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twa jeder fünfte Besu- cher der 57. IAA trägt sich mit dem Gedan- ken, in Kürze einen Neuwagen zu kaufen. Ge- spart, so scheint es, wird überall, nur nicht beim Auto.Der Kraftstoffverbrauch ist offenbar kein übergeordne- tes Kaufkriterium, denn die Industrie kann auf diesem Sektor auf allenfalls beschei- dene Erfolge verweisen.
Keine Rede vom Drei-Liter-Auto
Obwohl der Verband der Deutschen Automobilindu- strie (VDA) zugesichert hat- te, den Verbrauch der Neu- wagen bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu reduzieren, war davon auf der IAA nicht viel zu sehen. Auf derselben Ver- anstaltung vor zwei Jahren
stand noch das sogenannte
„Drei-Liter-Auto“ im Mittel- punkt. Heute ist es still ge- worden um den verbrauchs- armen Motor.
Der angestrebten 25-Pro- zent-Marke hat sich die Au- toindustrie erst um ein Drittel genähert. Smart-Car, eine Entwicklung von Mercedes und Swatch, leichte Dreizy- linder-Diesel, etwa beim Opel Corsa, und direktein- spritzende Benziner (Mitsu- bishi GDI) konnten zwar be- gutachtet werden. In der Ge- samtschau gingen diese Mo- delle aber fast schon wieder unter. Zu groß war die zah- lenmäßige Übermacht der PS-Boliden nahezu aller Her- steller. Kaum ein Hersteller, der nicht mindestens mit ei- nem neuen Fahrzeug auf der Messe vertreten war. Neue Triebwerke, viel Leistung und allerlei technische Fines- sen standen im Vordergrund.
Allerdings muß der Indu- strie zugute gehalten werden, daß selbst die großvolumigen Motoren gegenüber früheren Jahren vergleichsweise gerin- ge Verbrauchswerte aufwei- sen. Dennoch geht es bei sol- chen Modellen weniger um Verbrauchsminimierung als oberstes Ziel, sondern viel- mehr um eine Kombination aus möglichst viel Leistung bei möglichst geringem Ver- brauch.
Sicherheit auf hohem Niveau
Bei der Sicherheitsaus- stattung zeigte die Internatio- nale Automobilausstellung ein sehr hohes Niveau. Nahe- zu jedes Neufahrzeug ist mitt- lerweile mit ABS, Gurtstraf- fern und Seitenaufprallschutz ausgerüstet, und auch die so- genannten Sidebags zählen
immer häufiger zum Stan- dard.
Eine Neuerung präsen- tierte Bosch als einer von mehreren Anbietern mit der Fahrdynamikregelung. Das System, FDR genannt, hält ein Fahrzeug bei ganz unter- schiedlicher Bodenbeschaf- fenheit manövrierfähig, in- dem es exakt die Räder bremst, die noch Haftung ha- ben. Bosch zeigte die Fahrdy- namikregelung mit Hilfe ei-
nes aufwendigen Simulators.
Mit FDR ist ein Ausweichen und Bremsen selbst auf spie- gelglatter Eisfläche möglich.
Das System soll in Kürze von verschiedenen Autoherstel- lern angeboten werden. Auf- grund seiner aufwendigen Technik dürfte es aber vor- erst nur bei Autos ab der obe- ren Mittelklasse zu finden sein.
Volle
Auftragsbücher
Die Auftragsbücher der Automobilindustrie sind – so war es auf der Messe zu hören – voll, und die Hersteller zei- gen sich über die Kundenre- sonanz auf die Neuvorstellun- gen zufrieden. Der erhoffte Impuls für den Arbeitsmarkt blieb hingegen bislang aus.
Durch den „Autoboom“ sind lediglich rund 14 000 Stellen neu geschaffen worden – auf- fallend wenig für eine Schlüs- selindustrie. Marc Seidel A-2924 (72) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 44, 31. Oktober 1997
V A R I A AUTO UND VERKEHR
Internationale Automobilausstellung
Leistung kommt vor dem Verbrauch
Zur Internationalen Automobilausstellung kamen 1 290 Aussteller aus 41 Ländern nach Frankfurt am Main – und: rund 878 000 überwiegend junge Besucher. Während die Messe vor „Leistungs- daten“ nur so strotzte, sehen sich Umweltschützer in ihrer Kritik an der Industrie eher bestätigt: Es ist nicht weit her mit dem „Drei-Li- ter-Auto“. Weitere Pluspunkte gibt es jedoch in puncto Sicherheit.
Beeindruckende Präsentation der Fahrdynamikregelung (FDR), die das Manö- vrieren selbst auf spiegelglatter Fahrbahn ermöglicht Foto: Seidel