Ballaststoffen pro Tag

5. Reduzierung der Cholesterinauf- nahme unter 300 mg/Tag:

—Einschränkung von tierischen Fet- ten, Innereien und Eidotter

6. Leicht (bei Hypertonikern deut- lich) verringerte Kochsalzaufnahme:

—Vermeidung salzreicher Lebens- mittel

—weniger Kochsalz als Würzmittel außerordentlich starker KHK-Ge- fährdung, die nicht auf Diät anspre- chen, erforderlich, Auswahl wie bei deutlicher Hypercholesterinämie.

Deutliche Hypercholesterin- ämie:

Monotherapie erwägen, wenn erhöh- te LDL-Cholesterinwerte trotz in- tensiver Diättherapie fortbestehen, besonders bei Hochrisiko-Patienten:

—Ionenaustauscherharze, in der Re- gel niedrig dosiert, oder

—Nikotinsäure oder

—Fibratgruppe oder

—HMG-CoA-Reduktase-Hemmer. >

A-1372 (52) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

(11)

Hypertriglyzeridämie:

Medikamentöse Therapie umstrit- ten; Gewichtsreduktion, Diät und Behandlung der zugrunde liegenden Ursachen bringen in den meisten Fällen Erfolg. In seltenen Fällen:

—Nikotinsäure oder

—Fibratgruppe

Kombinierte Hyperlipidämie:

Medikamentöse Therapie erwägen, wenn erhöhte LDL-Cholesterinwer- te und/oder Triglyzeridwerte trotz intensiver Diättherapie fortbeste- hen:

1> Cholesterin erhöht, Triglyzeride in Grenzen:

—Nikotinsäure oder

—Ionenaustauscherharze oder

—HMG-CoA-Reduktase-Hemmer oder

—Fibratgruppe

1> Triglyzeride erhöht, Cholesterin in Grenzen:

—Nikotinsäure oder

—Fibratgruppe.

> Cholesterin und Triglyzeride er- höht:

—Nikotinsäure oder

—Fibratgruppe oder

—Fibratgruppe plus Ionenaustaus- cher oder

—HMG-CoA-Reduktase-Hemmer.

Extreme Hyperlipidämie:

Die Wahl der medikamentösen The- rapie hängt von der Diagnose der primären Fettstoffwechselstörung ab:

a) familiäre Hypercholesterin- ämie:

—Ionenaustauscherharze oder

—HMG-CoA-Reduktase-Hemmer oder

—Nikotinsäure

Falls das Therapieziel nicht er- reicht wird, erfolgt eine Kombina- tionstherapie:

I> Ionenaustauscherharze

—entweder mit Nikotinsäure

—oder mit Fibrat

—oder mit Probucol

• HMG-CoA-Reduktase-Hemmer mit Ionenaustauscherharzen

b) Remnant-Hyperlipidämie:

—Fibrat oder

—Nikotinsäure

c) familiäre Hypertriglyzeridämie:

— Nikotinsäure oder

—Fibrat

d) familiäre kombinierte Hyperli- pidämie:

medikamentöse Behandlung wie bei kombinierter Hyperlipidämie

e) primäre Chylomikronämie:

medikamentöse Therapie selten an- gezeigt; evtl. Fischölpräparate

IX c. Charakteristika lipidsenkender Medikamente

Die in Anlehnung an die EAS erfolgte Zusammenstellung beinhal- tet Medikamente, die zumindest in einigen europäischen Ländern zuge- lassen sind; innerhalb der Gruppen erfolgt die Auflistung der Wirksub- stanzen alphabetisch; Nebenwirkun- gen entsprechend der Roten Liste 1990, weitere Angaben siehe dort und Beipackzettel.

Ionenaustauscherharze:

Cholestyramin (Portionen ä 4 g), Colestipol (Portionen ä 5 g)

—Tagesdosis 2-6 Portionen, verteilt auf mindestens zwei Einzeldosierun- gen, eingenommen zu den Mahlzei- ten.

