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Archiv "Hinter den Kulissen von Werder Bremen: „Mich hat fasziniert, wie Leistung zustande kommt“" (28.05.2004)

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DÄ:Bundespräsident Dr. Johannes Rau hat in seiner Eröffnungsrede vor den Dele- gierten des Deutschen Ärztetags den Sieg von Werder Bremen erwähnt und gesagt:

„Ich weiß nicht, wie viel der Mannschafts- arzt zum Erfolg beigetragen hat.“ Wie viel war es denn?

Dimanski:Genauso viel, wie ich dazu bei- getragen hätte, wenn wir beispielsweise abgestiegen wären. Aber wenn Werder Bremen Meister werden will, haben es die Fußballer natürlich leichter, wenn die sportmedizinische Abteilung

gut funktioniert. Dazu zähle natürlich nicht nur ich, son- dern die Physiotherapeuten und der Reha-Trainer. Wenn dieses Team gut ist, sind die Trainingsausfallzeiten ge- ring, und das ermöglicht, dass viele Spieler zur Verfügung stehen. Das ist wichtig bei ei- nem Verein wie Werder, der schließlich eine dünne Spie- lerdecke hat.

DÄ:Wie wird man über- haupt Mannschaftsarzt?

Dimanski: Da gibt es ver- schiedene Wege. Einige wer- den es, weil sie im Manage-

ment bekannt sind. Andere, weil sie die Liebe zum Sport dahin führt. Ich wollte schon als 18-Jähriger Sportmediziner und Mannschaftsarzt werden. Ich war selbst Leichtathlet, und mich hat immer das The- ma fasziniert, wie die Leistung zustande kommt. Erst habe ich kleine Mannschaften betreut, und dann bin ich mit 30 Mann- schaftsarzt von Lokomotive Leipzig ge- worden. Damit hatte ich mir meinen Ju- gendtraum erfüllt. Nach der Wende ging es mit der Sportmedizin in der DDR ja etwas den Bach runter. Damals hörte ich, dass Werder Bremen einen neuen Mann- schaftsarzt sucht beziehungsweise einen Leiter des vereinseigenen Reha-Zentrums.

DÄ:Wie viel Zeit verbringen Sie mit den Spielern?

Dimanski:Ich bin eigentlich jeden Tag ei- ne Stunde vor dem Training da. Dann kann man kleinere Blessuren sofort untersu- chen. Ich habe schon auch ein bisschen Hausarztfunktion, stelle Kontakte zu Fachärzten her für die Spieler, kümmere mich manchmal um die Kinder. Und vor Spielen und an Spieltagen bin ich natürlich auch dabei.

DÄ: Kümmern Sie sich allein um die Spitzenspieler oder um alle Fußballer?

Dimanski: Ich bin allein für die Mann- schaft da. Um den Nachwuchs und die

Amateure kümmert sich eine Ärztin, die Werder unter Vertrag hat.

DÄ:Was macht Ihnen am meisten Spaß als Mannschaftsarzt?

Dimanski:Dass ich schnell sein muss, dass ich effektiv sein muss, dass ich zum sportli- chen Erfolg der Mannschaft beitragen kann.

DÄ:Was ist das Wichtigste, was Sie für Ihre Fußballer tun können?

Dimanski:Dass man immer selbstkritisch bleibt und immer versucht, noch besser zu werden. Dass man immer guckt:Wo gibt es neue therapeutische Möglichkeiten, die man einsetzen könnte?

DÄ:Der Druck auf Spitzenspieler ist si- cher sehr groß. Als Mannschaftsarzt sollen Sie dazu beitragen, dass alle Fußballer ein- setzbar sind. Andererseits müssen Sie deren Gesundheit und Wohlergehen auf längere Sicht im Auge haben.Wie schaffen Sie das?

Dimanski:Dazu braucht man ein gewisses Feeling für die Spieler. Wenn man das hat, dann wird man einen Sportler genau dann bremsen, wenn er schon selbst gemerkt hat: Das geht jetzt nicht mehr. Man wird ihn aber nicht dann stoppen, wenn er selbst merkt, dass es noch geht. Sonst verliert man Autorität.

DÄ:Wie bekommt man ein Händchen dafür?

Dimanski: Das ist sicher Talent. Aber es hilft auch, wenn man selbst Leistungssport getrieben und gemerkt hat, wie die Wir- kungen auf den Körper sind. Und man muss sich natürlich bemühen.

DÄ:Sie sind der Mannschaftsarzt – die freie Arztwahl haben die Fußballprofis von Werder nicht. Wie schaffen Sie es, zu allen Spielern eine gute Arzt-Patient-Beziehung aufzubauen?

Dimanski:Also die Spieler haben natürlich die freie Arztwahl. Das merkt man auch:

Selbst die bekanntesten deutschen Sport- mediziner haben nicht alle Spie- ler so an sich gebunden,dass kei- ner mehr woanders hingeht.

Manche Stars lassen ihren Rücken eben von dem Arzt be- handeln,der sie bei einem frühe- ren Verein gut betreut hat.

DÄ: Ist das schwer für Sie wegzustecken?

Dimanski:Ach, es ist ja nicht so, dass Spieler mit allem zu einem Kollegen oder einer Kollegin draußen gehen. Aber wenn ein erfahrener Spieler kommt, dem einmal bei einem größeren Pro- blem gut geholfen wurde und der nun wieder zum selben Arzt geht – also damit habe ich über- haupt kein Problem. Es ist ja sein Ziel wie meines, dass er wieder einsatzfähig wird.

DÄ:Sie haben kurz erwähnt, dass Wer- der Bremen ein eigenes Reha-Zentrum hat, das Sie leiten. Das ist dann offen für alle Pa- tienten?

Dimanski: Ich bin Leiter des Zentrums und kümmere mich um ein Team von Phy- siotherapeuten, Sportlehrern und so wei- ter. Wir sorgen dort beispielsweise durch ein bestimmtes Fortbildungskonzept dafür, dass alle immer auf einem Niveau sind. Die Therapeuten haben eine Kassen- zulassung und behandeln alle Patienten nach den Heilmittel-Richtlinien. Ich führe A

A1572 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2228. Mai 2004

1 0 7 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

I N T E R V I E W

Hinter den Kulissen von Werder Bremen

„Mich hat fasziniert, wie Leistung zustande kommt“

Mannschaftsarzt Dimanski zu Blessuren, Bürokratie, Berufung

Dr. med. Götz Dimanski (45) ist Mannschaftsarzt bei Werder Bremen, dem diesjährigen Deut- schen Fußballmeister. Manche Delegierten des Deutschen Ärzte- tages haben die Siegesfeiern am 15. und 16. Mai in Bremen mit- bekommen, viele andere, dass die Stadt sich allerorten in den Vereinsfarben Grün und Weiß geschmückt hatte. Dimanski hat umgekehrt den Ärztetag nicht im Detail verfolgt, interessiert sich aber sehr wohl für Gesundheits- politik, vor allem für intelligente Qualitätssicherung.

Foto:Werder Bremen

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außerdem im Zentrum eine kleine Privat- praxis.

DÄ:Ist es von Vorteil, dass Sie Mann- schaftsarzt von Werder sind?

Dimanski:Ich denke ja, aber ohne dass ich das will oder verhindern kann. Die Leute sagen sich eben: Wenn der Mannschafts- arzt ist bei Werder, muss der gut sein. Das ist aber nicht zwangsläufig so.

DÄ: Können Sie Ihre Spitzensportler ganz anders, viel aufwendiger behandeln als selbst Ihre Privatpatienten?

Dimanski:Ich betreibe eine sehr heilmit- telorientierte Medizin, sowohl bei den Spitzensportlern wie bei den Privatpatien- ten. Kassenpatienten könnte ich so aber nicht behandeln.

DÄ:Wieso nicht?

Dimanski: Die Heilmittelrichtlinien und andere Vorschriften binden einen so, dass man nicht effektiv tätig werden kann.

DÄ:Haben Sie dafür ein Beispiel?

Dimanski:Die Heilmittelrichtlinien geben Diagnosen vor, das Heilmittel, das zu ver- wenden ist, und die Anzahl der Behandlun- gen.Es gibt aber keine Möglichkeit,die The- rapie nach der Qualität oder einem sinnvol- len Kriterium laufen zu lassen. Wenn sie ei- nen Patienten mit Kreuzbandplastik behan- deln, steht von vornherein fest, wie lange er mit welchem Heilmittel behandelt werden muss. Niemand legt aber fest: Das Knie muss ergussfrei und frei beweglich sein, da- mit die Therapie beendet werden kann.Nie- mand sagt, wenn man beim Knie den Lys- holm-Score bestimmt, dann müssen so und so viel Punkte erreicht sein, damit die The- rapie beendet werden kann. Niemand sagt, bis zu wie viel Prozent das muskuläre Defi- zit behoben sein muss.Anhand solcher Vor- gaben könnte man eine Therapie aber wun- derbar und für die Krankenkassen nach- vollziehbar betreiben. Aber so eine Thera-

pie kann ich heutzutage leider nur mit Pri- vatpatienten betreiben. Ich habe den Kran- kenkassen meine Vorstellungen aber schon unterbreitet und würde gern alle Patienten in solche Therapieformen einbeziehen.