— Gesamt- und LDL-Cholesterin nehmen bis zu 20 bis 30 Prozent ab, mitunter kommt es zu einer leichten Erhöhung der Triglyzeride und des HDL-Cholesterins.

— Obstipation, Dyspepsie, vermin- derte Resorption bestimmter Medi- kamente, wie zum Beispiel Cumarin- Derivate, Digitalis und Schilddrü- senhormone.

Fibratgruppe:

Bezafibrat (täglich 3 x 200 mg zu den Mahlzeiten bzw. 1 x 400 mg [Re- tardform]); Clofibrat (2-3 x täglich 500 mg zu den Mahlzeiten); Fenofi- brat (täglich 3 x 100 mg zu den Mahl- zeiten bzw. 1 x 250 mg [Retard- form]); Gemfibrozil (1 x täglich 900 mg abends); Beclobrat (1-2 x täglich 100 mg abends), noch nicht zugelas- sen;

— Reduktion der Triglyzeride 25 bis 60 Prozent, Cholesterinreduktion 10 bis 25 Prozent, HDL-Cholesterinzu- nahme 5 bis 25 Prozent; Wirksamkeit der einzelnen Fibrate (zum Beispiel hinsichtlich der Beeinflussung der Glukosetoleranz) unterschiedlich.

— Dyspepsie, Potenzierung der Wir- kung von Marcumar, Erhöhung der Kreatin-Kinase, gelegentlich mit re-

versibler Myopathie, Impotenz, er- höhte Alanin-Transaminase, größere Gallenstein-Häufigkeit (durch Clo- fibrat, bei anderen Fibraten weniger ausgeprägt).

— Relative Kontraindikationen: be- einträchtigte Nieren- oder Leber- funktion; Gallensteine.

Reduktase-Inhibitoren (HMG- CoA-Reduktase-; Cholesterinsynthe- se-Hemmer):

Lovastatin (20-80 mg pro Tag);

Pravastatin (10-40 mg pro Tag);

Simvastatin (10-40 mg pro Tag), je- weils verteilt auf eine oder mehrere Einzeldosen. Pravastatin und Simva- statin sind noch nicht vom Bundesge- sundheitsamt zugelassen, deshalb sind genaue Kontraindikationen nach Zulassung zu überprüfen.

—Cholesterinabnahme bis zu 20 bis 40 Prozent, LDL-Cholesterinabnah- me bis zu 25 bis 40 Prozent, HDL- Cholesterinzunahme 0 bis 15 Pro- zent.

—selten erhöhte Kreatin-Kinase ge- legentlich mit Myopathie, erhöhte Leberenzymwerte (daher regelmäßi- ge Kontrollen), ophthalmologische Uberwachung vor Beginn der Thera- pie mit Lovastatin sowie in Abstän- den von 12 Monaten, Kopfschmer- zen, Hautausschlag, leichte Verdau- ungsstörungen; nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen mit Fibraten, Nikotinsäure und Cyclosporin zu kombinieren; Beeinflussung der Wir- kung von Dicumarinen (zum Beispiel Marcumar), unterschiedlich ausge- prägt für einzelne Präparate.

—Kontraindikationen: Schwanger- schaft, gestörte Leberfunktion

Nikotinsäure:

—3-4 x täglich 1 g zu den Mahlzei- ten, jedoch beginnend mit 3-4 x täg- lich 100-250 mg zu den Mahlzeiten, dann schrittweise Erhöhung der Do- sis.

—Triglyzeridabnahme bis zu 40 bis 60 Prozent, Cholesterinabnahme bis zu 10 bis 25 Prozent, HDL-Choleste- rinzunahme 5 bis 15 Prozent.

—anfängliche Hautrötung (kann durch niedrige Aspirindosis zur Prä- medikation gering gehalten werden), Dyspepsie, Hyperurikämie, akute Gichtanfälle, Hautausschläge, Cho- lestase, Beeinträchtigung der Gluco- Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990 (55) A-1373

(12)

Addendum

Teil A:

Allgemeine Fragen und Fragen zur Epidemiologie (1-19) Teil B:

Häufige Fragen zur Ernährung (20-25) Teil C:

Häufige Fragen zur medikamentösen Therapie (26-30)

Addendum Teil A. •

Allgemeine Fragen und Fragen zur Epidemiologie

setoleranz (gewöhnlich nicht von kli- nischer Bedeutung).