DÄ:Wie finden Sie es, dass der Deutsche Ärztetag dieses Jahr in Ihrer Heimatstadt veranstaltet wurde?

Dimanski: Ich freue mich, weil es das Re- nommee der Stadt hoffentlich über ihre Grenzen hinaus verbreitet.

DÄ: Haben Sie die Debatten und Be- schlüsse verfolgt?

Dimanski:Nein.

DÄ: Gibt es ein gesundheitspolitisches Thema, das Sie besonders interessiert?

Dimanski: Mich interessieren natürlich Rehabilitation und der Heilmittelsektor.

Man hört überall das Schlagwort Qua- lität, aber niemand ist so richtig an der re- ellen Umsetzung interessiert. Da fühlen sich jetzt vielleicht manche zu Unrecht gescholten. Aber für meinen Bereich ist die Wissenschaft ganz klar viel, viel wei- ter, als es die Umsetzung in der Praxis ge- genwärtig zeigt. Man könnte wirklich qualitativ hochwertiger, besser für die Pa- tienten und im Endeffekt kostengünsti- ger behandeln.

DÄ:Wenn Sie eine Woche lang Bundes- gesundheitsminister wären:Was würden Sie dann tun?

Dimanski: Ich würde mich erst einmal über die laufenden Projekte informieren und dann gucken, was unter den Nägeln brennt. Ich würde die Krankenhäuser re- formieren . . .

DÄ:. . . konkret?

Dimanski:Sie enger mit dem ambulanten Bereich verbinden, ihre Spezialisierung vorantreiben, die Fachärzte an Kliniken

konzentrieren, ihre Ausbildung an Kran- kenhäusern reformieren und dafür sor- gen, dass sie sowohl ambulant wie sta- tionär tätig sind. Außerdem würde ich die hausärztliche Versorgung verbessern. Die Hausärzte müssen so fantastisch ausge- bildet sein, dass sie eine gute Grundver- sorgung sichern können und einen guten Draht zum Krankenhaus und zu den Fachärzten haben.

DÄ: Das ist schon ein Programm für mehr als eine Woche. Um noch einen Punkt hinzuzufügen: Die Entbürokratisierung ärztlicher Tätigkeit war ein wichtiges The- ma des Ärztetags.

Dimanski:Auf jeden Fall!

DÄ:Aha, Zustimmung. Wenn Sie Vor- schläge machen könnten: Wie würden die aussehen?

Dimanski:Ich weiß nur, dass es zu viel da- von gibt. Ich lese regelmäßig das Deut- sche Ärzteblatt, und ich erschrecke mich jedesmal, wenn ich hinten im Heft unter Bekanntgaben lese, was es jetzt wieder an neuen Formularen und Vorschriften gibt.

Das ist unbegreiflich für jemanden, der doch nur Patienten behandeln möchte.

Das alles aufzunehmen und auch noch zu beachten geht kaum. Das muss auf jeden Fall verschlankt werden.Wie, das weiß ich nicht. Vielleicht muss man auf Dauer zu einem System kommen, dass das wirt- schaftliche Risiko von den Ärzten nimmt.

Oder dahin, dass man sie nach Erfolg und Leistung honoriert, also Gesundheit be- zahlt und nicht Krankheit.

DÄ:Viele Ärzte schätzen den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Wie ist das unter Mannschaftsärzten?

Dimanski: Erstens trifft man sich ja bei Spielen. Außerdem hat der Deutsche Fußballbund eine sportmedizinische Kommission. Über sie findet einmal im Jahr ein Treffen in Frankfurt am Main statt, zu dem alle Mannschaftsärzte der ersten und zweiten Bundesliga eingela- den werden. Da kann man über fachliche Dinge sprechen.

DÄ:Wie halten Sie sich fit? Spielen Sie auch Fußball?

Dimanski:Ich bin jetzt Mitte 40 und habe Respekt vor Überlastungsschäden, des- halb spiele ich nicht mehr Fußball. Ich halte mich so fit, wie ich es auch meinen Patienten empfehle: Dreimal in der Wo- che mache ich etwas: ich laufe, gehe auf den Stepper und absolviere für den ganzen Körper, die Beweglichkeit, ein Gerätetraining.Und ich gestalte das so, dass es Spaß macht.

DÄ-Fragen: Sabine Rieser

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2228. Mai 2004 AA1573

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Foto:ddp

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