Neben Nikotinsäure stehen in- zwischen auch Derivate und Präpa- rate mit verzögerter Wirkstoff-Frei- setzung zur Verfügung. Wirkung und Nebenwirkungen sind nicht unbe- dingt mit denen der Nikotinsäure vergleichbar.

Probucol:

—2 x täglich 500 mg morgens und abends zu den Mahlzeiten.

—Cholesterinabnahme aufgrund 5 bis 15 Prozent Reduktion des LDL- und bis zu 25 Prozent Reduktion des HDL-Cholesterins.

—Diarrhoe, Dyspepsie, Übelkeit, selten Verlängerung der QT-Dauer, daher EKG-Überwachung.

—Kontraindikationen: ventrikuläre Arrhythmien oder verlängerte QT- Dauer, Frauen im gebärfähigen Al- ter.

1. Ist der Zusammenhang zwi- schen Fettstoffwechselpara- metern und KHK beziehungs- weise erhöhter Mortalität ge- sichert?

Zwischen der Höhe der Serum- konzentration des Gesamtcholeste- rins beziehungsweise des LDL-Cho- lesterins und der Inzidenz der koro- naren Herzkrankheit (Morbidität und Mortalität) besteht ein positiver, zur Höhe des HDL-Cholesterins ein negativer Zusammenhang (49, 50).

Phytosterine (Sitosterin):

—3 x täglich 1-2 g vor den Mahlzei- ten

—Cholesterinabnahme 10-25 Pro- zent

—Gastrointestinale Beschwerden wie Völlegefühl, Blähungen, Durch- fall, Verstopfung.

Fischöl (sofern zugelassen):

—2 x täglich 3-6 g vor den Mahlzei- ten.

—Deutliche Reduktion der Triglyze- ride; Cholesterin unverändert bezie- hungsweise nur leicht erniedrigt, Zu- nahme des LDL-Cholesterins mög- lich.

—Gute Verträglichkeit; breit ange- legte Langzeitstudien fehlen jedoch bisher.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über die Verfasser.

Dies ist aus Ländervergleichen (23) und Kohortenstudien (4, 22, 30, 39, 43, 56) seit langem bekannt und klar bestätigt worden. Insbesondere die Daten der mehr als 360 000 Teilneh- mer der Multiple Risk Factor Inter- vention Trial (MRFIT) Kohorte zei- gen den positiven Zusammenhang zwischen erhöhten Cholesterinwer- ten und der KHK-Mortalität als auch der Gesamtsterblichkeit (30). Zahl- reiche große epidemiologische und klinische Studien bestätigen die Be- ziehung zwischen Ernährung, Lipi- den und kardiovaskulären Erkran- kungen. Sie zeigen auch, daß durch

eine Senkung des Cholesterinspie- gels die Inzidenz der KHK vermin- dert werden kann (17, 19, 34, 53, 54).

Aus den USA (13, 35) und Europa.

(50, 51) liegen Konsensus-Konfe- renz-Empfehlungen zur Cholesterin- problematik vor.

2. Kann der pathophysiologi- sche Zusammenhang zwi- schen Fettstoffwechselstörun- gen und KHK als gesichert gelten?

Plasmalipide beziehungsweise Plasmalipoproteine sind an der kom- plexen Pathophysiologie der Arterio- sklerose wesentlich beteiligt. Es wer- den drei Vorgänge unterschieden:

a) erhöhter Transfer von Plasmali- poproteinen aus dem Blut in die Ar- terienwand,

b) zelluläre und extrazelluläre Ak- kumulation von Lipiden in der Arte- rienwand,

c) verminderter Abtransport von Li- piden aus der Arterienwand.

Pathologische Veränderungen der Serumlipoproteine stehen ur- sächlich mit der Lipidakkumulation in Atheromen in Zusammenhang.

3. Welche Wertigkeit haben die Fettstoffwechselstörungen un- ter den kardiovaskulären Ri- sikofaktoren?

Die koronare Herzkrankheit (KHK) entsteht bei der Mehrzahl der Menschen auf der Basis einer fortgeschrittenen koronaren Athero- sklerose. Für das KHK-Risiko sind mehrere Faktoren ausschlaggebend, unter anderem Hypercholesterin- ämie, niedriger HDL-Choleste- rinspiegel, Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus, Be- wegungsmangel sowie ungünstige psychosoziale Einflüsse und throm- botische Faktoren. Wegen der Inter- dependenzen zwischen den Risiko- faktoren ist es schwer, eine „Rang- folge" der Wichtigkeit aufzustellen.

Auswertungen von prospektiven epi- demiologischen Kohortenstudien mit multivariaten statistischen Metho- A-1374 (56) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

(13)

den zeigen jedoch eine Dominanz der Lipidparameter (1, 41).

Es ist jedoch selbstverständlich, daß eine Prävention der multifakto- riellen Erkrankung Arteriosklerose nicht nur Fettstoffwechselstörungen berücksichtigt, sondern die Beein- flussung aller Risikofaktoren bein- haltet.

4. Sind die Fettstoffwechselpa- rameter exakt genug zu be- stimmen?

Zur Bestimmung des Choleste- rins und der Triglyzeride werden die vollenzymatischen Methoden emp- fohlen. HDL-Cholesterin wird heute meist nach Präzipitation von LDL und VLDL mit Phosphorwolfram- säure unter Anwesenheit von Mg 2 + im Überstand gemessen. Neben der biologischen Schwankung treten auch Variationen bei der Messung auf. Die Variationskoeffizienten der Methoden betragen < 5 Prozent für Cholesterin und HDL-Cholesterin und < 6 Prozent für die Triglyzeri- de. Deshalb kann zum Beispiel bei einem „wahren" Cholesterinwert von 200 mg/dl der gemessene Wert zwi- schen 190 mg/dl und 210 mg/dl lie- gen. Dieser Sachverhalt muß bei der Diagnosestellung und unbedingt vor Einleitung sowie zur Verlaufskon- trolle einer Therapie berücksichtigt werden. Zur Bestätigung einer Hy- perlipidämie oder Dyslipoprotein- ämie sind mindestens zwei Messun- gen erforderlich. Zwischen verschie- denen Laboratorien können durch unterschiedliche Standardisierung größere Abweichungen auftreten.

Die LDL-Cholesterin-Konzentratio- nen können, sofern die Triglyzerid- werte unter 400 mg/dl liegen, mittels der Friedewald-Formel (LDL-Cho- lesterin [mg/dl] = Gesamtcholeste- rin — Triglyzeride/5 — HDL-Choleste- rin) berechnet werden.

Cholesterin und Triglyzeride (und in Kürze auch HDL-Choleste- rin) können auch mit Methoden der Trockenchemie aus Kapillarblutpro- ben hinreichend genau bestimmt wer- den. Vor der Messung der Triglyze- ride muß eine Nüchternperiode von 12-14 Stunden eingehalten werden.

5. Es wird immer von Trends berichtet, gibt es harte Fak- ten?

Ist das nicht alles nur statisti- sches Zahlenspiel?

Aus epidemiologischen Studien ist die Beziehung zwischen Fettstoff- wechselstörungen und der KHK ein- deutig nachgewiesen. Daß eine In- tervention sinnvoll ist, zeigen die Er- gebnisse von randomisierten kontrol- lierten Doppelblindstudien (17, 53, 54), in denen beobachtet werden konnte, daß durch eine Senkung des Cholesterins beziehungsweise Erhö- hung des HDL-Cholesterins die Inzi- denz der KHK vermindert werden kann.

6. Stehen geeignete Therapie- maßnahmen zur Verfügung um die Lipide positiv und wirksam zu beeinflussen?

Bei allen Hyperlipidämien sind diätetische Maßnahmen erforderlich und genügen bei der Mehrzahl der Patienten mit erhöhten Lipidspie- geln als einzige Therapie. Dadurch lassen sich im Mittel die Cholesterin- werte in einer Größenordnung von

15 bis 20 Prozent senken, ohne daß unerwünschte Nebenwirkungen auf- treten und ohne den Betroffenen zu gefährden. Allerdings sollte beachtet werden, daß durch die gleiche diäte- tische Maßnahme bei einigen Patien- ten eine weit überdurchschnittliche Reduktion des Serumcholesterins erreicht werden kann, während bei anderen sich trotz Therapietreue kaum ein Erfolg einstellt. Die unter- schiedliche Ansprechbarkeit ist of- fenbar in erheblicher Weise gene- tisch determiniert, und die Ursachen sind derzeit Gegenstand der Grund- lagenforschung.

Bei Patienten mit hohem KHK- Risiko oder mit bereits dokumentier- ter KHK, bei denen konsequente Versuche einer diätetischen Be- handlung nicht zu akzeptablen Se- rumlipidspiegeln führen, sollte zu- sätzlich eine medikamentöse Thera- pie erwogen werden. Die wichtigsten

lipidsenkenden Medikamente sind in ihrer Wirkung auf die Blutfette in der Tabelle zu Frage 26 zusammen- gefaßt.

7. Ist der positive Effekt (Ver- längerung des Lebens, Ver- besserung der Lebensquali- tät)) durch eine Cholesterin- Reduktion nachgewiesen?

Neben Kohortenstudien, die den Zusammenhang zwischen Ernäh- rungseinflüssen beziehungsweise dem Cholesterinspiegel und der Morbidität und Mortalität der KI-11(

zeigen, gibt es eine Reihe von Inter- ventionsstudien, welche eine stati- stisch signifikante Reduktion der In- zidenz der KHK durch Lipidsenkung belegen. Eine 10prozentige Reduk- tion des Gesamtcholesterins geht einher mit einer etwa 20prozentigen Reduktion der KHK. Die Wirkung ist proportional zum Ausmaß der Cholesterinreduktion und zum An- stieg des HDL-Cholesterins. Dar- über hinaus zeigt die Cholesterol- Lowering Atherosclerosis Study (CLAS), daß atherosklerotische Lä- sionen durch medikamentöse Maß- nahmen in ihrem Wachstum verzö- gert oder teilweise rückgängig ge- macht werden können (8).

Wegen der Kürze der Nachbe- obachtungszeit war keine der Inter- ventionsstudien in der Lage, den Einfluß der Lipidsenkung auf die Gesamtsterblichkeit nachzuweisen (das Studiendesign sah das auch nicht vor!). Mathematische Simula- tionsmodelle lassen erwarten, daß nicht nur die Zahl der KHK-Fälle ver- mindert, sondern auch der Zeitpunkt der Manifestation in höhere Alters- gruppen verschoben wird (5, 36).

8. Ist das Argument, daß Japa- ner wegen ihres niedrigen Cholesterins eine geringe KIIK-Häufigkeit haben, über- haupt auf Deutsche übertrag- bar?

In der Beurteilung des Zusam- menhangs zwischen Lipidkonzentra- Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990 (59) A-1375

(14)

tionen beziehungsweise Ernährungs- einflüssen und der Inzidenz der KHK bilden Ländervergleiche nur einen Mosaikstein. Die daraus ge- wonnenen Erkenntnisse decken sich mit den Beobachtungen innerhalb von Bevölkerungsgruppen. Prospek- tive epidemiologische Studien mit übereinstimmenden Ergebnissen hinsichtlich der Gefährdung durch Risikofaktoren liegen aus zahlrei- chen Ländern vor, auch aus der Bun- desrepublik Deutschland (4, 42).

Weiter ist bekannt, daß Japaner un- ter anderen Lebensbedingungen (Hawaii, USA) höhere Cholesterin- werte und häufiger Koronarkompli- kationen aufweisen.

9. Ist die Übertragung von Stu- dienergebnissen auf andere Bevölkerungsgruppen zuläs- sig, insbesondere auf Frauen und ältere Männer?

Interventionsstudien liegen bis- her nur für Männer bis zum Alter von 65 Jahren vor. Eine Übertragung der Ergebnisse auf Ältere und auf Frauen ist nicht ohne weiteres mög- lich. Mindestens neun epidemiologi- sche und Diät-Studien machen je- doch wahrscheinlich, daß Frauen ge- nauso wie Männer von den Empfeh- lungen zur Lipidreduktion profitie- ren: Framingham Heart Study, Lipid Research Clinics Program Follow-up Study, Rancho Bernardo Study, Te- cumseh Study, Charleston Study, Evans County Study, Donolo-Tel Aviv Study, Nurses Study, Gothen- burg Study. Auch bei Frauen besteht eine Beziehung zwischen erhöhtem Cholesterin und erhöhtem KHK-Ri- siko. Darüber hinaus ist auch für Frauen belegt, daß eine entspre- chende Ernährung das erhöhte Cho- lesterin senkt. Und schließlich ist die Atherogenese bei Frauen — zumin- dest nach der Menopause — nicht an- ders als bei Männern.

Wie die Framingham-Studie und auch andere epidemiologische Da- ten gezeigt haben, behalten auch für die über 65jährigen die Serumchole- sterinwerte ihre Vorhersagekraft für das Auftreten einer KHK, wenn auch weniger ausgeprägt.

10. Beunruhigt man nicht die gesamte Bevölkerung, vor allem, wenn spezielle breit- flächige Screenings erfolgen?

Eine Verunsicherung wird nur dann erzeugt, wenn falsch oder un- zureichend informiert wird. Der Vorwurf, durch bevölkerungsbezoge- ne Strategien zur Reduktion der Ri- sikofaktoren werde eine „Hysterie"

erzeugt, darf nicht dazu führen, auf Früherkennungsuntersuchungen zu verzichten. Vielmehr müssen geeig- nete Maßnahmen entwickelt wer- den, die dem entgegenwirken, ohne den Erfolg zu beeinträchtigen. Die vorliegende Publikation ist als eine solche Maßnahme zu verstehen. In- nerhalb der Individual-Strategie ist der Arzt gefordert, den Patienten ge- zielt und angemessen zu informieren, um zu einer gemeinsam getragenen Therapieentscheidung zu kommen.

11. Wird die Cholesterinproble- matik nicht durch bestimm- te Interessengruppen hoch- gespielt?

Dieser Vorwurf ist eine Verdre- hung von Ursache und Wirkung. Die Cholesterinproblematik bekommt ihren hohen Stellenwert nicht durch die Nahrungsmittelindustrie, die Pharmaindustrie oder die sich damit beschäftigenden Wissenschaftler.

Vielmehr ist die Hyperlipidämie in der Bevölkerung sehr weit verbreitet und ihre Bedeutung für die KHK so dominierend, daß sie einen Schwer- punkt in der Forschung bildet. Das Interesse der Industrie und der Wis- senschaft an der Cholesterinproble- matik ist eine Folge ihrer Bedeu- tung, nicht umgekehrt.

12. Wie erklärt es sich, daß einige Patienten trotz hoher Chole- sterinwerte keine Koronarar- terienverkalkung haben?

Die KHK entsteht bei der Mehr- zahl der Patienten auf der Basis ei-

ner fortgeschrittenen koronaren Atherosklerose. Für das KHK-Risi- ko sind mehrere Faktoren ausschlag- gebend, unter anderem Hyperlipid- ämie. Epidemiologische und klini- sche Studien haben gezeigt, daß Gruppen von Personen mit deutlich erhöhtem Risiko erkannt werden können. Ein erhöhtes Risiko bedeu- tet allerdings nicht, daß zwangsläufig eine KHK eintritt. In der multifakto- riellen Genese der Atherosklerose sind noch viele Fragen ungeklärt; so weiß man nicht, warum einige Indivi- duen hohe Lipidwerte tolerieren, an- dere nicht. Wenngleich die Lipid- werte als Therapie-Richtlinie die- nen, so sollte in jedem Fall auch eine klinische Beurteilung erfolgen, ist es doch der Patient, der behandelt wer- den soll, nicht die Hyperlipidämie (siehe Übersichtsschema).

Des weiteren ist zu berücksichti- gen, daß eine Hypercholesterinämie nicht selten Folge hoher HDL-Cho- lesterinwerte sein kann und in sol- chen Fällen nicht mit einem erhöh- ten Koronarrisiko verbunden ist.

13. Sind die in den USA beob- achteten Rückgänge der KIIK nicht eher auf ein all- gemein höheres Gesund- heitsbewußtsein (Sport usw.) der Bevölkerung zu rückzuführen als nur ein- fach auf die Senkung von

Cholesterin?

Was zum Rückgang der KHK in den USA beigetragen hat, wird wei- terhin kontrovers diskutiert. Daß da- bei nur ein Risikofaktor allein eine Rolle sprelf, wird angesichts der mul- tifaktoriellen Genese der Erkran- kung niemand behaupten. Vielmehr unterstützen sich offenbar die Stra- tegien zur Bekämpfung der wichtig- sten Risikofaktoren gegenseitig.

Hinzu kommt eine besonders inten- sive kurative Therapie.

14. Lassen sich die Serum-Li- pidwerte durch körperliche Aktivität günstig beeinflus- sen?

A-1376 (60) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

(15)

Innerhalb der Lipoproteinfrak- tionen können durch körperliche Mehraktivität vom Ausdauercharak- ter günstige Veränderungen erreicht werden: Abfall von LDL-Cholesterin und Triglyzeriden, Anstieg von HDL-Cholesterin (6).

15. Bergen die Ziele der Inter- vention ein erhöhtes Risiko für andere Erkrankungen

(zum Beispiel Krebs)?

Einige Interventionsstudien zeigten eine Zunahme der Mortalität anderer Ursachen als KHK. Der An- stieg war aber unabhängig vom Aus- maß der Cholesterinreduktion und nicht spezifisch, das heißt, keine ein- zelne Ursache war vorherrschend oder durchgehend zu beobachten (17, 53, 54). Der Zusammenhang zwischen Gesamtmortalität und Se- rumcholesterin bei den mehr als 360 000 Teilnehmern der Multiple Risk Factor Intervention Trial (MRFIT) Kohorte zeigt einen J-för- migen Verlauf, mit einem Minimum bei 180mg/d1. Die etwas erhöhte Ge- samtsterblichkeit im untersten Dezil der Cholesterinverteilung war auf er- höhte Sterblichkeit durch Krebs in den ersten Jahren der Nachbeobach- tung zurückzuführen, die aber im Laufe der Zeit abnahm (46). Des- halb wird angenommen, daß der Zu- sammenhang zwischen sehr niedri- gen Cholesterinwerten und erhöhter Krebssterblichkeit zum Teil durch den Effekt des präklinischen Krebs- stadiums auf die Cholesterinkonzen- tration zu erklären ist.

Auch aus epidemiologischen Studien ist nicht bekannt, daß in Po- pulationen mit sehr niedrigen mittle- ren Cholesterinwerten (160 mg/dl oder niedriger) eine erhöhte Krebs- inzidenz besteht.

Cholesterin ist ein wesentlicher Bestandteil der Zellmembran. Es wird deshalb gelegentlich diskutiert, daß es nicht unter „physiologische"

Werte gesenkt werden solle. Aller- dings muß beachtet werden, daß sehr niedrige Cholesterinwerte von 25 bis 50 mg/d1 ausreichen, um eine norma- le Membran-Biosynthese und eine normale Produktion der Gallensäu-

ren und der Steroidhormone zu ga- rantieren. So ist zum Beispiel der Cholesterinspiegel beim Neugebore- nen, das einen erheblichen Bedarf an Cholesterin zum Zellaufbau be- nötigt, nur etwa 50 bis 100 mg/dl. Bei der familiären Hypo-Beta-Lipopro- teinämie, die mit einer besonders ho- hen Lebenserwartung einhergeht, betragen die Cholesterinwerte le- benslang 50-100 mg/dl. Es folgt hier- aus, daß beim gesunden Erwachse- nen Cholesterinwerte unter 200 mg/

dl durchaus als physiologisch angese- hen werden müssen.

16. Ist aufgrund von Kosten- Nutzen-Uberlegungen eine solche Prävention sinnvoll?

Kosten-Nutzen-Überlegungen sind noch verhältnismäßig unge- wöhnlich in der Medizin. Deshalb stehen noch keine allgemein aner- kannten Standardmethoden zur Ver- fügung. Insbesondere ist strittig, ob und mit welchen Zahlen „indirekte Kosten" von Krankheiten (monetär bewerteter Verlust an Lebensjahren oder Lebensqualität) zu berücksich- tigen sind.

Erste Modellrechnungen zeigen jedoch, daß der Nutzen einer Chole- sterinsenkung sich nicht in Einspa- rungen für das Gesundheitssystem, sondern in einer Steigerung der Le- benserwartung und der Lebensquali- tät ausdrückt, was im übrigen für jeg- liche Primärprävention gilt. Der Ko- sten-Wirksamkeits-Wert der Inter- vention als Kosten pro gerettetem Lebensjahr ist vergleichbar mit den Werten von allgemein akzeptierten medizinischen Maßnahmen (5, 36, 37).

17. Ist die Reduktion des LDL wichtiger oder genau so wichtig wie die Anhebung des HDL? Gilt das für alle Cholesterinbereiche?

Extrem ausgeprägte leichzeiti- ge Erhöhungen (oder Ernie rigun- gen) des LDL-Cholesterins und des HDL-Cholesterins sind extrem sel-

ten. Demzufolge sind bezüglich des Atherosklerose-Risikos derzeit keine eindeutigen klinischen Erfahrungen vorhanden.

Die massive Erhöhung des athe- rogenen LDL-Cholesterins stellt die gefährlichste Lipidentgleisung dar.

Wesentlich häufiger und ebenfalls sehr gefährlich sind sogenannte Dys- lipidämien mit Erhöhung von Chole- sterin und/oder Triglyzeriden und gleichzeitiger Erniedrigung des pro- tektiven HDL-Cholesterins.

Sowohl eine Senkung des LDL- Cholesterins als auch eine Erhöhung des HDL-Cholesterins haben eine Verminderung der Infarktinzidenz zur Folge. In der Helsinki Heart Stu- dy profitierten Patienten mit sehr niedrigen HDL-Cholesterinwerten am stärksten von der Therapie (29).

Der Nutzen einer medikamentösen Behandlung bei isoliert verminder- ten HDL-Cholesterinwerten ist bis- lang nicht untersucht worden.

18. Kann eine familiär-geneti- sche Hypercholesterinämie differentialdiagnostisch ein- deutig klassifiziert werden?

Hat dies therapeutische Be- deutung?

Hypercholesterinämien, die durch adäquate Ernährung nicht ausreichend eingestellt werden kön- nen, sind häufig familiär-genetischen Ursprungs. Die wichtigsten geneti- schen Formen der Hypercholesterin- ämie sind auf einen Mangel an LDL- Rezeptoren, eine Übersynthese von Apolipoprotein B, Erhöhungen des Lipoproteins (a) und Anomalien im Apolipoprotein B bzw. E zurück- zuführen. Die heterozygote Form der familiären Hypercholesterinämie (partieller LDL-Rezeptormangel) tritt mit einer Häufigkeit von 1 unter 400 bis 500 in der Bevölkerung auf.

Die Hypercholesterinämie ist meist hochgradig ausgeprägt (über 350 mg/

dl), aber auch Werte über 300 mg/dl für Erwachsene und über 260 mg/dl bei Patienten bis zum 16. Lebensjahr bedürfen diesbezüglich einer genau- en Abklärung. Eine wahrscheinliche Diagnose läßt sich anhand der Fami- lienanamnese stellen.

A-1378 (62) Dt. Ärztebl. 87, Heft 17, 26. April 1990

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